00:00:00: Hallo, hier sind wir wieder.
00:00:20: Es gibt uns noch.
00:00:21: Ausgelaubt ist in der Haus und euer Unterhaltungsprogramm am Mittwoch morgen.
00:00:28: Genau, womit wir beim Thema wären.
00:00:32: Wir haben letztes Mal über die Kleinfamilie gesprochen und versucht das auch einzuhorten
00:00:39: in den Kontext unserer Staffel, die sich mit den großen Erbinnen und Erben des Christentums
00:00:46: auseinandersetzt, also mit den Ideologien, mit den Weltanschauungen, mit den Lebensentwürfen,
00:00:52: die irgendwo im Zuge der Säkularisierung und des Bedeutungsverlustes des Christentums
00:00:59: an dessen Stelle getreten sind.
00:01:01: Und heute, letztes Mal war schon ein bisschen überraschend vielleicht, dass wir über Familie
00:01:07: gesprochen haben, aber ich denke im Verlauf der Diskussion ist klar geworden, warum das
00:01:12: eigentlich ganz gut in diese Staffel passt.
00:01:14: Und heute reden wir über Ablenkung, Unterhaltungskultur, über eine Zeit und Gesellschaft, die uns nie
00:01:25: da gewesene Möglichkeiten bietet, unseren Geist zu zerstreuen und unsere Seele zu beschäftigen
00:01:34: mit Bildern, Tönen und Eindrücken, Sinnes-Eindrücken, so dass wir möglicherweise gar nie ruhig
00:01:43: genug werden, um uns den ganz großen Fragen zu stellen.
00:01:47: Genau, also es geht um eine mögliche Erbin, einen möglichen Erben des Christentums, der
00:01:55: nicht durch eine besonders gute Idee besticht oder eine alternative Ideologie anbietet,
00:02:03: sondern uns ganz schlicht davon abhält, dass wir uns überhaupt mit solchen Fragen beschäftigen
00:02:09: müssen, wie unsere Endlichkeit, dem Sinn des Lebens etc., weil wir ganz einfach die
00:02:16: Möglichkeit haben, schmerzfrei Spaß zu haben, die kleinen Dopaminausschüttungen zu konsumieren,
00:02:23: indem wir swipen und uns lustige Katzenbilder, Memes und Videos anschauen.
00:02:29: Ja, genau, genau.
00:02:30: Vielleicht hilft es zum Einstieg, wenn wir uns vergegenwärtigen, gerade in dieser Hinsicht,
00:02:37: hier geht es ja eigentlich um technischen Wandel, auch um technischen Fortschritt, der sich
00:02:41: aber eben kulturell und gesellschaftlich ganz massiv in einem anderen Selbstverständnis
00:02:46: und einem anderen Freizeitverhalten niederschlägt.
00:02:49: Vielleicht hilft es, wenn wir uns vor Augen führen, wie fundamental sich die Verhältnisse
00:02:55: verändert haben von der Zeit unserer Großeltern über die Zeit unserer Eltern bis zu unserer
00:03:02: heutigen Lebensrealität.
00:03:04: Stefan, wie haben deine Großeltern ihre Feierabende verbracht und Wochenenden?
00:03:10: Also, es gab ja da die große Zäsur und über diese Zäsur schreibt Neil Postman ganz besorgt
00:03:18: in seinem Buch "Wir amüsieren uns zu Tode" und das war der Fernseher, also das Fernsehgerät,
00:03:24: das eingeführt worden ist.
00:03:25: Vor, war es wirklich so, dass das Wochenende eine Mischung war zwischen sich ausruhen,
00:03:32: also aber wirklich regenerieren, auch mal ausschlafen können, einen Mittagsschlaf machen,
00:03:38: die hatten ein Geschäft, das sie geführt haben unter der Woche und auch am Samstag
00:03:44: noch und dieser Sonntag, der war dann wirklich so die Möglichkeit, sich einfach wieder zu
00:03:49: erholen.
00:03:50: Ich weiß von meiner Großmutter und meinem Großvater, dass sie leidenschaftliche Leser
00:03:54: waren und nur damit wir uns richtig verstehen, die waren nicht Bildungsbürger, die haben
00:04:01: nicht studiert, die haben keine Matura gemacht, aber die haben Romane verschlungen und Biografien
00:04:07: gelesen.
00:04:08: Also, mein Großvater hat diese ganzen Churchill Memoen gelesen.
00:04:11: Das war sein Programm und er hat sich mit Freunden getroffen, die hatten, ich weiß gar
00:04:17: nicht, ob man das kennt, überall, aber das heißt "Ißstöckel".
00:04:21: Das ist quasi ein Spiel, das so auf einem Eisfeld spielen kannst, aber nicht wie Curling,
00:04:27: also nicht so kompliziert und voraussetzungsreich.
00:04:30: Und das waren Freizeitbeschäftigungen, Erholung, dann der Stammtisch am Abend, der musste
00:04:35: gar nicht unbedingt am Wochenende sein, zusammen jassen, in einem Gesellschaftsspiele, war
00:04:41: es sehr wichtig.
00:04:42: Und du hast jetzt gerade auf meine Großeltern abgezielt, ich habe mir überlegt, weil du
00:04:47: schon bei meinen Eltern und in meiner Kindheit war das ganz anders.
00:04:51: Also, da hatten wir dieses Fernsehprogramm und durften uns da in einem bestimmten Zeitrahmen
00:04:58: mit diesen Leuchtstiften anstreichen, was wir sehen wollen.
00:05:01: Und wenn es zu spät war, dann mussten wir das auf VHS-Kassetten aufzeichnen und durften
00:05:06: es dann tagsüberschauen.
00:05:08: Man hat das Radio zum Beispiel abgestellt, wenn wir gegessen haben.
00:05:13: Also, wenn sich die Familie an den Tisch gesetzt hat, haben wir das Radio ausgemacht.
00:05:17: Wer undenkbar gewesen war, dass wir da irgendwie eine Radiosendung hören, wären wir essen.
00:05:22: Und wenn ich jetzt an heute denke, dann bin ich wirklich stolz, wenn ich es schaffe, während
00:05:29: einem ganzen Abendessen, dass wir vielleicht sogar auf der Couch vor dem Fernseher verbringen
00:05:34: mit der Familie nicht auf mein Handy zu schauen.
00:05:37: Ja, also die quasi, die Zweitbenutzung der Geräte ist heute die große Anfechtung.
00:05:43: Die Erstbenutzung ist quasi schon Selbstverständlichkeit.
00:05:47: Es gibt eine Berieselung durch irgendeinen multimedialen Kanal.
00:05:52: Ja, also ich habe das natürlich endlich erlebt.
00:05:55: Bei uns war sogar der Fernseher noch eine Zeit lang verpönt.
00:05:58: Wir haben dann erst, glaube ich, in meiner frühen Teenagerzeit einen Fernseher angeschafft.
00:06:04: Und zwar ein unglaublich kleines Teil.
00:06:06: Das war tiefer, als es hoch und breit war.
00:06:10: Und das ist dann auch, mein Vater hat sich extra einen Portabeln.
00:06:15: Also Portabel, da lässt sich streiten.
00:06:18: Also meine Mutter konnte ihn kaum tragen, weil er so schwer war.
00:06:21: Aber einen Portabeln Fernseher mit Griff gekauft.
00:06:24: Und der ist dann auch immer wieder im Keller verschwunden.
00:06:27: Und übers Wochenende, wir haben den nur gezielt hochgeholt, um irgendwie einen Film zu sehen
00:06:34: oder irgendwie die Tagesschau oder so.
00:06:37: Und dann hat man den wieder verräumt.
00:06:40: Und ich bin da eigentlich relativ lange, ich bin völlig ohne eigenen Fernseher natürlich aufgewachsen.
00:06:47: Und sehr lange auch ohne Fernseher überhaupt oder über lange Zeit hinweg gab es bei uns dann keinen Fernseher.
00:06:54: Dann hat man irgendwie Musik gehört oder weiß ich was.
00:06:57: Also verklären möchte ich die Zeit nicht.
00:06:59: Man hatte auch früher schon Gelegenheit, seine Zeit sinnvoller oder weniger sinnvoll zu verbringen.
00:07:06: Und sich zu zerstreuen, das konnte man auch ohne Fernseher schon.
00:07:10: Aber es ist doch eine unglaubliche Transformation des Alltags und des Freizeitsverhaltens eingezogen.
00:07:20: Mit der Verbreitung, vor allem dann von Smartphones.
00:07:23: Also die Vorstellung, dass man keine Pinkelpause mehr machen kann, ohne seine Social Media zu checken.
00:07:30: Und vielleicht irgendwie auf dem Topf noch eine E-Mail zu beantworten oder im schlimmsten Fall sogar eine Sprachnachricht und so.
00:07:38: Das sollte man nicht.
00:07:41: Ja, ich habe Freunde, die telefonieren auch auf dem Klo.
00:07:45: Aber ich will jetzt keine Namen nennen.
00:07:47: Aber ...
00:07:49: Püße gehen raus an.
00:07:51: Ja, genau.
00:07:55: Aber es ist schon verrückt.
00:07:56: Also die Selbstverständlichkeit mit der heute jede freie Pause, jede natürliche Unterbrechung,
00:08:04: die sich im Alltag ergibt vom Warten auf den Zug oder auf den Bus,
00:08:10: über eben irgendwie die Verrichtung der Notdurft bis hin zu irgendwelchen Pausen, die sich spontan ergeben.
00:08:19: Oder auch unterwegs natürlich.
00:08:21: Man geht zu Fuß irgendwo hin und stößt ja ständig auch bei mir im ÖV-Betrieb und so.
00:08:29: Und stößt ständig zusammen mit Leuten, die auch auf den zum Bahnhof laufen oder unterwegs zur nächsten Straßenbahn sind
00:08:37: und mit ihrem Handy eigentlich leicht blau beleuchteten Gesichtes durch die Gegend gehen
00:08:45: und dann zusammenstoßen.
00:08:47: Wieso irgendwie, keine Ahnung, orientierungslose Käfer.
00:08:53: Das ist schon verrückt.
00:08:56: Ja.
00:08:58: Aber lass uns vielleicht nochmal zurückgehen zur Zeit, als wir Kinder waren
00:09:03: und diese Idee von Neil Postman in seinem Buch "Wir amüsieren uns zu Tode" ganz groß aufgekommen ist.
00:09:12: Es ist ja eine wirklich sehr, sehr hart Kulturkritik.
00:09:16: Man könnte jetzt in religiöser Sprache sagen, es ist eine Art Profitie,
00:09:21: die uns den intellektuellen, kulturellen technologischen Zerfall voraussagt
00:09:29: und das jetzt auch nicht kontrastiert mit einem Programm, das uns retten könnte,
00:09:35: sondern es ist eigentlich schon der Anspruch zu beschreiben, wie es mit uns zu Ende geht.
00:09:40: Und nochmal, oder Auslöser war nicht das Internet,
00:09:43: Auslöser war nicht die Smartphones, sondern wirklich die Unterhaltungselektronik im Sinne von Radio und TV.
00:09:52: Ja, ja.
00:09:53: Und in der Hinsicht ist es eigentlich schon auch ein weitsichtiges Buch gewesen von Neil Postman.
00:10:01: Er ist übrigens ein amerikanischer Medienwissenschaftler,
00:10:05: der da doch sehr stark eben, wie du sagst, kulturkritische Töne anschlägt und sagt,
00:10:10: ja, der Fernseher, also seine Kritik ist eigentlich, der Fernseher führt dazu,
00:10:16: dass eigentlich das ganze Leben nach dieser Unterhaltungsmatrix durch geprägt wird.
00:10:24: Und die Logik des Fernseher, diese Unterhaltungslogik, das war seine Kritik,
00:10:30: die greift über in den politischen Diskurs, in Religionen, in alle Lebensbereiche,
00:10:38: in allen Lebensbereichen kommt quasi diese Unterhaltungslogik dann zum Zuge.
00:10:44: Und seine Kritik ist, dass es zu einer Verflachung des Diskurses führt,
00:10:49: dass die Gespräche, die Diskussionen, der Austausch von Meinungen immer oberflächlicher wird, immer enger getaktet.
00:10:57: Es muss Spaß machen, es muss kurz und frisch und frech und provokativ und weiß nicht was sein.
00:11:03: Und da geht eben dann die nötigen Differenzierungen verloren und letztlich diagnostiziert er oder prognostiziert er
00:11:15: den Verlust des kritischen Denkens, also dass die Gesellschaft tatsächlich die Fähigkeit verliert,
00:11:21: durch dieses Unterhaltungsmainstreaming die Fähigkeit verliert,
00:11:28: ein kritisch differenziert zu denken und das ist für ihn natürlich eine ganz, ganz fatale Diagnose,
00:11:36: weil kritisches Denken auch für die eine lebendige Demokratie absolut entscheidend ist.
00:11:42: Also die Menschheit, die Gesellschaft wird anfällig für alle möglichen Ideologien und alle möglichen Abgründe,
00:11:50: wenn sie diese Fähigkeit zum kritischen Austausch verliert.
00:11:55: Also da geht es dann doch steil bergab bei Neil Posman.
00:11:59: Und das hängt ja für ihn damit zusammen, dass er sagt, naja, Medien sind durch ihre Eigenlogik,
00:12:08: also weil sie ja unterhalten wollen, eigentlich so aufgebaut, dass sie aber nicht auf Information und Bildung setzen,
00:12:17: sondern uns einfach belustigen, unterhalten, aussehren möchten.
00:12:22: Und seine Idee ist ganz einfach gesagt, das was wir jetzt im Show-Business, also eben wir sind 70er-Jahren, sehen,
00:12:29: das ist quasi das Roll-Model für alles, was in der Gesellschaft irgendwie noch zur Kenntnis genommen werden will.
00:12:36: Ja, ja.
00:12:38: Das ist der Eintrittspreis quasi, den man bezahlt, oder?
00:12:41: Dass man sagt, okay, wir bringen das Zeug auf Kurzweilige, unterhaltsame Formate,
00:12:47: dadurch schwinden alle Nüonzen, Komplexitäten, kann nicht mehr gerecht werden.
00:12:53: Und das ist eine Kritik, ich glaube, die einem begeisterten Zeitungsleser zur damaligen Zeit wirklich eingeleuchtet hätte.
00:13:02: Ja, und das ist jetzt ein ganz entscheidendes Stichwort.
00:13:06: Neil Postman übt seine Kritik auf dem Hintergrund eines Paradigmenwechsels von der Schriftkultur hin zur Bildkultur oder vom Text hin zum Symbol oder zum Bild,
00:13:21: vom Lesen hin zum Schauen.
00:13:25: Und das ist für ihn eine ganz entscheidende und fatale Weichenstellung auch.
00:13:29: Das er sagt, bei Texten, da geht es um differenziertes analytisches Wahrnehmen, da wird die Vorstellungskraft aktiviert,
00:13:37: da werden quasi Denkräume geöffnet und beim Sehen, beim Schauen, beim Fernsehen, da werden Dinge präsentiert,
00:13:47: da wird die Vorstellungskraft geschlossen, da wird, da sieht man ja schon, wie es ist, da muss man nichts mehr dazu, dazu fügen in seiner Vorstellungswelt.
00:13:57: Und was du vorhin gesagt hast, mit der Eigenlogik, da könnte man zurückgreifen auf Marshall McLuhan, auf sein berühmtes Diktum, "The Medium is the Message".
00:14:06: Also Neil Postman war der Überzeugung, dass eben wenn man sich auf diesen Fernseher und auf diese Unterhaltung durch Fernsehen eingelassen hat,
00:14:19: dann geht es nicht anders als das der Diskurs verflacht, also die Eigenlogik des Fernsehers, die dieses Unterhaltungsdiktat aufzwingt.
00:14:30: Die lässt gar keine Möglichkeit offen in früherer differenzierter analytischer Weise politische Diskurse zum Beispiel zu führen,
00:14:40: sobald man Politik ins Fernsehen bringt, Talkshows, Polizsendungen, sobald man dieses Medium bespielt,
00:14:48: ist man dieser Eigenlogik unterworfen und greift zu Verkürzungen, Polemisierungen, zu Vereinfachungen, weil das Medium das fordert.
00:14:58: Anders geht es gar nicht so.
00:15:00: Ja, das finde ich eine spannende Frage so uneinmäßig.
00:15:05: Also ist quasi das Unterhaltungsprogramm maßgeblich daran beteiligt,
00:15:13: unsere Gehirne und Informationsverarbeitungszentren so zu strukturieren, dass wir nur noch auf Unterhaltung gepolt sind?
00:15:22: Oder ist unser Gehirn eigentlich so, dass wir unterhalten werden wollen und dabei vielleicht sogar ganz viel lernen, Nebentese?
00:15:32: Und das Fernsehen hat dafür einfach ziemlich früh sehr gute Formate gefunden, um das zu tun.
00:15:40: Jetzt könnte man natürlich sagen, ja, also wenn man sich überlegt, welchen Differenzierungsgrad man in einem Teil einer Wochenzeitung zum Beispiel begegnet
00:15:53: und sich damit auseinandersetzen kann, dann ist das schon ein sehr anderes Niveau, als wenn man sich das in einer kurzen Infosendung anschaut.
00:16:01: Ich frage es nur, ob das der richtige Vergleich ist oder ob die, die jetzt diese Infosendungen schauen, früher eigentlich immer die NCZ gelesen haben.
00:16:11: Also das müsste ja dann so sein, sonst wäre es bloß eine andere Zielgruppe.
00:16:16: Ja, ich bin sehr skeptisch, was diese These angeht, weil ich denke so, man hatte das zunächst als das Radio aufgekommen ist.
00:16:24: Man hatte Angst, dass die Schrift verschwindet.
00:16:27: Und heute würden wir sagen, na ja, wenn wir an Qualitätsmedien denken, dann gehört dazu ganz bestimmt auch die BBC oder das SRF.
00:16:36: Also zum Beispiel jetzt Echo der Zeit finde ich eine der großartigsten täglichen Informationssendungen, die es überhaupt gibt.
00:16:44: Das ist für mich der Referenzpunkt und da habe ich gar keine Angst, einen Nachteil zu haben, dass ich das jetzt nicht mitlese oder nachlese.
00:16:52: Ja, ja, also ich glaube auch in dieser apodiktischen schwarz-weiß Version ist die Kulturkritik von Neil Postman zu scharf.
00:17:02: Man muss da schon ein bisschen näher hinschauen und deine Rückfrage finde ich völlig berechtigt.
00:17:08: Also wenn man jetzt das Gefühl hat, es kann dann auch schnell etwas Elitäres haben, dass man, weißt du, dass so der Bildungsbürger sich dann ärgert über die breite Masse,
00:17:21: die da vor dem Fernseher verdummt und so und ich frage mich, ob es nicht auch gegenläufige Effekte gibt, dass Menschen, die vielleicht nicht unbedingt ein philosophisches Sachbuch in die Hand nehmen würden,
00:17:34: dann doch Sternstunde-Philosophie im Schweizer Fernsehen oder irgendein anderes Format schauen, in dem gepflegt, aber verständlich oder mehrheitlich allgemein verständlich,
00:17:46: durchaus anspruchsvolle Themen aufbereitet werden. Also das kann ja auch schon den gegenteiligen Effekt haben.
00:17:52: Also ein bisschen schärfer stellen muss man da schon. Aber ich glaube, Neil Postman hat etwas scharfsinnig gesehen, dass das Fernsehen, die Unterhaltungs-Multimedia-Kultur und von da ausgehend eben dann auch,
00:18:09: das hat er natürlich nicht wissen können, aber das ist quasi, kann man auf eine Linie legen, dann auch Internet, Smartphones, Social Media und so weiter,
00:18:19: dass das zu einer fundamentalen Umweltsung des Lebensgefühls und des Alltags von Gesellschaftsteilnehmer*innen geführt hat.
00:18:29: Das hat er gespürt. Also Fernsehen ist nicht einfach nur was, da kann man dann abends eine halbe Stunde oder eine Stunde sich noch beriesen lassen.
00:18:38: Nein, da wird etwas umformatiert gesellschaftlich. Das hat er gesehen und das finde ich einleuchten da eigentlich.
00:18:46: Ja, ich finde diese Beobachtung auch sehr einleuchten. Also ich glaube, dass dieses Medium Fernsehen wirklich die Kraft hatte, Leute über einen langen Zeitraum vor das Gerät quasi zu binden, dort zu versammeln.
00:19:01: Und gerade in der Zeit, wo Fernsehen eigentlich einfach live war und sich, wie man so sagt, die Nation vor dem TV versammelt hat, um jetzt Benissimo zusammenzuschauen oder dem Karl Dahl zuzuschauen oder sowas,
00:19:17: das sind ganz bestimmt sehr starke Momente, die man jetzt nicht vergleichen könnte mit der Publikation eines neuen Karl-Mai-Bandes.
00:19:25: Aber, und da würde ich halt sehr widersprechen, ich glaube nicht, dass es zutreffend ist, zu sagen, dass das jetzt unbedingt mit einem Qualitätszerfall einhergehen muss.
00:19:38: Also diese Sendungen waren wahnsinnig gut darin, Menschen zu unterhalten.
00:19:44: Und ich glaube aber auch, dass Menschen danach über diese Sendungen gesprochen haben, die sie sich angeschaut haben.
00:19:50: Dass das quasi wie zu einer früheren Zeit, diese Taschenbuchromane eigentlich etwas war, worüber man sich unterhalten konnte.
00:19:59: Und zwar nicht etwas, was diese Unterhaltung ersetzt hat.
00:20:04: Und wenn man sich jetzt anschaut, na ja, also wie viel Bildung steckt denn in Karl-Mai?
00:20:09: Also was lernst du da wirklich über die Welt oder eigentlich lernst du da was über die Vorstellung, die ein Mensch, der nie dort war, sich gemacht hat über Indiana?
00:20:19: Und du lernst viel über sein eigenes denken.
00:20:22: Aber das würde ich sagen, na ja, das ist jetzt nicht grundsätzlich anders als wenn ich Joko und Klaas zuschaue bei Pro7 oder Reality TV Streamer, oder?
00:20:32: Ja, ja, ja. Und ich würde das auch sagen, es ist noch nicht ein grundsätzliches Urteil über die Qualität, die Frage nach dem Medium, auf dem das stattfindet.
00:20:43: Ich habe mir nur gerade ausgemalt, was Neil Postman sagen würde, wenn er sich mal so ein paar Stunden auf TikTok aufhalten würde.
00:20:51: Der wird sich wahrscheinlich so schnell im Grabe drehen, dass man Strom erzeugen könnte.
00:20:55: Aber das ist doch jetzt die wirkliche Änderung.
00:21:00: Und jetzt müssen wir aufpassen.
00:21:02: Also zur Zeit unserer Eltern, was Neil Postman, der eben gesagt hat, alles wird mega schlimm.
00:21:09: Und jetzt heute sind wir quasi die Generation, die sagt, ja, schau dir mal an, was passiert, wenn man auf TikTok Politik macht, dann gewinnt sogar die AfD.
00:21:17: Ja, mit 30 Sekunden Videos, ja.
00:21:20: Genau, die verblöden ja alle.
00:21:23: Und ich bin nicht ganz dagegen, aber vielleicht müssen wir einfach ein bisschen vorsichtig sein und sagen, okay, schon, also schon der Buchdruck galt als Vulgarisierung des Wortes.
00:21:37: Dann kam das Radio, das war quasi das Ende des Denkens.
00:21:41: Dann kam der TV, das war das Ende des Abendlandes.
00:21:45: Und wenn wir jetzt über TikTok sprechen, dann sollten wir vielleicht auch sehen, naja, also untergegangen ist die Welt ja bis jetzt nicht.
00:21:52: Nein.
00:21:53: Durch all diese großen Medienkrisen, durch die wir gegangen sind.
00:21:57: Ja.
00:21:58: Aber ganz bestimmt hat sich etwas verändert.
00:22:00: Und deswegen finde ich es ein wichtiges Thema, wenn wir fragen, was tritt an die Stelle christlicher Religion.
00:22:06: Weil wir jetzt nicht einfach eine Unterhaltungssendung haben, die von Viertel nach acht bis Viertel nach zehn läuft und die wir uns anschauen können,
00:22:16: sondern die aller, aller meisten von uns haben Smartphones, mit denen sie permanent kleine, witzige Highlights sich reinziehen können.
00:22:27: Also seien das in Stareels, seien es TikToks, seien es die Snaps.
00:22:32: Also überall da wird in erster Linie gar nicht unbedingt Informationen, sondern Unterhaltung wirklich schnell und effektiv geboten.
00:22:44: Ja, in kleinen quasi in Sushi-Häppchen verpackt für jede auch noch so kleine Pause und Unaufmerksamkeit,
00:22:53: was ich mich schon ertappt habe, während Sitzungen und während Versuchen einen Text zu schreiben und weiß nicht was,
00:23:01: dann plötzlich schweift man ab und ist irgendwie auf einem Video oder einem kurzen Inhalt.
00:23:08: Und das ist, da könnte man jetzt natürlich ein neues Buch schreiben und die große Zerstreuung der Gesellschaft beklagen.
00:23:17: Die Frage ist jetzt im Blick auf unser Staffelthema.
00:23:21: Ist es nicht doch bei allen Differenzierungen auch etwas, was man kritisch ins Auge fassen muss,
00:23:29: dass die Auseinandersetzung mit diesen großen Fragen des Lebens unter Umständen einfach ertränkt wird
00:23:38: im Banalitäten-Zunami vor der sozialen Medien.
00:23:43: Also ich weiß von vielen auch Jugendlichen, die zum Beispiel nicht mehr einschlafen können,
00:23:50: ohne sich die Kopfhörer aufzusetzen und irgendein Podcast anzumachen oder irgendein YouTube-Video laufen zu lassen,
00:23:58: die schlafen regelmäßig.
00:24:00: Früher gab es das aber auch schon.
00:24:01: Ein Freund von mir, der konnte ohne Fernseher nicht einschlafen.
00:24:04: Der hat einfach, der hat immer die ganze Nacht durch ist der Fernseher gelaufen.
00:24:08: Der ist immer so eingeschlafen, aber das ist so diese Dauerberieselung, wo man nicht einmal in den letzten Sekunden eines Tages,
00:24:16: wenn man die Augen schließt, noch mal bei sich selbst ankommt, sondern da noch quasi mit fremden Stimmen im Ohr den Schlaf findet.
00:24:24: Also das ist ja schon, ja, das kann man schon auch problematisch.
00:24:30: Man kann das kritisch sehen und die Frage ist, wo diese Kritik ansetzen muss.
00:24:35: Also Neil Postman, über den wir gesprochen haben, der bezieht sich ja unter anderem auch auf all those Huxleys "Brave New World".
00:24:43: Ja, genau.
00:24:44: Und da geht er ja davon aus, also jetzt Huxley, dass ein Problem in seiner Zukunfts-Distopie besteht darin,
00:24:53: dass wir mit lauter trivialen Informationen quasi überflutet werden, die uns manipulieren.
00:25:00: Also man hält uns nicht einfach Informationen vor, sondern wir sind in einem Strom von Informationen,
00:25:06: so dass wir überfordert sind und gar nicht mehr zwischen relevant, irrelevant unterscheiden können.
00:25:12: Ja.
00:25:12: Und das ist schon etwas, wo ich sagen würde, ja, das hat einen Punkt.
00:25:17: Das erlebe ich übrigens ganz stark in meinem Beruf.
00:25:23: Also dieses ständige Online-Sein, dieses permanent erreichbar sein, das ist schon etwas,
00:25:29: das macht etwas mit mir.
00:25:31: Ja.
00:25:31: Und es ist sehr, sehr viel schwieriger nach einem solchen Tag für mich abzuschalten und irgendwie Ruhe zu finden,
00:25:39: als es das war, als ich zum Beispiel als Lehrer an einer Schule gearbeitet habe.
00:25:45: Ja.
00:25:45: Oder da haben mich gewisse Gespräche mit nach Hause begleitet und ich habe über diese Gespräche nachgedacht und geredet.
00:25:53: Aber so dieser Stress von deinem Telefon klingelt, E-Mails kommen rein, auf MS Teams,
00:26:00: kommen Chat nachrichten, jemand hat ja eine Aufgabe gestellt auf MS Teams.
00:26:04: Und alles ist immer gleichzeitig und alles ist immer wichtig.
00:26:08: Ja.
00:26:09: Und du bist quasi verantwortlich dafür, nichts davon zu verpassen.
00:26:13: Und das löst einen solchen Stress aus, dass vielleicht, und das wäre jetzt eine leichte Gegentehse
00:26:20: vielleicht zu dem, was du gesagt hast, diese Berieselung selbst wieder eine Technik ist,
00:26:26: um aus diesem Schwall rauszukommen.
00:26:29: Ja.
00:26:30: Also ein bisschen habe ich mich ertappt gefühlt.
00:26:32: Weißt du, was du gesagt hast, dass mir Kopfhörern einschlafen.
00:26:34: Ich schlafe immer mit Kopfhörern ein.
00:26:36: Ach, krass.
00:26:37: Aber ich höre immer etwa die fünf gleichen Hörbücher,
00:26:41: einfach weil diese Stimme mir hilft, einzuschlafen.
00:26:45: Hahaha.
00:26:46: Ja.
00:26:47: Okay.
00:26:48: Okay.
00:26:49: Ja, aber ich kann dem natürlich viel abgewinnen.
00:26:51: Ich würde jetzt nochmal infrage stellen, ob das die richtige Art und Weise oder ob das eine nachhaltige Art ist,
00:26:57: sich aus diesem Hustle, aus diesem Daily Hustle rauszubegeben,
00:27:03: wenn man sich dann irgendwie Katzenvideos oder Pinkouine anschaut, die umfallen oder so.
00:27:08: Aber ich kann dem durchaus was abgewinnen und was du jetzt gerade vorhin so als Alltagsrealität geschildert hast.
00:27:15: Das geht mir nicht anders.
00:27:17: Also ich habe mich, als du erzählt hast, erinnert, dass ich gestern nach zum Elf noch irgendwie Kommentare beantwortet habe,
00:27:24: die auf RefLab reingekommen sind.
00:27:26: Weil ich gestern daran erinnert wurde, jetzt seit mehreren Tagen keine Kommentare mehr beantwortet zu haben.
00:27:33: Und die ersten kommen dann schon mit Posten ein paar Fragezeichen.
00:27:37: So quasi, wo kommt der jetzt, der Manuel?
00:27:38: Wann kommt meine Antwort?
00:27:40: Und dann habe ich irgendwie mitten in der Nacht praktisch noch 20 Kommentare geschrieben
00:27:46: und beantwortet und da hat man, da schleicht sich dann schon das Gefühl ein,
00:27:52: dass man einfach nicht mehr zur Ruhe kommt, dass man so aufgescheucht ist.
00:27:58: Und das fühlt sich, das fühlt sich nicht gut an und beginnt aber am nächsten Morgen bereits wieder,
00:28:04: wenn um um 6 Uhr von "Salando Lounge" die Nachricht kommt,
00:28:08: dass jetzt irgendwie die große Nike-Aktion startet und die ersten Nachrichten reinkommen.
00:28:14: Da eine gute Psycho-Hygiene zu pflegen, um das einigermaßen sich vom Leib zu halten,
00:28:21: das ist eine Herausforderung, die ich noch nicht gemeistert habe.
00:28:24: Und dann ist es doch so schwierig, weil eigentlich gäbe es ja für alles technische Lösungen.
00:28:31: Man kann das ganze Zeug muten, dann kriegt man nichts mit.
00:28:35: Und manchmal, wenn ich wirklich etwas lesen muss oder will oder wirklich etwas schreiben soll,
00:28:42: dann schalte ich das wirklich alles ab. Es geht sonst gar nicht.
00:28:46: Man kann ja wirklich nicht mehr denken, wenn das alles aufpuppt.
00:28:51: Aber das Problem ist immer, dass nach einer solchen Phase,
00:28:55: sagen wir mal, drei Stunden lang hast du alles ausgeschaltet gehabt
00:28:59: und dann aktivierst du das wieder, dann weißt du einfach,
00:29:02: okay, die nächste Stunde bin ich beschäftigt.
00:29:04: Also es ist quasi wie Zeit, die man aufschiebt.
00:29:08: Ein bisschen so, wie man den Briefkasten wochenlang nicht gelernt hat.
00:29:14: Ja, ja.
00:29:15: Ich habe mir jetzt nur mal überlegt, welche Apps sind quasi für mein ganz normales Sozialleben so wichtig,
00:29:24: dass ich sie einfach benutzen muss, ohne dass jetzt irgendein Fun Faktor schon dabei ist.
00:29:31: Ja.
00:29:32: Dann habe ich mal auf jeden Fall WhatsApp. Da werde ich über den Job aber auch von Freunden,
00:29:41: von Eltern, mit denen sich meine Kinder verabreden etc. kontaktieren.
00:29:46: Also WhatsApp, WhatsApp kannst du nicht ausschalten.
00:29:50: Dann habe ich diese Funktion, dass wenn jemand anruft und es ist besetzt,
00:29:55: dann sprechen die irgendwas so auf die ComBox und dass das aufpuppt, das ist dann eine SMS.
00:30:00: Also muss ich das auch anhaben, also WhatsApp, SMS.
00:30:03: Dann habe ich Signal, weil die Eltern vom Fußballverein wollen nur über Signal miteinander sprechen.
00:30:10: Dann habe ich Trima, weil Leute, mit denen ich zusammenarbeiten muss,
00:30:15: so einen bestimmten Thema, die nutzen alle nur Trima.
00:30:18: Also da kommt auch nicht raus.
00:30:22: Und dann sollte ich ja ab und zu noch auf Social Media Kommentare und Dinge beantworten,
00:30:27: zu Dingen, die wir da hochgeladen haben.
00:30:30: Und das ist jetzt alles noch nicht mal Spaß.
00:30:32: Und dann kommen dazu noch E-Mails, MS Teams Jets, MS Teams Anrufe, das Aufgabenboard von MS Teams.
00:30:40: Also ich komme so ziemlich locker einfach auf 10 Applikationen, die ständig auf Standby sein mögen.
00:30:46: Und auf die ich eigentlich reagieren muss.
00:30:48: Ja voll, ja voll. Es geht nicht genau zu Telegram.
00:30:51: Neuerdings. Ja also Telegram bin ich nicht aber Klub,
00:30:54: weißt nicht ob du das kennst, das ist jetzt eine App der Schule,
00:30:58: da läuft die Kommunikation da drüber, dann haben die aber
00:31:02: Sicherheitshalber nicht alles auf Klub gemacht,
00:31:04: sondern haben noch so was wie ein virtuelles Klassenbuch,
00:31:07: das ist auch eine App, da kommen auch noch Dinge rein.
00:31:10: Also es ist wirklich verrückt.
00:31:12: Ja, ja, das ist echt verrückt.
00:31:14: Und dann gehe ich irgendwie alle halbe Jahre mal wieder auf LinkedIn
00:31:18: und habe dann 50 Nachrichten von Leuten, die mir zum Geburtstag gratulieren,
00:31:22: der schon ein Jahr her ist, ein Monat her ist.
00:31:25: Und ich merke, oh, da war ich auch schon länger mal nicht mehr.
00:31:29: Ja, also das ist die Klage zweier Menschen, die doch durch die
00:31:35: unglaublichen auch technischen Fortschritte um Möglichkeiten
00:31:39: der Kommunikations- und Unterhaltungstechnik und Kultur
00:31:43: doch recht im Beschlag genommen werden.
00:31:46: Und von daher ist die Frage berechtigt, also was macht das mit uns
00:31:51: und inwiefern tritt ein solches übervolles,
00:31:58: überunterhaltenes Leben an die Stelle einer christlichen Existenz?
00:32:04: Ja, ich würde sogar noch etwas verschärfen, also Neil Postman
00:32:07: hat uns eigentlich versprochen, dass wir uns zu Tode amüsieren.
00:32:11: Ja.
00:32:12: Und ganz vieles von dem, was ich jetzt geschildert habe,
00:32:15: also ich wollte mich auch nicht beklagen drüber quasi in dem Sinne,
00:32:19: weil ich meine nur, das ist jetzt eigentlich gar nicht so amüsant.
00:32:22: Das macht nicht mal Spaß.
00:32:24: Das Allermeister macht gar nicht so viel Spaß, also E-Mails zum Beispiel
00:32:27: machen nie Spaß.
00:32:29: Nein, nein.
00:32:30: Ich weiß keine E-Mail, die je Spaß gemacht hat,
00:32:33: aber das gehört ja da alles in unserer Realität jetzt auch dazu.
00:32:39: Also es ist ja eben nicht nur die tolle Unterhaltungsindustrie,
00:32:43: die zum Konsum einlädt.
00:32:45: Und deswegen finde ich halt, müssten wir, wenn wir jetzt über solche
00:32:49: Möglichkeiten, die uns TikTok, Snapchat, InstaReals etc. bieten,
00:32:54: das auch im Kontrast zu diesem ganzen Beschäftigungsprogramm
00:32:59: sehen, von dem wir uns vielleicht ablenken.
00:33:02: Ja, ja, ja.
00:33:04: Ja, und da haben wir jetzt noch nicht mal drüber gesprochen,
00:33:08: weil das wäre ja auch noch ein interessantes Feld,
00:33:11: inwiefern das auch die Realität von Kirchen transformiert hat.
00:33:16: Also diese ganzen technischen Errungenschaften
00:33:19: und auch diese Unterhaltungsmöglichkeiten,
00:33:22: Unterhaltungsindustrie inwieweit die in kirchliche Realitäten,
00:33:27: in Gottesdienste und so weiter einzugehalten hat.
00:33:30: Und was das auch mit der Art und Weise macht,
00:33:34: in der Menschen ihren christlichen Glauben pflegen,
00:33:38: wenn sie ihn noch nicht ersetzt haben durch solche Medien?
00:33:42: Ja, das eine, wenn man sich fragt,
00:33:45: okay, inwiefern ist Kirche, Social Media,
00:33:49: kommunikationsförmig geworden quasi?
00:33:51: Das wäre so die eine Richtung.
00:33:53: Das andere ist aber auch, wenn wir jetzt sagen,
00:33:57: es gibt gewisse Grundgesetze, die in der Kommunikation auftauchen.
00:34:02: Also nehmen wir Neil Postmans Unterhaltungssendungen
00:34:06: und nehmen dann erfolgreiche YouTube-Channels,
00:34:11: der Gegenwart, Podcasts, sie laufen etc.
00:34:14: Dann zeichnen sich ja da schon gewisse Muster ab.
00:34:17: Also entweder, die Dinge sind einfach unterhaltsam.
00:34:21: Also ich habe im Moment zum Beispiel,
00:34:23: habe ich wahnsinnig Freude an diesen kleinen Videos,
00:34:26: wo man französische Bulldoggen verarscht.
00:34:29: Ich glaube, ich habe dir auch mal so eins geschickt,
00:34:32: also so ein riesiger Schäferhund springt über einen Fluss
00:34:36: und dann heißt es so, was Hunde tun können
00:34:39: und dann kommt eingeblendet so eine dicke französische Bulldogge,
00:34:43: die versucht auf Sofa zu krakseln und scheitert
00:34:46: und dann heißt es, das ist das, was mein Hund macht.
00:34:49: Und so was finde ich wirklich lustig, das unterhält mich.
00:34:52: Also Unterhaltung glaube ich funktioniert,
00:34:55: wenn wir lachen oder etwas spannend finden.
00:34:58: Das war immer schon so.
00:35:00: Es war wahrscheinlich schon am Lagerfeuer vor 3, 4.000 Jahren so,
00:35:04: dass das funktioniert hat.
00:35:06: Das ist ein Boot und Spiele.
00:35:08: Genau.
00:35:09: Und dann gibt es auch so das andere,
00:35:11: dass ich mir etwas reinziehe,
00:35:14: weil ich ein bestimmtes Wissen haben muss.
00:35:17: Also wenn ich mich zum Beispiel frage,
00:35:20: wie kann ich eigentlich diese verdammte Fußzeile
00:35:23: in meiner E-Mail-Signatur ändern,
00:35:26: dann suche ich das und schaue mir ein Video an.
00:35:28: Aber ich habe nicht den Anspruch,
00:35:30: dass ich da jetzt super unterhalten werde.
00:35:32: Ich will einfach die schnelle Lösung, die funktioniert.
00:35:35: Und ich glaube, das, was jetzt ganz stark aufgekommen ist
00:35:39: und was man immer so unter Influencern irgendwie schon fast ein bisschen abschätzig versorgt,
00:35:44: ist so eine Kombination.
00:35:46: Dass auf eine unterhaltsame Weise ein bestimmtes Wissen,
00:35:50: dass man diesen Menschen zutraut
00:35:52: oder eine bestimmte Perspektive auf die Welt.
00:35:55: Darin auftaucht.
00:35:57: Also diese Verbindung von Unterhaltung und Wissen.
00:36:00: Und genau das finden wir eigentlich wieder in Nachrichtensendungen,
00:36:04: die noch funktionieren.
00:36:06: Also welche US-Nachrichtensendung würdest du empfehlen,
00:36:09: wenn du dir eine anschauen müsstest?
00:36:11: Also ich sage jetzt nicht Fox News,
00:36:13: das ist zwar sehr unterhaltsam, aber...
00:36:16: Ich finde es wirklich auch eher langweilig, Fox News.
00:36:20: Ja, das ist einfach unsäglich kulturkämpferisch-polemisch.
00:36:24: Ich gucke das eigentlich nie.
00:36:26: Ich kenne das nur aus Ausschnitten, die eingespielt werden
00:36:29: bei meinen Favorite Comedians,
00:36:31: Trevor Noah und John Oliver und so, die das dann verarbeiten.
00:36:35: John Stewart jetzt neu wieder in der Daily Show sensationell
00:36:40: und die bereiten das auf.
00:36:43: Und man muss auch sagen, das so oberflächlich ist das gar nicht.
00:36:46: Ich habe da sehr viel gelernt.
00:36:48: Aber halt, ich sage jetzt mal, unterhaltsam aufbereitet.
00:36:52: Ich habe die Unterhaltungslogik, die Neil Posman angreitet,
00:36:55: aber durchaus Bildungsaffin.
00:36:59: Ja, also ich würde aber auch sagen,
00:37:01: also gerade dieses Infotainment ist eigentlich super,
00:37:05: weil es diese Brücke schafft,
00:37:07: dass ich wirklich etwas mit Interesse verfolge,
00:37:11: zwei Tage später auch noch weiß
00:37:13: und mich über Themen informieren lasse,
00:37:16: von denen ich zunächst gar nicht gedacht hätte,
00:37:18: dass sie wichtig oder interessant sind.
00:37:20: Ja, ja, ja.
00:37:22: Und ein Stück weit, aber lasst mich noch mal die Brücke schlagen.
00:37:26: Oder zuerst müssen wir vielleicht festhalten,
00:37:28: die Neil Posman These, die muss man auf jeden Fall differenzieren
00:37:33: und man muss sie an gewissen Stellen auch entgegentreten.
00:37:36: Also es gibt definitiv im Fernsehen
00:37:39: und dann später auch auf YouTube und so weiter,
00:37:41: gibt es ganz viel Infotainment,
00:37:44: das unterhaltsam ist, aber nicht einfach per se
00:37:47: zur Verflachung des Diskurses und beiträgt
00:37:50: und die Leute dumm und blöde und stumpf macht.
00:37:53: Also das muss man sagen.
00:37:55: Und was wir hier machen, Podcast aufnehmen,
00:37:58: das Podcast-Fenomen der letzten 10, 15 Jahre,
00:38:02: ist ja wirklich eine, das ist wahrscheinlich
00:38:05: das multimediale Massen-Fenomen überhaupt der letzten Jahre.
00:38:11: Und das ist ganz, ganz stark.
00:38:14: Das ist natürlich nicht einfach auf Unterhaltung,
00:38:17: sondern auf einer Neugierde an Geschichten,
00:38:20: an Menschen, an guten Gesprächen, da hören Leute,
00:38:24: anderen Menschen zu, wie sie sich eine Stunde,
00:38:27: zwei Stunden, drei Stunden lang unterhalten.
00:38:30: Also ich habe wahrscheinlich durch kein Medium so viel gelernt
00:38:33: in den letzten Jahren, wie durch gute Podcasts,
00:38:36: dass natürlich die ganz erfolgreichen Podcasts
00:38:39: auch eine Gesprächsführung pflegen,
00:38:42: die spannend, unterhaltsam und unerwartet ist.
00:38:46: Das versteht sich von selbst, aber ich würde sagen,
00:38:49: ein großer Teil der Leute, die Podcasts hören,
00:38:52: wollen nicht nur unterhalten werden.
00:38:55: Ganz genau, oder?
00:38:56: Und da merkt man doch, die Medien ergänzen sich selbst
00:38:59: auf eine ziemlich geniale Art und Weise.
00:39:02: Also Nachrichtensendungen müssen Themen so stark verknappen,
00:39:07: dass es wirklich schwierig ist,
00:39:09: den Kern der Sache zu erfassen.
00:39:12: Aber dann hast du dazu Podcasts, Hintergrundsendungen,
00:39:15: Du hast Wochenzeitungen, Du hast Reportagen,
00:39:18: die Dinge erklären.
00:39:20: Also man hat die ganzen Möglichkeiten der Information ja schon noch.
00:39:23: Und jetzt lass uns auf deine Ausgangsfrage zurückkommen.
00:39:26: Was bedeutet das jetzt für Kirche?
00:39:29: Genau, da würde ich auch sagen,
00:39:31: wenn wir jetzt nur bei Neil Postman bleiben würden,
00:39:34: was ich aber nicht empfehle,
00:39:36: dann müssten wir sagen, hey, wir brauchen eine Eventisierung von Kirche.
00:39:41: Also Kirche muss zum kompletten Unterhaltungsprogramm werden.
00:39:46: Und es gibt ja Kirchen, die genau das gemacht haben
00:39:50: und gar nicht unerfolgreich.
00:39:52: Also absolut, das funktioniert ja, oder?
00:39:55: Also man hatte da wirklich Punktum Musik, Popkultur, Beleuchtung.
00:40:01: Wie halt ich eine Predigt, dass Menschen da auch gerne zuhören?
00:40:05: Wie kann ich das mit Bildern, etc.
00:40:08: Also da wurde ja saumäßig viel gemacht, oder?
00:40:11: Ja, ja.
00:40:12: Und ich glaube, das hat auch einen Punkt
00:40:15: und das spricht auch ganz ähnlich Menschen an,
00:40:18: wie Menschen auch von Unterhaltungstv angesprochen werden würden.
00:40:24: Ja, ja.
00:40:26: Aber wenn wir jetzt das noch dazu nehmen,
00:40:28: was wir quasi aus dieser Influencer- und Social Media Kultur lernen können,
00:40:34: dann kommt da noch etwas dazu, was man vielleicht unterschätzen würde,
00:40:39: wenn man nur bei Postman bleibt.
00:40:41: Nämlich, dass diese Kommunikation sehr, sehr personengebunden wird.
00:40:47: Also ist jetzt vielleicht wirklich das schwierigste Beispiel,
00:40:51: was man nehmen kann.
00:40:53: Aber Wetten das lebt auch von der Show, oder hat auch von der Show gelebt.
00:40:59: Und man hat sich dann gefragt, ob der hohe Priester Thomas Gottschalk,
00:41:04: der einziger ist, der diese Messe zelebrieren darf,
00:41:08: oder ob das anderen auch gelingen könnte.
00:41:11: Und dann hat man den hohe Priester den neuen Ausgebot oder ihm zugejubelt, oder?
00:41:16: Aber es gab etwas außerhalb von Thomas Gottschalk.
00:41:20: Und das ist doch genau das, was in dieser Social Media Kommunikation
00:41:26: total in den Hintergrund tritt.
00:41:29: Also die Form, das Format ist plötzlich nicht mehr so wichtig,
00:41:33: sondern der authentische Selbstausdruck einer Person,
00:41:37: der man eine Kompetenz zu einem Thema zuschreibt
00:41:40: und deren Umgang mit diesem Thema man als unterhaltsam erlebt.
00:41:45: Ja, ja, ich bin so.
00:41:49: Und würdest du jetzt die Paralle ziehen zur Kirche und sagen,
00:41:52: Pastoren in unserer Zeit, Pastorinnen,
00:41:56: müssten sich quasi nach dem Vorbild von Social Media Influencer
00:42:01: innergerieren, oder was wäre jetzt deine Konsequenz?
00:42:05: Nein, also genau so, wie ich sagen würde, auch im Evangelikalen TV-Gottesdienst
00:42:12: sollte man nicht nur zum Entertainer werden, also jetzt quasi wie bei Niel Saasmann, oder?
00:42:17: Genauso würde ich auch sagen, nein, nein, die Pfarrer in der Pfarrer,
00:42:21: der muss nicht zum Influencer werden, aber er kann dort lernen,
00:42:27: was Menschen glaubwürdig und interessant macht, wenn sie sich zu einem Thema äußern.
00:42:33: Und das bedeutet erstmal, es muss eine Person sein,
00:42:37: bei der ich ein Interesse habe, etwas zu einem bestimmten Thema zu hören.
00:42:43: Ja, ja.
00:42:45: Und ich muss dabei spüren, dass diese Person einen bestimmten
00:42:51: Erfahrungshintergrund und ein bestimmtes Wissen eine Perspektive auf die Welt mitbringt,
00:42:57: die mich interessiert.
00:42:59: Ja.
00:43:00: Und das Gegenstück dazu wäre quasi das wissenschaftlich abgesicherte
00:43:07: Verständnis über eine Sache, also die Fachexpertin.
00:43:12: Ja.
00:43:13: Oder der Lehrer, der in pädagogischer Absicht etwas erklärt.
00:43:18: Ich glaube, das sind beides Muster, die nicht mehr funktionieren.
00:43:23: Ja, das glaube ich auch.
00:43:25: Und ich muss auch sagen, ich meine, das ist ja kein Geheimnis, ich komme ja aus dem,
00:43:29: ich habe ja den Hintergrund einer Event, sehr stark eventisierten Kirche,
00:43:35: ich habe quasi Performancepop-Kultur-Gottesdienste gemacht,
00:43:39: seit ich dem Theologie-Studium entwachsen bin und dass sie jahrelang zelebriert.
00:43:45: Und ich kann dem immer noch sehr viel abgewinnen, was ich wichtig finde,
00:43:50: wenn wir jetzt auf dem Hintergrund von Neil Postman und Marshall McLuhan und so
00:43:55: über die Medienrevolutionen unserer Zeit reden, ist eben genau dieses Stichwort
00:44:01: der Eigenlogik der Medien, dass man sich, was ich oft vermisse,
00:44:06: ist eine Reflexion auf die Art und Weise, wie die Mediennutzung das transformiert,
00:44:15: was wir sind und kommunizieren.
00:44:17: Und das findet oft nicht statt.
00:44:19: Man muss sich, ich kann zum Beispiel, ich selber, ich habe einen guten Zugang
00:44:24: zu konzertmäßigen pop-kulturellen Gottesdiensten, in denen richtig laute Musik gespielt wird
00:44:31: auf einer Bühne über ein riesiges PA mit Bessen, die dir den Magen in der Magengrube wummern.
00:44:39: Da habe ich große Sympathien für, man müsste sich einfach vielleicht eingehender Gedanken machen,
00:44:46: darüber, was dieses Medium pop-kulturelle Konzertsetting, was das mit dem macht,
00:44:55: was man hier vor hat.
00:44:57: Das ist einfach ein Unterschied, ob man in einer Kirche mit einem Kirchenlied singt,
00:45:03: das von den Stimmen der einzelnen getragen wird und einzelne sich selbst singen hören
00:45:10: und sich als hörbaren Teil einer überschaubaren Glaubensgemeinschaft erleben und wahrnehmen,
00:45:19: oder ob man in einem riesigen Massen-Event mit vielen anderen zusammen natürlich aber
00:45:26: zum Takt einer Band singt.
00:45:28: Das macht einen Unterschied, es macht einen Unterschied, ob ein Pastor von einer auf eine hohe Kanzel steigt
00:45:37: und von dort seine Predigt hält, ob er im Stuhlkreis eine Diskussionspredigt führt
00:45:43: oder ob er mit einem Mikrofon in der Hand auf dem Hintergrund eines riesigen Flatscreens,
00:45:50: einer riesigen LED Wand, die seinen Kopf ums 20-Fache vergrößert, seine Predigt hält.
00:45:57: All das sind Medien, die die Message mitformen.
00:46:02: Also ich habe ein Beispiel, das hat sich mir so ein bisschen eingebrannt,
00:46:06: als eine Zeit lang in den amerikanischen Mega-Churches dieses Multi-Multi-Side-Konzept aufgekommen ist.
00:46:14: Da hat man quasi als Lösung für die großen Platzprobleme in den Kirchen
00:46:20: und für die Tatsache, dass die Leute zum Teil stundenlange Anfahrtswege hatten,
00:46:26: um ihre Lieblings-Mega-Church aufzusuchen.
00:46:29: Da hat man vorgeschlagen, las uns Multi-Side-Gottesdienste machen, verschiedene Standorte
00:46:37: und da wird dann der Gottesdienst live gestreamt.
00:46:41: Wir waren zu einem Vision-Trip in Atlanta, Georgia
00:46:48: und haben uns diese North Point Community Church von Andy Stanley angeguckt.
00:46:53: Das war eine der ersten, die dieses Multi-Side-Konzept perfektioniert hatten
00:46:58: und die hatten tatsächlich dann andere Locations, in denen auf der Bühne
00:47:03: ein hoch aufgelöster LED-Screen war
00:47:06: und die konnten dann die Predigt so live streamen,
00:47:12: dass es ausgesehen hat, fast als wäre die Person live auf der Bühne.
00:47:17: Und jetzt, der Witz ist, ich habe da mal eine Predigt in einer anderen Multi-Side-Mega-Church mitverfolgt,
00:47:24: wo der Pastor über das allgemeine Priessertum gesprochen hat
00:47:28: und sich dafür stark gemacht hat, dass jeder seine Begabungen hat
00:47:32: und jeder seine Begabungen in die Kirche einbringen kann
00:47:36: und mit seinen Leidenschaften wuchern kann in der Gemeinde.
00:47:39: Und jetzt stell dir vor, da wird eine solche Predigt von einem zentralen Hub aus
00:47:45: an acht verschiedene Standorte gestreamt
00:47:48: und der spricht jetzt über die Bedeutung des allgemeinen Priessertums,
00:47:53: macht aber via Medium deutlich, dass nur eine Person begabt genug
00:47:59: und bevollmächtigt genug ist, um diese Predigt an die Leute zu richten
00:48:04: und dass man lieber 300 Kilometer überwindet mit einem Live-Streaming
00:48:10: als jemand aus der lokalen Congregation Versammlung
00:48:14: zu beauftragen, eine Predigt zu diesem Thema selber zu halten.
00:48:18: Und in gewisser Weise unterläuft dann das Medium,
00:48:23: der Predigt unterläuft, die Botschaft, die gehalten wird.
00:48:26: Und solche Dinge, weil es solche Eigenlogiken zu durchdenken,
00:48:30: ich glaube, das passiert, das passiert oft nicht.
00:48:34: Okay, also das kann ich gut verstehen, so als eine Kritik auf der Ebene,
00:48:39: was machen wir eigentlich, wenn wir Dinge digitalisieren, oder?
00:48:44: Ja, ich meine, das war ja auch während Corona zum Teil wirklich schwierig,
00:48:49: dass Gottesdienste abgefilmt worden sind, als Säße eine Gemeinde da
00:48:54: und als würde ich jemand zu einer Gemeinde sprechen,
00:48:57: aber eigentlich schaue ich es auf meinem Handy
00:48:59: und ich denke, ich kenne dich doch, kommen wir unterhaltsch...
00:49:02: Also, das ist doch ganz normal, oder?
00:49:04: Genau.
00:49:05: Aber das ist für mich, also bei allem, was ich richtig finde daran
00:49:10: und vor allem an Arbeiten kann, dann doch eher der trivialere Teil,
00:49:15: wenn es darum geht, sich zu fragen, wo tritt so was an die Stelle des Christentums?
00:49:20: Oder, weil die Lösung wäre ja jetzt einfach, na ja, die Christenkirchen müssen das halt besser machen, dann, oder?
00:49:26: Dass das dann wird, die Leute das auch sehen wollen.
00:49:30: Ich habe den Verdacht, dass wir aber eigentlich etwas Größerem auf der Spur sind,
00:49:38: nämlich, dass wir durch die Möglichkeiten, die uns digitale Medien und Formate bieten,
00:49:46: in einer Gesellschaft leben, in der es schon richtig schwierig ist,
00:49:54: sich dazu zu entscheiden, in einer realen Gemeinschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt,
00:50:02: an einem bestimmten Ort etwas gemeinsam zu erleben.
00:50:06: Und ich würde sagen, das hat gar nicht nur mit Kirche zu tun,
00:50:12: das trifft auch andere Kultur- oder Sportanbieter.
00:50:16: Wenn ich mir hervorstelle, so eine Arbeitswoche, wo man unter einer hohen Belastung steht,
00:50:24: Familie, die eine hohe Belastung darstellt, Freundeskreis, der auch da ist,
00:50:28: also überall sind irgendwie Tasks und Aufgaben.
00:50:32: Und die Kirche tritt ja immer wie mehr als ein weiterer solcher Task auf.
00:50:38: Also sie ist ja dann auch nochmal auf Instagram.
00:50:41: Jede einzelne Gemeinde ist auch nochmal auf Instagram.
00:50:44: Und will, dass du wahrnimmst, dass es dann und dann den Kinderkrabelgottesdienst gibt, etc.
00:50:50: oder dass sie eine Sammlung machen für irgendeinen Hilfsprojekt.
00:50:54: Also das alles brastelt schon auf dich ein.
00:50:58: Und jetzt ist doch ein bisschen so, wie wenn du gestresst bist,
00:51:03: kriegst du noch die Energie hin, um einen Ort aufzusuchen, wo etwas ganz analog,
00:51:10: ganz live passiert und dir quasi eine Auszeit davon bietet,
00:51:16: oder kommst du aus dem gar nicht mehr raus.
00:51:19: Und ich glaube, das ist wie eine Art Muskel, den man trainiert.
00:51:24: Und es ist, glaube ich, sehr einfach, da aus dem Training rauszufahren.
00:51:27: Und einfach zu sagen, naja, ist auch gerade sehr bequem jetzt auf dem Sofa.
00:51:32: Und ich mag gar nicht mehr.
00:51:34: Oder das andere dann, dass man sagt, ja, ich habe eine ganz hohe Ansprüche an solche Reden.
00:51:39: Ich höre mir nur noch Ted Talks an.
00:51:42: Weil, und das war jetzt meine Vermutung,
00:51:45: auf der Beziehungsebene gar nicht mehr die Energie besteht,
00:51:49: um solche Beziehungen wirklich zu führen und damit zu machen
00:51:54: und sich auch noch zu investieren beim Nächsten.
00:51:57: Und das wäre der eine Punkt, der andere Punkt, den sehe ich schlicht darin,
00:52:02: dass wir durch die Möglichkeiten dieser Formate,
00:52:07: wenn ich mir das vorhin gefragt habe bei meinen Großeltern,
00:52:11: wenn ich mir das vorstelle,
00:52:13: wer waren denn die Leute, die in ihrer Umgebung etwas gewusst haben?
00:52:17: Also von denen man gedacht hat, wow, die wissen etwas, was ich nicht weiß.
00:52:22: Das war wahrscheinlich der Arzt, das war wahrscheinlich der Schulleiter,
00:52:27: der Lehrer und höchstwahrscheinlich der Pfarrer.
00:52:31: Und da hat man sich orientiert.
00:52:34: Heute, wenn ich mich über ein Thema informieren will,
00:52:37: eine große Lebensfrage habe,
00:52:39: Frage, was passiert nach dem Tod, gibt es Gott,
00:52:42: wie kann ich meine Beziehung fixen, etc.,
00:52:46: dann habe ich doch ganz viele Angebote aus ganz unterschiedlichen Perspektiven,
00:52:51: die auf verschiedenen Theorien aufbauen, die ich mir einfach so reinziehen kann.
00:52:58: Und weder gehe ich und frag den Lehrer noch den Arzt, noch gehe ich zum Pfarrer.
00:53:05: Ich glaube, man hat diesen Deutungsanspruch irgendwo verloren.
00:53:10: Ja, aber das ist eine Herausforderung für die Kirchen.
00:53:15: Das ist eine Vorlage, die eben die Gefahr mit sich bringt,
00:53:20: dass dann eine Social-Media-Kultur quasi das Christentum irgendwo rechts überholt.
00:53:26: Auch wenn sie vielleicht nicht diese Deutungsangebote selber nicht findet,
00:53:34: aber einfach genügend Anlass findet,
00:53:37: Menschen mit Informationen und Unterhaltung irgendwo abzulenken.
00:53:43: Also wenn ich die richtig verstanden habe, dann würde ich sagen,
00:53:47: die Lösung besteht nicht daran, darin, dass die Kirche da einschwenkt
00:53:51: und sagt, wir machen jetzt in jeder Hinsicht dieses Game mit,
00:53:55: sondern dass es auch dann alternative Erfahrungen gibt, die sich in der Kirche öffnen.
00:54:03: Dass man sagt, man trägt zur Zerstreuung nicht weiter bei,
00:54:07: sondern schafft Möglichkeiten zur Sammlung, um diese Metaphe jetzt mal aufzugreifen.
00:54:13: Ja, oder man fokussiert klar darauf, was man tun will.
00:54:19: Wenn ihr ein Sommer fest macht, dann unterhaltet einfach.
00:54:24: Das reicht völlig. Dann muss es einfach unterhaltsam sein.
00:54:28: Wenn du aber sagst, wir machen ein Gottesdienst, wo Menschen sich selbst und Gott nahe kommen sollen,
00:54:36: dann brauche ich dafür nicht unbedingt die riesige digitale Unterstützung,
00:54:41: sondern dann ist das vielleicht gerade das wertvolle Kontrastprogramm dazu.
00:54:46: Ja.
00:54:47: Und das andere ist, wir sind uns immer noch gewohnt, dass in Predigten uns eine Pfarrerin,
00:54:54: ein Pfarrer, einen Bibeltext erklärt und sagt, was das mit uns zu tun hat.
00:54:59: Und da würde ich sagen, es gibt bestimmt noch eine Interessensgruppe, die das so möchte.
00:55:07: Sehr viele andere Menschen interessiert es sehr viel mehr, was verschiedene Menschen drüber denken
00:55:14: und dann ziehen sie gerne selbst ihre Schlüsse darauf.
00:55:17: Ja.
00:55:18: Also deswegen, ich mag wie nicht einstimmen, in diesen,
00:55:23: sagen wir mal, die Grundthese wäre ja so einfach, wir leben alle uneigentlich,
00:55:30: weil wir uns ständig zerstreuen und nur noch amüsieren
00:55:33: und deswegen geht es jetzt der Kirche schlecht.
00:55:36: Und ich würde sagen, nein, das glaube ich gerade nicht.
00:55:39: Ich glaube, dass alle diese Medienrevolutionen, diese Umweltsohn und Entwicklung dazu geführt haben,
00:55:46: dass wir einfach ein sehr viel differenzierteres Bild haben,
00:55:50: wer über welche Themen sprechen darf und es sind letztendlich diejenigen,
00:55:56: die wir interessant finden, die dabei gewinnen.
00:55:59: Ja, also es bleibt jetzt vieles offen,
00:56:05: aber ich finde daran lohnt es sich weiterzudenken, also in welche Richtung.
00:56:12: Wie Kirchen mit dieser Kultur und mit diesen auch medialen Revolutionen umgeht,
00:56:18: sodass sie nicht einfach das Kulturpessimistisch verteufen und sagen,
00:56:23: die Kirche soll der letzte Raum sein, an dem es kein WLAN gibt und kein Handy empfangen.
00:56:29: Wir machen Störsender rein und ziehen den Stecker.
00:56:32: Aber auch nicht so, dass die Kirche quasi einer Zerstreuungskulturvorschub leistet,
00:56:40: die nachher im Nachgang quasi unterläuft, was die Kirche eigentlich bieten könnte.
00:56:49: Also ich würde sagen, eine Zerstreuungskultur wäre ja cool.
00:56:54: Man könnte zum Beispiel sagen, wir machen ein Bachkonzert.
00:56:57: Ich finde das dem zerstreuend.
00:56:59: Man könnte auch sagen, wir machen Elektromusik und fluten die Kirche mit Nebel
00:57:05: und machen eine geile Lichtshow.
00:57:07: Das wäre für mich alles völlig okay.
00:57:09: Und das darf alles sein.
00:57:12: Was ich schlecht finde, aus der Perspektive von dem, was wir von neuen Medien lernen können,
00:57:18: ist, dass alles immer miteinander vermischt werden muss.
00:57:21: Es wäre dann quasi die Lichtshow mit Elektromusik in der Kirche,
00:57:28: aber jemand muss noch ein Segen sprechen.
00:57:32: Wenn das so wichtig ist, dann machen wir doch etwas,
00:57:39: wo sich Menschen segnen lassen können.
00:57:41: Aber es darf doch nicht so sein, dass die Dinge so wirken wie,
00:57:46: "Hey, wir bieten euch ein Mindestmaß an Unterhaltung,
00:57:49: dafür müsst ihr die Inhalte dann auch hinnehmen."
00:57:51: Weißt du so ein bisschen?
00:57:53: Ja, klar.
00:57:55: Nein, das kann es nicht sein.
00:57:57: Das wäre ja dann, das ist in der Social Media Logik,
00:58:01: wäre das dasselbe wie, ich höre mir Baywatch Berlin an
00:58:05: und nehme in Kauf, dass da Werbung vorkommt,
00:58:08: weil die Show sonst so unterhaltsam ist.
00:58:11: Aber dann wäre das, was jetzt quasi unser wichtigstes ist,
00:58:16: also das Evangelium dieser Inhalt,
00:58:18: wäre dann quasi wie die Werbung, die halt noch geschaltet werden muss.
00:58:24: Ja, genau.
00:58:27: Also, Mannung, ich glaube nicht, dass wir sagen können,
00:58:35: dass wir hier etwas gefunden haben,
00:58:37: jetzt mit dieser Zerstreuung, mit der Ablenkung,
00:58:40: mit den neuen Medien, was jetzt das Christentum ersetzen wird,
00:58:45: sondern ich glaube, das ist Umwelt,
00:58:47: in dem sich Christentum zu bewähren hat.
00:58:51: Ich glaube, das Christentum selbst hat immer beide Teile drin.
00:58:55: Es kann selbst auch eine wunderbare Ablenkung sein,
00:58:58: wenn man zusammen Worship, Musik singt,
00:59:01: wenn man zusammen irgendwelche spirituellen,
00:59:05: sinnlichen Erfahrungen macht, kann das immer auch beides sein.
00:59:08: Also ich würde jetzt nicht die Kirche auf die Gegenseite stellen.
00:59:11: Ich bin gespannt, wie das unser Nachdenken über das,
00:59:16: was unsere Hoffnung ist und wie wir über diese Hoffnung sprechen
00:59:19: und empfinden und sie ausdrücken, nochmal prägen wird.
00:59:22: Ich glaube, das Ganze wird noch viel, viel, viel mehr Menschen
00:59:27: mit anderen Erfahrungen brauchen,
00:59:29: als sie im Moment vorkommen bei uns in den Kirchen.
00:59:32: Und bin deswegen eher zuversichtlich und nicht pessimistisch.
00:59:36: Ja, das ist doch jetzt mal ein gutes Schlusswort.
00:59:39: Ihr Lieben, das waren unsere Überlegungen zu Neil Postman's These,
00:59:44: dass wir uns zu Tode amisieren und zur Frage ob die Unterhaltungskultur
00:59:51: und die Multimediaindustrie das Christentum abgelöst hat
00:59:56: oder Kandidatin wäre für eine Erbin des Christentums.
01:00:01: Ja, wir verabschieden uns von euch.
01:00:04: Das ist eigentlich das Ende unserer Staffel gewesen.
01:00:08: Im Sommer werden wir, das machen wir jetzt zum ersten Mal,
01:00:12: ältere Folgen von "Ausgeglaubt" noch mal einspielen.
01:00:18: Und zwar in der Absicht euch die noch mal ganz, ganz warm ans Herz zu legen.
01:00:23: Nämlich unsere quasi unsere Lieblingsfolgen, wo wir sagen,
01:00:27: also da lohnt sich es noch mal rein zu hören.
01:00:30: Und die werden wir dann, ich weiß noch gar nicht,
01:00:33: wie wir das da machen, ob wir das im Wechsel machen.
01:00:35: Aber Stefan durfte ein paar auswählen und ich durfte ein paar auswählen
01:00:39: und die werden wir euch dann präsentieren
01:00:41: und euch noch mal so richtig auf dem Silbertablett
01:00:45: für die Sommerferien oder Sommerurlaub servieren.
01:00:49: Hey, wie lange machen wir das jetzt eigentlich?
01:00:51: Gut drei Jahre, oder?
01:00:52: Ja, mindestens, ja.
01:00:54: Ja, ich bin beim Suchen nach geeigneten Folgen,
01:00:57: bin ich also in tief in die Vergangenheit zurückgegangen
01:01:01: und habe unter anderem festgestellt,
01:01:03: dass wir früher noch sehr viel kürzere Folgen gemacht haben.
01:01:06: Ja.
01:01:08: Früher war alles besser, Manu, aber es kommt trotzdem gut.
01:01:12: Euch allen einen wunderbaren Sommer
01:01:15: und auf der anderen Seite sehen wir uns wieder
01:01:18: und dazwischen hören wir uns vielleicht.
01:01:20: Bis dann, tschüss zusammen.
01:01:22: Tschüss.
01:01:25: Reflepp.
01:01:28: [Musik]
01:01:31: SWR 2021