Ausgeglaubt: ein RefLab-Podcast

Ausgeglaubt: ein RefLab-Podcast

Transkript

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00:00:00: Und wieder sind wir hier und wieder durfte Manu seine Lieblingsfolge auswählen.

00:00:06: Ja, aber ich mag sie auch sehr.

00:00:08: Ja, ich habe halt einfach, ich wollte ein paar der älteren Folgen auch ausgraben,

00:00:13: die ich richtig stark fand und die Folge habe ich auch mit großem Vergnügen und auch noch einmal mit Gewinn wirklich gehört.

00:00:22: Und es ist wieder eine Folge mit einem Special Guest, also letztes Mal war Thorsten Dietz mit dabei

00:00:28: und diesmal ist mein Freund und Mentor, könnte man sagen, Heinz-Peter Hempelmann mit von der Partie.

00:00:36: Und wir haben uns mit ihm über die Frage unterhalten, ob Kirche überhaupt noch Zukunft hat.

00:00:42: Und das hatte einen konkreten Anlass.

00:00:44: Ja genau, er hat nämlich elf Tesen rausgehauen.

00:00:47: Ja, elf Tionen.

00:00:48: Ja, diese Provokation haben auch wirklich sehr provoziert und da haben sich ganz viele dazu geäußert.

00:00:55: Wir haben gesagt, ja, aber du warst so undifferenziert, du hast nicht verstanden das

00:00:59: und du musst nochmal nachlegen und sagen, wie wir dann die Kirche doch retten.

00:01:03: Und was mich so beeindruckt hat an Heinz-Peter Hempelmann war, dass er genau dieses Spiel nicht mitgemacht hat.

00:01:10: Also er hat gesagt, nein, jetzt brauchen wir zunächst mal Erschütterung.

00:01:14: Und nur aus dieser Erschütterung kann so etwas wie ein wirklicher Aufbruch kommen.

00:01:19: Also wir brauchen jetzt nicht die nächste Reform, er hat von Reformchen gesprochen da.

00:01:26: Das wird uns nicht weiterbringen, jetzt müssten wir uns das mal wirklich zu herzunehmen

00:01:31: und das fühlen, was es heißt, dass dieses Projekt Kirche gescheitert ist.

00:01:36: Ja, ja.

00:01:37: Und er hat versucht, das so schonungslos und unvermittelt wie möglich auf den Punkt zu bringen

00:01:45: mit diesem Text, der in den Theologischen Beiträgen erschienen ist.

00:01:48: Und es hat da tatsächlich ein kleines Schiedstürmchen auch gegeben.

00:01:51: Viele Leute haben sich aufgeregt und er hat auch zugegeben, dass er die Dinge zugespitzt hat

00:01:57: und sich geweigert hat, jetzt einfach quasi Probleme anzuzeigen

00:02:01: und immer das dann irgendwie quasi die Problemanzeige zu Tode zu differenzieren.

00:02:07: Aber das ist ein bisschen wie mit Hannah Jacobs mit dem Gottesdienst, oder?

00:02:10: Ja, ja, ja.

00:02:10: Also immer wenn jemand kommt aus der Kirche und sagt, Leute, the house is on fire,

00:02:17: dann kommen sofort die Theologischen Horten und erklären, dass das aber viel zu undifferenziert ist

00:02:24: und dass man doch mal ganz genau hinschauen muss und dass es doch ein bisschen niosierter ist.

00:02:29: Genau.

00:02:30: Und dieses Spiel hat der Heizbeter Hemfelmann nicht mitgemacht

00:02:33: und deswegen, ich hätte die Folge wahrscheinlich auch genommen, wenn du sie nicht gewählt hättest.

00:02:38: Also es ist echt eine interessante...

00:02:39: Es hat sogar was Prophetisches, wenn man sich das heute noch machen hört, oder?

00:02:43: Das habe ich wirklich auch gedacht. Ich finde die sehr einsichtsreich, nicht nur für Menschen,

00:02:48: die sich für das Schicksal von Kirche interessieren, aber ganz besonders natürlich für diejenigen.

00:02:53: Und ich habe auch das Gefühl, man spürt das Peter auch ab oder ich kenne ihn zumindest genug, dass ich weiß,

00:03:00: er ist kein Kritiker von der Außenlinie, der jetzt quasi fast schon mit Häme den Untergang der Kirche diagnostiziert,

00:03:08: sondern er ist eigentlich einer, der sein Leben in die Kirche investiert hat und irgendwo nicht fasten kann,

00:03:15: dass man gewisse Dinge nicht angeht oder nicht lernt und eigentlich aus einem Schmerz heraus auch sagt,

00:03:21: Leute, es geht so nicht weiter und ich finde, er liefert auch in diesem Gespräch

00:03:28: ganz messerscharfe Analysen der Problemstellung

00:03:34: und macht das auch mit einem lebensweltlichen Blick.

00:03:38: Er hat Jahre investiert in die Lebensweltforschung und zählt ganz sicher zu den profiliertesten Kennern

00:03:44: der Lebensweltforschung im kirchlichen Raum und geht auch mit dieser Brille an die Probleme heran

00:03:51: und versucht eigentlich in Bulse zu geben, diese Milieuverengung aufzusprengen

00:03:56: und sie überhaupt mal anzuerkennen und sagen, Leute, Volkskirche, Bipapar, wir sind nicht für alle da.

00:04:03: Ich habe mir halt überlegt, wenn wir jetzt das heute noch mal anhören,

00:04:07: was tragen diese Einsichten, die Hempelmann hier bringt, eigentlich auch aus auf politische Prozesse,

00:04:15: die uns im Moment bewegen, jetzt gar nicht in der Kirche primär, sondern so das Erstarken der neuen Rechten,

00:04:22: der Populismus, der Aufkomparteien, die nicht mehr anziehend wirken,

00:04:27: politische Strukturen, in denen Menschen sich nicht mehr verstanden fühlen etc.

00:04:32: Also vielleicht gibt es da auch ganz viel, was man transferieren könnte

00:04:35: und ich würde sehr gerne mal mit Heinz-Peter Hempelmann so ein Follow-up-Gespräch machen,

00:04:39: wo wir uns fragen, das, was du da über Kirche gesagt hast und gelernt hast,

00:04:44: inwiefern hat das sogar so ein Gegenwart- und gesellschaftsdiagnostischen Wert?

00:04:49: Ja, ah ja, spannend.

00:04:51: Apropos Folgegespräch, wir haben ein zweites Gespräch mit Peter auch noch aufgenommen

00:04:58: und er hat dann auch, nachdem er mehrere Monate abgewartet hat oder zugewartet hat

00:05:04: und man ihm vorgeworfen hat, er würde nur niederreißen und nicht aufbauen

00:05:08: und er hat das einfach stumpf ausgehalten und hat dann aber doch in den theologischen Beiträgen

00:05:13: eine sehr theologische Antwort oder noch eine Hoffnungsperspektive aufgemacht

00:05:20: und plädiert für eine sehr viel bescheidenere, schwächere, zerbrechlichere Kirche der Zukunft

00:05:28: und darüber haben wir mit ihm auch gesprochen.

00:05:30: Also wer jetzt auch gerne nochmal perspektivisch etwas mehr Fleisch an Knochen hätte,

00:05:36: der kann sich auch da noch schlau machen.

00:05:38: Und natürlich verlinken wir das in den Shownoten.

00:05:41: Genau, genau. Also ihr lieben viel Spaß mit "Ausgeglaubt Kirche hat keine Zukunft"

00:05:48: im Gespräch mit Peter Hempelmann. Tschüss.

00:05:56: Der Podcast über das, was wir nicht mehr glauben und das, was uns wichtig bleibt.

00:06:01: Hallo und herzlich willkommen zu einer Spezialfolge von "Ausgeglaubt".

00:06:14: Wir sind jetzt ganz am Schluss der dritten Staffel und haben uns großen Fragen gewidmet

00:06:23: und eine große Frage, die immer wieder auftaucht, wenn Manu und ich uns unterhalten ist.

00:06:28: Du meinst, dass wir die Kirche noch lange geben? Hat das irgendwie eine Zukunft?

00:06:33: Gut, dass wir heute nicht alleine darüber streiten oder sprechen müssen.

00:06:39: Wir haben heute nämlich einen Gast, der dazu nicht nur ganz viel Wissen mitbringt,

00:06:44: sondern auch eine starke Position, die er erarbeitet hat in elf Tesen, in elf provokativen Tesen.

00:06:51: Ja, Manu, klär uns doch mal, wer sitzt heute mit am Tisch?

00:06:55: Wir haben Heinz Peter Hempelmann mit in der Digitalen Runde.

00:07:01: Hallo Peter, herzlich willkommen.

00:07:03: Hallo Peter.

00:07:04: Hallo, ihr zwei.

00:07:07: Peter ist ein langjähriger Freund von mir und ich habe ihn als Theologen und Religionsphilosophen

00:07:14: als Autor von Büchern zuerst kennengelernt.

00:07:17: Er hat schon 60 Bücher verfasst und 500 Aufsätze zu einer großen Bandbreite von Themen,

00:07:25: soziologische Themen, theologische Themen, philosophische Themen.

00:07:29: Er hat als Dozent in verschiedenen Hochschulen gearbeitet, auch in der evangelischen Kirche,

00:07:36: als Studienleiter auch, als Professor.

00:07:38: Er ist ein untriebiger Mensch jetzt in einem sehr aktiven Ruhestand seit wie vielen Jahren Peter?

00:07:47: Seit einem Jahr.

00:07:48: Seit einem Jahr.

00:07:50: Ja, immer noch bist du landauf, landab in Referaten jetzt eher digital, aber an verschiedenen Themen dran.

00:07:59: Und man kann schon sagen, du hast dein ganzes Leben in Theologie und auch in Kirche investiert.

00:08:08: Deshalb ist es vielleicht umso bemerkenswerter, dass du jetzt vor Kurzem an die Öffentlichkeit

00:08:14: getreten bist über die theologischen Beiträge.

00:08:17: Das ist eine Zeitschrift, die du über Jahre auch selber verantwortet hast als Herausgeber.

00:08:23: Und du hast da ein SF eröffentlicht zur fehlenden Zukunft der Kirche.

00:08:30: 11 Provokationen, die erklären, warum Kirche keine Zukunft hat.

00:08:36: Peter, ich spiele dir jetzt gerade schon mal den Ball zu.

00:08:40: Das ist ein Text.

00:08:42: Du sagst selber am Anfang, das ist ein wuchtiger Text.

00:08:45: Es ist so quasi ein Text, den du mit dem Zweihänder verfasst hast, der aufräumt mit der Zukunftshoffnung der Kirche.

00:08:56: Man kann das ganz verschieden lesen, aber ohne dir jetzt etwas unterschieben zu wollen,

00:09:01: gebe ich dir mal das Wort "Warum Peter?" dieser Text.

00:09:05: Weil ich mal einen etwas anderen Beitrag leisten wollte, zur Frage nach der Zukunft der Kirche,

00:09:12: die Stefan ja am Anfang aufgeworfen hat, wird es Kirchen noch lange geben, hat sie noch Zukunft.

00:09:18: Und über Jahrzehnte habe ich diese kirchentheoretischen Debatten verfolgt, war auch wieder eingeladen,

00:09:23: dazu einen Beitrag zu leisten und habe gedacht, wir brauchen vermutlich jetzt einfach mal eine andere Gattung,

00:09:30: einen anderen Stil. Denn das, was wir bisher tun, das ist typisch protestantisch,

00:09:36: auf hohem Niveau, vollzieht sich in Differenzierung, führt aber in der Regel nicht in die Tat.

00:09:42: Und um es im Bild zu sagen, wir sehen ganz, ganz viele Äste, Bäume, können wir alle unterscheiden,

00:09:50: aber wir sehen im Grunde den Wald nicht mehr. Und das ist das Problem.

00:09:54: Ich mache es mal an einem Beispiel deutlich. Wir versuchen, die noch vorhandenen Theologinnen und Theologen

00:10:02: auf die verschiedenen Paarurinen zu verteilen. Das Netz dünnt sich immer weiter aus,

00:10:07: das gelingt alles auch fantastisch administrativ, sind wir gut.

00:10:11: Aber die Frage, ob es dieses paaroriale Netz überhaupt noch braucht, wie sinnvoll das ist,

00:10:17: ob das noch den Lebensnotwendigkeiten der Menschen entspricht, die wird nicht mehr gestellt.

00:10:22: Man könnte viele andere Beispiele nennen. Immobilien. Wir versuchen also gerade jetzt auch in den Landeskirchen,

00:10:29: in Deutschland Kirchen zu schließen und die vorhandenen Bestände gerecht zu verteilen,

00:10:35: brauchen wir überhaupt kirchliche Immobilien? Brauchen wir Steine? Brauchen wir nicht ein Haus der lebendigen Steine?

00:10:44: Wie gehen wir mit unseren Finanzen um in knapper werdenden Zeiten?

00:10:47: Also die Frage nach dem Gesamtbild, das hat mich sehr beschäftigt und hier mal ein etwas anderen Weg zu gehen,

00:10:55: im Wissen darum, dass wir Differenzierung natürlich brauchen, aber wir brauchen eben auch ergänzende Gattung.

00:11:03: Ich hatte so ein bisschen das Gefühl, dass du, ja Manu hat jetzt gesagt,

00:11:08: den Zweihänder hättest du ausgepackt. Ich würde gar nicht sagen, den Zweihänder, sondern ich glaube,

00:11:13: das kann man gut so verstehen, als ein Versuch jetzt mal wirklich ungeschön die Karten auf den Tisch zu legen,

00:11:19: um eine Auslegeordnung zu machen. Und etwas, was dich ja als ein Wissenschaftler auch der Stark von der Lebensweltforschung herkommt,

00:11:28: der überlegt, wie ticken Menschen, was brauchen Menschen, was treibt sie an, was interessiert sie.

00:11:34: Was du da ganz stark gemacht hast, ist ja eigentlich diese Idee, hey Leute, wir stehen gar nicht mehr in Beziehung als Kirche zu diesen Menschen.

00:11:43: Also ich glaube, das ist die erste These, wo du sagst, ja Kirche hat keine Zukunft, weil sie hat ihre kommunikative Anschlussfähigkeit verloren.

00:11:52: Und das ist ja nochmal was anderes, als das, was man oft hört, dass man sagt, ja, wir hätten so eine gute Botschaft,

00:11:56: aber wir sagen es halt nicht so richtig, wir müssen das irgendwie besser sagen, da sagst du, nein,

00:12:01: Leute, wir haben die, kommunikativ haben wir die Anschlussfähigkeit verloren.

00:12:06: Können wir die zurückgewinnen und was heißt das, wenn man die Anschlussfähigkeit verliert, Peter?

00:12:11: Ja, das ist in der Tat eine der zentralen These.

00:12:15: Ich gehe da aus von der kirchlichen Milieufforschung, die die Sinus, das Sinus-Milieumodell zugrunde legt.

00:12:22: Und da gibt es interessante Untersuchungen, dass Kirche kommunikativ eine Reichweite hat von 2 bis 3 im katholischen Bereich, 3 bis 4,

00:12:33: max. mal 4 Milieus im protestantischen Bereich.

00:12:38: Und alles, was jetzt fortschrittlich modern oder gar postmodern pluralistisch geprägt ist,

00:12:45: das versteht die kirchliche Kommunikation, die kirchlichen Äußerung und so weiter, überhaupt gar nicht mehr.

00:12:53: Ich kann das auch nochmal anders ausdrücken, wir haben es fantastisch geschafft, uns in einem prä-modernen,

00:12:58: traditionsorientierten Milieu eine Kultur zu schaffen, in der Menschen sich sehr, sehr wohl fühlen.

00:13:05: Wir haben es auch noch geschafft, uns mit der kritischen Moderne zu arrangieren.

00:13:10: Da haben wir Kommunikationsmöglichkeiten geschaffen.

00:13:13: Aber das, was unser Gesellschaft vor allen Dingen treibt, was die Menschen treibt, die nach vorne denken, die sie beeinflussen und gestalten,

00:13:22: nämlich das, was ich gerne, die postmodern pluralistische Einstellung, das Mindset nenne, da ist Kirche weitgehend sprachlos.

00:13:35: Man könnte es auch nochmal so sagen, wir haben eine Kontextualisierung der Botschaft prä-modern und modern einigermaßen hinbekommen.

00:13:44: Aber Kirche hat weitgehend verschlafen, die Wahrnehmung, dass es da auch noch eine völlig neue, nicht unkristliche, aber achristliche,

00:13:56: christlich nicht geprägte Mentalität gibt, die wir im Regelfall prä-modern wie auch modern einfach nur verorten.

00:14:05: Das ist total neutral, weil wir meinen, dass sie nicht christlich sei.

00:14:09: Von der wir eigentlich von diesen Menschen erwarten, wir eigentlich nur, dass sie sich auf uns einstellen,

00:14:15: mit dem riesen Problem, dass man eigentlich eine doppelte Bekehrung erwartet.

00:14:19: Also erst mal müssen die Leute prä-modern oder maximal modern werden und dann können sie auch noch einen Zugang zum christlichen Glauben finden.

00:14:28: Hier sehe ich auch auf dem theologischen Punkt gebracht die zentrale Herausforderung.

00:14:33: Peter, wenn du jetzt sagst, prä-modern und modern, da sind wir eigentlich ganz gut vertreten in den Milieus,

00:14:39: dann ist doch schon mal gar nicht schlecht.

00:14:41: Also Kirche versucht doch seit 50 Jahren immer wieder modern zu werden.

00:14:45: Was fehlt dir denn jetzt?

00:14:46: Also was fehlt uns denn jetzt, damit wir in der Gegenwart ankommen, sage ich mal so?

00:14:51: Was ist der Unterschied zwischen modern und postmodern?

00:14:55: Die moderne Mentalität lebt von den Leitwerten der Kritik zum Beispiel.

00:15:01: Und hat immer auch noch normative Überzeugung.

00:15:05: Und Kirche auch etwa in ihren liberal- protestantischen, in ihren kirchenleitenden Äußerungen, ist dadurch immer auch noch geprägt.

00:15:14: Und wir nehmen nicht wahr, dass es sehr, sehr viele, vor allen Dingen junge Menschen in die Nachwachsengenerationen gibt,

00:15:22: die mit diesem ganzen Ton zum Beispiel überhaupt nichts anfangen können.

00:15:26: Also man muss nur mal gucken, wie der Leitwert der Authentizität oder auch des Individualismus,

00:15:33: wie der in modern und prä-modern Mentalitäten kritisch annonsiert wird.

00:15:39: Und für postmoderne Mentalität ist das der Leitwert individuell sein, persönlich sein, authentisch sein,

00:15:47: gerade nicht in einer mehr oder weniger uniformen Gemeinschaft aufgehen.

00:15:53: Das beginnt mit so banalen Dingen wie Gottesdienstzeiten.

00:15:57: Ja, also ich muss versuchen, alle Leute auf einen Leisten zu bringen.

00:16:02: Alle müssen zur selben Zeit am selben Ort sein und das ganz regelmäßig.

00:16:06: Als ich mit meinem Sohn vor einiger Zeit, der ist sehr postmodern geprägt, eher so hedonistisch ein Bestian,

00:16:12: darüber sprach, sagt der Papa, das ist, das ist ja nur ätzend.

00:16:17: Immer dasselbe zur selben Zeit am selben Ort.

00:16:20: Und der meinte einen sehr guten Gottesdienst aus meiner.

00:16:23: Ein bisschen prä-modernen Perspektive heraus.

00:16:26: Es kommt schon ästhetisch nicht an.

00:16:28: Wir reden noch gar nicht über die Inhalte.

00:16:32: Du hast ja in deinen Elftesen oder Provokationen dann auch ein düsteres Bild gemalt im Blick auf

00:16:41: die Zukunftsaussichten des kirchlichen Personals.

00:16:46: Das ist eine These gewesen.

00:16:48: Die Kirche bildet die falschen Leute aus und bildet sie falsch aus und ist auch noch stolz darauf.

00:16:55: Also du hast das, glaube ich, auch auf diese Milieverhaftung bezogen.

00:16:59: So die Kirche zieht auch ihren Nachwuchs aus einem ganz bestimmten Segment der Gesellschaft.

00:17:07: Deshalb hast du keine Hoffnungen, dass sich an dieser Milieverengung in nächster Zeit etwas ändert.

00:17:15: Ja, also grundsätzlich muss man, glaube ich, sehen, dass man mit den Menschen am besten kommunizieren kann,

00:17:22: die so ticken wie man selber.

00:17:24: Und wenn unsere Gesellschaft mental fragmentiert ist, wenn wir mit sehr vielen unterschiedlichen Lebenswelten zu tun haben,

00:17:32: dann müsste eine Kirche, die sagt, wir wollen alle erreichen, im Prinzip auch Mitarbeiter aus allen Milieus haben.

00:17:41: Und das, was wir aber auch empirisch nachweisbar sehen, ist, dass mindestens in der Generation bis 55,

00:17:51: also 50/55+ es eine nahezu 90%ige Prägung des Fahrpersonals durch ein postmaterielles Milieu gab.

00:18:03: Mit allen Kommunikationsschwierigkeiten, die damit zusammenhängen.

00:18:07: Also wenn die etwa im ländlichen Bereich auf traditionsorientierte Stoßen, das ist wie Feuer und Wasser.

00:18:14: Oder wenn sie auf hedonistische jugendliche Stoßen, wir reden dann von den Problemen mit dem konformanten Unterricht.

00:18:20: Statt uns zu überlegen, wie können postmateriell geprägte Fahrerinnen mit hedonistisch geprägten Jugendlichen kommunizieren.

00:18:28: Es geht letztendlich um ein Kommunikationsproblem in dieser Sache.

00:18:32: Und dann stellt man halt noch ein paar Jugendreferenten ein, aber das ist nicht die Sache.

00:18:36: Zu dem Ausbildungsproblem gehört noch ein weiteres, was ich kurz andeuten möchte,

00:18:42: wir, ich schätze, die Fähigkeit hebräisch und griechischem Original lesen zu können.

00:18:48: Altebräisch, altgriechisch. Das sind fantastische Dinge, aber das ist nicht das Einzige, was eine Kirche in unserer Gesellschaft braucht.

00:18:57: Sie braucht Entrepreneure, sie braucht Performers, sie braucht Leute, die aufbrechen.

00:19:03: Und wir haben im Wesentlichen eine Prägung in unserer hauptamtlichen Mannschaft, die jetzt eben den Schwerpunkt auf Bildung legt.

00:19:13: Bildung ist wichtig, aber sie reicht nicht. Wir brauchen zusätzliche Qualifikation.

00:19:19: Du hast in dieser Analyse, die von diesen Lebenswelten und von der Wahrnehmung der einzelnen Menschen auch ausgeht,

00:19:27: die du dann in Gruppen zusammenfasst, auch festgestellt hast, sich viele Christen und Christinnen schämen würden, zur Kirche zu gehören.

00:19:35: Ich habe mich da etwas ertappt gefühlt, weil ich spüre da immer so zwei Seelen in meiner Brust.

00:19:41: Also wenn es so ist, dass ich rein intellektuell, ohne empirische Erfahrung quasi über Kirche nachdenke,

00:19:48: dann fühle ich mich unheimlich verbunden mit dir und ich liebe sie ganz heiß, bis ich sie erlebe.

00:19:54: Und wenn ich sie erlebe, dann habe ich dieses Schamgefühl, dass ich nur noch in Fremdscham umwandeln kann und denke, oh nein, das bin ich dich, damit habe ich nichts zu tun.

00:20:03: Hoffentlich sieht mich da keiner. Wird es du sagen, dass das gar nicht so sehr an meinem schlechten Charakter liegt,

00:20:09: sondern mehr damit zu tun hat, dass ich milieumäßig nicht abgeholt werde?

00:20:14: Stefan, wenn du einen schlechten Charakter aufgrund dieses einen Grundes hast, dann gehören wir da mindestens zusammen in eine Gruppe, nein, Scherz beiseite.

00:20:26: Ich glaube wirklich, dass wir hier ein feineres Sensorium für die ästhetische Distanz haben, die junge Menschen auch junge Christinnen und Christen zur Kirche besetzen.

00:20:40: Und das lässt sich an ganz vielen Dingen festmachen. Also es gab neulich eine Befragung unter Konformanten, warum sie kirchliche Gebäude scheuen.

00:20:52: Und mit einem Satz ausgedrückt war das Ergebnis, was ich jetzt popularisiere, in kirchliche Gebäude geht man nicht.

00:21:02: Also da gibt es einfach eine innere Distanz oder mit der Milieuforschung. Kirchliche Immobilien sind Unorte, genauso wie wir wahrscheinlich eher nicht in einer Diskothek in Berlin, die man nur durch ein Gully erreicht, anzutreffen wären.

00:21:20: Genauso wenig kämen die aller meisten jungen Menschen auf die Idee, am Sonntagmorgen einen Gottesdienst zu besuchen.

00:21:27: Also das Ästhetische ist ganz, ganz wichtig. Dazu kommen aber auch moralische Dinge.

00:21:32: Die Traditionsverhaftung ist einfach ein Klubalter doch unbeweglicher Überzeugung, den man in der Kirche sieht.

00:21:42: Ich weiß, dass man das differenzierter ausdrücken muss.

00:21:45: Und das Dritte, was vor allen Dingen nachdenkende Jüngere Christian und Christen sehen, ist, dass eigentlich der moralisch Ton mit dem Protestanten in unserer Kirche immer noch auftreten und anderen predigen durch die Geschichte der Kirche, nicht abgedecktes bis in die neuere Zeit hinein.

00:22:09: Da kann man sich nur fremdschämen, wenn wir an die nicht nur die katholische Kirche betreffenden Missstände etwa im Punktosexual, Moral- und sexuelle Praxis denken.

00:22:20: Und dann treten wir auf mit dem moralischen Zeigefinger und meinen anderen, die in diese Gesellschaft hinein predigen zu sollen.

00:22:28: Ich glaube, dass Kirche an dieser Stelle weitgehend das Recht verwirkt hat, so aufzutreten.

00:22:35: Wir brauchen eine demütige, boostwertige Kirche.

00:22:39: Jetzt finde ich nachvollziehbar, ich selbst habe im Kontext, wo ich jetzt aufgewachsen bin, als so reformiert Schweizer Landeskirche, habe ich da Kirche jetzt nicht sehr anstößig erlebt, ehrlich gesagt.

00:22:51: Also das war jetzt eher so, ja, es geht eigentlich fast alles, wenn du es verantworten kannst und frag dich doch, ob du es verantworten kannst.

00:22:59: Da ist die jetzt bei mir gar nicht so angeeckt. Was ich jetzt eher mit dem Kirchgemeinde Haus verbinde, ist, dass es nicht so gut duftet und dass es etwas langweilig ist.

00:23:11: Also dass es nicht so ist, dass ich da was erlebe und ich merke so, als Typ ich erlebe, wahnsinnig gern Dinge.

00:23:19: Und das müssen nicht die spektakulärsten Sachen sein.

00:23:21: Also es kann bei mir wirklich auch ein Waldspaziergang sein und dann bricht das Licht irgendwie schön hinein und so.

00:23:26: Und das finde ich dann schon ganz toll.

00:23:28: Aber in der Kirche habe ich immer das Gefühl, dass ich so wie sinnlich abgestellt bin.

00:23:33: Dass da nichts passiert, was etwas mit mir macht.

00:23:38: Ja, auch daran stimmen wir selbstverständlich überein, wobei wir beide wahrscheinlich ohnehin demselben Milieu mehr oder weniger zuzuordnen sind.

00:23:47: Das wäre jetzt nochmal eine ganz interessante private Frage, das abzugleichen.

00:23:51: Aber wie viel mehr mag es jüngeren Menschen gehen, die spezifisch erlebnisorientiert sind.

00:23:59: Und diese Erlebnisorientierung ist ja für Postmaterielles bewusst dann als solches schon ein Riesenmangel.

00:24:06: Weil man hier unterstellt, dass es nicht reflektiert genug.

00:24:09: Menschen lassen sich zu sehr durch ihre Gefühle leiten.

00:24:12: Sie sind hedonistisch orientiert.

00:24:14: Das ist ja das Allerschlimmste überhaupt.

00:24:17: So dass man dem eigentlich nur in der Verurteilungsweise begegnet, statt zu überlegen,

00:24:25: was kommt hier an Orientierung auf uns zu, was auch das Evangelium ganz neu aufschließen könnte?

00:24:33: Was könnte so was sein?

00:24:35: Weil ich finde es total super, wie du es sagst.

00:24:39: Und ich würde das, glaube ich, selbst gerne erleben, aber ich habe gerade keine Idee, wie das gehen würde.

00:24:45: Also ich nenne mal ein Beispiel noch.

00:24:50: Die Schelte einer individualistischen Orientierung

00:24:55: übersieht doch völlig, dass in keiner anderen Religion, abgesehen vielleicht mal vom Judentum,

00:25:02: der Mensch so sehr als Individuum wertgeschätzt wird wie im Christlichen Glauben.

00:25:08: Wir sind Handarbeit Gottes, Mensch für Mensch, individuelle Gedanken Gott.

00:25:15: Wir müssten eine, wenn Friedrich Nietzsche im Spätwerk sagt, dass Individuum etwas Absolutes,

00:25:21: dann zucken moderne Theologen im Regelfall zusammen und sagen, das geht überhaupt nicht.

00:25:27: Es gibt nur einen Absoluten, das ist Gott.

00:25:29: Und die Theologische Anthropologie einfach dadurch bereichern zu lassen,

00:25:36: dass man sagt, ja aber wir sind Gottes eben, wir sind Ebenbilder Gottes.

00:25:40: Und es gehört zu einer weltzugewandten Theologie, dass wir Menschen in ihrer Individualität,

00:25:46: natürlich auch als Gemeinschaftslesen, aber das sagen wir so oft, das muss ich jetzt nicht auch noch mal betonen,

00:25:51: dass wir Menschen in ihrer Individualität wertschätzen, dass wir ganz anders auf die Höhere auf sie zugehen.

00:25:58: Das ist natürlich unglaublich mühsam, aber es wäre wichtig,

00:26:04: was das jetzt im Konkreten bedeuten würde, wäre etwa auch, ich nenne ein Beispiel,

00:26:10: über das wir auch geforscht haben, der Musikstil.

00:26:14: Musik hat für jüngere Menschen heute eine nicht zu überschätzende Bedeutung in ihrem Leben.

00:26:22: Und wenn wir uns dann einmal anschauen, wie die normalen Gottesdienste nach wie vorgestaltet sind,

00:26:28: es gibt immer noch eine Prävalenz der Orgelmusik,

00:26:32: es gibt immer noch eine Prävalenz älterer Musik.

00:26:35: Und wenn wir in der Kirche von Moderna, in Deutschland von modernen Liedguts sprechen,

00:26:40: dann meinen wir die Texte der 70er, 80er Jahre, die damals auf Kirchentagen gesungen worden sind.

00:26:47: "Kava-jom" heißt das bei uns, "Kava-jom" heißt das Liedbuch.

00:26:50: Ja gut, also Peter, du hast ja zu diesen ganzen Themenbereichen,

00:26:57: Lebenswelten, Sinusmilieus und so, hast du jahrelang jetzt geforscht,

00:27:01: du hast mehrere Bücher verfasst dazu, hast auch dafür gekämpft,

00:27:06: diese Milieubefangenheit der Kirche aufzusprengen, ist jetzt dein Statement.

00:27:13: Die Kirche hat keine Zukunft, die Kirche hat den Kontakt zu den Menschen verloren.

00:27:19: Ist das auch ein bisschen ein Frust darüber, dass diese Gedanken irgendwo nicht angekommen sind

00:27:26: oder nicht genügend umgesetzt werden, weil die Probleme sind ja doch irgendwo erkannt

00:27:32: oder würdest du das bestreiten?

00:27:35: Also ich, du hast mehrere Dinge angesprochen.

00:27:38: Man kann es nicht natürlich mit solchen kritischen Rückfragen sehr, sehr einfach machen

00:27:43: und wer das will, kann dieses Niveau dann auch erklimmen

00:27:47: oder er kann heruntersteigen und sagen, da arbeitet jemand ja nur seine persönlichen Frustrationen auf.

00:27:53: Ob man damit dann die Fragestellung in der Sache ernst nimmt, mag jeder selber entscheiden.

00:27:59: Natürlich gibt es bei mir biografische Hintergründe,

00:28:03: aber ich kann mich auf der anderen Seite um zu deinem zweiten Punkt zu kommen,

00:28:07: über ein Echo, über ein anhaltendes Echo, aufgerichtliche Milieufforschung

00:28:13: und die Thesen überhaupt nicht beklagen.

00:28:15: Ich kann es auch biografisch festmachen, eigentlich hatte ich vor,

00:28:19: mich schon vor mehreren Jahren wieder auf den Bereich der Religionsphilosophie

00:28:24: und auch der Naturphilosophie ganz anders zu stürzen, das nämlich meine Hauptarbeitsgebiete

00:28:29: und ich komme von diesem Thema nicht weg, weil ich anhaltend eingeladen werde

00:28:35: und weil immer neue Landesgirchen sich auch für diese Fragestellung öffnen.

00:28:39: Aber insgesamt gesehen herrscht doch nach wie vor ein exklusives Mindset

00:28:48: vor, dass sich ohne es zu merken im Grunde versperrt gegenüber dieser Fragestellung,

00:28:58: weil man instinktiv spürt, Kirche müsste sich fundamental umgestalten,

00:29:06: wenn sie dieser Herausforderung genügen würde.

00:29:10: Das heißt, die Fragestellung wird sogar aufgenommen, aber sie wird in ihrer Radikalität nicht wirklich verstärken.

00:29:16: Das Problembewusstsein ist ein Stück weit vorhanden, würde ich sagen,

00:29:23: aber die Reformwilligkeit nicht unbedingt.

00:29:28: Ja, und das hängt eben auch mit den eingefahrenen Strukturen

00:29:33: und denkt muss dann zusammen, die wir über über die Fragestellung

00:29:37: über Jahrhunderte im Grunde geprägt haben.

00:29:40: Ich geb da überhaupt nicht auf.

00:29:42: Auch das wäre eine Unterstellung.

00:29:44: Ich wäre hier resigniert oder so etwas.

00:29:46: Ich hab sehr deutlich gemacht,

00:29:48: dass ich ja nach wie vor an diesen Dingen arbeite.

00:29:52: Aber dieser Aufsatz ist jetzt kein Urteil in einem logischen Sinne,

00:29:59: dass man sagt, der Kirche hat keine Zukunft,

00:30:01: sondern ist eher der Versuch eines Wegrufes,

00:30:04: noch einmal anders deutlich zu machen,

00:30:07: die Qualität der Reformbereitschaft reicht noch nicht,

00:30:11: wenn diese Institution eine Zukunft haben will

00:30:15: in einer spezifisch veränderten Gestalt.

00:30:18: Peter, das ist ja eigentlich so ein bisschen ein Doublebind,

00:30:23: wenn man so will.

00:30:24: Oder auf der einen Seite diagnostizierst du,

00:30:26: die Kirche ist veränderungsunfähig.

00:30:29: Sie ist ein geschlossenes System, das sich nicht wirklich bewegt.

00:30:34: Das ist quasi die eine Gefahr, die wir haben als Pol.

00:30:38: Und dann den anderen Pol haben wir aber auch.

00:30:40: Das sagst du, dass sie ihre Zukunftsfähigkeit verspielt,

00:30:44: indem sie die Ressourcen für deren Reflexion aufbraucht.

00:30:48: Also eigentlich einerseits eine Kirche,

00:30:51: die ihre Anpassung an die Umwelt nicht schafft,

00:30:54: das nicht kapiert, das nicht auflösen kann.

00:30:57: Und auf der anderen Seite eine Kirche,

00:30:59: die sich ständig um sich selbst dreht,

00:31:01: weil sie mit der Reflexion dessen beschäftigt ist,

00:31:04: was wäre die befreiendete Tat?

00:31:06: Oder gibt so was vielleicht noch gar nicht?

00:31:08: Müssen wir einfach mal schweigen und das aushalten?

00:31:12: Vielen Dank, Stefan.

00:31:13: Das wäre jetzt genau mein erster Impuls,

00:31:15: dass man anders als mein Kollege Michael Herbst nicht versucht,

00:31:19: durch ein literarischem Befreiungschlag

00:31:21: sich von diesem Provokation mal erst wieder zu befreien,

00:31:25: sondern einfach mal aushalten.

00:31:27: Ich hatte einen Kollegen, der im zweiten Anlauf dachte,

00:31:32: ich bin durch deine Thesen einfach durchgegangen.

00:31:35: Ich hab sie auf mich wirken lassen.

00:31:37: Und ich hab nicht versucht, man kann ja alles kritisieren.

00:31:40: Man kann auch sehr leicht diese ganzen Überlegungen

00:31:43: in Frage stellen.

00:31:44: Der Witz oder das, was ich gerne wollte, war,

00:31:48: dass man sich das einfach mal gefallen lässt,

00:31:50: sich so in Frage stellen zu lassen.

00:31:53: Also von daher, diesen letzten Impuls von dir,

00:31:55: wollte ich noch mal ausdrücklich unterstreichen.

00:31:58: Du hast von Dabbelbein gesprochen.

00:32:02: Ich erlebe in Süddeutschen Landeskirchen,

00:32:05: wo ich Intensivprojekte berate,

00:32:08: wie wir statt in die Reform von Kirchen reinzugehen.

00:32:13: Und da gibt es ganz viele Leute, die das wollen.

00:32:16: Im Wesentlichen beschäftigt sind,

00:32:19: mit vor allen Dingen zwei Fragen.

00:32:21: Ich kann das auch verstehen.

00:32:23: Aber diese Fragen verbrauchen alle Ressourcen nahezu alle,

00:32:28: alle Ressourcen, die wir haben.

00:32:30: Das eine ist die Frage, wie gehen wir mit unseren Immobilien um?

00:32:33: Dieser relativ gesehen viel zu hohen Anzahl

00:32:37: von Gemeindenhäusern und Kirchen.

00:32:40: Und die zweite Frage ist, wie gehen wir mit den immer knapper werdenden,

00:32:43: immer geringer werdenden Zahl von Fahrstellen um?

00:32:47: Und hier entbrennt vor Ort auch das für mich nach,

00:32:50: nachvollziehbar im Grunde ein Verteidungskampf ohne Ende.

00:32:55: Und sämtliche kirchlichen Gremien bis auf die Basis heruntergebrochen,

00:33:01: ist auf Jahre damit beschäftigt.

00:33:03: Und in dem Moment, wo der eine Fahrplan abgearbeitet ist,

00:33:07: kommt schon wieder der nächste.

00:33:09: Und da wäre dann mein Rat zum Beispiel erstens zu sagen,

00:33:13: mach doch mal Fahrpläne, die auch 20, 30 Jahre halten.

00:33:17: Und die nicht dazu führen, dass nach zehn Jahren

00:33:20: genau die Nummer zwei oder die Nummer drei dann eigentlich dran ist.

00:33:25: Oder noch mal Radikala, am Beispiel der Immobilien.

00:33:28: Ich werde einen Ausdatz veröffentlichen, wo ich das sehr deutlich sage.

00:33:31: Die niederländische reformierte Kirche macht es uns vor.

00:33:35: Die haben so wenig Geld, dass sie eigentlich überhaupt

00:33:38: Immobilien gar nicht mehr unterhalten können.

00:33:40: Das ist nämlich der Willstas, wissen nur sehr wenige Leute.

00:33:44: Der Ankauf in Immobilien ist ja gar nicht so teuer, relativ gesehen.

00:33:47: Sondern der Unterhalt selber.

00:33:50: Vor allen Dingen, wenn es dann ältere Immobilien sind.

00:33:52: Die reformierte Kirche hat keine Immobilien mehr.

00:33:55: Sie mietet Immobilien an.

00:33:57: Das gibt nun zum Beispiel eine ungeheure Flexibilität.

00:34:00: Wenn man einen neuen Schwerpunkt der Arbeit irgendwo hat,

00:34:03: kann man sich dann hier im Grunde neu engagieren.

00:34:06: Man kann etwas mieten.

00:34:08: Oder wenn man merkt, ein Schwerpunkt verschwindet,

00:34:11: dann kann man eben auch ein Mietverhältnis wieder auflösen.

00:34:14: Also das wäre jetzt mal ein konkreter Punkt.

00:34:17: Aber ich bin sehr gespannt, was passieren wird,

00:34:19: wenn ich so etwas auf breiter Ebene vorschlage.

00:34:22: Es gibt ja von Eric Flöcke dieses Büchlein,

00:34:26: das er, ich weiß gar nicht mehr,

00:34:28: das war anderthalb Jahre oder so, das glaube ich her.

00:34:31: Er hat gesagt, hey, irgendwie diese 3% verhauen unsere ganze Kohle.

00:34:36: Und werden da bespaßt in diesen teuren Gebäuden mit Veranstaltungen,

00:34:43: die eigentlich kaum besucht werden,

00:34:45: jetzt abgesehen von diesen 3%.

00:34:48: Jetzt gibt es ja aber auch,

00:34:50: und ich finde auch mit einem irgendwo auch nachvollziehbar,

00:34:54: so die andere Tendenzen, die sagt, na ja,

00:34:56: aber das sind die Leute, die wir noch haben, die kommen noch.

00:34:59: Die finden es ja auch schön, sich da in die Kirche zu setzen.

00:35:02: Und wenn wir jetzt die noch aufgeben,

00:35:05: diese Kirchen, die quasi ja unsere Leuchttürme sind,

00:35:07: im Dorf und in der Stadt, dann gute Nacht,

00:35:10: dann kann der Letzte das Licht löschen.

00:35:12: Ja, und genau weil wir dieser Logik gefolbt sind,

00:35:16: stehen wir heute da, wo wir stehen.

00:35:19: Also auch da ein kurzer, jetzt notwendigerweise

00:35:22: holzschlötartiger Beitrag der kirchliche Milieufforschung,

00:35:25: dass Groh der Gottesdienstbesucher kommt aus zwei bis drei Milieus.

00:35:31: Vor allen Dingen die Traditionsorientierten

00:35:34: machen das Groh der Gottesdienstbesucher aus.

00:35:36: Das ist aber gleichzeitig das Milieu, das dramatisch schrumpft.

00:35:41: Vor vor zehn Jahren war es noch das stärkste Milieun unserer Gesellschaft

00:35:45: mit über 20 Prozent.

00:35:48: Und wir die Voraussagen kündigen an,

00:35:51: dass wir in etwa fünf Jahren bei vier oder fünf Prozent

00:35:54: der Bevölkerung liegen.

00:35:56: Also mit anderen Worten, wer sich, wer dieser Logik folgt,

00:36:00: und das ist ja auch ein artikulationsstarkes Milieu,

00:36:04: dass sich eben dagegen wehrt, dass Gottesdienstzeiten verändert werden,

00:36:08: dass Liturgien verändert werden und so weiter,

00:36:11: der verurteilt Kirche wirklich zum Untergang.

00:36:16: Also wenn man jetzt schon quantitativ redet, muss man sagen,

00:36:19: ja, in der Vergangenheit ist das eine Gruppierung gewesen,

00:36:26: eine Lebenswelt gewesen, die kirchliches Leben sehr stark getragen hat.

00:36:30: Aber wir werden uns auf Dauer, wenn wir wirklich Volkskirche sein wollen,

00:36:35: nicht darauf konzentrieren dürfen, sondern wir brauchen dann auch Beipässe.

00:36:40: Jetzt, du gehst ja in deinen Thesen noch einen Schritt weiter.

00:36:45: Du machst ja deutlich, es gibt nicht nur ein Kommunikationsproblem,

00:36:50: es gibt nicht nur eine Milieuverengung,

00:36:53: es gibt auch ein Problem, das viel tiefer geht,

00:36:56: nämlich an die Substanz oder an die Identität der Kirche selber.

00:37:00: Also die Kirche sagt, du hatt ihre Identität ein Stück weit verloren,

00:37:05: sie hat ihren Unique Selling Point verloren,

00:37:08: sie weiß nicht mehr, wer sie ist,

00:37:10: sie schämt sich sogar für das, was sie ist oder sein sollte.

00:37:15: Peter, was sollte Kirche denn sein?

00:37:21: Und inwiefern ist sie das nicht mehr?

00:37:25: Ja, das ist in der Tat wahrscheinlich der Kernschaden.

00:37:30: Ich nehme mal Begriffe auf von Wolfgang Huber oder Michael Welke,

00:37:35: also führenden Kirchentheoretikern,

00:37:37: die auch von der Selbstbaggertalisierung

00:37:40: oder Selbstbanalisierung von Kirchen sprechen,

00:37:43: die dann eintritt, wenn wir im Grunde Anliegen vertreten,

00:37:49: die andere in dieser gesellschaftliche Elitin,

00:37:54: postmaterieller Prägung ohnehin vertreten.

00:37:57: Ich weiß, dass das jetzt ein bisschen heiß und warm wird.

00:38:00: Also ich bin für Gleichberechtigung

00:38:03: und die Genderthematik ist für mich ein Hauptarbeitsgebiet.

00:38:08: Ich bin gegen Diskriminierung und so weiter und so weiter.

00:38:11: Ich bin dafür, dass für die Frage der sozialen Gerechtigkeit

00:38:16: die Armutsproblematik viel stärker gesamtgesellschaftlich artikulieren.

00:38:21: Aber wenn Kirche ihr Propreum darin sieht,

00:38:24: dann ist die Reaktion von Gebildeten wie Nichtgebildeten,

00:38:28: das hören wir doch an allen Orten auch schon

00:38:32: und wir hören es, pardon, vielfach reflektierter

00:38:35: und differenzierter und kundiger.

00:38:37: Und wenn Kirche also ihr Propreum daran findet,

00:38:43: Anliegen zu unterstreichen, die woanders auch vertreten werden,

00:38:47: ich könnte jetzt auch für den traditionellen Bereich reden,

00:38:49: wenn Kirche der Raum ist, wo man Geselligkeit findet,

00:38:52: ja, Menschen, Kinder, also da gehe ich doch vielleicht lieber

00:38:56: in irgendein Verein oder in einen Club,

00:38:58: wo ich dann wirklich auf Menschen treffe, die so ticken wie ich,

00:39:02: und dann kontrollieren wir die Existenzberechtigung von Kirche.

00:39:05: Das ist zunächst mal zum Stichwort "unique selling point".

00:39:09: Und den müssen wir neu definieren.

00:39:11: Ich hab's im Ausdachsof formuliert,

00:39:14: Kirche hat eigentlich es theologisch über sehr lange Zeit geschafft,

00:39:18: nicht immer so, dass wir das heute noch unterstreichen würden,

00:39:22: die Lebensnotwendigkeit von Kirche zu begründen,

00:39:29: deutlich zu machen.

00:39:30: Es geht um etwas, was nur wir haben und was nur über uns läuft.

00:39:37: Und ich denke, um da auch noch einen Hut draufzusetzen,

00:39:42: das ist im Grunde die Botschaft von der Menschenfreundlichkeit Gottes

00:39:48: in Jesus Christus, die man natürlich dann in verschiedener Weise

00:39:52: ausziehen kann, dass der lebendige Gott, mit dem wir rechnen,

00:39:57: ein Interesse an seiner gefallenen Schöpfung hat.

00:40:02: Und das ist etwas, was bis hin zur Corona-Krise heute

00:40:06: im Grunde Statements erlauben würde, die sehr konkret sind

00:40:10: und die von keiner anderen gesellschaftlichen Gruppe

00:40:13: in dieser Weise vertreten werden.

00:40:15: Wenn du das sagst, dann gibst du natürlich eine ganze Reihe von Christen,

00:40:20: vielleicht auch gerade Christen in Erwecklichen oder konservativen Gemeinden,

00:40:26: die dann mit Freude mitgehen und sagen, ja wohl,

00:40:30: wir müssen zurück zum Evangelium und möglicherweise gerade verfehlen,

00:40:36: was dir da auf dem Herzen ist, weil es ja nicht nur um einen Rückgang

00:40:40: zu einer Botschaft geht, die man früher mal hatte oder zu haben glaubte,

00:40:46: sondern um eine Neuentdeckung dessen, was wir eigentlich

00:40:52: als Kirche zu sagen haben.

00:40:53: Hab ich die da richtig verstanden?

00:40:56: Ja, durchaus.

00:40:57: Man muss immer gucken, dass man nicht den Beifall

00:41:01: von der falschen Seite bekommt.

00:41:03: Und darauf weißt du ein Stück weit hin,

00:41:06: dass das, was eine kommunikationsfähige Kirche,

00:41:10: eine anschlussfähige Kirche an Zumutung bereithält,

00:41:15: erstreckt sich durchaus auch auf den Bereich,

00:41:18: den wir eher konservativ benennen.

00:41:20: Und das zeigt sich dann auch.

00:41:22: Also ich will das nur wegen des Andeuten.

00:41:25: Wir sind eben auch in der Formulierung unseres Glaubens

00:41:30: durch, auch in der Organisation unseres Kirche Seins,

00:41:34: durch ein Ordnungsdenken bestimmt,

00:41:38: dass ich so nicht in der Heiligen Schrift finde,

00:41:42: sondern dass ganz wesentlich ein griechisch-römischen Hintergrund

00:41:48: hat, auch geistesgeschichtlich.

00:41:50: Ich weiß nicht, wie weit wir da jetzt ins Detail gehen wollen.

00:41:53: Also ich kann es wegen des Kilosophisch noch mal kurz andeuten.

00:41:57: Die traditionellen Formulierungen unseres köstlichen Glaubens

00:42:00: sind im Wesentlichen durch die griechische Metaphysik

00:42:05: bis hin zu Aristoteles Metaphysik Buch 7 geprägt.

00:42:10: Ich merke das immer dann, wenn ich eine klassische,

00:42:14: herkömmliche Gestalt von Allmacht und Allwissenheit Gottes

00:42:18: im Horizont der TODC-Problematik

00:42:22: problematisiere, was wir Widerstände da auf einzukommen.

00:42:28: Also was wir brauchen, ist tatsächlich auch

00:42:31: theologisch ein fundamentales Umdenken nicht weg von der Heiligen Schrift,

00:42:37: sondern im Sinne einer Neuentdeckung von Aussagen,

00:42:41: die wir über sehr, sehr lange Zeit im Westen,

00:42:44: in den westlichen Kirchen unterdrückt haben.

00:42:47: Peter, jetzt wo wir es bei den theologischen vielleicht

00:42:52: gerne Themen sind.

00:42:53: Ich möchte auch noch mal bei dem Punkt Einhängen,

00:42:56: den Manu jetzt genannt hat.

00:42:58: Ich habe noch gut Thorsten Dietz im Ohr,

00:43:01: der beim Podcast "Das Wort und das Fleisch"

00:43:04: in dieser vollminanten Schlussfolge hat der ein Beispiel gebracht.

00:43:07: Der hat gesagt, ich finde das super, dass es C-Watch 4 gibt

00:43:11: und politisch unterstütze ich das total.

00:43:14: Die Kirche darf nur nicht den Fehler machen,

00:43:17: zu denken, dass sie dadurch Mitglieder begeistert oder gewinnt.

00:43:21: Weil Joko und Klaas machen das auch,

00:43:23: aber die begeistern quasi ihre Community,

00:43:26: dadurch, dass sie witzig sind und ein Spektakel bieten.

00:43:29: Mir hat das total eingeleuchtet,

00:43:31: weil ich finde immer so, wenn die Kirche was macht,

00:43:34: was ich politisch auch teilt, dann finde ich's okay,

00:43:37: aber begeistern tut's mich nicht.

00:43:39: Irgendwie habe ich doch diese Erwartung,

00:43:42: dass die Kirche ein Ort ist, wo mein Glaube wächst,

00:43:46: gestärkt wird, irgendwie auch noch mal reflektiert wird.

00:43:50: Aber ich meine das jetzt gar nicht nur so bildungsmäßig,

00:43:53: also nicht in einem rein religionsphilosophischen Sinn.

00:43:57: Und trotzdem, wenn ich jetzt so versuche,

00:44:01: etwas holtschnittartig mir die letzten 200 Jahre zu vergegenwärtigen,

00:44:05: habe ich das Gefühl, unsere Diskussion jetzt

00:44:08: steht eigentlich noch mal an einem ähnlichen Punkt,

00:44:10: wie wir schon mal waren beim Übergang vom 18. ins 19. Jahrhundert.

00:44:15: Also wir spüren irgendwie,

00:44:17: es braucht etwas, das nicht mehr preskriptiv funktioniert,

00:44:21: also kann's den Leuten nicht mehr vorschreiben,

00:44:23: wie echte Religion geht.

00:44:25: Wir müssen etwas haben mit einer Erlebnestimension.

00:44:28: Wir brauchen aber auch ein Zentrum,

00:44:30: dass wir wirklich mit diesem Jesus Christus füllen.

00:44:33: Und wir müssen das anders durch Sprache bringen,

00:44:36: als wir uns das bis jetzt gewohnt sind.

00:44:38: Aber ehrlich gesagt, ich hab da kein Land in Sicht.

00:44:44: Also ich sehe nicht, wie das so laufen kann,

00:44:48: dass es Menschen begeistert und mitreißt,

00:44:52: sondern ich sehe das immer nur über Umwege.

00:44:54: Also zum Beispiel, weil wir von Gott geliebt sind,

00:44:59: sollen wir Menschen aus dem Mittelmeer retten.

00:45:02: Weil Gott uns nach seinem Bild geschaffen hat,

00:45:05: dürfen wir uns nicht diskriminieren.

00:45:07: Es wird irgendwie immer politisch, moralisch,

00:45:10: aber dieses Faszinierende, dass Geborgenheit ausdrücken kann,

00:45:15: das Schönheit hat, das find ich nicht mehr, das fehlt mir.

00:45:20: Das kann ich nur untersteigen.

00:45:23: Und du hast auf Thorsten Dietz rekoriert

00:45:26: und das Beispiel mit der Sea-Walt-Schwier,

00:45:28: das hatte ich ja genau versucht, auch zu sagen,

00:45:31: mit dem Verlust des Unix-Selling-Points.

00:45:33: Oder man könnte auch von Civil Religion sprechen.

00:45:36: Also das sind im Grunde wichtige Sachen,

00:45:38: warum soll ich dafür eigentlich Kirche in Anspruch nehmen?

00:45:42: Und ich bin auch ganz bei dir,

00:45:44: bei den Markierungen, die du getroffen hast,

00:45:47: wir können den Leuten Religion nicht vorschreiben.

00:45:50: Ja, das wäre schon einmal sehr, sehr gut,

00:45:52: wenn wir das akzeptieren würden.

00:45:54: Im Glauben geht es um Erlebnis

00:45:56: und im Zentrum muss Jesus Christus stehen.

00:45:59: Wie kriegen wir das hin?

00:46:02: Das geht natürlich jetzt deutlich hinaus

00:46:05: über eine Kritik an der gegenwärtigen Gestalt

00:46:08: von Kirchentum, die wir erleben.

00:46:11: Mein Grundsatz wäre vielleicht auch sehr stark biographisch geprägt.

00:46:15: Es geht überhaupt nicht darum,

00:46:17: dass wir eine gesellschaftliche Funktion wahrnehmen.

00:46:20: Sehr provokativ formuliert.

00:46:23: Bart sagte vor 100 Jahren etwa,

00:46:26: der Farra, der es den Leuten recht macht.

00:46:29: Das war sein kritischer Punkt.

00:46:32: Es geht nicht um Gesellschaftsrelevanz,

00:46:34: es geht darum, dass wir unser Leben vor Gott verantworten.

00:46:38: Es geht auch nicht darum, dass wir die Menschen bespaßen.

00:46:41: Das ist ja etwa auch im erfangenlikalen Raum

00:46:44: tatsächlich so ein Konzept,

00:46:46: der geistlicher als Entertainer.

00:46:49: Ich muss gerne in den Gottesdienst kommen.

00:46:51: Das ist doch im Grunde auch Humbuch.

00:46:54: Ja, ich würde ...

00:46:56: Ja, warum soll ich denn gerne in den Gottesdienst ...

00:46:59: Ich tue doch den ganzen Tag Dinge, die ich gerne tue.

00:47:02: Warum soll ich denn gerne in den Gottesdienst gehen?

00:47:05: Ich muss in den Gottesdienst gehen.

00:47:07: Ich muss Christ sein, weil ich das anders nicht kann.

00:47:10: Und hier geht es um die zentrale Frage,

00:47:13: was bedeutet es eigentlich Christ zu sein?

00:47:16: Und aus meiner Sicht,

00:47:18: aber das ist jetzt eine sehr persönliche Antwort,

00:47:21: aber insofern auch entsprechend postmodern,

00:47:23: geht es darum, dass wir unser Leben mit allen seinen Bezügen

00:47:28: von der Partnerschaft,

00:47:30: von den Problemen, die ich habe mit den Menschen um mich herum,

00:47:34: in meiner Familie, unter den Kollegen,

00:47:37: bis hin zu meiner Schwäche,

00:47:38: bis hin zu der Tatsache, dass ich ständig merke,

00:47:41: dass ich den eigenen Ansprüchen nicht gereicht werde.

00:47:44: Also die Existenz mit allen ihren Dimensionen

00:47:47: in die Gottesbeziehung hineinnehmen

00:47:50: und von daher umgestalten, dass sie ...

00:47:52: Dann habe ich ein Erlebnis-Element,

00:47:55: das ich mir stärker überhaupt nicht vorstellen kann.

00:47:58: Und die Leute sollen nicht sagen,

00:48:00: mein Leben ist so unglaublich spannend,

00:48:02: mehr halte ich gar nicht aus.

00:48:04: Es ist an sich schon reich an Herausforderungen,

00:48:07: aber dadurch, dass ich versuche,

00:48:09: diese Dinge von Gott her zu leben,

00:48:12: bekommt eine nicht überbietbare Erlebnisqualität.

00:48:15: Und die Mitte der Fokus ist damit auch da,

00:48:19: dass ich versuche ...

00:48:21: Bonneau fährt jetzt von Nachfolge gesprochen,

00:48:24: aber das ist natürlich auch schon ein sehr alter Begriff.

00:48:27: Ich habe auch meine Glauben aus dieser Mitte herauszugestalten.

00:48:31: Und dann bekomme ich Bedürfnisse.

00:48:33: Dann fange ich auch an, mich mit anderen Christen auszutauschen

00:48:37: und zu fragen, wie löst du eigentlich dieses Problem?

00:48:40: Wie gehst du mit der THC-Frage um?

00:48:42: Was machst du, wenn du merkst, du bist schuldig geworden?

00:48:45: Und das sind die Fragen,

00:48:47: wenn wir die von der Mitte des Christlichen Glaubens her angehen,

00:48:51: dann werden wir wirklich relevant,

00:48:53: weil wir dann etwas leisten, was ...

00:48:55: was niemand anders in dieser Gesellschaft leistet.

00:48:58: Oder bin ich ganz bei dir?

00:49:00: Ich selbst bin jetzt froh, dass du gesagt hast,

00:49:04: wir müssen irgendwie wegkommen von dieser Funktionslogik.

00:49:07: Also, uns zu fragen, quasi, was erleichtert der Glaube?

00:49:10: Oder so. Oder was erleichtert Kirche?

00:49:13: Weil ich erlebe so, dass mir mein Glaube

00:49:16: sehr oft eigentlich eher ein Strich durch die Rechnung macht.

00:49:20: Also, gerade als jemand, der eigentlich eine Affinität hat,

00:49:23: auch zu postmodernem Denken.

00:49:25: Und darin wirklich auch zu einem Relativismus.

00:49:29: Also Dinge vor allem in Beziehungen auch,

00:49:31: zu denken und auszudrücken.

00:49:33: Merke ich schon, dass es für mich einfacher wäre,

00:49:36: wenn ich mich jetzt frage,

00:49:38: was soll ich jetzt in dieser Situation tun,

00:49:40: das auf eine Entscheidung runterzubrechen, wo ich denke,

00:49:44: oh, wie würde ich mich jetzt fühlen, wenn ich das tue?

00:49:47: Oder wenn ich das tue?

00:49:49: Das ist für mich einfacher, aus mir zu denken.

00:49:52: Ich habe schon aus einer Perspektive eines Gottes,

00:49:55: der den anderen gleich lieb hat wie mich.

00:49:57: Und jetzt ohne das zu moralisieren,

00:49:59: sondern wirklich als Empfindung, als Gefühlsempfindung,

00:50:02: das so zu denken.

00:50:04: Stefan, die Beispiele hätte ich selber nennen können jetzt.

00:50:08: Das ist für mich ein Schlüssel in dem Versuch,

00:50:11: mit anderen umzugehen, dass ich denke,

00:50:13: also, ich muss doch davon ausgehen,

00:50:15: dass Gott diesen anderen Menschen,

00:50:18: den ich vielleicht sogar vorab steuere.

00:50:20: Ich muss den Menschen, die mich schon als Menschel schranken,

00:50:23: hochziehe, den ich überhaupt nicht verstehe,

00:50:26: dass der den genauso liebt wie mich.

00:50:28: Was ist das für eine Bombe, für mein eigenes Selbstverständnis,

00:50:31: für mein eigenes Handeln?

00:50:34: Was ergibt sich daraus an Potenzial auch an Veränderung?

00:50:37: Und ich bin ganz bei dir die Frage, was erleichtert den Glauben?

00:50:42: Instrumentalisiert ja im Grunde Frömigkeit schon wieder.

00:50:46: Instrumentalisiert die Gottesbeziehung.

00:50:48: Und als evangelische sind wir eigentlich angetreten,

00:50:51: solcher Instrumentalisierung zu wehren.

00:50:53: Darum kann es ja gerade nicht gehen,

00:50:55: dass wir Gott zum Instrument eines erfüllten Lebens machen.

00:50:59: Ich mache eher die Erfahrung, dass da, wo ich versuche,

00:51:03: wir können es ja nur versuchen,

00:51:06: Gott einen Einspruchsrecht,

00:51:07: einen Mitspracherecht in unserem Leben zu geben,

00:51:10: dass da das Leben sehr, sehr viel komplizierter und schwieriger wird.

00:51:15: Aber daraus ergibt sich dann die erwartete Erlebnisdimension.

00:51:19: Peter, vielen Dank für die ...

00:51:22: Ich bin froh darüber, dass wir jetzt so auch inhaltlich,

00:51:26: substanziell, auch theologisch noch mal tiefer gegraben haben.

00:51:30: Und du da nachgelegt hast.

00:51:32: Ich find das super spannend und anregend.

00:51:34: Und das ist ja auch ein bisschen ...

00:51:36: Also, jetzt ist ja schon für mich ein Stück ...

00:51:39: doch ein Stück Hoffnung oder Zukunftsmöglichkeit,

00:51:45: aufgeblitzt auch für Kirche.

00:51:47: Weil deine Thesen kommen natürlich schon so in dieser Wucht

00:51:53: und in dieser apodiktischen Art als ein sehr düsterer Text daher.

00:52:02: Man könnte fast sagen, du bist so ein bisschen der Matrose auf der Titanic.

00:52:07: Der sagt, der Eisfelsen, der Eisberg kommt.

00:52:13: Und es ist zu spät, das Schiff noch zu kehren.

00:52:17: Aber man könnte vielleicht noch ein paar Rettungsboote abseilen.

00:52:21: Und ich möchte dir vielleicht als letzte Frage stellen,

00:52:24: wo siehst du Möglichkeiten für Rettungsboote?

00:52:28: Oder kannst du vielleicht einfach in aller Kürze so einen ...

00:52:32: doch noch sagen, wo für dich ein ...

00:52:36: ein noch unentdecktes Potenzial für Zukunft schlummert?

00:52:43: Also, zunächst noch einmal eine Unterscheidung,

00:52:48: die mir auch in dem Aufsatz selber sehr, sehr wichtig ist.

00:52:50: Wir müssen unterscheiden zwischen Kirche und Kirchentümer.

00:52:54: Kirchentümer haben keine Ewigkeitsgarantie,

00:52:57: haben keine Bestandsgarantie.

00:52:59: Aber eine Kirche, die sich neu besinnt auf diese Mitte,

00:53:05: die sie nicht selbst ist und die sie nicht selbst hat.

00:53:10: Eine solche Kirche gewinnt Bedeutung für Menschen.

00:53:13: Automatisch, das geht gar nicht anders.

00:53:16: Sie fällt auf, die hat ihren USB.

00:53:19: Und sie wird sich auch umgestalten.

00:53:22: Man könnte es jetzt auch wieder mit traditionellen Vokabeln sagen.

00:53:26: Ich denke, dass wir der Frage der Fräumigkeit, der Pietas,

00:53:32: der Spiritualität, der Christus-Spiritualität,

00:53:35: nicht irgendeiner Spiritualität,

00:53:38: der Christus-Spiritualität neu Raum geben müssen.

00:53:41: Und deshalb ja auch dieser Versuch, diese Thesen so zu schreiben,

00:53:45: ein Freund von mir sagte,

00:53:47: "Du, das ist aber eigentlich eher eine Gerichtsansage."

00:53:49: Damit ist, glaube ich, etwas getroffen.

00:53:51: Es geht mir darum, dass wir innehalten,

00:53:54: das hat Stefan eben ja auch formuliert,

00:53:56: und dass wir neu überlegen,

00:53:59: und dass wir dann in einem zweiten Schritt auch darauf hören,

00:54:04: was will eigentlich der Herr der Kirche.

00:54:06: Und vertrauen wir darauf,

00:54:08: dass er uns in diesen Prozess der Umgestaltung hinein nimmt.

00:54:12: Das wird ein sehr, sehr langer Prozess sein.

00:54:15: Aber mehr kann man überhaupt nicht fordern und verlangen

00:54:20: und anregen, als du sagen,

00:54:23: lass das Allotria und konzentriert euch neu,

00:54:27: du setzt die Prioritäten neu

00:54:29: und gebt dieser Christus-Wirkigkeit neu Raum.

00:54:34: Das hat dann Konsequenzen,

00:54:36: etwa im Hinblick auf die Milieusensibilität.

00:54:39: Das hat Konsequenzen, weil es mir auf einmal zu einem anliegen wird.

00:54:43: Was ist denn mit den vielen jungen Menschen

00:54:45: oder mit den vielen Menschen, die ganz anders geprägt sind

00:54:48: und denen ich mit meiner Prägung im Wege stehe?

00:54:52: Sie können das Evangelium von Jesus Christus nicht hören,

00:54:56: weil sie Christentum identifizieren

00:54:58: mit einer überkommenen kulturellen Gestalt.

00:55:01: Das darf mich nicht schlafen lassen.

00:55:05: Und da bin ich dann absolut gefordert, zu überlegen,

00:55:08: das ist im Grunde die alte missionstheologische Aufgabe

00:55:11: der Kontextualisierung.

00:55:12: Wie kann ich denn das Evangelium so leben

00:55:15: und ihm auch lebensmäßig ein solch Gestalt geben,

00:55:18: dass andere Menschen entdecken?

00:55:20: Wow, das ist relevant für mich.

00:55:22: Also, das wäre jetzt mal ein Punkt.

00:55:24: Ich werde eine ganze Reihe von Vorschlägen

00:55:27: dann auch konkreter Natur vorlegen.

00:55:30: Aber die Mitte ist hoffentlich markiert.

00:55:33: Peter, ich habe gerade ein Bild.

00:55:37: Ich habe mir überlegt, als Manu das gefragt hat,

00:55:39: man könnte ja sich zwei Rollen denken auf der Titanic.

00:55:43: Das eine ist, du verfrachtest die Leute in die Rettungsbote

00:55:46: und schickst sie raus.

00:55:48: Das andere ist, man spielt noch die schöne Schlussmusik

00:55:52: mit der Kapelle, bis es wirklich ganz untergeht

00:55:54: und wir alle im Wasser stehen.

00:55:56: Ich habe jetzt bei deinem Statement

00:55:58: so eine dritte Variante rausgehört.

00:56:00: Es könnte auch sein, dass du noch ganz knapp vor dem Eisberg stehst.

00:56:04: Weißt, das Schiff wird in den Eisberg hineinfahren

00:56:07: und es wird sinken.

00:56:09: Aber du rennst dann quasi zum Captain und sagst,

00:56:12: hey, wenn wir jetzt die Rettungsbote rauslassen,

00:56:15: dann kriegen wir sie alle irgendwie noch weg.

00:56:18: Aber das würde dann eben heißen,

00:56:20: dass verschiedene Leute verschiedene Boote brauchen

00:56:23: und der große Dampfer nicht mehr funktioniert.

00:56:25: Sehr gerne einverstanden mit diesem Bild.

00:56:28: Dafür fühle ich mich gut verstanden.

00:56:30: Wunderbar, das bin ich schön.

00:56:32: Und dann dürfen wir noch ein bisschen Hoffnung mitnehmen,

00:56:35: dass wir vor dem Eisberg noch in die Rettungsbote kommen.

00:56:38: Nicht danach. - Wichtig.

00:56:40: Und nicht die Existenz dieses Schiffes ist ja doch das Entscheidende,

00:56:45: sondern dass Menschen gerettet werden, wie auch immer.

00:56:48: Entweder kriegen wir die Kurve vorher noch,

00:56:50: da müsste man dann das Drehbuch umschreiben

00:56:53: oder eben wir gehen in die Boote oder es kommen Hubschrauber.

00:56:56: Was auch immer da passieren mag,

00:56:59: aber entscheidend ist,

00:57:00: dass wir bereit sind, uns umgestalten zu lassen.

00:57:03: Peter, ich habe noch nie so gerne in einem theologischen Gespräch

00:57:07: den Satz gehört, dass Menschen gerettet werden wie jetzt gerade.

00:57:11: Ich bin denen seiner Doppeldeutigkeit wunderschön.

00:57:14: Ich danke dir für diese Offenheit,

00:57:16: auch für dieses persönliche Engagierte,

00:57:18: was jetzt wirklich sehr erlebbar war, auch für mich.

00:57:21: Weil wenn man einfach deinen Text liest

00:57:24: oder auch deine Analysen in der Milie-Studie,

00:57:27: die rausgekommen ist mit BodoFlight,

00:57:30: dann nimmt man dich sehr analysierend,

00:57:32: auch mit einer gewissen Distanz.

00:57:34: Das hat mir jetzt richtig gut getan, so den Mensch dahinter zu spüren

00:57:38: und auch deine Verbundenheit, die du hast mit der Sache.

00:57:41: Ich danke dir ganz herzlich für die Zeit, die du dir genommen hast.

00:57:44: Wir werden deinen Text natürlich verlinken in den Show-Noten.

00:57:48: Wir werden ihn aber auch auf der Webpage verlinken

00:57:50: und wir freuen uns, wenn die Diskussion da weitergeht.

00:57:54: Und sind sicher, dass du ein streitender und streitbarer,

00:57:59: aber eigentlich ein sehr loyaler und tief verbundener Typ bleiben wirst,

00:58:04: der hoffentlich alle Rettungsbote ins Wasser kriegt,

00:58:07: bevor wir im Eis berg sind.

00:58:10: Wie war Stefan?

00:58:11: Es hat mir Freude gemacht, mit euch beiden zu reden

00:58:14: und auch die Verbundenheit im Anliegen zu spüren.

00:58:18: Am Schluss eine Korrektur.

00:58:20: Ich bin nicht der, der die Leute in die Rettungsbote bekommt.

00:58:23: Aber sonst ganz einig.

00:58:26: Erschiebt.

00:58:28: Vielen Dank, Peter, für das Gespräch.

00:58:31: Vielen Dank, Peter.

00:58:33: Und wir sind gespannt, was ihr dazu meint.

00:58:35: Aber ihr könnt uns das entweder zum Text dazu schreiben,

00:58:39: wenn ihr wollt.

00:58:40: Ihr könnt aber auch direkt den Podcast kommentieren

00:58:42: und immer könnt ihr uns E-Mails schicken,

00:58:45: zum Beispiel an manuel.schmid@reflab.ch

00:58:48: oder an stefan.jütte@reflab.ch.

00:58:51: Und wenn ihr was schreibt, das Peter mitkriegen soll,

00:58:54: dann werden wir das selbstverständlich weiterleiten.

00:58:57: Habt eine gute Woche und wir hören uns schon bald mit Staffel 4.

00:59:02: Tschüss.

00:59:04: (Dynamische Musik)

00:59:06: SWR 2020

00:59:10: (Dynamische Musik)

00:59:12: [Musik]

Über diesen Podcast

Was heisst das eigentlich, Christ zu sein? Woran glauben Christen und was können sie getrost aufgeben? Logisch, dass sich Manuel Schmid & Stephan Jütte dabei nicht immer einig sind. Aber sie versuchen in diesem Podcast zusammen herauszufinden, was für sie wirklich zählt und was ihnen eher im Weg steht. Und klar: Beide wissen es auch nicht wirklich. Aber vielleicht regt es dich an zum Mitdenken. Oder es regt dich auf und du magst mit ihnen streiten. Oder du schreibst ihnen einfach mal, was du nicht mehr glauben kannst oder musst oder willst.

von und mit Manuel Schmid & Stephan Jütte

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