Ausgeglaubt: ein RefLab-Podcast

Ausgeglaubt: ein RefLab-Podcast

Transkript

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00:00:00: So, herzlich willkommen. Jetzt kommt meine absolute Topfolge, meine Liebste Lieblingsfolge überhaupt von aus geglaubt.

00:00:08: Jetzt "The Power of Now", die Kraft der Gegenwart, Eckhart Tolle.

00:00:14: Und das ist wirklich eine Folge, wo Manu und ich gar nicht nach Konfliktpotential suchen mussten.

00:00:20: Da geht es nicht um Feinheiten, da hat Manu den Zweihänder ausgepackt,

00:00:24: weil Eckhart Tolle hat ihn wirklich an den Rand seiner Höflichkeit gebracht und ihn an eine Grenze geführt,

00:00:32: wo er nicht mehr verstehen sondern poltern wollte und trotzdem.

00:00:36: Und vielleicht gerade deswegen ist es eine Folge, über die wir oder vielleicht auch ein Buch oder eine Haltung oder ein Thema,

00:00:43: über das Manu und ich seit 2022 wirklich immer im Gespräch sind.

00:00:48: Also es kommt immer wieder vor und für mich bleibt das etwas ganz, ganz Wichtiges, was ich von Eckhart Tolle durch sein Buch,

00:00:58: das ich übrigens meistens als Hörbuch gehört habe und heute noch oft höre zum Einschlafen gelernt habe.

00:01:04: Ja, da muss ich wirklich sagen nach doch schon relativ langer Zeit der Freundschaft und Zusammenarbeit,

00:01:11: das ist aus dem Januar 22 die Folge, da bist du mir mal kurzzeitig fremd geworden.

00:01:17: Da habe ich gedacht, meine Fresse, jetzt habe ich gedacht, ich hätte den Stefan raus,

00:01:21: aber da kommt er und findet den Eckhart Tolle, das war ein so schreckliches Buch.

00:01:26: Und ich fand das so unfassbar, dass wir das gut fanden.

00:01:31: Und was man auch sagen muss, die Folge ist in einer Art und Weise durch die Decke gegangen.

00:01:36: Das ist völlig absurd.

00:01:38: Also etwa 10-mal so viele Hörerinnen und Hörer wie andere Folgen oder?

00:01:42: Ja, wir haben praktisch die 50.000er Grenze geknackt.

00:01:47: Also Leute suchen irgendwie nach Eckhart Tolle, stoßen auf diese Folge und kommentieren auch bis heute,

00:01:53: kriegen noch Kommentare, auch von ganz vielen Fans von Eckhart Tolle, die mir dann erklären,

00:01:57: warum ich ihn halt einfach überhaupt nicht verstanden habe.

00:02:00: Wahrscheinlich weil mir die Seelenruhe fehlt, um mich in diese Geistesverfassung hineinzuversetzen,

00:02:06: keine Ahnung.

00:02:07: Aber wenn ihr eine kontroverse Folge hören wollt, die doch wirklich anregend zum Weiterdenken,

00:02:14: dann seid ihr hier an der Richtlinstelle.

00:02:16: Vielleicht, das ist mir doch noch wichtig, haben wir dann bei der Buchreihe, die wir aufgenommen haben,

00:02:21: doch noch so etwas wie einen gemeinsamen Nenner gefunden.

00:02:24: Nicht über Eckhart Tolle selbst, sondern Manu hatte eine große Faszination für historische Philosophie.

00:02:32: Und da haben wir einen Berührungspunkt gefunden mit dem, was Achtsamkeit bei Eckhart Tolle ist.

00:02:38: Aber das war etwa ein Jahr später dann.

00:02:41: Ja, also die Folge hat uns angetrieben.

00:02:44: Wir sprechen bis heute drüber und Manu muss damit leben, dass die erfolgreichste Folge,

00:02:49: eine Folge ist so ein Buch, das er nicht mag.

00:02:51: Das er nicht mag, genau.

00:02:53: Ach ja, also viel Spaß ihr Lieben bei diesem spannenden Gespräch.

00:02:57: Tschüss.

00:02:58: Ciao.

00:03:01: Ausgelaubt.

00:03:02: Der Podcast über das, was wir nicht mehr glauben und das, was uns wichtig bleibt.

00:03:09: Eines Nachts, nicht lange nach meinem 29. Geburtstag,

00:03:20: erwachte ich in den frühen Morgenstunden mit einem Gefühl absoluten grauend.

00:03:26: Ich war schon oft mit einem solchen Gefühl aufgewacht, aber diesmal war es intensiver als je zuvor.

00:03:33: Die Stille der Nacht, die Wagenumrisse der Möbel im dunklen Zimmer, das entfernte Geräusche eines vorüberfahrenden Zuges,

00:03:41: alles fühlte sich so fremd an, so feinzelig und so absolut bedeutungslos,

00:03:46: dass in mir ein tiefer Abscheu vor der Welten stand.

00:03:50: Und das Abscheulichste von allem war meine eigene Existenz.

00:03:54: In welchen Sinn machte es, mit dieser Elendslast weiterzuleben?

00:03:58: Warum diesen ständigen Kampf weiterführen?

00:04:00: Ich konnte fühlen, dass die tiefe Sehnsucht nach Auslöschung, nach Nicht-Existenz jetzt wesentlich stärker wurde,

00:04:08: als der instinktive Wille weiterzuleben.

00:04:12: Ich kann mit mir selbst nicht weiterleben.

00:04:15: Dieser Gedanke kreiste endlos in meinem Verstand.

00:04:19: Plötzlich wurde mir bewusst, was für ein sonderbarer Gedanke das war.

00:04:23: Bin ich einer oder zwei?

00:04:25: Wenn ich nicht mit mir selbst leben kann, dann muss es zwei von mir geben,

00:04:30: dass ich und das selbst, mit dem ich nicht mehr leben kann.

00:04:35: Vielleicht dachte ich, ist nur eins von beiden wirklich.

00:04:39: Ich war so fassungslos über diese seltsame Erkenntnis, dass mein Verstand anhielt.

00:04:44: Ich war beim vollen Bewusstsein, aber es waren keine Gedanken mehr da.

00:04:49: Dann fühlte ich mich in eine Art Energiewirbel hineingezogen.

00:04:53: Zuerst war die Bewegung langsam, dann beschleunigte sie sich.

00:04:57: Ich wurde von heftiger Angst ergriffen und mein Körper begann zu zittern.

00:05:01: Ich war aus dem Inneren meiner Brust, hörte ich die Worte "Währe dich nicht".

00:05:06: Ich fühlte, wie ich in eine Leere hineingesaubt wurde.

00:05:11: Hallo, alle Seid, Willkommen zur neuen Staffel von "Ausgeglaubt".

00:05:26: Wir beschäftigen uns mit Büchern, die, wenn nicht Geschichte geschrieben,

00:05:32: dann doch die Gemüter bewegt und weite Kreise gezogen haben.

00:05:37: Heute geht es um einen Autor.

00:05:41: Da muss ich jetzt ehrlich sagen, Stefan, du hast den vorgeschlagen.

00:05:45: Ich habe keine Ahnung gehabt, nie gehört.

00:05:48: Und dann erst beim Recherchieren gemerkt, was das eigentlich für eine Schuhnummer ist.

00:05:53: Eckhard Tolle, sein berühmtestes und meistverkauftestes Buch,

00:05:58: heißt "Jetzt die Kraft der Gegenwart" auf Englisch ein bisschen griffiger.

00:06:04: "The Power of Now".

00:06:06: Worum geht es da, Stefan?

00:06:08: Ich habe mich da einlesen müssen, ich brauche da Entwicklungshilfe.

00:06:12: Und dann bin ich sehr gespannt auf das Gespräch über das Buch.

00:06:17: Hast du das ganze Buch gelesen?

00:06:19: Nein, ich habe es nicht geschafft.

00:06:21: Aber dann kommen wir ja noch dazu.

00:06:23: Das wird spannend.

00:06:24: Zunächst mal Hallo zusammen und schön, dass ihr wieder dabei seid.

00:06:28: Danke für die vielen tollen konstruktiven Zuschriften,

00:06:31: die wir gekriegt haben, zu unserer letzten Folge,

00:06:35: wo wir über Johannes Hartl's "Iden Culture" gesprochen haben.

00:06:39: Wir hoffen, dass das so konstruktiv und zahlreich weitergeht.

00:06:43: Heute mit Eckhard Tolle haben wir eigentlich so ein Superstar

00:06:46: aus der Spiritualitätszene.

00:06:48: Und wenn man Achtsamkeit hört, dann ist das einer der großen Namen,

00:06:53: der damit im Deutschsprachigen,

00:06:55: aber natürlich nicht nur im Deutschsprachigen Raum, in Verbindung steht.

00:07:00: Eckhard Tolle ist bald 74 Jahre alt, ist ein Autor, mein Weisheitslehrer

00:07:06: und hat in seinen spirituellen Seminaren,

00:07:10: Gesprächen, die er gegeben hat, immer wieder Menschen ganz entscheidend weitergeholfen.

00:07:16: Und dieses Buch "Jetzt die Kraft der Gegenwart,

00:07:20: ein Leitfaden zum spirituellen Erwachen"

00:07:22: kommt eigentlich aus diesen Fragen, die an ihn herangetragen wurden,

00:07:26: auch so als spiritueller Meister, wenn man so will, heraus.

00:07:31: Und sind eigentlich immer im Kontext von ganz praktischen Fragen,

00:07:36: die Menschen ihm gestellt haben, dann entstanden und wurden dann so zusammengestellt.

00:07:41: Es gibt dazu auch ein Praxisbuch, das er etwas später noch herausgegeben hat,

00:07:47: mit Meditationsanleitungen und beim Übungen,

00:07:52: die man ganz praktisch gleich umsetzen kann,

00:07:54: wenn man das Lesen kurz unterbricht.

00:07:56: Was ich auch sehr empfehlen kann, ist das Hörbuch dazu.

00:07:59: Eckhard Tolle liest das selbst, denn Eckhard Tolle ist ursprünglich ja deutschsprachig.

00:08:05: Also der stammt aus Deutschland, lebt mittlerweile aber in Vancouver

00:08:10: und hat wirklich eine weltweite Ausstrahlung.

00:08:14: Ja, das fand ich spannend, vielleicht auch einleiten zu sagen,

00:08:19: aber Eckhard Tolle verdankt seinen Namen oder hat sich seinen Namen selber gegeben,

00:08:26: den Vornamen Eckhardt und er verdankt das eigentlich der Anspielung auf den Meister-Eckhard,

00:08:32: den berühmten Mystiker.

00:08:34: Und wir kommen ja sicher auch auf seine vielfältigen religiösen Einflüsse

00:08:39: und, wie sagt man, Rezeptionen noch zu sprechen.

00:08:44: Es ist auf jeden Fall eine Quelle, die ihn offenbar genug beeindruckt hat,

00:08:48: um seinen Namen anzupassen.

00:08:51: Gebürtig hieß er Ulrich Leonhard Tolle.

00:08:56: Ist auch schon ein cooler Name.

00:08:58: Auch schon recht cool.

00:08:59: Da hat er dann Eckhard Tolle.

00:09:01: Ich nehme an, dass Tolle verdankt sich dem Englischsprachigen

00:09:05: Einflüßmatholle.

00:09:07: Genau, weil das kriegen die Amerikaner nicht über die Lippen.

00:09:10: Sehr bekannt geworden, berühmt, Interviews mit Oprah.

00:09:15: Das ist ja eigentlich die inoffizielle Präsidentin der Vereinigten Staaten.

00:09:19: Also mindestens wenn es um Religionsfragen, würde ich sagen.

00:09:22: Das ist ja der Ritterschlag, wenn man bei Oprah um seine religiösen Ideen vorgesteckt hat.

00:09:28: Das ist eine spirituelle Autorität in den USA.

00:09:32: Und da hat er sogar eine mehrteilige Interviewreihe veröffentlicht.

00:09:37: Ich habe auch den Dalai Lama getroffen.

00:09:40: Ich bin dann schon ein bisschen erschrocken, dass du ihn gar nicht gegessen hast.

00:09:45: Ich habe mir das dann überlegt, dass sich eine sehr eingeschränkte Weltsicht habe.

00:09:55: Natürlich als Europäer, aber auch als jemand, der in evangelikalen Kreisen aufgewachsen ist.

00:10:02: Ich kenne da jeden und jede, die irgendwie halbwegs zu einer Berühmtheit gelangt ist.

00:10:09: Aber außerhalb kenne ich eigentlich fast nichts.

00:10:12: Und dann dazu kommt auch, dass ich halt in den Abteilungen der Buchhandlungen,

00:10:17: die mit Esoterik, Spiritualität oder Lebenshilfe überschrieben sind,

00:10:23: einfach mich fast nie tummle.

00:10:26: Ich weiß nicht, wie es dir geht.

00:10:28: Aber noch was Gutes, das immer wie mehr große Buchläden gar nicht mehr unterscheiden zwischen

00:10:33: Religionsspiritualität und Esoterik.

00:10:35: Ja, ja, da ist alles irgendwie ...

00:10:37: Dann kann das einfach das kleine Regal ganz hinten liegen.

00:10:39: Ja, ja, genau. Da stößt man dann auch mal auf den Tolle.

00:10:42: Ja, vielleicht kurz zum Inhalt des Buches.

00:10:45: Ich würde das jetzt gar nicht irgendwie erschöpfend erklären,

00:10:48: aber ein Missverständnis, das jetzt gleich aufkommen könnte,

00:10:52: will ich trotzdem mal von Anfang an ausräumen.

00:10:55: Ich bin hier nicht um so eine Superindividualismus-Kiste bei Eckhart Tolle,

00:11:00: sondern Eckhart Tolle geht es wirklich um ein neues Bewusstsein für eine neue Zeit,

00:11:06: dass er dafür ganz wichtig findet, dass wir den ökologischen, aber auch menschlichen Krisen,

00:11:13: in die wir hineinlaufen, begegnen können.

00:11:15: Und er glaubt aber, dass das beim Einzelnen, bei der Einzelnen ansetzen muss,

00:11:21: also dass wir da ein neues Bewusstsein brauchen.

00:11:24: Und jetzt so ganz kurz mal in Thesen zu fassen, was er da eigentlich vorschlägt ist.

00:11:30: Also das erste ist, diese Einsicht zu bekommen, dass das Leben etwas ist,

00:11:36: das nur im jetzt stattfindet.

00:11:39: Dass wir nicht ändern können in der Vergangenheit oder der Zukunft,

00:11:44: sondern immer nur im jetzt.

00:11:46: Das kam ja auch in diesem ersten längeren Teil, den ich vorher gelesen habe, zum Ausdruck.

00:11:51: Dass es diesen plötzlich schaudenden Moment von Gegenwertigkeit gab,

00:11:56: nachdem er, wie intellektuell vielleicht zunächst verstanden hat,

00:12:00: dass er eigentlich sich selbst quasi schizophrien unterteilt,

00:12:05: in ein Ich und ein Selbst, das da irgendwie mit sich am Ringen ist,

00:12:09: hat er zu einem Moment gefunden, in dem er ganz und gar in der Gegenwart war.

00:12:15: Ich glaube, das ist so dieser Ausgangspunkt.

00:12:18: Und jetzt gibt es natürlich aber Hindernisse, um ganz in dieser Gegenwart zu sein.

00:12:23: Das eine, das ist so ein Begriff, der vielleicht nicht gleich klar ist,

00:12:28: oder der auch missverständlich sein kann, das ist der Schmerzkörper.

00:12:32: Der Schmerzkörper ist eigentlich so etwas wie ein verletztes Ego,

00:12:36: das sich immer wieder meldet und Dinge frame und uns in Selbstgespräche verwickelt,

00:12:42: die destruktiv sind.

00:12:44: Das kann ganz leicht getriggert werden.

00:12:47: Ich glaube, wir alle kennen diese Situation, dass man mit Bekannten am Tisch sitzt

00:12:52: und jemand sagt etwas, was vielleicht vermeintlich harmlos klingt

00:12:56: und jemand anderes gerät total in Rage.

00:12:59: Und man schaut sich nur noch an und denkt, was ist denn jetzt passiert?

00:13:02: Und man würde heute vielleicht sagen, das war so ein Triggerpoint.

00:13:06: Genau.

00:13:07: Und diese Triggerpoints, das sind eigentlich alles diese Auswüchse von einem Schmerzkörper,

00:13:13: den wir in uns tragen, den alle Menschen in sich tragen,

00:13:18: auf den sie dann besonders empfindlich reagieren und sich schützen wollen.

00:13:23: Das ist mal so ein erster Teil.

00:13:26: Das geht natürlich letztendlich immer darum, dass in uns ein Ego ist,

00:13:31: dass sich um jeden Preis selbst erhalten will,

00:13:34: dass quasi Angst hat vor der eigenen Endlichkeit und Vergänglichkeit

00:13:39: und sich deswegen immer spüren muss,

00:13:41: aber sich eigentlich zugrunde richtet.

00:13:43: Und das ist jetzt vielleicht das Verrückte, was Katolle damit gibt,

00:13:47: der sagt, das Problem ist dein Verstand.

00:13:50: Also nicht der Verstand per se, das ist ein gutes Tool.

00:13:54: Also diese Möglichkeit, sich Gedanken zu machen, das ist eigentlich ein gutes Tool.

00:13:58: Das Problem ist aber, dass du dich ständig identifizierst mit diesen Gedanken.

00:14:03: Also dass du nicht mehr unterscheidest zwischen dir, der jetzt diese Gedanken hat

00:14:09: und diesen Gedanken selbst.

00:14:11: Also du bist am Schluss dann quasi dieses ganze Hirngespinz,

00:14:15: dass du die über die Welt machst.

00:14:17: Ja, und das hat ganz fundamental zu tun, auch mit dem,

00:14:20: was man eigentlich als Bekehrungserfahrung von Tolle beschreiben könnte.

00:14:24: Das hast du am Eingangs gelesen.

00:14:26: Das war eben diese Erkenntnis im Gespräch mit sich selber.

00:14:30: Ich kann mit mir selbst nicht mehr leben und dann die Einsicht.

00:14:33: Aber was soll das denn für ein Ich sein,

00:14:36: dass damit einem selbst nicht gegeben kann?

00:14:39: Also diese Differenz, die im Selbstgespräch wahrnimmt,

00:14:43: wird ihm dann zum Ausschlaggebenden, zur Ausschlaggebenden Offenbarung eigentlich,

00:14:49: dass er eben sich von seinem Ich verabschieden muss,

00:14:55: um bei seinem selbst anzukommen.

00:14:57: Irgendwie so.

00:14:59: Und du sagst jetzt verabschieden,

00:15:02: das klingt so nach einem Schluss einfach, oder?

00:15:05: Aber das ist ja genau das, was selten funktioniert,

00:15:09: das jetzt gerade so in der Zeit nach Neujahr kennen wir das ja alle mit den Vorsätzen.

00:15:13: Wir können im Kopf etwas einsehen und wir können es entscheiden.

00:15:17: Und wir können dann sagen, so muss es gemacht werden

00:15:20: und trotzdem halten wir es nicht ein.

00:15:22: Und genau da setzt Eckatholle an und sagt, naja,

00:15:26: es geht jetzt eben nicht darum, quasi mit Macht den Verstand zurückzudrängen

00:15:31: oder das Ego klein zu machen, sondern es geht um Achtsamkeit.

00:15:35: Also ich muss quasi etwas anderes tun, nämlich ich muss in diese Gegenwart kommen.

00:15:40: Jeder Moment bietet mir die Chance, in die Gegenwart zu kommen.

00:15:44: Und das ist dann eigentlich, ich sage jetzt mal so, er nennt das natürlich nicht so,

00:15:49: also quasi so ein bisschen wie der Heilsplan in dieser ganzen verrückten Situation,

00:15:54: wo ich in ständig destruktiven Selbstgesprächen bin, ist,

00:15:58: ich kann zu meinem Atem zurückkommen, ich kann beobachten, dass etwas mit mir passiert.

00:16:04: Ich kann mich von dem Schmerz, den ich in der Vergangenheit habe

00:16:08: und vor der Angst, die ich vor der Zukunft habe, lösen,

00:16:12: wenn ich ihm jetzt wirklich präsent bin

00:16:15: und eine Art Hingabe in diesem Moment, in diesem Augenblick übe.

00:16:20: Mhm, mhm. Ja, ja, so viel habe ich auch verstanden

00:16:25: und da kann ich ja auch irgendwie was mit anfangen.

00:16:29: Natürlich der ganze, der Esoterik-Chargant, das ist natürlich schon nicht mein Ding.

00:16:34: Also da merke ich auch nur, um eine Klammer aufzumachen,

00:16:37: das Vokabular, die Begrifflichkeit, der Schreibstil macht wahnsinnig viel aus

00:16:43: für die Art und Weise, wie man ein Buch oder einen Gedanken auch aufnimmt.

00:16:47: Also mir fällt das enorm auf, wenn ich jetzt eine Katolle lese,

00:16:50: dann stoße ich mich quasi alle paar Zeilen, stoße ich mich an irgendwelchen Ausdrücken

00:16:55: der eben, der Schmerzkörper, der innere Körper, der Same, der Erleuchtung,

00:17:00: das emotionale Energiefeld und so.

00:17:03: Und da rollen sich mir einfach die Zehenägel hoch,

00:17:07: nur aufgrund der Formulierungen, genauso wahrscheinlich, wie manche Leute,

00:17:13: ähnliche Reflexe haben, wenn sie ein Evangelicales Buch lesen,

00:17:16: dass so ein bisschen diesen Evangelicale Frommenschagant pflegt,

00:17:20: dann ist man in Gefahr, das Sachanliegen zu verpassen,

00:17:25: weil man sich aufhängt an so bestimmten Begrifflichkeiten.

00:17:29: Habe ich ganz stark gemerkt jetzt beim Lesen.

00:17:31: Ich muss da wirklich echte Schranken überwinden, um mir das überhaupt halbwegs anzuheilen.

00:17:36: Ja, vielleicht hätte ich dir besser das Praxisbuch empfohlen,

00:17:39: weil dann hättest du diese ganzen Übungen machen können

00:17:42: und vielleicht gemerkt, dass da etwas in dir dir selbst ein Streich spielt,

00:17:47: dass du nicht weiterlesen kannst.

00:17:49: Das, was du erzählst, das ist ja schon mal mega cool zu merken,

00:17:54: oder ist etwas, das mich irgendwie triggered.

00:17:57: Ich komme nicht klar mit dieser Sprache.

00:18:00: Ich finde sie übrigens gar nicht so schlimm bei Eckhart Tolle.

00:18:03: Es gibt ja viel, viel Schlimmeres.

00:18:05: Ja, ja, ja, ja.

00:18:06: Findet ein inneres Einhorn und reite auf der rosa Wolke zu deinem,

00:18:09: ja, oder?

00:18:10: Da kann ich ihm strahlkotzen, wenn ich das so habe.

00:18:13: So schnell bin ich nicht.

00:18:14: Sondern es ist sogar sehr präzise in diesem Buch,

00:18:16: nämlich wenn er so Worte gebraucht wie Gott oder Energie oder Erleuchtung,

00:18:22: dann versucht er ja diese Begriffe zu erklären.

00:18:26: Also er macht das eigentlich dann, wenn das das erste Mal vorkommt,

00:18:30: eigentlich immer gleich im nächsten Satz sagt er, was er damit meint.

00:18:34: Also er verzichtet auch darauf zu behaupten, was es ist,

00:18:37: sondern er versucht nur zu erklären, wie verstehe ich dieses Wort,

00:18:41: wenn ich es jetzt in diesem Zusammenhang brauche.

00:18:43: Das finde ich eigentlich angenehm.

00:18:45: Aber das, was du jetzt schilderst, ist so dieser Reflex,

00:18:48: oh Mann, das ist doch alles eh so scheiße, oder?

00:18:51: Im ersten Moment, was passieren kann.

00:18:54: Und da wäre ja jetzt eigentlich nochmal,

00:18:57: jetzt im Mindset von Eckhart Tolle, die spannende Frage,

00:19:02: warum triggert dich das so?

00:19:04: Also warum triggert dich das so krass,

00:19:07: wenn du das Gefühl hast, da wird eine esoterische Sprache verwenden?

00:19:12: Ja gut, also was macht dein Verstand mit dir, Mannung?

00:19:16: Ich finde mich da gerade in einer Eckhart Tolle Therapie Session wieder.

00:19:20: Also ich kann das natürlich schon,

00:19:22: natürlich sind da emotionale Komponenten vorhanden,

00:19:25: die ich gar nicht so artikulieren kann,

00:19:27: aber sind natürlich auch irgendwo tiefsitzende,

00:19:30: vielleicht auch Vorurteile gegenüber einer Szene,

00:19:34: die alle möglichen, auch die abstrusesten Behauptungen aufstellt

00:19:39: und dann sogar noch Geld macht,

00:19:41: damit mit irgendwelchen Steinen in denen Sternen Energie gespeichert ist

00:19:45: von Jahrmilliarden und weiß ich was,

00:19:47: und einfach die Hane büchensend geschichten.

00:19:50: Aber da muss mir ja fair sein, das macht er ja alles nicht.

00:19:53: Das macht er nicht, das macht er wirklich nicht.

00:19:56: Und man muss auch sagen, um das gerade auch zur Ehrenrettung Tolles

00:20:00: noch betont zu haben, er hat auch nicht dieses gurumäßige,

00:20:05: selbstverliebte, selbstverherrlichende Auftreten.

00:20:09: Also in Interviews oder so, man staunt eigentlich,

00:20:12: dass der überhaupt irgendwelche Hallen fühlt,

00:20:15: weil der einfach völlig unprätenziös und völlig unspektakulär bescheiden.

00:20:23: Da sitzt dieses Männchen, sitzt da vorne halb zusammen gefaltet

00:20:28: auf dem Sessel und mit einer Zitrigen

00:20:31: und auch nicht wahnsinnig angenehmen Stimme irgendwie,

00:20:34: äußert er seine Gedanken.

00:20:36: Es ist erstaunlich, dass das überhaupt diese breiten Wirkung hatte,

00:20:39: weil er wirklich dieses, man hat bei ihm nie,

00:20:42: oder ich zumindest, habe nicht so diese Alarmleuchten,

00:20:45: die sagen "Achtung, Guru, Achtung, Sekte" und so.

00:20:49: Ja genau, das hat man echt nicht, glaube auch, dass er das nicht tut.

00:20:53: Ich habe mir auch YouTube-Videos von ihm angeschaut

00:20:56: und die funktionieren ja eigentlich immer so,

00:20:58: dass jemand stellt eine Frage aus dem Publikum

00:21:01: und er antwortet darauf.

00:21:03: Und das Coole ist, der ist ja überhaupt kein Entertainer,

00:21:06: sondern der sitzt da auf seinem Stuhl

00:21:08: und das Gefühl der Stuhl ist viel zu groß für diesen Mann

00:21:11: und der spricht dann ganz bedächtig und langsam

00:21:15: wirklich wahnsinnig klug Gesetze.

00:21:18: Also mich berührt das total, was der macht.

00:21:22: Ich bin da, ich weiß jetzt auch nicht, ob ich sagen würde,

00:21:25: das ist religiös oder es ist eine Religion oder so was.

00:21:29: Für mich ist das am nächsten dran,

00:21:32: was ich so in der Kategorie Weisheit und Weisheitslehre

00:21:36: verbuchen würde.

00:21:38: Ein ganz kleines Beispiel, weil das Buch nämlich nicht vorkommt.

00:21:41: Eine Zuhörerin fragt ihn, was mache ich,

00:21:46: wenn mein Partner mich betrug.

00:21:48: Ich werde von meinem Partner immer betrogen.

00:21:51: Und er hört zu und er verurteilt das jetzt gar nicht,

00:21:55: sondern sagt so, ja, also betrug, das ist ein sehr starkes Wort.

00:22:01: Weil das wirkt ja irgendwie so, wie wenn er mit Absicht

00:22:06: dir etwas antun möchte und du in Gefahr bist deswegen quasi.

00:22:10: Und er löst das dann so auf, dass es am Schluss

00:22:14: eine total andere Perspektive auf den ganzen Zusammenhang gibt,

00:22:18: nämlich eine Art von Mitgefühl, das man sagen kann.

00:22:22: Dein Partner war damals also in einem Bewusstseinszustand,

00:22:27: wo er das nicht anders machen konnte als das, was er getan hat.

00:22:32: Und plötzlich empfindest du mit diesem Partner Mitleid.

00:22:36: Also während du zuhörst.

00:22:38: Und das finde ich schon so was Verrücktes,

00:22:41: dass ich jetzt so unter Reframing von Situationen abbuchen würde,

00:22:46: wo du einfach merkst, was alles plötzlich möglich ist,

00:22:50: wenn man nicht in sozialen Konventionen oder ja,

00:22:54: diesen ganzen eingeschliffenen Bildern von was ist okay,

00:22:57: was ist nicht okay denkt, sondern sich wirklich auf etwas einlässt

00:23:02: und eine ganz andere Perspektive durchgewinnt.

00:23:05: Ja, also ehrlich gesagt, ich muss sagen,

00:23:08: die nirgendste an Tolle finde ich eigentlich,

00:23:11: dass du ihn toll findest.

00:23:13: Ich konnte das fast nicht glauben,

00:23:16: weil ich dich überhaupt nicht als Typ eingeschätzt hätte,

00:23:19: der so ein Buch auch nur bis zur Hälfte liest

00:23:22: und der davon dann auch noch angetan ist.

00:23:25: Also das ist eigentlich die größte Überraschung für mich.

00:23:28: Nicht unbedingt, dass ein solches Buch erfolgreich sein kann.

00:23:31: Es gibt dann sicher sehr viel blödere Bücher,

00:23:33: die sehr viel erfolgreicher noch waren.

00:23:35: Also ich finde, das ist nicht das Schlechteste, was man lesen kann.

00:23:39: Aber ich hätte dich nicht für jemanden gehalten,

00:23:42: der davon angesprochen ist.

00:23:44: Deshalb habe ich das dann auch interessiert.

00:23:46: Was ist es jetzt da, was dir einleuchtet?

00:23:51: Und eben, ich würde schon sagen, bevor ich kritisch, auch inhaltlich,

00:23:57: kritisch mich äußere, es gibt einiges,

00:24:00: dass man auch wirklich anerkennen kann.

00:24:02: Was würdest du anerkennen?

00:24:04: Was ich zum Beispiel spannend finde,

00:24:07: ist, dass sich eigentlich durch sein Buch hindurch

00:24:10: dieser Zug oder diese Wertschätzung von Selbstverleugnung,

00:24:17: sage ich jetzt mal, in christlichem Chargon durchzieht.

00:24:20: Also seine ganze Weisheitslehre, seine Lebensphilosophie,

00:24:25: hat zu diesem Zug.

00:24:26: Es gibt ein "Ich", dass es, von dem man sich verabschieden sollte

00:24:34: oder dass man überwinden sollte,

00:24:36: das trifft sich an manchen Punkten schon mit dem,

00:24:40: was sich auch christlicherseits,

00:24:42: jetzt gerade in der Jesus-Verkündigung,

00:24:46: unter Selbstverleugnung verstehe.

00:24:49: Also dass man, ich finde, das bemerkenswert,

00:24:51: dass ein Buch einen solchen Erfolg verbucht,

00:24:55: millionenfach verkauft wird,

00:24:57: in einer Zeit, wo man sagen könnte,

00:24:59: ja, so diese ganze Social-Media-Generationen,

00:25:03: die eigentlich wahnsinnig selbstverliebt und selbstverherrlichend

00:25:07: und selbst verwirklichend unterwegs sind.

00:25:09: Es ist nicht völlig einsichtig,

00:25:12: dass ein Buch oder eine Weisheitslehre solchen Erfolg hat,

00:25:16: die doch noch einmal auch eine kritische Sicht auf sich irgendein wirft.

00:25:21: Das kann ich verstehen.

00:25:24: Und Selbstverleugnung ist ja jetzt zunächst mal etwas,

00:25:27: was wahrscheinlich für die meisten Menschen

00:25:29: nicht unbedingt positiv konnotiert ist.

00:25:32: Ja, ist nicht sexy, oder?

00:25:34: Und da müssten wir dann vielleicht auch nochmal genau hinschauen,

00:25:37: wie er eigentlich das mit Selbstverleugnung meint.

00:25:41: Eigentlich wäre es ja bei ihm eher so ein Realismus im Verhältnis,

00:25:46: du dich selbst, und gerade nicht etwas verleugnen.

00:25:50: Und ich glaube, dass er damit aber ganz, ganz nahe

00:25:53: an so einer christlichen Ursprungsidee ist,

00:25:56: die ja mit Selbstverleugnung nicht eigentlich meint,

00:25:59: eine Selbstkastellung, in der es darum geht,

00:26:02: sich selbst klein zu machen,

00:26:05: sondern eher um das richtige demütige Verhältnis

00:26:08: gegenüber Welt und Gott und Ewigkeit.

00:26:11: Ja, genau.

00:26:13: Und das ist natürlich tatsächlich ein Punkt,

00:26:15: wo ich ganz viel Sympathien habe.

00:26:17: Aber der Grund, warum ich gesagt habe,

00:26:20: hey, über dieses Buch müssen wir wirklich sprechen,

00:26:23: ist, ich finde, es liefert mir einen Zugang zu Spiritualität,

00:26:28: der ganz schlicht und ergreifend, das klingt jetzt völlig banal,

00:26:31: aber der einfach funktioniert.

00:26:34: Es funktioniert halt,

00:26:36: wenn ich tolle Lese und diese Übungen ausprobiere.

00:26:41: Es gibt so, ja, wie sage ich das jetzt,

00:26:46: gibt auch Situationen, wo dir etwas nicht gelungen ist,

00:26:50: oder du dich nicht wohlfühlst oder nicht gutfühlst.

00:26:54: Und dann merkst du, dass du quasi wie so ein Spinner

00:26:57: in einem permanenten Dialog bist mit dir selbst.

00:27:00: Na ja, voll.

00:27:02: Dass man das Ganze immer wieder durchmarmelt,

00:27:04: wie so irgendetwas krummelt über jemanden,

00:27:07: der einen jetzt wirklich genervt hat.

00:27:09: Absolut.

00:27:11: Und da merkt man es, da ist es irgendwie ja wie augenfällig.

00:27:15: Und wenn man das aber mal realisiert hat

00:27:18: und sich dann überlegt, wie oft am Tag bin ich eigentlich

00:27:21: in irgendwelchen verrückten Selbstgesprächen verwickelt,

00:27:24: mit mir selbst.

00:27:26: Wo ich mir irgendwie vorstelle, was Person X, Y

00:27:29: jetzt über mich denken könnte,

00:27:31: wenn ich dieses oder jenes tue oder lasse,

00:27:34: dann merkt man schon, dass er da einfach einen Punkt hat,

00:27:37: wo ich sagen würde, ja, das stimmt.

00:27:40: Und das macht das Leben sicher nicht reicher oder besser

00:27:43: und macht mich auch in keinem Fall handlungsfähiger

00:27:46: oder glücklicher.

00:27:48: Und er setzt sich dafür ein,

00:27:50: dass man diese Selbstgespräche irgendwo zur Ruhe bringt.

00:27:53: Also das finde ich völlig stimmig.

00:27:56: Und da kann ich mich auch gut identifizieren mit.

00:27:59: Ich glaube auch, also ich habe mit mehreren Menschen drüber gesprochen,

00:28:02: für viele ist Eckhart Tolle so etwas,

00:28:04: was sie entdeckt haben im persönlichen Lebenskrisen.

00:28:07: Also sei das jetzt Krankheit oder Scheidung oder was auch immer.

00:28:10: Und was ich sehr, sehr schätze an ihm,

00:28:13: er ist nicht so ein Guru, der einfach sagt, ja, es gibt eigentlich gar keinen Schmerz.

00:28:17: Schmerz ist nur eine Illusion oder irgendwie sowas.

00:28:20: Oder das ist eigentlich völlig egal,

00:28:23: ob du mit deiner Partnerin zusammenbleibst oder nicht.

00:28:26: Und das ist eigentlich dieses kalte, dieses Rücksichtslose,

00:28:29: das sich irgendwie aufspielt.

00:28:31: Sondern ich lese ihn viel stärker, immer wieder als Appell.

00:28:35: Ja, all das kann dir passieren.

00:28:37: Ja, es wird wehtun zu leben.

00:28:39: Und ja, es wird ganz sicher auch eine Herausforderung sein,

00:28:44: dass wir alles loslassen zu müssen und zu sterben.

00:28:47: Aber du kannst dich dem hingeben.

00:28:50: Also quasi, wie du bist nicht ohnmächtig,

00:28:53: indem du dich in die Vergangenheit zurückziehst

00:28:56: und quasi irgendwelche Schuldsachen diskutierst.

00:28:59: Ja. - Du bist nicht ohnmächtig,

00:29:01: indem du in einer Zukunft lebst, vor der du Angst hast.

00:29:05: Sondern du bist jetzt als etwas,

00:29:08: das ungetrennt zu sich selbst steht in diesem Moment.

00:29:14: Und das sich dieser Situation auch, wenn sie wehtut, hingeben kann.

00:29:20: Also du bist eine Einheit trotzdem.

00:29:22: Ja, okay. Aber das ist jetzt, finde ich spannend,

00:29:26: wie du das jetzt artikuliert hast.

00:29:29: Weil das ist jetzt genau der Punkt,

00:29:31: wo auch meine Kritik an Tolle einsetzen würde.

00:29:35: Ich hab ... Ich find ...

00:29:36: Die ganze Geschichte mit Selbstverleugnung in einem positiven Sinne,

00:29:42: der nicht jetzt auf Selbstauslöschung oder so abzieht,

00:29:45: sondern irgendwo ein gesundkritisches Verhältnis

00:29:49: auch zu sich selbst pflegt. Das find ich gut.

00:29:51: Ich find auch die Geschichte mit den Selbstgesprächen

00:29:55: und dieser Reflexion find ich stark.

00:29:57: Aber du hast jetzt am Schluss gesagt,

00:30:00: dass er an der Einheit des Menschen oder des Selbst festhält.

00:30:04: Meine Gefahr oder mein Problem bei ihm ist eher,

00:30:08: dass für mich ganz klar der Eindruck entsteht,

00:30:12: es gibt dieses "Ich", dass ich selber gar nicht bin.

00:30:15: Also das kommt ja auch in diesem Bekehrungserlebnis von ihm quasi vor.

00:30:20: Vielleicht ist nur eins von beiden wirklich.

00:30:24: Also das "Ich" und das "Selbst" nur eins ist wirklich.

00:30:27: Und das andere, das sich in diesen Selbstgesprächen

00:30:30: Ausdruck verschafft.

00:30:32: Und er führt das ja dann im Buch immer wieder aus.

00:30:35: Das sind dann Gespräche, in denen sich Angst breit macht,

00:30:38: in denen Minderwertigkeit sich breit macht.

00:30:41: Und so weiter. All diese negativen Spiralen, in denen man drin ist.

00:30:45: Und er, so wie ich ihn lese,

00:30:47: will sich schon ganz entschieden von diesen Gedanken

00:30:52: und diesen Impulsen distanzieren und sagen, das bin ich gar nicht.

00:30:57: Und da habe ich eben mein Problem, weißt du, weil ich das Gefühl habe,

00:31:01: also ich sehe ja diese Selbstgesprächssicherheit,

00:31:04: um eine Parallele zu biblischen Überlieferungen zu ziehen,

00:31:08: sehe ich in den Psalmen auch ganz, ganz stark.

00:31:10: Und da ist es aber eben gerade nicht so,

00:31:12: bei den Selbstgesprächen der Psalmisten ist es gerade nicht so,

00:31:17: dass man sich dann distanziert von diesen Gedanken,

00:31:22: dass man sagt quasi, ich bin das nicht.

00:31:25: Weil Tolle sagt ganz explizit immer wieder,

00:31:29: dass das quasi, das bin ich nicht.

00:31:31: Aber ich bin das ja schon, diese ängstlichen Gedanken,

00:31:35: diese Panik, diese Negativität, all das,

00:31:40: das bin ich ja auch, das Evangelium, die gute Botschaft,

00:31:45: ist ja nicht, dass ich das nicht bin, sondern dass ich nicht nur das bin.

00:31:50: Weißt du, da wirst du jetzt noch gar nicht so weit weg von Tolle,

00:31:54: wenn ich das richtig verstehe.

00:31:56: Aber es beginnt ja schon damit, dass du quasi, wie sagst,

00:31:59: der spaltet quasi diesen Teil von sich ab und will,

00:32:04: sich davon distanzieren. - Ja, genau.

00:32:06: Und Tolle würde natürlich umgekehrt sagen, nein, nein,

00:32:09: lieber Mannung, das ist schon der Wahnsinn eigentlich,

00:32:12: indem du drinsteckst, dass du meinst, dieser Teil zu sein.

00:32:17: Also, dieses "ich", das da am Anfang vorkommt

00:32:20: und einem selbst gegenübersteht, das nennt der ja den Verstand.

00:32:24: Oder den Denker auch.

00:32:27: Und der Verstand ist ein Super-Tool, würde er sagen,

00:32:33: um Probleme zu lösen, die du hast.

00:32:35: Und solange du deinen Verstand gebrauchst, um etwas zu tun,

00:32:40: ist alles in Ordnung.

00:32:41: Aber sehr oft passiert es eben so,

00:32:44: dass der Verstand dich quasi am Gängelband hat

00:32:47: und mit dir etwas macht.

00:32:49: Und zwar so weit, dass du ihn selbst aus deiner Identität begreifst.

00:32:53: Also, dass du quasi sagst, diese Rationalität,

00:32:57: diese Unterhaltung in mir selbst, mit sich selbst, macht.

00:33:02: Also diese Trennung von mir selbst quasi.

00:33:04: Dass ich mir selbst gegenüberstehen kann.

00:33:07: Die gehört wesentlich zu mir.

00:33:10: Das ist genau das, was Tolle bestreiten würde.

00:33:13: Und ich finde, das hat tatsächlich einen Punkt.

00:33:16: Weil ich ja selbst in meinem Leben merke,

00:33:19: dass ich schon x-mal reinkognitiv Dinge eingesehen habe.

00:33:23: Also wirklich begriffen habe, kapiert habe.

00:33:27: Die ich aber nicht ändern konnte.

00:33:29: Also es hatte quasi keinen Einfluss auf das, was ich tue,

00:33:34: dass ich verstanden habe,

00:33:36: dass ich etwas tun sollte oder lassen sollte.

00:33:40: Und der Moment, wo wirkliche Freiheit,

00:33:45: ich bin jetzt mal diesen großen Begriff ins Spiel,

00:33:48: möglich ist,

00:33:50: ist eben wahrscheinlich der Moment,

00:33:52: wo man diese Freiheit des eigenen Selbst entdeckt,

00:33:56: gegenüber diesem Stimmengewehr,

00:33:58: dass man selbst in seinem Kopf, in seinem Leben

00:34:01: und in seinen Beziehungen ständig fabriziert.

00:34:04: Ja.

00:34:06: Die Freiheit des eigenen Selbst gegenüber diesen grüblerischen,

00:34:10: kreisenden, panischen, ängstlichen,

00:34:14: selbst verurteilenden Gedanken und so.

00:34:18: Da sehe ich dann schon auch wieder Parallelen,

00:34:20: auch zu dem, was ich jetzt von einer christlichen Spiritualität

00:34:25: mitgenommen habe oder was ich auch in den Psalmen sehe.

00:34:29: Ich sehe das bei ihm aber doch sehr viel schärfer noch,

00:34:32: die noch abgetrennt.

00:34:35: Ich habe gewisse, nicht angeborene, sondern antrainierte

00:34:39: und gut begründete Reflexe gegen alles,

00:34:42: was mit positiven Denken zu tun hat.

00:34:45: Das ist wirklich für meinen Augen

00:34:48: einfach eine verabschauungswürdige Ideologie.

00:34:51: Und er kommt mir an vielen Stellen einfach zu nahe an das heran,

00:34:57: was ich auch in Literatur zu positiven Denken lese.

00:35:00: Nämlich, dass das dann, zumindest so wie ich das lese,

00:35:06: dass es dann doch darauf hinausläuft,

00:35:08: diese negativen, angstvollen, sorgenvollen Gedanken

00:35:12: einfach zu unterdrücken oder wegzuweisen,

00:35:15: sie eben nicht als die eigenen anzuerkennen,

00:35:19: sondern quasi zu versuchen, im Motus der Verleugnung

00:35:23: drüber hinwegzugehen.

00:35:24: Und das halte ich einfach für psychologisch,

00:35:27: für wahnsinnig ungesund

00:35:29: und auch geistlich irgendwie nicht für richtig.

00:35:31: Ich bin mega froh, dass du das erklärst.

00:35:33: Ich glaube, dass wir da tolle komplett anders gelesen haben.

00:35:37: Wahrscheinlich, ja.

00:35:39: Weil mein Bild wäre quasi gerade nicht,

00:35:42: dass du das selbst optimierst.

00:35:45: Der sagt, "Fake it till you make it".

00:35:47: Du musst nur positiv denken, dann kommt alles gut.

00:35:50: Sondern wenn, so wie ich tolle verstehe, würde ich sagen,

00:35:53: naja, das ist genau das, was der Verstand jetzt wieder macht.

00:35:57: Also, du versuchst quasi,

00:35:59: die Probleme, die dein Verstand dir macht,

00:36:01: über den Verstand wieder zu lösen.

00:36:04: Aber das ist gar nicht das Werkzeug,

00:36:06: von dem aus, du das heilen kannst,

00:36:08: sondern das Werkzeug wäre die Stille und das bei sich selbst sein.

00:36:13: Also, gerade nicht "Fake it till you make it".

00:36:16: Mach dir die Welt schön, red sie dir schön,

00:36:18: denk sie dir positiv.

00:36:19: Ja, ja, ja.

00:36:20: Sondern gib dich dem hin, dass da Schmerz ist,

00:36:23: dass da Dinge nicht gelingen,

00:36:25: dass da Erwartungen enttäuscht werden

00:36:27: und beobachte dabei, was dein Verstand mit dir macht.

00:36:32: Also, seine Idee wäre gerade nicht zu sagen,

00:36:35: naja, du musst einen anderen Verstand haben,

00:36:37: der die Welt etwas rosaroter sieht.

00:36:40: Sondern er würde sagen, das Ganze beginnt schon damit,

00:36:43: dass du ein bisschen über dich schmunzeln kannst

00:36:46: und sagen kannst, jetzt geht das wieder los in meinem Kopf.

00:36:49: Jetzt sagt mir der Denker,

00:36:51: wieder, dass alles ganz schlimm wird.

00:36:53: Und schon dieser Moment, wo du quasi wie Partei nimmst,

00:36:57: ich sage das jetzt so, sagt er an keiner Stelle so,

00:37:00: aber wo du wie Partei nimmst für dich selbst

00:37:03: gegenüber diesen ganzen Stimmen und sagst,

00:37:07: ich beobachte das wie irgendwie etwas Lustiges,

00:37:12: das sonst in der Welt passiert.

00:37:13: Ich glaube, an einer Stelle sagt er,

00:37:15: das beobachten wie die Mädchen eines Kindes und darüber lachen können.

00:37:20: Ich glaube, das ist diese innere Freiheit.

00:37:22: Dieses Reframing des Denkers selbst.

00:37:26: Ja, sondern quasi den Denker wiederum zu beobachten

00:37:31: und ihn irgendwie liebevoll zu ertragen.

00:37:34: Ja, also, da würde ich, da könnte ich dann schon parallelen sehen,

00:37:39: in einem, ich sage mal so, in einem geistlichen oder spirituellen Gerüst

00:37:46: oder unter solchen Voraussetzungen begegnet mir das ja in dem Salmen.

00:37:50: Wenn Psalmen-Beta sagen, was bist du so unruhig in mir, meine Seele?

00:37:55: Was reibst du dich jetzt wieder auf, meine Seele?

00:37:58: Oder dann sogar zu ihrer eigenen Seele,

00:38:00: was ja, man könnte das ja durch selbst ersetzen.

00:38:03: Das ist ja im Hebräischen Sprachgebrauch ein anderes Bild für sich selber.

00:38:07: Also, man spricht zu sich selbst und sagt,

00:38:09: jetzt sei mal still, jetzt beruhig dich mal.

00:38:12: Und so, also so dieses kritische Selbstverhältnis,

00:38:15: das aber in dem Salmen natürlich in der Gegenwart Gottes stattfindet.

00:38:19: Das ist ja die entscheidende Perspektive,

00:38:21: weil du in der Gegenwart Gottes sagen kannst oder da einsehen kannst,

00:38:26: ich bin mehr als diese Gedankenspirale.

00:38:30: Ich bin mehr als das, was mir jetzt zwischen den Ohren hin und her

00:38:35: flattert an Sorgen und so weiter.

00:38:38: Also, ich bin das, ich würde aber da dann doch sagen,

00:38:42: ich bin das ja auch, ich bin ja im Moment,

00:38:45: ich bin ja auch dieser ängstliche Mensch, dieser panische,

00:38:49: dieser grüblerische, zerbrochene Mensch oder wie auch immer.

00:38:54: Aber ich bin eben nicht nur das, ich bin mehr als das.

00:38:57: Und ich kann mich quasi gerade in der Gegenwart Gottes,

00:39:00: kann ich mich noch mal in ein Verhältnis zu mir selber setzen.

00:39:03: Weil ich weiß, mindestens in den Augen Gottes

00:39:06: gehe ich nicht auf in dieser Angst und dieser Panik und diesen Sorgen.

00:39:11: Also, glaub da gibt es dann tatsächlich eine sehr große Nähe

00:39:15: zu dem, was man erfahren kann, wenn man sich auf

00:39:18: diese praktischen Übungen einlässt, die tolle Vorschläge,

00:39:22: nämlich dieses Stillwerten und Spür'n, dass da etwas ist,

00:39:27: auch wenn es bei mir aufgehört hat zu reden.

00:39:30: Mhm, okay, ja.

00:39:32: Und ja, man kann es jetzt wieder so mit dem Finger wegwischen

00:39:35: und sagen, ja, ist ja wieder irgendein so ein mystischer Krimskram.

00:39:38: Das würde ich auch gefallen.

00:39:40: Es geht eigentlich um eine wirklich sinnliche Erfahrung zu spüren,

00:39:44: dass da etwas ist, dass, ha, wie soll ich jetzt sagen,

00:39:50: dass meinem ganzen Bild von mir selbst, dass ich mir mit meinem Verstand mache

00:39:55: und von der Welt und etc., weit überlegen ist.

00:39:59: Dass eigentlich wieder Raum ist, in dem all das stattfindet.

00:40:03: Und deswegen merke ich so, für mich,

00:40:07: ich kann nicht die Psalmen quasi Eckatholle gegenüberstellen

00:40:11: und in Globo als Alternative besprechen.

00:40:15: Sondern ich würde sagen, na ja, es gibt halt auch bei den Psalmen beides

00:40:18: und es gibt zum Teil sogar in den Psalmen selbst,

00:40:21: also in einem einzelnen Psalmen beides.

00:40:23: Es gibt doch dort tatsächlich Sätze, die voller Hingabe sind.

00:40:28: Ja.

00:40:29: Die sich wirklich, sagen wir es mal so, ausstrecken in dem Sinn von,

00:40:33: ich lasse mich jetzt fallen in Gottes Hand.

00:40:36: So etwas metaphorisch.

00:40:38: Oder ich weiß, dass sogar die Haare auf meinem Kopf gezählt sind, etc.

00:40:42: Also diese ganzen Geborgenheitsmetaphern.

00:40:45: Ja.

00:40:46: Und dann gibt es doch aber auch andere Teile im Psalmen,

00:40:49: die Gott noch erklären wollen, wie er jetzt mit dem Feind xy zu verfahren hat,

00:40:54: der etwas Ungerechtes gemacht hat.

00:40:56: Genau, ja.

00:40:57: Und da glaube ich aber auch, dass sich in dem Psalmen selbst

00:41:00: diese Spannung noch einmal zeigt, zwischen Hingabe

00:41:05: und dem Willen, das Ego zu erhalten und die Welt kontrollieren zu wollen.

00:41:09: Was aber die Psalmen rahmt,

00:41:13: ist diese Idee, dass man das gegenüber Gott ausspricht.

00:41:17: Ja, genau.

00:41:18: Und das ist für mich eine entscheidende Perspektive.

00:41:21: Auch wenn ich auch eine entscheidende Perspektive.

00:41:23: Und deswegen würde ich aber sagen,

00:41:25: ist sogar noch der rache Psalm, was ja wirklich eine eigene Gattung ist,

00:41:30: in dem Moment nicht mehr so zu verstehen,

00:41:33: dass jetzt Max, der den betet, dem lieben Gott erklären will,

00:41:37: wenn er jetzt alles vernichten soll,

00:41:39: sondern sich quasi vor Gott ausbreitet

00:41:43: und ihn an seinem inneren Dialog teilhaben lässt.

00:41:46: Ja, ja.

00:41:47: Genauso würde ich die Klage- und Rache-Psalmen auch lesen.

00:41:51: Das ist nicht Vollzug der Rache,

00:41:55: sondern es ist eigentlich Reflexion der Rache-Gefühle

00:41:59: und Rache-Absichten in der Gegenwart Gottes.

00:42:02: Ich würde eben sogar sagen,

00:42:04: da müssen sie dann eben nicht mehr reflektiert werden,

00:42:07: sondern da können sie einfach passieren,

00:42:09: weil sie ja quasi in Gott aufgehoben sind.

00:42:12: Okay.

00:42:13: Und genau so wäre es aber bei der Meditation,

00:42:16: also wenn man achtsam wird und sich zum Beispiel

00:42:19: auf seine Atmung oder auf ein Körpergefühl oder was auch immer

00:42:23: bezieht und das wahrnimmt,

00:42:25: dann können diese Gedanken eben passieren,

00:42:27: ohne dass ich sie bewerten muss oder sagen muss,

00:42:30: das ist ein guter Gedanke, ein schlechter Gedanke,

00:42:33: den soll ich nie wieder denken,

00:42:35: sondern es darf alles vorbeirauschen in diesem Sein.

00:42:38: Mhm.

00:42:39: Und dieses Sein nennt ja Eckhart Tolle dann selbst auch Gott.

00:42:42: Oder besser gesagt, er nennt Gott eben dieses Sein,

00:42:45: in dem all das passiert.

00:42:46: Ja, ja.

00:42:48: Ich habe einfach meine ...

00:42:49: Also ich kann das einordnen

00:42:51: und du hilfst mir jetzt ihn vielleicht ein bisschen wohlwollender zu lesen,

00:42:55: als ich ihn von mir aus gelesen habe.

00:42:58: Ich stoße mich immer noch mit diesem ganz stark verstandes,

00:43:02: kritischen Moment, der mir, dass mir bei ihm begegnet.

00:43:07: An ganz vielen Stellen habe ich da wirklich auch den Kopf geschüttelt,

00:43:10: weil ich das Gefühl habe, er baut den Verstand

00:43:13: als den ultimativen Entgegner auf.

00:43:16: Also was ist das größte Hindernis,

00:43:19: dass dem erfahren dieser Realität im Weg steht,

00:43:22: fragt einer an einer Stelle und dann kommt natürlich der Verstand, oder?

00:43:27: Ja, genau.

00:43:28: Und dann ist dann, wie kannst du dich von deinem Verstand befreien?

00:43:31: Hast du den Knopf zum Abschalten gefunden?

00:43:34: Und er klärt das dann und sagt dann, die gute Nachricht ist,

00:43:37: dass du dich von deinem Verstand befreien kannst?

00:43:40: Das ist die einzig wahre Befreiung.

00:43:43: Wenn ich das lese, weißt du, warum mich das so trickert?

00:43:46: Weil ich Jahre verbracht habe in dieser pfinkstlich-charismatischen Bubble.

00:43:51: Und da wurde uns das eingetrichtert vom Morgen bis Abend.

00:43:55: Und das ist das, was ich der Verstand ist, dein größter Feind.

00:43:58: Und du musst endlich deinen Verstand ausschalten.

00:44:01: Das größte Problem des Glaubens ist,

00:44:04: der größte Feind, der sich zwischen mich und Gott stellt,

00:44:08: der meinem Glauben im Wege steht, ist der Verstand.

00:44:12: Und dann wurden dann Bibelferse verzitiert,

00:44:14: verlass dich auf den Herrn und nicht auf deinen Verstand.

00:44:18: Und für mich war das jetzt auch auf meinem ...

00:44:20: Also quasi die Weisheit der Weisen zur Torheit gemacht.

00:44:24: Genau. Und es ist so ...

00:44:25: Also, es wird wirklich ...

00:44:27: Es ging einher mit einer ganz, ganz stark auch

00:44:30: anti-intellektuellen, anti-rationalistischen,

00:44:34: manchmal sogar anti-wissenschaftlichen Betonung.

00:44:38: Und für mich war das jetzt auch auf meinem theologischen Weg,

00:44:41: eine ganz entscheidende Einsicht zu merken,

00:44:44: dass im biblischen Verständnis, im hebräischen Menschenbild,

00:44:48: erstens mal der Mensch mit seinem Herzen denkt.

00:44:52: Also, der Verstand sitzt im Herzen, im Personzentrum des Menschen.

00:44:57: Und dass es keinen Glauben und keine Spiritualität

00:45:00: und kein gar nichts gibt, ohne Beteiligung des Verstandes.

00:45:04: Und dass Jesus sogar noch explizit sagen kann,

00:45:07: ihn wiederholen, um dieses Gebot des Gottesliebes sagen kann.

00:45:12: "Lieb Gott von ganzem Herzen, mit ganzer Seele,

00:45:14: mit all deiner Kraft. Und dann hängt er an

00:45:16: und mit deinem ganzen Verstand."

00:45:19: Das habe ich mir fett angestrichen in meiner Bibel,

00:45:22: weil das für mich so wichtig war, weil ich immer mitgekriegt hab,

00:45:26: so der Verstand ist das größte Hindernis in deinem Glauben.

00:45:30: Und das kam mir eben bei Tolle dann wieder entgegen.

00:45:33: Und bei Tolle müsste man jetzt wahrscheinlich sagen,

00:45:36: dass diese Diautomie zwischen Verstand und Hingabe an Gott,

00:45:41: wie du es jetzt aus deiner charismatischen Zeit schilderst,

00:45:44: etwas wäre, was ja beides noch im Verstand drin spielt.

00:45:48: Also, wenn ich dich jetzt recht verstanden habe,

00:45:51: dann würden die ja nicht sagen, der Verstand per See ist böse,

00:45:55: sondern die setzen quasi auf eine offenbarte Irrationalität,

00:46:02: die man der eigenen wissenschaftlichen Erkenntnis entgegensetzen muss.

00:46:06: Es wäre immer noch ein Streit quasi im Verstand.

00:46:10: Und den löst man dann durch eine Entscheidung,

00:46:13: nämlich, dass man sagt, ich vertraue Gottes Wort mehr,

00:46:17: als meine Erkenntnismöglichkeit.

00:46:20: Oder ist sich die Aufwahrung größer als das,

00:46:23: was die Wissenschaft herausfindet.

00:46:26: Und ich glaube, bei Tolle würde das noch mal

00:46:29: auf einer anderen Ebene spielen, der würde sagen, nein,

00:46:32: das, was wirklich zählt, ist die Hingabe an diesem Moment.

00:46:37: Und jeder dieser Momente kann ein Moment sein,

00:46:41: wo du die volle Fülle Gottes erfahren kannst.

00:46:45: Und vielleicht magst du noch so in einer Schlussdiskussion

00:46:49: darauf einsteigen, wer den Christus ist in diesem Moment.

00:46:53: Christus ist ja für Tolle eine sehr, sehr zentrale Figur,

00:46:57: die er auch erklärt.

00:46:59: Der Titel heißt dort Christus,

00:47:02: der lebendige Ausdruck deiner göttlichen Gegenwertigkeit.

00:47:06: Und wenn du magst, lese ich noch einen ganz kurzen Abschluss.

00:47:09: Nimm mich wundern, was du dazu sagen würdest.

00:47:12: Häng dich nicht an Worten auf.

00:47:14: Christus, durch Gegenwertigkeit ersetzen,

00:47:17: wenn dir das mehr bedeutet.

00:47:19: Christus ist deine Gottesens oder selbst,

00:47:22: wie es manchmal im Osten genannt wird.

00:47:25: Der einzige Unterschied zwischen Christus und Gegenwertigkeit

00:47:28: ist der, dass Christus sich auf deine innenwohrende Göttlichkeit bezieht,

00:47:34: egal ob du dir ihrer bewusst bist oder nicht,

00:47:37: wohingegen Gegenwertigkeit deine erwachte Göttlichkeit

00:47:41: oder Gottesens darstellt.

00:47:44: Dann kann ich jetzt einfach ...

00:47:46: Nichts anfangen mit, Stefan.

00:47:48: Ich lese das nicht mehr vor,

00:47:50: aber dann kommt der Unterschied zwischen Christus und Jesus.

00:47:53: Also eine Figur, die tatsächlich zu einem bestimmten Zeitpunkt gelebt hat.

00:47:57: Aber Christus ist dann der, der sagen kann,

00:48:00: bevor es Abraham gab, bin ich.

00:48:02: Und das heißt quasi, dann eben nicht, ich existiere seit dann.

00:48:07: Also nicht irgendwie in der Dimension von Zeit und Form

00:48:12: und all dem, was das bedeuten würde,

00:48:14: sondern er versucht eigentlich diese Bedeutung von Gegenwertigkeit

00:48:18: und von Selbsterkenntnis als Person zu vermitteln,

00:48:21: die schon immer da war in der Beziehung zu Gott, also zum Sein.

00:48:26: Ja, schlechter.

00:48:28: Ja, da hab ich jetzt dann wieder ganz große ...

00:48:31: Bitte, ganz übel.

00:48:32: Nein, ich mein, wir können ja schon auch noch mal über den Stil sprechen.

00:48:37: Ich stoße mich jetzt bei Tolle

00:48:40: und auch bei anderen Weisheitslehrern.

00:48:42: Stoße ich mich auch immer mal wieder an diesem steilen Erkenntnisanspruch.

00:48:47: Also er kann ja dann schon irgendwie mal wieder sagen,

00:48:50: ja, alle Religionen meinen eigentlich dasselbe.

00:48:53: Es ist dieselbe, es kommt auf die eine Weisheit an,

00:48:57: die bei Christus und Buddha und dem Taoismus und so weiter zum Ausdruck kommt.

00:49:02: Und dann, ich hab dann das Gefühl, die Leute,

00:49:04: die haben gar kein Bewusstsein dafür,

00:49:07: die unglaublichen erkenntnistheoretischen Überlegenheit,

00:49:10: sie da auch daherkommen und mir jetzt erklären,

00:49:13: was der Christus, was der Jesus, was Buddha,

00:49:16: was die alle wirklich gemeint haben.

00:49:18: Weißt du, da stoße ich mich dann natürlich dann auch wieder

00:49:22: an diesem sehr unbescheidenen Anspruch,

00:49:25: der quasi den Überblick über die Religionen hat

00:49:29: und jetzt weiß, was die wirklich meinen.

00:49:31: Das kann ich verstehen.

00:49:34: Auf der anderen Seite muss ich zugeben,

00:49:36: dass ich manche seiner ganz kurzen, ganz kurze Auslegungen,

00:49:40: die ja mehr so Seitenblicke, die man erwirft,

00:49:44: dann doch sehr überzeugend finde.

00:49:46: Also diese Gegenwertigkeit zum Beispiel, mit dem zu verbinden,

00:49:49: dass Jesus sagt, sorgt euch nicht.

00:49:51: Und dann kommt diese ganze Idee von ...

00:49:54: die Blumen auf dem Felde, die schöner sind als Salomo in seinem Gewand.

00:49:59: Ja, ja, genau.

00:50:00: Das finde ich, das hat tatsächlich etwas von dieser Hingabe.

00:50:04: Von dieser Gegenwertigkeit drin.

00:50:07: Den Teil, den ich jetzt kurz angelesen habe,

00:50:09: der hört so auf.

00:50:11: Darüber würde ich gerne noch mit dir sprechen,

00:50:13: weil das finde ich wirklich super gut getroffen.

00:50:16: Das finde ich so eine Essenz von Christologie überhaupt.

00:50:19: Das sagt er, wenn Christus morgen

00:50:22: in irgendeiner äußeren Form zurückkehren würde.

00:50:25: Also das ist ja eigentlich das, was alle Christinnen und Christen

00:50:29: ständig erwarten, dass Christus zurückkehrt.

00:50:31: Also wenn er jetzt zurückkehren würde,

00:50:33: das könnte er oder sie dir schon andere sagen als,

00:50:37: ich bin die Wahrheit, ich bin göttliche Gegenwertigkeit,

00:50:42: ich bin das ewige Leben, ich bin in dir,

00:50:46: ich bin hier, ich bin jetzt.

00:50:48: Das ist etwas, was ich wirklich ...

00:50:50: Ich finde das genial,

00:50:52: weil das für mich zum ersten Mal ein geschriebener Satz ist,

00:50:57: in dem ich wirklich verstanden habe, was das heißen soll,

00:51:01: dass Jesus Christus Gottes Sohn ist.

00:51:03: Weil alles andere führt mich auf irgendwelche seltsamen Familien,

00:51:08: Tragödien, irgendwelche genealogischen Verheißonen

00:51:12: von irgendwas, mit denen ich heute nichts zu tun habe.

00:51:16: Ich sage gar nicht dies im Falsch, aber sie berühren mich nicht,

00:51:19: sie haben nichts mit meinem Leben zu tun.

00:51:22: Aber mir zu sagen, na ja, Jesus ist quasi

00:51:25: als Christus erkannt worden,

00:51:28: weil er diese göttliche Gegenwertigkeit,

00:51:31: also dieses Sein im Moment,

00:51:34: diese Hingabe an das Leben noch im Tod ausgestrahlt hat

00:51:39: und deswegen eben nicht etwas Zeitliches ist,

00:51:43: sondern quasi aus dieser Ewigkeit heraus in unserer Zeit gelebt hat.

00:51:48: Und deswegen auch nicht Vergangenheit sein kann

00:51:51: und auch nicht Zukunft ist, sondern zu jedem unserer Momente

00:51:56: immer gleichzeitig.

00:51:57: Weißt du, dass es heißt immer da ist,

00:52:00: es leuchtet mir total ein, es finde ich wunderschön.

00:52:03: Ja, also, ich finde das einfach interessant,

00:52:07: dass dich das so anspricht.

00:52:09: Also, falsch finde ich das ja auch nicht,

00:52:12: aber es ist ja auch sehr, sehr generisch,

00:52:14: dass man sagen könnte, ja, das ist das schon richtig,

00:52:17: aber so viel ist jetzt auch damit nicht gesagt.

00:52:20: Man kann auch irgendwie Worte bedeutungsschwangerer machen,

00:52:23: als sie vielleicht sind,

00:52:25: ich weiß nicht, Stefan,

00:52:27: ich werde nicht so richtig warm mit dem Tolle.

00:52:30: Ich merke eigentlich, ich habe Theologie studiert,

00:52:32: ich habe Sonntagsschule gemacht,

00:52:35: aber ich könnte nicht besser beschreiben,

00:52:37: was ich mir erhoffen könnte von der Wiederkunft Christi,

00:52:41: als das, was Tolle hier beschreibt.

00:52:43: Ich bin die Wahrheit, ich bin göttliche Gegenwertigkeit,

00:52:46: ich bin das ewige Leben, ich bin Indie, ich bin hier, ich bin jetzt.

00:52:50: Ich finde das großartig.

00:52:51: Ja, also, vielleicht könnte man ja auf dieser Note auch enden

00:52:55: und das Grund anliegen, dass ich bei Tolle heraus spüre,

00:52:58: so Menschen anzuleiten, Menschen zu helfen,

00:53:01: in der Gegenwart anzukommen, #Achtsamkeit und so weiter,

00:53:06: also all das, was auch bis in Managementkreise und so weiter

00:53:10: jetzt auch gehypt wird.

00:53:12: Aber so dieses Anliegen, das hat auch ganz, ganz starke christliche

00:53:18: Wurzeln und Traditionen.

00:53:21: Und die werden aber irgendwie gegenwärtig nicht unbedingt

00:53:25: so abgeschöpft, sondern da hilft vielleicht ein Tolle,

00:53:30: Dinge auszudrücken oder Dinge einzusehen,

00:53:34: die auch in der christlichen Tradition breit verankert sind eigentlich.

00:53:38: Und das, das glaube ich auf jeden Fall,

00:53:40: das zeigt sich an ganz vielen Stellen in den Evangelien immer wieder, oder?

00:53:44: Ja.

00:53:45: Also, wir haben jetzt so angefangen, Tolle,

00:53:47: als Weisheitsehrer fortzustellen, man könnte sich auch fragen,

00:53:50: ob er ein Heiler ist, in einem klassischen Sinn.

00:53:53: Wenn man da jetzt an Jesus denkt, dem die Frage gestellt wird,

00:53:57: ist derjenige blind, weil seine Eltern gesündigt haben

00:54:00: oder hat er selbst gesündigt?

00:54:02: Ja.

00:54:03: Also quasi die Suchen in der Vergangenheit nach der Lösung.

00:54:06: Ja.

00:54:07: Da zieht sie ja Jesus voll in die Gegenwart und sagt,

00:54:11: er ist blind, weil Gott jetzt seine Macht an ihm zeigt.

00:54:14: Ja, ja, ja.

00:54:15: Und das ist, das ist doch eigentlich, also etwas,

00:54:18: das zeigt, dass diese ganze Weisheitsgeschichte

00:54:22: und das heilsame Handeln mindestens in dieser Geschichte,

00:54:26: aber ich würde sagen, es gibt ganz viele Geschichten von Jesus,

00:54:29: immer wieder Hand in Hand gehen.

00:54:31: Und ich habe diese Weisheitslehre von Tolle,

00:54:34: also eine zeitgemäße Form erlebt,

00:54:38: die mich selbst immer wieder heilt, wenn ich ein Problem habe.

00:54:41: Ist doch ein starkes Schlusswort, Stefan.

00:54:43: Nein, wir müssen noch sagen, für wen das Buch ist.

00:54:46: Wem würdest du das Buch empfehlen, Manu?

00:54:48: Also es ist echt schwierig, weil ich so fremdele damit.

00:54:51: Aber vielleicht wirklich für Leute,

00:54:56: die sich nicht an einem, sagen wir mal, populären

00:55:03: und auch Stil stoßen, der jetzt nicht wissenschaftlichen Anspruch hat

00:55:08: oder so, Leute, die es vielleicht tatsächlich auch wirklich

00:55:12: bitter nötig haben, so diese Gegenwartsnähe wieder zu gewinnen.

00:55:17: Und im jetzt anzukommen und die keine allzu großen Abwehrreaktionen

00:55:24: gegenüber vielleicht esoterischen Schlagwörtern haben.

00:55:28: Ja, jetzt habe ich mir aber mir gegeben.

00:55:31: Das sind wir gar nicht so weit auseinander, Manu.

00:55:33: Ich habe mir aufgeschrieben, Menschen, die genug gelitten haben,

00:55:37: das Drama satt haben und offen sind, sich selbst zu begegnen.

00:55:42: Uns bleibt jetzt noch euch zu danken,

00:55:45: dass ihr so lange an dieser Diskussion geistig beteiligt wart

00:55:50: und euch ganz herzlich einzuladen für den 3. Februar.

00:55:55: Am 3. Februar nehmen wir im Studi-Kaffee Hirschli in Zürich

00:56:01: "Ausgeglaubt live" auf.

00:56:03: Und wir sprechen da über ein Buch, wo sicher mehr als zwei Meinungen gibt.

00:56:08: Aber ich würde mal raten, Manu,

00:56:10: dass wir da zwei ganz unterschiedliche Meinungen dazu haben.

00:56:13: Es geht um "Workings" Buch "Relligion ohne Gott".

00:56:17: Ja, ich bin mir meine Meinung noch am Bilden,

00:56:19: aber gleicher Meinung werden wir kaum sein, nämlich auch an.

00:56:23: Und egal, ob du eine Meinung hast oder nicht,

00:56:25: wir freuen uns, wenn du am 3. Februar, 18.15 Uhr,

00:56:31: im Studi-Kaffee Hirschli auftauchst

00:56:34: und danach vielleicht noch ein, zwei Bier mit uns trinkst

00:56:37: und etwas über das Buch diskutieren magst.

00:56:40: Am 3. Februar, das ist also nach "Dry January", falls du so was machst,

00:56:44: könnten wir uns treffen und zusammen anstoßen. Das wäre schön.

00:56:47: Sehr gerne, ja. Tschüss, tschüss zusammen.

00:56:51: Copyright WDR 2020

00:56:54: Copyright WDR 2020

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00:57:01: Copyright WDR 2021

Über diesen Podcast

Was heisst das eigentlich, Christ zu sein? Woran glauben Christen und was können sie getrost aufgeben? Logisch, dass sich Manuel Schmid & Stephan Jütte dabei nicht immer einig sind. Aber sie versuchen in diesem Podcast zusammen herauszufinden, was für sie wirklich zählt und was ihnen eher im Weg steht. Und klar: Beide wissen es auch nicht wirklich. Aber vielleicht regt es dich an zum Mitdenken. Oder es regt dich auf und du magst mit ihnen streiten. Oder du schreibst ihnen einfach mal, was du nicht mehr glauben kannst oder musst oder willst.

von und mit Manuel Schmid & Stephan Jütte

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