Ausgeglaubt: ein RefLab-Podcast

Ausgeglaubt: ein RefLab-Podcast

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00:00:00: Stefan, wir sind bei "Aus geglaubt" immer noch in unserem Sommerprogramm oder ganz am Ende unserer Sommerprogramms.

00:00:09: Genau, wir haben euch zehn Folgen oder bisher neun Folgen vorgeführt, die wir in den letzten

00:00:17: Vier- und einhalb Jahren aufgenommen haben, "Aus geglaubt" Folgen, von denen wir dachten,

00:00:24: wie lohnt es sich noch einmal in Erinnerung zu rufen, die lohnt es sich noch einmal zu hören, die sind uns irgendwie ans Herz gewachsen.

00:00:33: Da haben wir das Gefühl gehabt, da wird die Grundidee unseres Podcasts irgendwie nochmal auf den Sockel gestellt.

00:00:41: Und das haben wir euch vorgeführt heute. Das letzte Thema, das ist wieder ein Special gewesen, Anfang 23 noch nicht so lange her.

00:00:53: Da haben wir uns unterhalten über die Frage, was ist eigentlich gute Theologie und der Anlass, da werden wir dann in der Folge auch noch drüber reden.

00:01:00: Aber es ging um öffentliche Kontroversen, es ging um Social-Media-Schittstörmchen, die ich erlebt habe und um einfach die Frage,

00:01:11: was ist eigentlich die Kriteriologie, wie entscheidet man eigentlich, was ein gesunder Glaubensbestand und eine gesunde Theologie ist und was vielleicht auch wirklich toxisch ist.

00:01:26: Und was sind da die Kriterien? Kann man da einfach sagen, ja, es ist Hauptsache biblisch und was ist dann biblisch, muss man da ein bisschen tiefer graben und so weiter.

00:01:36: Da haben wir uns unterhalten.

00:01:37: Und das ist ja auf so drei Schlagworte gebracht, Neugierde, Leidenschaft und Bescheidenheit.

00:01:43: Genau.

00:01:44: Und diesen drei Begriffen entlang haben wir beide versucht zu entwickeln, was uns wichtig ist, damit wir sagen könnten, das ist gute Theologie.

00:01:53: Ja.

00:01:54: Ich finde es super, dass das jetzt so die letzte Folge in der Sommerpause ist, weil dann haben wir, wenn wir jetzt gleich wieder loslegen werden mit neuen Folgen, ja,

00:02:05: vielleicht auch so ein bisschen das noch im Ohr und müssen uns dann selbst daran messen lassen.

00:02:11: Ja, ja.

00:02:12: Ich habe noch eine Rückmeldung im Kopf von Jay von Hossertalk, der mir eine lange Sprachnachricht gemacht hat nach der Veröffentlichung dieses Protaktes.

00:02:24: War das die, wo er gesagt hat, dass ich dich auch mal aussprechen lassen muss?

00:02:27: Das weiß ich nicht, das hat der verschwindelich angemerkt.

00:02:30: Nein, aber nein, ich weiß noch, dass er da gesagt hat, ja schön und gut, das ist eine tolle Folge für Leute, die mit euch schon ganz weit kommen.

00:02:41: Weil sie mit euch schon ganz weitgehend einig sind.

00:02:44: Es ist ein bisschen eine Verkürzung oder es fehlt wahrscheinlich vielen Leuten etwas, die sich gewohnt sind, gute Theologie ganz stark an der Bibelfest zu machen.

00:03:00: Das ist etwas, wir haben eigentlich über den Modus gesprochen, indem man Theologie dreier, nämlich mit Neugierde, mit Leidenschaft, mit Bescheidenheit.

00:03:10: Wir haben nicht so sehr darauf abgehoben, was jetzt der Bezug ist zu den biblischen Überliefungen usw.

00:03:19: Und haben, ich sage jetzt mal, Leute vielleicht nicht so sehr abgeholt, die unter guter Theologie vor allem einmal verstehen, Bibel-nahe Theologie.

00:03:30: Ja, ja, das stimmt.

00:03:33: Da könnten wir auch mal noch ein Special zu machen, das ist ja eine Frage, die sich eben nicht, und das ist vielleicht schon mal wichtig zu sagen, die sich nicht einfach von selbst erklärt.

00:03:45: Man kann nicht meinen, man könne einfach Bibeltexte zitieren und würde sich damit auf der Grundlage biblischer Theologie befinden.

00:03:55: Aber fällst du mir jetzt gerade ein, ich glaube, ich habe sogar noch den Titel richtig im Kopf.

00:03:59: Wir haben ziemlich zu Beginn unseres Podcasts mal eine Folge gemacht, die hieß, glaube ich, historische Kritikdoppelpunkt.

00:04:07: Ich glaube nicht, dass die Bibel Gottes Wort ist, oder irgendwie sowas.

00:04:11: Ja, jetzt bringst du zwei Folgen durcheinander.

00:04:14: Wir haben tatsächlich ganz am Anfang eine der ersten zehn Folgen wahrscheinlich, haben wir gemacht zum Thema, ich glaube nicht, dass die Bibel Gottes Wort ist.

00:04:22: Und dann haben wir letztes Jahr eine Folge, eine Staffel gemacht zu den großen Einwänden gegen den christlichen Glauben, die großen Gründe gegen den Glauben.

00:04:31: Und da haben wir eine Doppelfolge zur Frage, ist die Bibel eigentlich Gottes Wort oder taugt die Bibel als Gottes Wort?

00:04:38: Ja, und ich meinte die und das könnte man sich ja anhören in Verbindung damit.

00:04:44: Stimmt.

00:04:45: Dann kriegt man vielleicht einen ganz guten Überblick, wo wir so stehen.

00:04:50: Ja, sehr schön. Danke für den Hinweis, das würde das Bild vervollständigen für all diejenigen, die die Folge hören und sich fragen, ja, aber wann kommen die Guten dann endlich zu sprechen auf die Frage, was die Theologie Bibel macht?

00:05:06: Ja, auch spannend wäre ja die Frage, was die Bibel Theologisch macht, weil es eigentlich viel weniger selbstverständlich als man denkt.

00:05:15: Ganz viel in der Bibel ist ja gar nicht Theologie, ganz viel in der Bibel sind ja Geschichten, Aufzählungen, Anekoten oder Reden und Theologie wäre ja dann eigentlich erst das sich dazu denke- risch ins Verhältnis setzen.

00:05:30: Ja, genau.

00:05:31: Und natürlich ist ein Römerbrief hochtheologisch, aber es ist ja eigentlich schon eine Auslegung, ganz vieler erst testamentlicher Texte in Verbindung mit dieser Figur Jesus von Nazareth.

00:05:43: Und da haben wir tatsächlich Theologie, aber ich würde zum Beispiel sagen, naja, also die Erdeltern Erzählungen, das ist nicht Theologie per se.

00:05:51: Ne, genau. Das sind Geschichten, in denen man sich wiederfinden kann und in die man eintauchen kann, die aber theologisch hochgradig interpretationsbedürftig sind und auch interpretationsoffen sind.

00:06:09: Das ist ja eigentlich das Faszinierende auch an der, ich finde auch an der, am jüdischen Zugang zu den, zu den erst testamentlichen Texten, dass da oft eine viel größere Freiheit und ein Spiel, ein Spieltrieb zum Zug kommt im Umgang mit den Texten, weil man sie eben nicht in diesem fundamentalistischen Sinne wörtlich nimmt, sondern weil man sieht, das sind, da kommen uns Bilder, Personen entgegen und dann werden Querbezüge gemacht und hin und her.

00:06:38: Und das finde ich eigentlich faszinierend. Das wird dann Theologie produktiv, aber da wird es eben auch diskussionsbedürftig. Und was, was ich schwierig finde, da könnten wir jetzt gerade einen, ich bin vollgemacht.

00:06:50: Ja, ich habe es gerade gedacht.

00:06:51: Ja, weißt du, ich habe Facebook-Diskussionen im Kopf, wo es dann geht, irgendwie um Abtreibung oder es geht um Homosexualität oder es geht um die Kirche, um den Gottesdienst. Und dann gibt es Leute, die denken, sie könnten in einem Facebook-Kommentar eine große Diskussion an der sich 30 Leute beteiligt haben beenden, indem sie einfach einen Bibelfers zitieren.

00:07:12: Und ich denke, was ist das für eine Idee, dass man eine zeitgemäße, theologische, ethische Kontroverse mit einem Bibelfers beenden kann. Der Bibelfers selber muss ja auch wieder theologisch interpretiert werden.

00:07:27: Also der spricht ja nicht einfach für sich über 2000 Jahre hinweg in eine hochkomplexe differenzierte Problemlage.

00:07:36: Ist ja übrigens etwas, was in den Evangelien ständig wieder vorkommt. Oder dass man Jesus quasi im Bibelfers vor den Latz knallt. Also Ehre raufen am Sabbat, eine meiner Lieblings-Episoden, wo es um die Heiligung des Sabbats geht. Und Jesus ja dann theologisch drauf antwortet und quasi diesen Vers kontextualisiert und auslegt in er sehr, sehr riskanten und überraschenweide.

00:08:03: Ja, ja.

00:08:04: Ja, hey, nächste Woche sind wir wieder am Start mit einer brandneuen Folge. Und Manu hat gesagt, ich darf das Thema noch nicht verraten. Deswegen tue ich das natürlich auch nicht. Aber ihr könnt euch freuen und ich hoffe, ihr seid dann wieder dabei. Bis in einer Woche und tschüss zusammen.

00:08:26: Tschüssi, Kofsky!

00:08:28: Ausgelaubt.

00:08:32: Der Podcast über das, was wir nicht mehr glauben. Und das, was uns wichtig bleibt.

00:08:38: Hallo und herzlich willkommen zu Ausgelaubt. Wir machen heute eine Spezialfolge.

00:08:52: Ja, der ist ja der Armer.

00:08:54: Da bist du dran. Nein, ich danke dir natürlich. Du hast dem ICF in Zürich zugerufen, kommt Leute, das könnt ihr besser.

00:09:04: Hintergrund ist eine Predigt, die Leo Bicker, der Gründer und Hauptpastor und CEO des ganzen Ladens gehalten hat. Es ging darum, wie Gott eigentlich zu dieser Queerness, zu LGBTQA+ steht.

00:09:24: Und du hast da eigentlich keinen Baustein seiner Predigt auf dem anderen gelassen und das sehr differenziert, aber auch ganz klar kritisiert.

00:09:36: Magst du kurz sagen, was dich dazu bewogen hat, das auf Facebook zu tun, diese Öffentlichkeit zu tun?

00:09:42: Weil ich weiß, dass du eigentlich immer diesen Spagat versuchst zwischen.

00:09:46: Ich bin zwar kein ICF-Lamer, aber ich habe da eine kritische Loyalität dazu und ich begleite das auch innerlich irgendwie verbunden.

00:09:56: Und ich weiß auch, du regst dich jedes Mal auf, wenn die irgendwie Assekte bezeichnet werden oder unfaire Presse kriegen.

00:10:02: Jetzt hast du selbst schon sehr dezidiert und auch mit einer großen Reichweite zugeschlagen. Da muss es um was Substanzielles gehen, dass es gemacht ist.

00:10:12: Ja, obwohl es war nicht meine Absicht zuzuschlagen. Ich habe tatsächlich noch große Sympathien und nicht nur Sympathien, sondern ich bin ja auch mit ICF Basel, die Gemeinde, die ich selber 15 Jahre lang mitgeleitet und geprägt habe, bin ich noch sehr verbunden.

00:10:30: Ich gehe dort immer wieder in Gottesdienst, ich habe dort immer mal wieder gepredigt, ich habe dort einige meiner besten Freunde bis heute.

00:10:39: Und fühle mich da wirklich auch sehr verbunden. Deshalb betrifft mich das ja auch irgendwie, wenn dann von höchster Stelle, sage ich jetzt mal, im ICF-Movement solche Statements gemacht werden.

00:10:51: Das betrifft mich irgendwie. Wenn das jetzt in einem anderen Gemeindeverband oder so passieren würde, dann würde ich mich vielleicht nicht veranlasst fühlen, jetzt hier groß auszuholen und mich kritisch dazu in Stellung zu bringen.

00:11:05: Aber das ist etwas, einerseits könnte man sagen, dafür werde ich ja dann auch irgendwie mitbehaftet, weil ich bin verbunden mit diesem Movement und bin da immer noch in der Nähe.

00:11:18: Und wenn ich da nichts zu sage, dann könnte man auch daraus schließen, ja, Schweigen ist Zustimmung. Also der offenbar stört denen das nicht genug, um etwas dagegen zu sagen.

00:11:30: Und wie du das gesagt, wie du das ja auch angetönt hast, ich bin jetzt wirklich nicht ein Typ, der jedes Mal, wenn er nicht einverstanden ist mit irgendwas, das Gefühl hat, ich muss jetzt hier alles an die große Glocke hängen und auf den sozialen Medien irgendwie Stimmung machen.

00:11:46: Aber da habe ich wirklich das Gefühl gehabt, da wird die Lebensrealität von queeren Menschen einfach so strategisch verpasst und da werden eben auch, darum geht es ja dann auch heute, da werden auch theologisch Dinge so durcheinander gebracht.

00:12:04: Und das ist irgendwo insgesamt einfach keine gesunde Art, mit gesellschaftlichen, mit Gegenwartfragen umzugehen und auch biblisch und theologisch damit zu ringen.

00:12:18: Da habe ich mich sehr daran gestört und versucht eigentlich, eine Response zu schreiben, die nicht alle Brücken abbrennt, das ist nicht meine Absicht. Ich habe das ja auch geschrieben.

00:12:31: Und auch du hast das wirklich an diesen Stellen jeweils sehr bedacht formuliert. Man kann nicht sagen, du hast auf die Person gespielt.

00:12:40: Nein, das wollte ich auch nicht.

00:12:41: Eigentlich auch überhaupt nicht auf die Institution und deswegen habe ich auch vorgeschlagen, dass wir das hier unbedingt aufgreifen sollen, weil ich finde, es geht ja im Kern eigentlich darum, dass du sagst, das ist schlechte Theologie, was da passiert ist.

00:12:56: Ja. Und du hast auch konkret Vorwürfe formuliert, die diese schlechte Theologie begründen. Geh mal deinen Titeln entlang, das ist ein rikoroser Biblizismus.

00:13:09: Wir können nachher auch gerne noch über Biblizismus sprechen und was du damit genau meinst. Dann sagst du, es geht um einen Kulturkampf, der geschürt wird und es wird Wirklichkeit verleugnet.

00:13:21: Ja.

00:13:22: Jetzt haben wir hier mal drei Kriterien auf diese Predigt, wo du sagen würdest, deswegen ist das schlechte Theologie.

00:13:29: Wofür ist das alles auch sehr differenziert aus? Mein Vorschlag für unser Gespräch heute war ja, wir machen jetzt nicht das Spiel, das wir Leo Bicker und dem Eis hier erklären, wie dumm sie sind, sondern wir versuchen stattdessen mal Rechenschaft abzulegen, wie wir denken, dass gute Theologie gibt.

00:13:48: Ja.

00:13:49: Und ich habe auch nicht gedacht, dass die dumm sind. Ich habe viele im ICF auch in Zürich viele Hochintelligente und vor allem auch viele hochempartische, menschenfreundliche, leidenschaftliche Menschen kennengelernt, mit denen ich auch heute noch gut unterwegs bin.

00:14:05: Also das wird ihnen auch nicht gerecht werden.

00:14:07: Sein Lieblingsaufdeckstimmung unter deinem Post. Das sind ja auch viele ICF-Lehrer, die jetzt froh sind und die aufwarten und sagen, danke, hast du das ja klar gesagt.

00:14:15: Und was ich noch sagen will, einfach bevor wir da loslegen, eben gute Theologie, also mir geht es, ging es jetzt nicht darum zu sagen, es ist schlechte Theologie, weil meine Positionen nicht geteilt werden.

00:14:28: Weißt du, das ist nicht was ich meine. Das wäre ja dann auch eine unglaublich, natürlich eine unglaublich selbstverliebte und arrogante Art.

00:14:36: Die Theologie in gut und schlecht einzuteilen. Gute Theologie ist jene Theologie, die mit mir übereinstimmt. Das würde ich auf keinen Fall sagen wollen.

00:14:45: Ich glaube, es gibt gute, sehr gute Theologie, die in eine völlig andere Richtung geht, als ich sie denke, die mit meinen Positionen fast an jedem Punkt im Widerstreit ist.

00:14:56: Aber es ist eben doch gute Theologie, weil sie bestimmte, ich sage jetzt mal, methodische Kriterien oder bestimmte Haltungen teilt.

00:15:05: Auch Prozesse und Verfahren, oder?

00:15:07: Ja, genau. Die, die ich für entscheidend finde.

00:15:11: Aber da sprichst du jetzt was an, wo ich denke, da müssen wir wirklich anfangen mit.

00:15:15: Ja, weil die Gefahr ist ja ein bisschen, dass man jetzt sagen könnte, gute Theologie sind gute Positionen.

00:15:22: Ja, und das halte ich für sehr gefährlich.

00:15:25: Weil dann könntest du quasi sagen, eigentlich ist mir der Weg, völlig egal, wie du da hin kommst, Hauptsache, am Schluss willst du politisch oder gesellschaftlich oder dogmatisch dasselbe sagen wie ich.

00:15:38: Ja.

00:15:39: Das wäre ja dann selbst eigentlich ein sehr totalitäter Zug.

00:15:42: Ja, das ist so Bekenntnis Theologie dann.

00:15:44: So lange du musst einfach übereinstimmen mit diesem oder jenem Bekenntnis oder dieser konfessionellen Verlautbarung, dann ist es gute Theologie.

00:15:55: Und das meinen wir, glaube ich, beide nicht.

00:15:57: Das meine ich überhaupt nicht.

00:15:58: Ich gebe jetzt mal ein Beispiel für einen Schluss, den ich zwar gut finde, aber eine Theologie, die dahinter steht, die ich katastrophal finde.

00:16:07: In der Debatte um die Ehe für alle gab es ein naturalistisches Argument.

00:16:14: Also die haben dann auch, wie ich und wie du gesagt, ja, das ist gut, dass es Ehe für alle gibt.

00:16:20: Das sollen die Kirchen unterstützen.

00:16:23: Und das ist ja noch keine Theologie.

00:16:25: Das ist eine Meinung.

00:16:26: Genau, das ist eine ethische Position.

00:16:28: Und wenn man jetzt nachfragt, weshalb, warum, nenne mir Gründe, dann kommt Theologie ins Spiel.

00:16:35: Und deswegen, es geht nicht um das Urteil, sondern es geht um die Gründe, um die Struktur, um die Form, wie etwas Geldpunk bekommen soll.

00:16:43: Und jetzt bring ich ein Beispiel, wo ich finde, guter Schluss, schlechte Theologie.

00:16:48: Also ja, wir sind für Ehe für alle.

00:16:51: Warum?

00:16:52: Ja, man hat auch im Tierreich gesehen, dass es homosexuelle Tiere gibt.

00:16:58: Also ist das natürlich.

00:17:00: Und wenn es natürlich ist, dann ist es Gott gewollt und dann kann es nicht schlecht sein.

00:17:05: Ja, genau.

00:17:06: Ja, aber das ist ein ziemlich verbreitetes Argument.

00:17:10: Ja, wir kommen jetzt nur irgendwelche, wie heißen die Gottesanbeterinnen oder weiß ich, irgendwelche Insekten in den Sinn,

00:17:17: wo eben die Weibchen, die Männer nach dem Geschlechtsagel umbringen oder irgendwie so.

00:17:22: Das ist auch ganz natürlich, aber eine ziemlich schlechte Idee.

00:17:26: Genau.

00:17:27: Und wir haben gesehen, was Katzen mit Vögeln machen, oder?

00:17:30: Ja, ja.

00:17:31: Genau.

00:17:32: Ja, und da würde jetzt, für mich zum Beispiel, das Kriterium einer Rolle spielen, ist dieses Argument nachvollziehbar.

00:17:42: Ja, das Argument ist nachvollziehbar, oder?

00:17:44: Also wir verstehen, was jemand sagen will, wenn er das sagt.

00:17:48: Also von dem her, mal gut.

00:17:51: Es ist allgemein verständlich, und man kann sich dazu verhalten.

00:17:54: Dann, das zweite wäre, beruht es auf Grundsätzen, die wir auch in anderen Fällen anwenden möchten.

00:18:02: Und da würde ich jetzt sagen, ja, das ist schwierig, oder?

00:18:05: Ja.

00:18:06: Weil wir werden im Tierreich bestimmt auch Tiere finden, die zum Beispiel sagen, alte, kranke Tiere setzen wir irgendwo aus,

00:18:13: damit die Löwen was zu fressen haben und die Herde lebt weiter.

00:18:17: Dann würde ich jetzt sagen, ja, das ist jetzt nicht unbedingt das, was ich ins Evangelium schreiben würde.

00:18:22: Ja, und als Gesellschaftsordnung vorschlagen würde.

00:18:25: Genau.

00:18:26: Die Alten und die Kranken werden aus der Straße geschoben.

00:18:30: Und hoffentlich erklärt dieses Beispiel ein bisschen, dass wir uns jetzt nicht auf der Ebene von Meinungen oder von Urteilen bewegen wollen,

00:18:38: sondern wirklich auf der Struktur, die dann zu diesen Meinungen und Ebenen führt.

00:18:43: Ja, weißt du, dass du dir viele Gedanken schon dazu gemacht hast, dass du auch biografisch, wahrscheinlich, bedingt, immer wieder diese Kriterien auch schärfen musstest.

00:18:54: Ja.

00:18:55: Und auch ich habe mir Gedanken dazu gemacht, und ich denke, wir tragen das jetzt einfach mal zusammen.

00:18:59: Was sind Kriterien für eine gute Theologie?

00:19:02: Magst du mal anfangen mit Kriterium?

00:19:05: Also, ich habe drei Kriterien für mich definiert.

00:19:08: Die Liste ist allerdings nicht unbedingt abgeschlossen.

00:19:12: Aber für mich ist so ein ganz fundamentales Kriterium für eine gute gesunde Theologie, ist Neugierde.

00:19:20: Also, ich kann mir keine gute Theologie vorstellen, die nicht von einer fundamentalen Neugierde getrieben ist.

00:19:29: Also, ich erinnere mich auch selber noch, wie mich das im Studium gepackt hat,

00:19:34: welche magische Anziehung die Bibliothek auf mich gehabt hat, wie ich mir gewünscht habe, tausend Jahre zu leben, um alles zu lesen, was mich da anstarrt.

00:19:43: Und das musste jetzt natürlich, ich will damit nicht sagen, dass gute Theologie nur, zwingenderweise akademische Theologie ist,

00:19:51: in der Leute die Zeit haben, jahrelang Bücher zu wälzen oder so.

00:19:55: Aber ich glaube, das ist auch auf einem ganz alltäglichen und auch nicht professionellen Lion Level.

00:20:01: Ist das eine wichtige Voraussetzung, dass man eine Neugierde mitbringt, sich in verschiedene Richtungen umsehen will,

00:20:10: Erkenntnisse, Beobachtungen sammelt, verschiedene Perspektiven der Rücksichtung usw.

00:20:16: Und das ist für mich sogar ein kristologisch begründetes Kriterium.

00:20:22: Also ich habe sogar das Gefühl, dass mich die Bewegung Gottes hin zu den Menschen in Jesus Christus eigentlich zu dieser Neugierde anstacheln,

00:20:32: dass irgendwie bei Jesus diese Bewegung zur Lebensrealität zu den verschiedenen Menschen, diese auch diese Lernbereitschaft entgierten kommt,

00:20:42: sich einzulassen auf verschiedene Geschichten, Kontexte, Biografien und so weiter.

00:20:48: Und dann aber auch natürlich diese Neugierde im Blick auf Gott, diese Suche nach Gottes Erkenntnis.

00:20:55: Das ist etwas, was Jesus ja seinen Nachfolgerinnen und Nachfolger auch auf dem Weg gibt.

00:21:01: Einerseits schickt er sie in die Welt hinaus, geht überall hin, trefft alle möglichen Menschen,

00:21:06: redet mit ihnen, das wird bei Paulistan auf den sogenannten Missionsreisen gelebt, wie er sich reißt.

00:21:13: Er hat sich tagelang unterhalten mit Philosophen auf dem Markt, mit dem Otto-Normal-Verbraucher und so weiter.

00:21:20: Da wird eine Neugierde nach der Wirklichkeit irgendwie spürbar.

00:21:24: Und dann aber auch dieser Impuls, das ist ja urbiblisch angelegt, auch diese Suche nach Gottes Erkenntnis,

00:21:33: diese Leidenschaft nicht nur kognitiv, sondern personal, irgendwie mehr von über Gott zu erfahren.

00:21:42: So, das ist diese Neugierde, das ist für mich fundamental, wo die fehlt.

00:21:47: Da kann es fast nur noch schief gehen.

00:21:49: Ich habe da auch Punkte, die ich super an diese Neugierde anschließend mache.

00:21:53: Ich versuche das mal so zu...

00:21:55: Ja.

00:21:56: Ein ganz wichtiges Moment ist für mich so zu spüren, dass das Ganze von einer Freiheit getragen ist.

00:22:03: Und es hat für mich ganz viel mit Neugierde zu tun, weil neugierig, wirklich gierig nach Neuem,

00:22:09: kann ich eigentlich nur sein, wenn ich eine gewisse innere Freiheit habe.

00:22:13: Brauche eine Offenheit, die muss mich darauf einlassen, dass ich vielleicht etwas lerne, was außerhalb meiner Komfortzone liegt.

00:22:20: Etwas, was ich noch nicht gedacht habe.

00:22:22: Und etwas, was ich nicht einfach einordnen lässt in einem bestimmten Schema, was ich habe.

00:22:28: Das ist interessant, dass du das jetzt quasi mit der Reinkarnation,

00:22:32: mit Quatsch mit der Reinkarnation, mit der Inkarnation Gottes begründet hast.

00:22:38: Also quasi, wenn selbst Gott diese Welt so spannend findet, dass er hier Mensch wird,

00:22:43: dann sollte ich mich auch dieser Welt öffnen.

00:22:46: Für mich hängt das auch ganz stark an diesem Bilderverbot.

00:22:50: Ah, das ist dann der Idee, dass wir uns kein Bild von Gott machen sollen.

00:22:54: Ich lese das immer so, dass das bedeutet, ich soll ihn nicht auf ein Bild festlegen.

00:22:59: Ja, ja.

00:23:00: Und das bedeutet, da ist eigentlich dann diese Neugierde, diese Offenheit und Freiheit,

00:23:06: Gott im ganz anderen Zusammenhängen zu entdecken und nochmal ganz neu zu erfahren und zu denken,

00:23:12: ist eigentlich schon fast eines der Gebote, oder?

00:23:16: Ja, großen Dank, ist im Bilderverbot.

00:23:19: Ja, das ist das Bilderverbot.

00:23:20: Und ich glaube auch, dass das etwas ist, was man Menschen, die von Gott reden, sehr rasch anmerkt.

00:23:29: Ist da eine Freiheit oder wollen sie nur verteidigen, was sie immer schon gedacht haben?

00:23:34: Und ist das aprologetisch?

00:23:37: Also hat das immer so was kämpferisch verteidigendes, beharrendes auf etwas Alten, was da war?

00:23:46: Oder ist da eine Offenheit dafür, dass Gott nochmal anders sein könnte?

00:23:51: Ja, ja.

00:23:52: Ich finde so diese schon fast wie Theaterstücklein aufgeführten Szenen in den Evangelien,

00:23:58: in denen Jesus quasi als der Messias, wie er inszeniert wird, jetzt mit den Althergebrachten lehren und Fariseern sind es da,

00:24:09: oder meistens spricht, die bringen das immer ganz toll auf den Punkt, die führen immer ganz vieles an,

00:24:16: was aus der Tradition stammt, was da ist.

00:24:19: Und sie scheitern dann oft daran, dass sie die Offenheit nicht haben für das Neue, was er damit bringen will.

00:24:25: Für dass er das in eine andere Ordnung bringt, dass er ein anderes Bild hat davon,

00:24:29: dass das in seiner Vision nochmal ganz neu wird.

00:24:33: Also das finde ich ein wichtiges, also Neugierter kann ich sofort übernehmen

00:24:38: und würde dem wirklich so diesen Charakter von Freiheit, Offenheit und dann natürlich,

00:24:43: sobald es um den Kontakt mit anderen Menschen, aber auch mit Themen, mit Büchern geht,

00:24:49: auch auf diesen Modebegriff Empathie bringen wollen.

00:24:53: Also dieses wirklich sich innerlich darauf einlassen, dass ich mich versuche, in etwas hinein zu versetzen.

00:25:01: Oder wie Navid Kermani das mal formuliert hat, diese Idee wach zu halten, dass ich mich irren könnte,

00:25:08: oder etwas noch nicht weiß. Ich finde, das spürt man Menschen an.

00:25:12: Und immer wenn Menschen so was mitbringen, dann hat das intellektuell aber auch menschlich eine Anziehungskraft,

00:25:19: dass ich denke, wow, da könnte ein Schatz verborgen liegen.

00:25:22: Das kommt bei mir später auch nochmal, da komme ich darauf zurück.

00:25:26: Aber ich finde das jetzt auch ein guter Moment, um klarzumachen, dass es eben nicht um Positionen geht.

00:25:33: Also weißt du, du findest das auf dem ganzen Spektrum, findest du Leute, die ihre Positionen in einer ganz rigorosen Art verteidigen

00:25:41: und keine Erwartung mehr haben von anderen wirklich etwas zu lernen.

00:25:45: Ich finde das immer das erschreckendste, wenn du mit Leuten unterwegs bist

00:25:49: und das kann dir jetzt wirklich nicht nur mit konservativen Christinnen und Christen passieren,

00:25:54: sondern das kann dir überall passieren, wo du das Gefühl hast, die Leute haben ihre Theologie eingetütet,

00:26:00: die haben das auf Flaschen gezogen und da gibt es eigentlich nichts mehr dran zu rütteln.

00:26:04: Und das hat auf mich dann immer so intelligent und eloquent jemand sein kann.

00:26:09: Das hat etwas abstoßen, weil ich einfach denke, ja, aber gleichzeitig hat es für mich etwas Faszinierendes,

00:26:15: auch wieder in verschiedene Richtungen, wenn Leute bereit sind, noch einmal irgendwie neu aufzubrechen.

00:26:22: Weißt du, das hast du. Es gibt Leute, die irgendwie von mir aus ganz liberal und multikulturell,

00:26:30: multireligiös unterwegs waren und dann durch irgendwelche Erfahrungen so eine Jesusfrömmigkeit entwickeln.

00:26:38: Ich finde das faszinierend genauso, wie wenn Leute zum Beispiel, die irgendwie die ganz klar jetzt so methodisch überzeugt sind,

00:26:49: also Wunder und solche Sachen gibt es nicht mehr und dann irgendwie durch Auslandaufenthalt in Südamerika,

00:26:55: oder weiß ich, wo, auf Finstler stoßen und dann passieren Dinge oft verbunden mit biografischen Erfahrungen,

00:27:02: wo es irgendwie ihre Überzeugungen noch einmal umstoßen, weißt du.

00:27:06: Und natürlich auch die ganzen Deconstruktionsgeschichten von Leuten, die konservativ aufgewachsen sind

00:27:12: und dann noch mal irgendwie das Ganze auf den Kopf stellen.

00:27:15: Ich finde das einfach, das hat auf mich etwas Faszinierendes, weil ich da einfach merke, das sind noch Dinge in Bewegung.

00:27:23: Also Menschen bleiben berührbar, das finde ich auch dann schön.

00:27:28: Karl Barth hat in seiner letzten großen Vorlesungsreihe, die er gehalten hat, ja eine Einführung in die evangelische Theologie dargelegt.

00:27:39: Und ganz zu Beginn schon nennt der Theologie eine fröhliche Wissenschaft.

00:27:45: Und ich finde so, ja diese Haltung fröhlich zu sein, hat ganz viel mit dieser Neugierde zu tun.

00:27:52: Es hat etwas Leichtes, es hat etwas Verspieltes, aber,

00:27:56: und ich glaube, das sind wir dann wieder ganz nahe bei diesen Psychologiebüchern, die wir auch besprochen haben,

00:28:01: es lebt davon, dass da irgendwo ein Urvertrauen ist.

00:28:05: Bei Barth sagt er so, ja, also evangelische Theologie hat es ja mit Immanuel zu tun, also mit Gott, mit uns.

00:28:14: Da muss diese Theologie ja eine fröhliche Wissenschaft sein.

00:28:18: Also deswegen geht glaube ich nicht darum, jetzt nur eine Neugierde zu haben, die irgendwie,

00:28:24: wie soll ich sagen, weißt du, die jetzt einfach jedes Detail umdrehen will oder nur dieses nördige hat.

00:28:32: Sondern ich glaube, es geht darum, so irgendwo gehalten zu sein und von da aus fröhlich zugewandt in die Welt zu blicken

00:28:42: und zu schauen, was uns der Liebe Gott alles zeigen will.

00:28:45: Ja, ja, ja, genau.

00:28:47: Es soll ich mal ein zweites Kriterium rein.

00:28:50: Ja, mach mal ein zweites Kriterium.

00:28:51: Also das zweite Kriterium für mich, das zweite Kriterium einer guten gesunden Theologie ist Leidenschaft.

00:28:58: Also das ist dann schon etwas, was für mich auch letztlich auch aus dieser Neugierde herausfolgt,

00:29:05: weil in dieser Neugierde machen wir ja auch Erfahrungen, wir machen Lernerfahrungen,

00:29:11: wir machen auch, würde ich sagen, auch Gotteserfahrungen.

00:29:14: Und da gibt es Dinge, die uns packen, die uns ergreifen.

00:29:19: Also ich glaube, bei der Theologie, da bin ich wirklich zutiefst von überzeugt, da geht es um etwas.

00:29:25: Es geht um Gott, es geht um Wahrheit, es geht um Menschen.

00:29:30: Da steht, bei der Theologie steht etwas auf dem Spiel.

00:29:35: Und so sehr ich überzeugt bin, dass Theologie auch etwas, ich sage mal, etwas Spielerisches haben kann und haben soll.

00:29:41: Weißt du, dass man Thesen ausprobiert, Gedanken, Experimente wagt, neue Ideen verfolgen.

00:29:47: So, ich lieb das eigentlich mal so zu Spinnen irgendwie auf dem grünen Tisch und so.

00:29:52: Und mal merken, in welchen Heresien man landet, wenn man jetzt bestimmte Wege verfolgt.

00:29:57: Das finde ich alles toll. Aber es hat mich auch immer ein bisschen abgestoßen bei manchen professionellen Theologen.

00:30:05: Wenn ich das Gefühl hatte, die haben sich in diesem akademischen Unibetrieb so gemütlich eingerichtet,

00:30:13: dass ich manchmal das Gefühl hatte, die lockt eigentlich fast nichts mehr aus der Reserve.

00:30:18: Das ist irgendwie zu einem Job geworden, zu einer Expertise, die man pflegt.

00:30:23: Da vertieft man sich irgendwie in den Buchstaben Aleph, im Hebräischen oder in die Frage nach Abrahams Fußpilz

00:30:32: oder was auch immer in irgendwelche Spezial-Super-Nerdigen-Spezial-Fragen.

00:30:37: Und das quasi, das Spezialistentum in Ehren.

00:30:41: Und dann manchmal das Gefühl gehabt, da ist so ein bisschen diese existenzielle Betroffenheit und Leidenschaft verloren gegangen.

00:30:49: Und das konnte ich nie abschütteln. Zum Glück nicht, dass Theologie für mich immer auch wirklich ganz real um große Fragen sich dreht,

00:31:00: um die es sich lohnt zu streiten und zu kämpfen gepflegt.

00:31:04: Und ich sage dann im dritten Teil noch was zur Art der Auseinandersetzung oder im dritten Merkmal gesunder Theologie für mich.

00:31:12: Aber es lohnt sich da zu streiten und es geht auch um Dinge.

00:31:17: Weißt du, nicht nur um Dinge, die ich mir da auf dem Tisch zurechtgelegt habe und da ein bisschen was von Baut und da und ein bisschen Tilig

00:31:25: und so um mir das dann zusammenköchle und finde, ja, das ist doch es hübsch geworden,

00:31:29: sondern es geht ja auch um Dinge, die mir gar nicht verfügbar sind.

00:31:33: Weißt du, um Dinge, die haben sich mir erschlossen, da hat sich mir ein bestimmtes Bild von Gott,

00:31:39: haben sich bestimmte Erfahrungen, haben sich mir so aufgedrückt, dass sie mich auch existenziell ausmachen,

00:31:45: dass ich sie gar nicht so einfach mal zur Disposition stellen kann.

00:31:49: Weil aller, das ist dann so auch ein bisschen ein, nicht ein Widerspruch,

00:31:54: aber vielleicht in einer gewissen Spannung zur Neugierde, dass Theologie sich ja auch immer um Dinge dreht, die mich zutiefst angehen

00:32:03: und wo ich jetzt auch nicht so tun kann in einem Gespräch.

00:32:07: Weißt du, ich kann nicht einfach alle Voraussetzungen und die Überzeugungen, die sich mir erschlossen haben,

00:32:12: einfach nochmal zur Diskussion, ich kann sie zur Diskussion stellen, aber ich kann nicht so tun,

00:32:17: als ob ich mich davon einfach distanzieren könnte. Weißt du, was ich leine?

00:32:21: Das ist, glaube ich, ganz entscheidend, dass wir bei guter Theologie irgendwie so etwas wie eine theologische Existenz mitdenken müssen.

00:32:29: Ja, ja. Also das, was du Leidenschaft nennst, die ist involviert sein,

00:32:34: das steht auch für mich nicht im Widerspruch gegenüber guter, auch gegenüber guter akademischer Theologie.

00:32:41: Nein.

00:32:42: Denn ich glaube eigentlich kommt alles, wie auch in guter Philosophie, da würde ich genau dasselbe sagen,

00:32:48: dass man verwundert ist. Man ist zunächst mal irgendwie verwundert darüber,

00:32:54: dass die Welt ist und nicht nichts oder dass da ein Glaube ist, der mich hält oder was auch immer.

00:33:01: Es gibt einen Ausgangspunkt, der wahrscheinlich immer eine Verwunderung darstellt.

00:33:07: Und von diesem Ausgangspunkt her spreche ich dann über Gott und über die Welt,

00:33:14: aber natürlich immer dato um mich selbst überhaupt zu verstehen.

00:33:19: Ja.

00:33:20: Und deswegen ist das eine existenzielle Frage, wenn man Theologie treibt.

00:33:24: Und ich glaube auch, dass dort, wo Theologie zu einem Fach wird, zu dem man sich oder zu einer Wissenschaft wird,

00:33:32: zu dem man sich quasi in Aussagesätzen, Probehalber versuchen kann,

00:33:38: ist das dann eigentlich schon sehr nahe an einem sophistischen Verständnis.

00:33:44: Man probiert einfach mal aus, wie das klingt, aber es hat nichts mit mir zu tun.

00:33:49: Ich glaube, wenn wir wirklich theologische Sätze sagen, dann berühren diese Sätze ja

00:33:55: immer irgendwie das Gottesbild, das Menschenbild und letztendlich damit das Selbstverständnis

00:34:00: dessen, der spricht.

00:34:01: Ja, ja voll.

00:34:02: Und da runter, und das finde ich so schön an deinem Begriff Leidenschaft, leidet man

00:34:07: wirklich auch.

00:34:08: Also es ist eben eine Aussage über Gott zu machen, hat dann immer sehr viel damit zu

00:34:13: tun, wer ich bin oder welches Bild ich von mir auch in die Welt werfe und aus was ich

00:34:19: mich sehen und verstehen.

00:34:21: Ja, genau.

00:34:22: Ja, ich habe dazu vielleicht eine kleine Ergänzung noch.

00:34:26: Ich glaube, dass das auch wirklich so vielleicht eine meiner größten Veränderungen vom Theologieferständnis

00:34:33: war, dass ich selbst durchgemacht habe.

00:34:35: Ich glaube nicht mehr, dass Theologie etwas ist, dass man in einem quasi klinen Verfahren

00:34:44: als reine Systematik irgendwie aufbauen kann, sondern ich glaube, dass Theologie substanziell

00:34:50: davon lebt, dass man es selbst auch mit Gott zu tun hat.

00:34:53: Also so diese Einrichtung ist, dass wir in der Theologie natürlich über Gott sprechen,

00:34:59: wir sagen Sätze über Gott.

00:35:01: Und das hat ja immer die Gefahr lächerlich zu sein, irgendwo, also man spricht über

00:35:08: etwas, was man jetzt wirklich nicht im Griff haben kann, was ein Gegenstand von Aussagen

00:35:12: sein kann.

00:35:13: Ich glaube aber, dass das wie zusammenhängt, dass wir auch mit Gott sprechen.

00:35:18: Also ich glaube, dass gute Theologie ohne Gebet zum Beispiel kaum geht.

00:35:23: Also was immer dann Gebet sein mag.

00:35:26: Ja.

00:35:27: Gebet mal ganz, ganz schön.

00:35:29: Aber wo wir diese Berührbarkeit für Gott nicht irgendwie kommunikativ haben, ist dann

00:35:36: das Reden über Gott eigentlich letztendlich ein Reden wie über eine Idee oder im schlimmsten

00:35:42: Fall sogar über einen Gegenstand.

00:35:44: Ja.

00:35:45: Das ist doch in dem Büchlein von Karl Barth spricht er doch von diesem Oberlicht.

00:35:49: Das ist doch eine dieser entscheidenden Perspektiven, die er einnimmt auf die christliche Theologie.

00:35:57: Er sagt Theologie kommt nicht aus ohne dieses Oberlicht und das hat sogar ein Kapitel, wo

00:36:02: er über das Gebet spricht.

00:36:04: Also das stimmt.

00:36:05: Ja.

00:36:06: Das ist für ihn auch ganz, ganz fundamental.

00:36:08: Ja.

00:36:09: Ja, das finde ich sehr, das finde ich eine Superergänzung oder Zuspitzung auch.

00:36:14: Es geht um etwas, es geht um Gott, es geht um mich und das ist einfach mehr als Gedanken

00:36:21: Akrobatik oder auch mehr als einfach eben akademisches Glasperlen Spiel oder was auch immer.

00:36:29: Da geht es um etwas.

00:36:31: Ja, genau.

00:36:32: Also ich habe das jetzt gefunden, wo das kommt mit dem Oberlicht bei Barth, wenn ich das

00:36:37: kurz vorlesen soll.

00:36:38: "Rechte brauchbare theologische Arbeit ist dadurch ausgezeichnet, dass sie in einem Raum geschieht,

00:36:44: der nicht nur - das ist freilich auch gut und nötig - offene Fenster, zudem sie umgebenden

00:36:50: Leben der Kirche und der Welt hin, sondern vor allem und entscheidend Oberlicht hat.

00:36:55: Will sagen, offen ist vom Himmel, von Gottes Werk und Wort her und offen zum Himmel, zu

00:37:01: Gottes Werk und Wort hin.

00:37:03: Es versteht sich nicht von selbst, dass sie in diesem, in der Richtung, auf ihren Gegenstand,

00:37:10: ihren Ursprung, ihr Ziel und also in der Richtung auf ihre große Gefährdung und ihre noch größere

00:37:16: Hoffnung, die in ihm begründet wird, offenen Raum geschieht."

00:37:20: Typischer Karl Barth sprachduktus, aber steilige Aussage.

00:37:25: Eigentlich mega simpel, wenn man es runterbricht.

00:37:27: Es geht darum, ich selbst habe zu mir ein wahrhaftiges Verhältnis.

00:37:32: Von da aus öffne ich mich der Welt, aber eben nicht nur der Welt als das, was ich in meinem

00:37:39: beschränkten Gesichtsfeld jetzt gerade sehe, sondern ich öffne diese Welt vor dem Hintergrund

00:37:46: dass ein Himmel über ihr ist und auch dieser Himmel spricht.

00:37:50: Und das ist dann eigentlich so ein wunderschönes Dreijäg, kann man sich glaube ich leicht vorstellen.

00:37:55: Ja, auch eine starke Metapher, die Fenster aufmachen, um Welt wahrzunehmen und dann aber

00:38:00: dieses Oberlicht von Gott her.

00:38:02: Ja, ich habe ein drittes Kriterium oder eine dritte Eigenschaft gesunder guter Theologie

00:38:07: und das wäre Bescheidenheit.

00:38:09: Bescheidenheit.

00:38:10: Und was ich daran liebe, das hat sich mir auch erst in den letzten Jahren so erschlossen.

00:38:18: Ich hoffe, dass ich das auch immer mehr lebe, weil ich eine Zeit lang dann so ergriffen

00:38:23: war, leidenschaftlich ergriffen, von meinen Entdeckungen und Überzeugungen, dass ich auch

00:38:28: ein sehr starkes missionarisches Eifer entwickelt habe, das jetzt aber jedem klar zu machen und

00:38:36: wer das nicht sofort begreift, ist vielleicht auch ein Idiot oder so.

00:38:40: Also das hat dann eine Zeit gebraucht und zu merken Bescheidenheit gehört auch dazu.

00:38:46: Und vor allem Bescheidenheit steht nicht im Widerspruch zu einer Leidenschaft.

00:38:53: Also du kannst, ich bin inzwischen überzeugt, dass du theologisch und persönlich ganz tiefe,

00:39:01: dass du die fundamentale Überzeugungen hegen kannst und gleichzeitig diese Überzeugungen

00:39:07: mit Bescheidenheit und mit einem Bewusstsein für die eigene Fehlbarkeit vertreten kannst.

00:39:14: Ich habe lange Zeit das Gefühl gehabt, das schließt sich gegenseitig aus und ich bin

00:39:18: dann bei Rob Bell eigentlich auf eine Stelle gestoßen in einem Buch, ich weiß nicht mehr

00:39:23: in welchem, wo er genau darüber gesprochen hat und gesagt hat, du kannst, ah und es

00:39:29: gab noch einen anderen Autor, der Shane Hips, der hat das ähnlich in einem Buch beschrieben,

00:39:34: du kannst von etwas so überzeugt sein, dass du dein Leben dafür gibst und gleichzeitig

00:39:41: sagen, ich könnte mich auch ehren.

00:39:43: Also das hat er bei den Teufern, der Shane Hips kommt aus dem menonitischen Hintergrund,

00:39:50: hat das bei den Teufern, es ging glaube ich sogar um ein Gespräch mit einem uralten Teufer,

00:39:56: der ich glaube, gerade im Friedensethik, pacifistische Überzeugungen vertreten und dafür auch seinen

00:40:03: Preis bezahlt hat und der gesagt hat am Ende seines Lebens, ich würde dafür in den Tod

00:40:09: gehen und dann anmerkt, aber ich könnte mich auch ehren.

00:40:14: Ich glaube inzwischen, dass sich das nicht ausschließt, man kann von Dingen zu tiefst

00:40:19: überzeugt sein und ergriffen sein und gleichzeitig hochhalten, ja ich könnte mich auch ehren

00:40:25: und das bedeutet auch, ich bin auch angewiesen auf die Perspektiven anderer, auf die Rückmeldungen

00:40:32: anderer.

00:40:33: Das finde ich ein ganz entscheidendes Kriterium, ich habe das unter einem ähnlichen Titel,

00:40:38: es geht so darum, Grenzen zu akzeptieren.

00:40:40: Ja.

00:40:41: Und ich glaube, gerade wenn wir ein tolles elaboriertes, theologisches oder philosophisches System

00:40:48: haben, dann ist die Gefahr immer, dass alles darin eingeordnet werden kann.

00:40:53: Ja.

00:40:54: Also mein Lieblingsbeispiel dafür ist immer Hegel.

00:40:56: Ja, das wollte ich jetzt gerade sagen.

00:40:58: Das wollte ich jetzt gerade sagen.

00:40:59: Alles.

00:41:00: Alles mit Hegel erklärt oder Luhmann.

00:41:02: Ja und bei Hegel gab es doch diese Anekdote, dass man ihm gesagt hat, oder war das Highdecker,

00:41:09: dass man gesagt hat, die Wirklichkeit passt nicht mit ihrem System überein, dann sagt

00:41:13: er umso umso schlechter für die Wirklichkeit.

00:41:16: Das ist doch die Tusspitzung der Ignoranz, die sich dann einstellt.

00:41:20: Ja.

00:41:21: Und ich glaube halt, dass jede dieser Megateorien und ein Stück weit ist das Christentum, so

00:41:29: bald es Theologie wird, also sobald es reflexiv wird und Dinge ordnen will und eine Systematik

00:41:34: bringen will, immer auch in der Gefahr eine Megateorie zu werden.

00:41:38: Ja, ja, klar.

00:41:39: Zum Beispiel die ganze Welt in eine Heilsgeschichte zu bringen, in der dann alles eigentlich auf

00:41:43: dieses Tellos ganz am Schluss hinweist oder so.

00:41:47: Ja, ich liege das eigentlich auch.

00:41:48: Ich habe eine Schwäche für diese Allerklärungsversuche.

00:41:51: Ich merke auch immer, dass du so ein Fäder hast für Platte.

00:41:55: Aber ich glaube, es geht dann darum, dass man eine Offenheit bewahrt zu beachten, was

00:42:02: man nicht beobachten kann in diesem Theorisetting, indem man ist.

00:42:07: Es gibt immer blende Flecken, Dinge, die man nicht sieht.

00:42:11: Und das bedeutet, dass gerade wenn man sich da irgendwie weiter entwickeln will, muss

00:42:17: man eben mit denen sprechen, die das System stören.

00:42:20: Ja, also du wirst ganz, ganz viele Positionen finden, die kannst du irgendwie einordnen

00:42:27: in dein Konstrukt.

00:42:29: Ja.

00:42:30: Und dann gibt es aber ein paar Positionen, die kennst du gar nicht wirklich.

00:42:34: Du weißt nur, die stehen irgendwie immer ein bisschen anders als du zu verschiedenen

00:42:39: Themen, Fragestellungen etc.

00:42:42: Und oft neigen wir dann dazu bequem zu sein und das auszublenden, weil ja nichts die

00:42:47: Harmonie quasi stören soll.

00:42:48: Ja, ja.

00:42:49: Und die Systematik, das ist dann auch ein bisschen wie ein Kartenhaus.

00:42:53: Das verträgt nicht allzu viele Erschütterungen.

00:42:55: Ja.

00:42:56: Oder vielleicht müsste man auch sagen, eigentlich muss es gar nicht unbedingt ein Kartenhaus

00:43:00: sein, aber wir verpassen vielleicht die Chance, aus einem tollen Grundstück mit einem guten

00:43:07: Fundament ein wirklich tolles Anwesen zu bauen.

00:43:11: Ja, ja.

00:43:12: Weil wir die Erweiterungen verpassen und ich glaube so, wo man sich irgendwo gehalten

00:43:19: spürt, im Glauben entsteht dann auch eine Offenheit auf das zu blicken, was man noch

00:43:23: nicht sieht, was man noch nicht kennt, dann aber auch vielleicht eine Grenze zu akzeptieren,

00:43:29: dass es Dinge gibt, die ich nie wissen werde.

00:43:31: Also, die ich einfach schlicht nicht wissen kann.

00:43:36: Und eine Grenze akzeptieren, das versuche ich dir immer wieder zu sagen, wenn du auf Facebook

00:43:41: unterwegs bist, aber ich meine nicht dieses aktuelle Beispiel, dass es Menschen gibt,

00:43:49: die man nicht überzeugen können wird mit Argumenten, weil ihre Positionen eigentlich

00:43:57: nicht Position sind, sondern Rettungsanker, an denen sie sich mit allem, was sie sind,

00:44:02: festhalten.

00:44:03: Ja, ja, ja.

00:44:04: Den Biblizismus, den du kritisierst, den verstehe ich mittlerweile als einen solchen Anker,

00:44:11: der eigentlich gegen die Bescheidenheit steht.

00:44:13: Der Biblizismus suggeriert auf irgendeine Art und Weise immer, dass es das Wort Gottes

00:44:21: gibt und dass ich vor der Entscheidung stehe, mich entweder an das Wort Gottes zu halten

00:44:27: oder an irgendwelche menschlichen Interpretationen.

00:44:30: Also, ja, ja, ja, genau.

00:44:33: Und der große Heeler darin ist nicht, dass die zu demütig sind, sondern dass es eigentlich

00:44:40: die arroganteste Position ist, die es überhaupt geben kann.

00:44:44: Oder sie nimmt dann durch das Wort Gottes quasi einen absoluten Standpunkt ein, als

00:44:50: ob das nicht ausgelegt, nicht kontextualisiert, nicht verstanden werden müsste, als ob das

00:44:55: einfach alles so klar ist.

00:44:57: Ja, ja.

00:44:58: Das Problem ist die Unmittelbarkeit, die man beansprucht, oder?

00:45:00: Die Unmittelbarkeit, aber auch diese Art ist dann ganz beliebt zu sagen, ja, wir sehen,

00:45:07: es gibt ja so ein paar Dinge, die haben jetzt vielleicht nicht denselben Status wie andere

00:45:11: Dinge in der Bibel.

00:45:12: Aber wenn Jesus das noch mal gesagt hat, dann steht es fix.

00:45:17: Das ist auch eine Art Biblizismus, wo ich sagen würde, ja, aber das löst uns doch nicht

00:45:23: aus der Verantwortung.

00:45:24: Also sogar wenn Jesus jetzt quasi einfach Gott ist und Gott spricht jetzt, dann ist doch

00:45:29: der Kontext immer noch entscheidend.

00:45:31: Also dann kommt es doch immer noch darauf an, in welchem Zusammenhang er etwas aus der

00:45:36: Hebräischen Bibel zitiert.

00:45:38: Ja, und in der Diskussion darüber kommt es dann eben auch darauf an, und das habe ich

00:45:45: ja in dem Facebook-Post auch versucht, deutlich zu machen, dass man, und das hat wieder mit

00:45:49: dieser Bescheidenheit zu tun, dass man sich zugesteht, dass ich beim Lesen der Bibel halt

00:45:54: einfach wirklich auch meine eigenen Voraussetzungen mit einbringe, dass ich die Bibel nicht anders

00:46:00: lesen kann, denn als Schweizer Europäer, weißer Mann, als privilegierter Mensch, als

00:46:08: keine Ahnung, als Kind meiner Eltern, als Teil einer bestimmten Subkultur, und so weiter,

00:46:13: und das fließt ja alles mit ein.

00:46:15: Und das ist auch keine Schande.

00:46:17: Ich glaube auch nicht, ich würde gar nicht sagen wollen, dass unsere Voraussetzungen immer

00:46:22: einfach nur Hindernisse sind, die man eigentlich überwinden müsste, oder das ist eigentlich

00:46:27: ein völlig kulturfreier, losgelöster, klinischer Zugang zur Bibel wäre.

00:46:33: Nein, wir stehen in unserer Zeit, wir lesen die Bibel als Zeitgenossen, müssen uns aber

00:46:38: dessen auch bewusst sein und eben die Bescheidenheit mitbringen zu sagen, ich bin eigentlich angewiesen

00:46:44: darauf, auch mit anderen zusammen diese Bibel zu lesen und zu hören, wie andere das verstehen

00:46:50: und zu merken, ey, shit, ey, ich habe den Text schon hundertmal gelesen, schon 30 Mal

00:46:55: darüber gepredigt.

00:46:56: Und mir ist das noch nie aufgefallen, mir ist das, das ist mir wirklich jetzt, um hier

00:47:01: mal eine Lanze für feministische Theologie zu brechen.

00:47:04: Lustig, gerade das war jetzt auch für mich.

00:47:06: Das ist mir wirklich so gegangen, immer wieder, es gab zum Beispiel ein sensationelles Büchlein

00:47:11: von Lutz, von diesem Berner Neutestamentler, Ulrich Lutz, Sankt Apfelbibel, da ging es

00:47:19: um ganz verschiedene herme Neutische Zugänge zu einem bestimmten Text.

00:47:23: Und die feministische Auseinandersetzung mit diesem Text, es ging glaube ich um die Speisung

00:47:28: der 5000 oder so.

00:47:29: Das war für mich der eye-opener schlechthin, weil die Frau, die das ausgelegt hat, ich

00:47:35: weiß nicht mehr, wer das war, den Blick gelenkt hat auf diejenigen, die da nicht erwähnt werden,

00:47:41: nämlich die Frauen in diesem Text.

00:47:42: Und das hat sie auf eine derart brillante Weise gemacht, dass mir da wirklich, dass

00:47:48: ihnen mehr Grundleuchte aufgegangen.

00:47:49: Und ich habe mit der feministischen Theologie eigentlich wirklich so eine Geschichte, wo

00:47:56: ich sagen würde, da habe ich echt viel kapiert und zwar jetzt gar nicht, was ist das so,

00:48:01: in einer Spezialdisziplin.

00:48:03: Also jetzt nicht, dass ich sagen würde, ja, ich finde das jetzt immer mega entscheidend

00:48:07: und macht das ständig, wenn ich Bibeltexte auslege, dass ich feministische, exegetische

00:48:11: Methoden anwende.

00:48:12: Also das meine ich nicht.

00:48:13: Ja, mach ich auch nicht.

00:48:14: Sondern ich weiß noch, wie ich mich als junger Student wirklich davon bedroht gefühlt habe,

00:48:20: dass die feministische Theologie ständig eingefordert hat, dass man den eigenen Standpunkt mit bedenkt.

00:48:27: Die eigene Situation mit bedenkt.

00:48:29: Ja, ja.

00:48:30: Ich habe immer gedacht, ja, ist doch letztendlich scheißegal, wer ich bin, weil ich muss ja

00:48:34: nur wissen, was da steht.

00:48:36: Ja, ja, ja, ja, ja, genau.

00:48:38: Und wie sich das verhält zu anderen antiken Quellen.

00:48:41: Und alles andere ist hocus-pocus.

00:48:42: Und da habe ich wirklich gemerkt, nein, die wirkliche Freiheit im Umgang mit Texten, die

00:48:49: mir auch eine Brücke ermöglicht, sage ich mal, von einem rein analytischen Zugang zu

00:48:55: Texten zu etwas, was auch mit meinem Leben zu tun hat, ist zunächst mal zu kapieren, dass

00:49:04: ich selbst in einem bestimmten Verhältnis zu diesen Texten stehe.

00:49:07: Ja.

00:49:08: Und ich habe jetzt jetzt zum Beispiel ein feministisch-theologischer Ansatz, eine feministisch-theologische

00:49:12: Position, nicht mein Gegner ist, aber auch nicht etwas da, da rechte ich dann auch so

00:49:18: etwas, was ich auch tun muss oder vereinnahmen muss, sondern dass das eine Ergänzung ist,

00:49:25: die in einem Feld wirkt, wo ich blind bin.

00:49:28: Ja, ja.

00:49:29: Und dann eben nicht hinzugehen und zu sagen, ich bin jetzt der feministische Theologe und

00:49:35: mache feministische Theologie.

00:49:37: Ja.

00:49:38: Ich weiß nicht, was ich jetzt inhaltlich, sondern zu sagen, gut, dass feministische

00:49:42: Theologie uns an den Punkt gebracht hat, dass wir verstehen, dass unsere eigene Perspektive

00:49:50: auf Dinge, die wir haben, ständig mitbedacht werden muss und dann müssen wir diese Perspektive

00:49:56: aber eben auch, nachdem wir sie gekennzeichnet haben, einbringen in das Gespräch.

00:50:02: Also eher so, dass quasi das Bild eines Büffes.

00:50:07: Also nicht die Frage, welches ist der richtige Wein, sondern was können wir alles auf dieses

00:50:13: Büffe stellen, was dann ein gutes Essen ergibt.

00:50:15: Ja.

00:50:16: Und ich glaube, darin liegt eine große Freiheit zu wissen, dass man eigentlich dann auch nur

00:50:22: zum Beispiel für ein Dessert zuständig ist und nicht für den ganzen Hauptgang.

00:50:27: Ja, ja, das wäre eine eigene ...

00:50:31: Damit habe ich jetzt nicht die feministische Theologie geweint, sondern den eigenen weiter.

00:50:35: Ja, ja, aber das wäre sogar mal eine eigene Folge wert, weil das ist eine interessante

00:50:40: Frage inwiefern, wie weit man sich aus seiner persönlichen, subjektiven Perspektive heraus

00:50:50: reflektieren kann und wo man dann auch einfach zugestehen muss.

00:50:54: Ich brauche einfach die Ergänzung von anderen und ich versuche das einzuholen, aber ich

00:50:59: bin mir auch bewusst, ich kann ...

00:51:01: Also ich könnte nie einfach lupenreine feministische Theologie betreiben, weil ich bei aller Empathie

00:51:12: und allen Einführungsversuchen halt einfach wirklich ein weißer Mann bin, der so sozialisiert

00:51:20: und positioniert ist und ein Stück weit auch immer wieder auf diesen Ort zurückfällt.

00:51:26: Ja, irgendwie.

00:51:27: Und da, glaube ich, kommt jetzt für mich so dieses vierte Kriterium rein, was ich ganz,

00:51:32: ganz entscheidend finde, dass die Bindung an die Kirche.

00:51:34: Ja.

00:51:35: Also gute Theologie braucht für mich eine Bindung an die Kirche.

00:51:38: Ja.

00:51:39: Spannend von dir zu hören.

00:51:40: Und zwar aus zwei unterschiedlichen Gründen.

00:51:43: Das eine ist, wir können Meinungen ganz leicht einfach rausposaunen zu irgendwelchen Dingen.

00:51:50: Wir können Dinge gut finden und schlecht finden, schön finden oder hässlich, aber das ist noch

00:51:55: nicht Theologie.

00:51:56: Theologie bedeutet für mich schon, dass ich mich auch auseinandersetze mit Menschen, die

00:52:03: darüber auch schon mal nachgedacht haben.

00:52:05: Ja.

00:52:06: Und zwar auch vor 1000 Jahren.

00:52:08: Ja.

00:52:09: Und das Ganze gehört für mich zu diesem Teil der Kirche, sein Bindung an die Kirche haben.

00:52:15: Also nicht das Gefühl haben, ich stehe jetzt hier vor einem weißen Papier und verkünde

00:52:21: jetzt die nächste große Offenbarung, sondern vielleicht zu merken, hey, die Frage von Macht

00:52:28: und wer darf entscheiden und was ist Wahrheit.

00:52:31: Die wurde schon ein paar Mal verhandelt.

00:52:34: Und im besten Fall kann ich daraus lernen.

00:52:38: Ja.

00:52:39: Und gerade das, was man es gemeinhin Herr Ressin nennt, weil es vielleicht das ist, was ich

00:52:44: nicht bewährt habe, was die Kirche nicht, sag ich mal so, in einen unsichtbaren Kanon

00:52:49: aufgenommen und mit transportiert, kann manchmal besonders lehrreich sein.

00:52:55: Und um zu wissen, wo man nicht abbiegt ist, soll das sein.

00:52:57: Und das andere ist aber auch, ich finde, gute Theologie braucht ein Bewusstsein dafür, dass

00:53:03: ich das nicht alleine tue, was ich da mache.

00:53:06: Ja, genau.

00:53:07: Sondern, dass ich Themen, Fragestellungen bedenke, die ganz viele Menschen betreffen,

00:53:12: die zur Kirche gehören.

00:53:13: Aber dass auch ganz viele Menschen jetzt gleichzeitig mit mir über solche Dinge nachdenken und

00:53:20: ergänzen, was ich nicht sehe und wissen, was ich nicht weiß.

00:53:23: Ja.

00:53:24: Das klingt so ein bisschen habermasmäßig, aber ich meine damit quasi wirklich Kirche

00:53:30: als einen Diskursraum, der jetzt geschieht, der aber eine ganze Geschichte mitnimmt.

00:53:37: Also quasi Diachron und Synchron funktioniert.

00:53:42: Und wir alle stehen eigentlich in einem großen Gespräch.

00:53:45: Ja, das erinnere mich wieder an eine Metapher von Robbell, der der doch Theologie oder sogar

00:53:52: die christliche Existenz als ein Sitzen am Lagerfeuer bezeichnet hat.

00:54:00: So gesagt hat, wir sind eigentlich, sind wir quasi, wir sitzen um ein Lagerfeuer und erzählen

00:54:06: uns die Geschichten der Väter und Mütter des Glaubens.

00:54:10: Also da ist so beides drin, so dieses Traditionsgebundene auch.

00:54:15: Wir erzählen Geschichten weiter, die uns über Generationen hinweg weitergegeben wurden

00:54:20: und im Erzählen werden Geschichten kontextualisiert, werden Geschichten angeeignet und so weiter.

00:54:27: Das ist ein Bild, das hat sich mir enorm eingeprägt.

00:54:31: Das ist mir auch sehr sympathisch geworden.

00:54:33: Ja.

00:54:34: Es ist eben nicht einfach eine Beliebigkeit im Sinne von "joh, jeder erzählt seine Erfindet,

00:54:42: seine eigene Geschichte, jeder hat sein eigenes Narrativ und strikt sich seine Welt zusammen.

00:54:47: Ich mache mir meine Welt, wie sie mir gefällt."

00:54:50: Sondern es ist so, wir sind eingebunden in eine Gemeinschaft, wir sitzen am Lagerfeuer,

00:54:56: wir erzählen uns Geschichten, die uns überliefert wurden, die uns geprägt haben, die uns geformt

00:55:02: haben und so.

00:55:03: Aber es ist auch etwas Dynamisches dabei.

00:55:05: Wir geben die eben weiter, wir geben ihnen eigene Worte und so.

00:55:09: Also das gefällt mir sehr gut, dieses Bild.

00:55:12: Und ich glaube, das hat auch ganz viel damit zu tun, dass gute Theologie, also eine an

00:55:17: die Kirche angebundenen Theologie sehr viele Nachfragen hat.

00:55:22: Mach mal so ein Beispiel, was ich wirklich schlechte Theologie finde, ist sich ans Lagerfeuer

00:55:28: zu setzen und man einfach Augustinus zu unterbrechen, der gerade spricht und ihm zu sagen, dass

00:55:34: er ein alterweiser, dummer Mann ist, der halt noch nicht wusste, wie man Kinder wirklich

00:55:38: erzieht zum Beispiel.

00:55:39: Und ich glaube, eine Theologie, die am Lagerfeuer sein kann, die würde zunächst mal zuhören.

00:55:48: Und dann merken, dass man Dinge anders sieht oder nicht versteht und dann Nachfragen.

00:55:53: Und dann sich vielleicht fragen, ja, sehen wir das so anders, weil wir von einem ganz

00:55:59: anderen Ort her kommen sind, als wir uns an dieses Lagerfeuer gesetzt haben.

00:56:04: Oder gibt es etwas Prinzipielles, das wir ganz anders verstehen?

00:56:08: Gibt es eine Einsicht, die ich noch nicht hatte oder die ich vielleicht dem anderen

00:56:12: mitteilen will?

00:56:13: Aber es ist eine sehr fragende, tastende Theologie und es ist nicht diese reine Meinungsmarkt-Theologie.

00:56:22: Und das ist schon etwas, was mir ein bisschen Sorgen macht, mindestens so weit ich das sehe

00:56:27: im deutschsprachigen Raum, so 19., 20., 21. Jahrhundert, dass ich das Gefühl habe, es

00:56:34: gibt einen bestimmten Gestus in der Theologie, aber auch in der Philosophie, dass man einfach

00:56:40: mal auftritt und sagt, so alle vor mir haben sich leider geirrt.

00:56:45: Also zum Beispiel so Heidecker tritt auf und sagt, ja, da haben schon manche drüber nachgedacht,

00:56:52: was eigentlich sein ist.

00:56:54: Leider haben sie nicht kapiert, dass das an der Existenz hängt.

00:56:58: Jetzt müssen wir noch mal ganz vorne anfangen.

00:57:00: Oder Karl Bart, der auftritt und sagt, ja, ganze Theologie in die Irre geführt, weil

00:57:09: sie nicht vom Wortgob des Herkommt.

00:57:11: Ich meine, Bart hat das in seiner langen Wirkungs- und Lebensgeschichte ja dann alles noch mal

00:57:16: reformulieren können.

00:57:17: Er ist auf ganz, ganz viele Quellen gestoßen, wo er gemerkt hat, nein, die hatten das schon

00:57:22: auch auf die Kirm.

00:57:23: Also daneben war das gar nicht.

00:57:24: Die hatten einfach ein anderes Wort dafür gebraucht.

00:57:26: Ja, ja.

00:57:27: Und das ist ja das Rührende, wenn man dann seine Einführungen, die evangelische Theologie

00:57:30: liefst, dass man eigentlich denkt, ja, Schleiermacher hätte ganz vieles davon auch unterschrieben.

00:57:34: Aber zunächst mal gibt es einen bestimmten Habitus, der so ist, ja, alle vor mir waren

00:57:43: leider zu doof.

00:57:44: Ich habe hier etwas gefunden, den heiligen Graal und den bringe ich euch jetzt.

00:57:49: Ja, stimmt.

00:57:50: Aber ich finde das jetzt ein interessanter Punkt, weil wenn wir über gute gesunde Theologie

00:57:55: sprechen, dann geht es ja doch auch darum, immer wieder neue Worte zu finden, Dinge

00:58:03: neu zu kontextualisieren und schon auch irgendwo gewisse revolutionäre Bewegungen irgendwie

00:58:09: mitzumachen.

00:58:14: Und die zeichnen sich doch auch aus dadurch, dass man eben zuerst mal irgendwie halt so

00:58:16: in diesem jugendlichen Leicht sind, mal aufräumen.

00:58:18: Und ich glaube, wenn es gut läuft, dann passiert genau das, was du jetzt erzählt hast.

00:58:24: Dann merkt man dann ins zweite Instanz, okay, ja, so daneben war das gar nicht.

00:58:30: Oh, da kann ich ja viel mehr lernen von, dass diese Motive, die mich da antreiben, die finden

00:58:35: sich ja schon in der Geschichte und so.

00:58:38: Und also zumindest, wenn es auf einem guten Niveau passiert, es gibt auch so dieses, wie heißt

00:58:43: der Markus Gabriel, der da als junger Philosophie-Shootingstar auftritt und sagt ja, so in die Kamera

00:58:49: grinst, die 2500 Jahre Philosophie Geschichte, die lagen alle falsch.

00:58:54: Die haben sich alle geirrt und da denke ich, ja, du bist einfach ein kleiner verwöhnter

00:58:58: Schnösel, der sich da irgendwie einen Namen macht.

00:59:02: Aber es ist natürlich so, du musst viel weniger rezipieren und lesen, wenn sich alle geirrt

00:59:06: haben.

00:59:07: Und das würde ich sagen, deswegen ein Kriterium, guter Theologie ist halt, dass man irgendwie

00:59:14: diese Neugierde mit der du angefangen hast bewahrt und sagt, es könnte aber irgendwo,

00:59:19: schon mal was gedacht worden sein, was mich weiterbringt.

00:59:23: Das ist toll, das finde ich toll.

00:59:26: Und nicht einfach alles in Bauchumbogen zu verwerfen.

00:59:29: Und zum Beispiel so Fragen wie "Personale Gottesvorstellung".

00:59:33: Das ist doch keine Frage, die man mit ja oder nein beantworten kann.

00:59:38: Sondern das muss man doch auf einer Ebene diskutieren, was nützt die, was bringt die.

00:59:44: Und da spielt dann Bescheidenheit eine Rolle.

00:59:47: Und die zu wissen, dass ich das jetzt nicht klären werde, wie es ist.

00:59:51: Also wer der liebe Gott ist oder wer diese liebende Kraft ist, die uns zusammenhält

00:59:55: oder dieses Pneuma, das uns verbindet.

00:59:58: Sondern dass ich selbst einen Ausschnitt sehen kann in meiner Lebensgeschichte und dazu

01:00:05: etwas so einer riesigen Patchworkdecke beitrage.

01:00:08: Aber halt auch nur ein Schnipsel.

01:00:10: Ja.

01:00:11: Und das kann einem aber dann auch diese Freiheit und Gelassenheit geben.

01:00:15: Also in meinem Bild ist Theologie eine Patchworkdecke, wo irgendwo eine Mutter Teresa ist, mit ihrer

01:00:25: Praxis, die sie gelegt hat.

01:00:26: Und sie hat ihrem Nachdenken darüber, was sie gemacht hat.

01:00:29: Aber auch ein David Friedrich Strauss und auch die Leute aus dem Bengelhaus und auch

01:00:34: ein Karl Barth und ein Pannenberg und eine Dorothe Sölle.

01:00:38: Und ganz, ganz viele andere Menschen, die darüber gedacht haben und die vielleicht nicht mal

01:00:44: was aufgeschrieben haben, aber die ihren Ausschnitt dazu beigetragen haben.

01:00:48: Und das Ding am Schluss ist eine Bundheit und eine Vielfalt, von der wir wirklich nur

01:00:56: ein kleines Stück kleines dazu beigetragen werden.

01:00:58: Und das ist ja dann auch wieder eben diese Bescheidenheit.

01:01:02: Das merke ich jetzt auch gerade, wenn du erzählst.

01:01:04: Das geht mir natürlich irgendwie ans Ego, weil man sich doch irgendwie doch wünscht,

01:01:08: so ein bisschen den großen Wurf landen zu können, so ein bisschen zu erklären.

01:01:12: Ja, jetzt ziehen wir mal eine große Schneise und so.

01:01:15: Und man muss da einfach auch rauszuhmen und die Ehrlichkeit haben zu sagen, ja, das wird

01:01:21: schlussendlich, wenn es irgendwie ein kleiner Faden ist in diesem Teppich, der das Christentum

01:01:26: trägt, dann ist schon viel gewonnen.

01:01:29: Also, genau.

01:01:30: Warte, und vielleicht um nochmal auf unseren Ausgangspunkt zurückzukommen.

01:01:34: Du hast diesen sehr differenzierten Facebook-Post gemacht zu dieser Predigt, Leopika.

01:01:40: Ich glaube, die Frage, in der sich Leopika in dieser Predigt auseinandersetzt, ist halt

01:01:47: eine sehr, sehr gefährliche Frage.

01:01:49: Wenn ich wissen will, wie Gott zu einem Thema steht, dann bin ich vielleicht nicht mehr

01:01:57: dran, die Decke zu weben, sondern dann baue ich eigentlich ein Fundament.

01:02:02: Da muss ich ein Fundament gießen.

01:02:05: Da muss ich wissen, so ist es und so steht es fest.

01:02:07: Jetzt, und es war schon immer so, und es wird so sein, für alle Zeiten, das Gefährliche

01:02:14: ist, dass man dann über ein Thema in einer Absolutheit sprechen muss, die nicht mehr

01:02:21: zulässt, dass ich die davon betroffenen Menschen und ihre Lebenswirklichkeiten und ihre Lebenswelt

01:02:27: überhaupt einholen kann.

01:02:29: Ja, wenn etwas einen unbedingten Anspruch hat, dann kann ich die einzelne Biografie des einzelne

01:02:36: Leben darin eigentlich nicht mehr würdigen.

01:02:40: Und ich glaube, das ist dann vielleicht auch eine Spitze, die die Evangelien immer wieder

01:02:47: gegen die Theologie setzen.

01:02:48: Also vielleicht auch ein Stück weit gegen Paulus.

01:02:51: Weil diese Jesus-Stories schon immer wieder so aufgebaut sind, dass es überraschend ist,

01:02:58: wie viel persönliche Zuwendung und wie wenig Verkündigung, Dogmatik und Wahrheit in diesen

01:03:04: Begegnungen passiert.

01:03:05: Ja.

01:03:06: Ja.

01:03:07: Also nur um kurz einzuhaken, ich glaube, es passiert Wahrheit, aber in einem ganz existenziellen

01:03:16: relationalen Siem, die Geschichten transportieren Wahrheit.

01:03:20: Aber du meinst jetzt quasi, es werden nicht propositionale Wahrheiten verkündigt, es

01:03:27: wird quasi nicht eben gerade nicht einfach richtig und falsch eingeteilt für alle Zeiten.

01:03:32: Ich mache ein ganz konkretes Beispiel.

01:03:35: Jesus wird gefragt, ist dieser Mann blind, weil seine Eltern gesündigt haben oder weil

01:03:40: er gesündigt hat?

01:03:41: Ja.

01:03:42: Bei einem großer Streit damals innerhalb der gängigen Theologie quasi gibt es sowas wie

01:03:48: eine Erbschuld, die bis ins achte Glied gerecht wird oder ist das vorbei?

01:03:53: Ja.

01:03:54: Wie das sprechen sich ja auch das Gesetz und die Propheten einstimmend weiter.

01:03:58: Und das hat die Theologen umgetrieben.

01:04:00: Und das, was jetzt Jesus tut und das finde ich eben so geil.

01:04:03: Er liefert nicht eine Antwort an.

01:04:06: Er sagt nicht, ja, also manchmal ist es so, manchmal ist es anders.

01:04:11: Oder der hat das gesagt und der hat das gesagt, wir wissen es nicht.

01:04:15: Sondern Jesus wendet sich diesem einzelnen Menschen zu und sagt, der ist blind, damit

01:04:20: Gott seine Größe jetzt an ihm zeigen kann.

01:04:23: Und er ist danach eben nicht mehr blind.

01:04:25: Und das ist vielleicht etwas, womit Theologie immer rechnen muss, dass sie selbst durch

01:04:34: das, was Gott tut, noch einmal überboten wird.

01:04:38: Ja, ja, sehr schön.

01:04:40: Das muss uns vielleicht immer wahnsinnig skeptisch machen, wenn uns jemand sagen will,

01:04:46: was Gott über eine Sache denkt.

01:04:48: Weil ich glaube, Gott denkt, mindestens wenn ich ihm von den Evangelien her versuche zu

01:04:53: verstehen.

01:04:54: Ganz, ganz wenig über Dinge.

01:04:55: Und hat ganz, ganz viel mit Menschen vor.

01:05:00: Und das gehört dann vielleicht auch so ein bisschen zu dieser Bescheidenheit, die Theologie

01:05:05: auch muss.

01:05:06: Ja, absolut.

01:05:07: Und ich finde das auch ein großartiger Ziel gerade jetzt, unseres Gespräch zu sagen, eine

01:05:11: gesunde Theologie rechnet damit, dass sie von der Wirklichkeit Gottes radikal überboten

01:05:18: wird.

01:05:19: Und dass man sich dann auch immer in Schatten gestellt wird.

01:05:21: Oder wie auch immer, dass man einfach irgendwann froh ist, dass Gott noch mehr ist und etwas

01:05:27: anderes, als man sich selber ausgedacht und zusammengeschrieben hat.

01:05:31: Das finde ich eine sehr schöne und ich glaube auch eine heissame Perspektive.

01:05:36: Wunderbar.

01:05:37: Hey, dann danke allen, die bis jetzt dran geblieben sind.

01:05:42: Und aus den Emails und Nachrichten, die uns schickt, wissen wir natürlich, dass ihr

01:05:47: zu ganz großen Teilen sehr Theologie interessiert seid, euch viele Gedanken dazu macht.

01:05:52: Und falls ihr Ergänzungen und Ideen habt oder auch etwas, was wir mal lesen sollten

01:05:58: dazu, was gute Theologie ist, dann schickt uns das doch gerne.

01:06:02: Ich habe einen kleinen Buchtipp von einem mittlerweile leider fast im Vergessenheit

01:06:06: geratenen Büchlein.

01:06:08: Das ist von Uwe Justus Wenzel herausgegeben worden.

01:06:11: Er fragt nicht, was ist gute Theologie?

01:06:13: Er fragt, was ist eine gute Religion?

01:06:15: Und viele unterschiedliche Stimmen aus ganz unterschiedlichen Hintergründen haben

01:06:20: darauf geantwortet.

01:06:22: Herzlicher Lesetipp, Uwe Justus Wenzel, was ist eine gute Religion?

01:06:25: Und dann wirklich etwas habe ich ein bisschen daraus vorgelesen.

01:06:30: Karl Barth Einführung in die evangelische Theologie aus zwei Gründen ganz interessant.

01:06:37: Erstens, er liefert ein Panoptikum, er schafft total witzige Verbindungen, bringt Worte

01:06:44: anstellen, wo man dacht, was?

01:06:45: Was hat das jetzt damit zu tun?

01:06:47: Verrückt irgendwie unser Denken nochmal, das soll das sein.

01:06:50: Und das andere ist dann auch zu merken, dass auch eines, wo großes Panoptikum wie Barth

01:06:56: es entwirft, halt dann schon auch ein Kind seiner Zeit ist und wir gewisses heute lesen und

01:07:03: auch ein bisschen den Kopf schütteln.

01:07:05: Wir lieben, wir hören uns nächste Woche wieder.

01:07:11: Tragt Sorge zu euch und wir freuen uns euch dann wieder mit dabei zu haben.

01:07:16: Tschüsses Jahrne.

01:07:18: Reflepp.

01:07:20: Tschüss.

01:07:22: [Musik]

01:07:23: [Musik]

01:07:25: Copyright WDR 2020

Über diesen Podcast

Was heisst das eigentlich, Christ zu sein? Woran glauben Christen und was können sie getrost aufgeben? Logisch, dass sich Manuel Schmid & Stephan Jütte dabei nicht immer einig sind. Aber sie versuchen in diesem Podcast zusammen herauszufinden, was für sie wirklich zählt und was ihnen eher im Weg steht. Und klar: Beide wissen es auch nicht wirklich. Aber vielleicht regt es dich an zum Mitdenken. Oder es regt dich auf und du magst mit ihnen streiten. Oder du schreibst ihnen einfach mal, was du nicht mehr glauben kannst oder musst oder willst.

von und mit Manuel Schmid & Stephan Jütte

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