00:00:00: Ausgeglaubt.
00:00:05: Der Podcast über das, was wir nicht mehr glauben und das, was uns wichtig bleibt.
00:00:11: RefLab.
00:00:14: Wir sind wieder da, Stefan.
00:00:20: Ja, aus den Ferien zurück.
00:00:23: Endlich wieder zusammen im gleichen Podcaststudio von Angesicht zu Angesicht.
00:00:29: Ja, ja. Wie habe ich mich auf den Moment gefreut, auch wenn die Sommerpause zugegebenermaßen
00:00:36: gut getan hat und wir haben euch ja nicht ohne Content gelassen.
00:00:40: Ja, genau.
00:00:41: Wir haben zehn Folgen eingespielt, unsere zehn Favorites aus den letzten Jahren.
00:00:48: Und da ist auch noch mal richtig viel Rückmeldung und Diskussion entstanden.
00:00:53: Das hat noch mal ganz viele Leute auch angesprochen und ich glaube, es haben auch einige noch mal
00:00:58: Folgen gehört, die sie bis jetzt verpasst haben.
00:01:01: Ich habe wirklich auch Nachrichten gekriegt und verantwortet über die Sommerferien und
00:01:05: habe mich sehr gefreut, dass diese alten Folgen, die ich zum Teil selbst nochmal reinhören musste,
00:01:10: um dann antworten zu können, noch mal gehört werden.
00:01:14: Aber Manu, wir haben gesagt, wir starten mit einem kleinen Sonderprojekt, einem Intermezzo.
00:01:20: Kollegen von uns, von Glaube und Gesellschaft aus Fribourg, haben uns ja vor den Sommerferien
00:01:26: noch eingeladen und haben erzählt, dass sie zum Begriff Freiheit jetzt was machen wollen.
00:01:33: Ja, das Freiheitsprojekt.
00:01:34: Das Freiheitsprojekt.
00:01:35: Genau.
00:01:36: Es gibt da jetzt schon einige Podcastfolgen von Glaube und Gesellschaft, zum Teil Gespräche,
00:01:41: die sie zu dreht führen, zum Teil Gespräche mit Gästen, die sie eingeladen haben.
00:01:45: Und die widmen sich da dem Thema Freiheit.
00:01:50: Und das Ganze lebt sehr stark von einer Unterscheidung von positiver und negativer Freiheit.
00:01:59: Und wir haben gesagt, ja cool, da machen wir mit.
00:02:01: Wir wollen auch ein, zwei, drei Folgen dazu machen, zu Freiheit.
00:02:06: Und erstens ein bisschen Bezug nehmen auf das, was Sie in Ihrem Projekt machen, aber auch mal versuchen,
00:02:12: darzustellen, wie wir eigentlich mit diesem Begriff jetzt aus einer theologischen, aus einer
00:02:17: religionsphilosophischen Perspektive umgehen.
00:02:20: Ja.
00:02:21: Jetzt diese Unterscheidung von positiver und negativer Freiheit ist in dem Podcast von
00:02:26: Glaube und Gesellschaft sehr dominant.
00:02:28: Und wenn ich diese Grundthese etwas samfassen soll, dann unterscheiden Sie und sagen, es
00:02:34: gibt eine negative Freiheit, eine negative Freiheit ist dadurch charakterisiert, dass
00:02:38: ich nicht unter dem Zwang stehe, etwas zu tun, also keine Vorschriftunterliege, keinem
00:02:43: Gesetzunterliege etwas zu tun.
00:02:45: Also frei bin, zu wählen ob ich A oder B will jetzt quasi oder ob ich gar nichts davon
00:02:50: will.
00:02:51: Und einer positiven Freiheit, das wäre die Freiheit, etwas zu realisieren, dass ich mir
00:02:56: wünsche.
00:02:57: Und diese Unterscheidung, die ist ja ziemlich alt und schon oft durchdacht worden.
00:03:04: Ja genau, also die geht zurück, ich glaube, wörtlich, die beiden Konzepte, positiver
00:03:10: und negativer Freiheit, wörtlich gehen sie zurück auf einen Aufsatz von Isaya Berlin,
00:03:15: "Two Concepts of Liberty", den hat er 1958 verfasst.
00:03:20: Die Idee dahinter ist natürlich viel älter, also die trifft man schon bei Kant und bei
00:03:25: den vielen Liberalismus-Theoretikern.
00:03:28: Die Idee, dass es quasi wie zwei Seiten der Medaille gibt oder zwei Aspekte von Freiheit,
00:03:35: dass es einerseits eben diese negative Freiheit gibt, dass man zuerst einmal den Menschen
00:03:41: diese negative Freiheit erringen muss.
00:03:44: Die Freiheit von Repressalien, die Freiheit von Unterdrückung, die Freiheit von äußeren
00:03:50: Einschränkungen.
00:03:51: Klassischerweise gehört da zum Beispiel natürlich die Meinungsfreiheit dazu, dass man sagen kann,
00:03:58: was man denkt, seine Überzeugungen äußern kann, ohne zu fürchten vom Staat ins Gefängnis
00:04:04: geworfen zu werden oder so, dafür die Religionsfreiheit, dass man frei ist, eine Religion zu wählen
00:04:10: oder keine und sich und die Religion auszuüben, ohne Eingriffe und Verfolgung, Versammlungsfreiheit
00:04:18: und so weiter.
00:04:20: Freie Marktwirtschaft gehört dann auch dazu.
00:04:23: Pressefreiheit genau, dass Journalisten nicht im Gefängnis landen, wenn sie den Staat
00:04:28: kritisch beurteilen und so weiter.
00:04:31: Also das sind negative Freiheiten, die überhaupt erst mal das Spiel fällt, quasi abstecken,
00:04:37: in denen der Mensch sich bewegen kann.
00:04:40: Und die positive Freiheit nach Isaya Berlin, das sind dann eben, das ist dann, da geht es
00:04:45: um die positive Gestaltung, die freie Gestaltung des eigenen Lebens in Einklang.
00:04:51: Das Leben nach Glück.
00:04:52: Ja, das ist genau.
00:04:53: Und zwar wirklich so dieses authentische Gestalten des eigenen Lebens nach den persönlichen
00:05:00: Werten und Zielen.
00:05:02: Da kann quasi der Staat einfach notwendig oder wichtige Voraussetzungen schaffen.
00:05:09: Letztlich ist das etwas, was das Individuum ja dann im Einklang eben mit sich selbst verwirklichen
00:05:16: muss, aber man zählt dann politisch und gesellschaftlich, zählt man zum Beispiel die Berufsfreiheit,
00:05:22: Bildung zählt man dazu, dass Menschen einen Beruf wählen können, wo sie denken, das
00:05:27: entspricht mir, das ist meine Berufung.
00:05:29: Vielleicht sogar.
00:05:30: Und frei sind das auszuüben und nicht irgendwie zum Beispiel durch unendlich hohe Studienkosten
00:05:36: eigentlich ein großer Teil der beruflichen Empfaltungsmöglichkeiten wegfällt.
00:05:41: Oder soziale Sicherheit, dass man leben kann, ohne von existenziellen Nöten bedrängt zu
00:05:50: werden und gar nicht mehr sein Leben verwirklichen kann und so weiter.
00:05:54: Der Sozialstaat schafft auch wichtige Voraussetzungen, um diese positive Freiheit zu leben.
00:06:00: Wir können das jetzt oder müssen das nicht im Detail nachverfolgen.
00:06:05: Charles Taylor ist sicher eine wichtige Figur im Blick auf diese Unterscheidung, weil er
00:06:11: diese Differenz zwischen positiver und negativer Freiheit von Isaya Burling dann wirklich weiter
00:06:17: entwickelt und vertieft hat und ganz stark betont, dass es eben mehr braucht als nur
00:06:24: die Freiheit von Zwängen und Repressionen, dass es eben wirklich eine Stärkung der positiven
00:06:31: Freiheit braucht, dass Menschen befähigt und ermutigt werden müssen, sich selbst ihr
00:06:38: wahres selbst zu entwickeln und zu verwirklichen.
00:06:43: Vielleicht kann man noch sagen, die These, die bei Glaube und Gesellschaft in allen Podcasts
00:06:49: irgendwie unterschwellig mitschwingt oder auch explizit angesprochen wird und vielleicht
00:06:53: können wir darauf irgendwann noch zurückkommen, weil ich da nicht unbedingt mitgehen würde.
00:06:59: Ihre These ist ja, wir leben in einer spätmodernen Zeit, in der man auf den negativen Freiheiten
00:07:04: pocht, also alles, was uns einschränkt, muss weg, aber eigentlich positive Freiheiten nicht
00:07:11: wirklich, nicht wirklich awok sind oder nicht wirklich im Blickfeld sind, dass quasi so
00:07:18: diese auch ein bisschen kulturkritische, kulturpessimistische Analyse vielleicht ja Menschen
00:07:24: können heute tun und lassen, was sie wollen, anything goes, aber sie wissen gar nicht mehr,
00:07:28: was sie eigentlich tun sollen mit ihrer Freiheit und dann kommt in aller möglichen, mögliche
00:07:34: Blödsinn in den Sinn oder so.
00:07:36: Man kann so deuten, man könnte auch sagen, es ist der Versuch neben der Stärkung der
00:07:42: negativen Freiheiten, die wir in den letzten 100 Jahren erlebt haben in westlichen Kulturen,
00:07:48: vor allem jetzt auch mal zu zeigen, welche potenziale positive Freiheiten denn beinhalten
00:07:55: würden und ich finde immer, um diese beiden Freiheitskonzepte zu verstehen, ist eigentlich
00:07:59: der Religionsbegriff total sinnvoll.
00:08:01: Also die positive und die negative Religionsfreiheit, es ist ein sehr gutes Beispiel, um das zu
00:08:08: sehen, also eine negative Religionsfreiheit wäre, dass ich das Recht habe, nicht durch
00:08:14: religiöse Ansprüche belästigt zu werden und die positive Freiheit wäre, dass ich
00:08:19: selbst meine Religion wählen, praktizieren und ausüben kann.
00:08:23: Und da merkt man schon, dass es sich im selben Thema auch wechselseitig begrenzen kann.
00:08:29: Also die Freiheit nicht belästigt zu werden, kann genau durch die Freiheit eine Praxis
00:08:37: auszuüben, die anderen gewährt wird, dann tangiert werden und umgekehrt.
00:08:43: Also Glocken geläut, zum Beispiel ist sowas oder das Recht seine Kinder, seine Jungen
00:08:50: beschneiden zu lassen oder solche Dinge.
00:08:51: Das sind alles Freiheiten, wo wir merken, oh, da kommt das positive und das negative
00:08:57: in eine sich wechselseitig begrenzende Spannung.
00:09:00: Ja, das ist sehr gut, dass du das einspielst.
00:09:03: Wir werden wahrscheinlich hoffentlich auch noch darauf zurückkommen.
00:09:07: Wir wissen ja noch nicht genau, wie weit uns das jetzt trägt, aber wir haben schon
00:09:11: mal gedacht, es könnten auch wirklich zwei Folgen werden, indem wir vielleicht auch
00:09:16: konkrete Beispiele oder Konflikte aus unserer Zeit diskutieren, weil das ist jetzt auch
00:09:22: in den Podcasts von Glauben und Gesellschaft immer mal wieder so ein bisschen lapidar
00:09:25: dahergekommen.
00:09:26: So, meine Freiheit findet ihre Grenzen dort, wo sie die Freiheit des anderen tangiert oder
00:09:31: einschränkt.
00:09:32: Ja, ja, theoretisch auf jeden Fall, aber das ist eben dann im Detail, ist das oder in
00:09:37: dem konkreten Anwendungsfall, ist das wahnsinnig kompliziert und auch sehr, sehr strittig.
00:09:43: Also man kann sich dann schon fragen, meine Meinungsfreiheit, die auch jetzt von mir aus
00:09:51: in hochreligiösen Gefielden in Anspruch genommen wird, um zum Beispiel zu missionieren oder
00:09:57: zu evangelisieren und Leute auf der Straße anzusprechen und sie die Fragen nach dem Sinn
00:10:02: des Lebens und nach ihrem Schicksal nach dem Tod zu fragen und so, die kollidiert dann
00:10:07: unter Umständen mit dem Recht und der Freiheit des anderen nicht belästigt zu werden durch
00:10:14: irgendwie religiöse Vereinamungsversuche oder so.
00:10:17: Also das ist dann gar nicht so und wie gewichtet man das jetzt?
00:10:20: Also du einfach ist das nicht.
00:10:22: Und ganz, ganz prekär wird es natürlich immer, wenn es um Kinder geht, die quasi diese
00:10:26: Entscheidungen nicht selbst wählen. Also welche Rechte haben Kinder, welche negativen
00:10:32: Freiheitsrechte haben Kinder im Verhältnis zu Ideologie, zu Religion, innerhalb der ganzen
00:10:38: Pädagogik etc.
00:10:39: Ja, voll, da gibt es ja auch bei Freidenkern, gibt es ernsthafte Vorstöße, Eltern quasi
00:10:45: oder zumindest die Idee Eltern zu verbieten, ihre Kinder auf eine Religion festzulegen oder
00:10:51: sozusagen eigentlich müsste der Staat darauf Wert darauf legen, pädagogisch auch in der
00:10:57: Familie eben die Religionsfreiheit so hoch zu halten, dass Kinder eben nicht in eine
00:11:05: Religion hinein gezwungen werden, sondern quasi offen und frei sich entscheiden können.
00:11:10: Da merkt man natürlich wie, also da gehen natürlich die Emotionen hoch bei diesem
00:11:16: Thema.
00:11:17: Und das ist ein Thema, das uns an ganz verschiedenen Stellen immer wieder begegnet.
00:11:23: Wir haben jetzt noch nicht mal über das Kopftuch etc. gesprochen oder über die Crucifix Affären,
00:11:29: die es gibt.
00:11:30: Aber lasst uns die Olympia-Eröffnung feiern.
00:11:33: Aber lasst uns mal ein bisschen systematisch einsteigen, wie Vorgabe die Glaube und Gesellschaft
00:11:40: in ihrem Podcast gemacht hat, beruht ja eigentlich auf zwei Voraussetzungen überhaupt.
00:11:44: Das eine ist, das was wir jetzt ein bisschen angesprochen haben, ist diese Gegenwartstdiagnose,
00:11:49: dass man sagt, na ja, wir haben einen Mangel an positiven Freiheitskonzepten gegenüber
00:11:57: den starken negativen Freiheitskonzepten, die sich durchgesetzt haben in unserer Gesellschaft.
00:12:02: Das ist ein Ansprüchen, ne?
00:12:03: Das ist so ein erster Teil.
00:12:05: Und zweiter Teil wäre ja die These, dass das Christentum in seiner Geschichte, das bringen
00:12:12: sie auch als These wirklich explizit so vor, dass das Christentum in seiner Geschichte und
00:12:19: Tradition ganz viele Anknüpfungspunkte und sinnvolle Ideen für positive Freiheit mitführt.
00:12:27: Und mein Vorschlag wäre, wir starten jetzt mal mit so einer ersten Sondierung dessen,
00:12:34: was eigentlich Freiheit jetzt in einem christlichen Sinne meinten könnte.
00:12:39: Schauen Sie mal ein paar einschlägige biblische Grundlinien dazu an.
00:12:45: Schauen Sie dann auch mal in die Reformationsgeschichte und versuchen mal so diese Transformation,
00:12:52: die das Ganze dann in der Aufklärungsteologie bis in die Neuzeit erfahren hat, einfach mal
00:12:57: nachzuzeichnen, damit wir wirklich auch beide dann vom selben sprechen, wenn wir uns auf
00:13:03: christliche Freiheitsideen oder Konzepte beziehen.
00:13:07: Ich glaube, das wäre ganz sinnvoll.
00:13:09: Und dann lieber in einer zweiten Folge, mal schauen, ja, teilen wir eigentlich diese Kulturdiagnose.
00:13:15: Und wenn ja oder wo nicht, was wären denn die Potenziale christlicher Kultur und Religion
00:13:22: für diese Freiheit und das Denken dieser Freiheit?
00:13:26: Ja, Mannu, lass uns mal mit der Bibel anfangen.
00:13:30: Sehr gut, das gefällt mir noch irgendwie.
00:13:33: Wir haben natürlich in der Bibel eine ganz, ganz berühmte Freiheitsgeschichte.
00:13:38: Wir haben mehrere ganz, ganz berühmte Freiheitsgeschichten gleich im ersten Testament, im alten Testament.
00:13:46: Die aller berühmteste Freiheitsgeschichte ist ja meistens gar nicht das Freiheitsgeschichte
00:13:51: bekannt, sondern als Sündenfallgeschichte.
00:13:55: Aha, ah ja.
00:13:56: Das Versprechen der Schlange ist ja, wenn du vom Baum der Erkenntnis ist, dann bist
00:14:04: du wie Gott und weißt, was gut und was böse ist.
00:14:07: Das ist eigentlich das Grundmoment, wo so etwas wie Freiheit überhaupt erst realisierbar
00:14:13: wird für Menschen.
00:14:14: Aber die viel berühmte Geschichte an dir, du bestimmt gedacht, das ist die Exodus-Geschichte.
00:14:18: Absolut.
00:14:19: Und das ist natürlich die paradigmatische Geschichte oder das Narrativ, auch in denen,
00:14:26: in das man eigentlich die ganze jüdisch-christliche Glaubensgeschichte auch einpassen kann.
00:14:33: Oder das ist jetzt wirklich die Orientierungsgröße auch für Juden die Befreiung des Volkes
00:14:39: aus der Sklaverei in Ägypten.
00:14:42: Darauf beruhen die zehn Gebote.
00:14:44: Da kommen wir ja auch wahrscheinlich noch drauf zu sprechen.
00:14:46: Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus Ägypten herausgeführt hat.
00:14:51: Das ist die identitätsstiftende Story fürs Judentum.
00:14:57: Aber auch fürs Christentum im neuen Testament wird dieses Motiv unzählige Male variiert
00:15:03: und wird quasi aufgegriffen und auf Christus dann angewendet.
00:15:06: Ja, also genau.
00:15:07: Sobald Jesus dann als Christus gedeutet wird, geht es gar nicht mehr ohne Exodus.
00:15:12: Ja, genau.
00:15:13: Exodus ist quasi die Blaupause für die Christologie, man so will.
00:15:17: Und was ich jetzt da spannend finde, man kann das natürlich jetzt verschieden stricken.
00:15:21: Aber ich finde, man könnte jetzt diese Idee der positiven und negativen Freiheit durchaus
00:15:26: auf diese Exodus-Geschichte auch anwenden, weil dieses Moment der negativen Freiheit
00:15:33: in dieser Befreiung aus der Sklaverei ganz stark zum Ausdruck kommt, das Volk ist geknichtet
00:15:40: in ägyptischer Sklavenarbeit und ruft zum Herrn und der Herr beruft dann Mose, um das Volk
00:15:49: aus der Knechtschaft, aus der Zwangsarbeit, aus der Unterdrückung und Repression herauszuführen,
00:15:55: durch das Meer quasi durch den Geburtskanal in ein neues Land.
00:16:03: Und die drehen dann ja noch ganz viele Runden in der Wüste, das wäre spannend, das 40 Jahre
00:16:07: Wüste.
00:16:08: Genau, es wäre spannend, das Freiheitsteoretisch mal zu deuten, ob nicht der Durchgang von
00:16:13: der negativen zur positiven Freiheit auch ein bisschen durch die Wüste führt.
00:16:19: Manchmal ist auf jeden Fall am Horizont diese Verheißung eines Landes, eines verheißenen
00:16:26: Landes in dem Milch und Honig fließt.
00:16:29: Und ich finde, man kann das relativ zwangfrei dann in Richtung einer positiven Freiheit
00:16:35: deuten, nicht unbedingt individualistisch, aber kollektiv, das Volk wird aus der Sklaverei
00:16:41: und Repression befreit quasi, es wird mit negativen, es wird ihnen eine negative Freiheit
00:16:48: eröffnet, aber dann wird das Volk nicht einfach in der Wüste stehen gelassen, im Sinne
00:16:52: von "und jetzt soll jeder irgendwie nach seiner eigenen Fassung selig werden", sondern
00:16:56: sie werden ins verheißene Land geführt, wo ganz neue Entfaltungsmöglichkeiten auf
00:17:03: sie warten.
00:17:04: Also wo man quasi, wo sie Zivilisation errichten können, wo sie wieder Ackerbau betreiben,
00:17:10: wo sie irgendwo ihren Berufsstand leben können, wo sie ihre Begabungen entfalten können und
00:17:18: so weiter.
00:17:19: Also man könnte das dann auch als Verwirklichung positiver Freiheit deuten.
00:17:24: Das finde ich eigentlich noch eine spannende Hintergrundfolie, auch wenn du in der Vorbereitung
00:17:31: und vielleicht können wir, vielleicht passt das gerade, du in der Vorbereitung dann auch
00:17:35: eingeworfen hast, ja aber Moment, in der Wüste kriegen die ja auch das Gesetz dann.
00:17:41: Also und das Gesetz wird eingeleitet mit "Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus
00:17:47: Ägypten, aus der Sklaverei in Ägypten herausgeführt hat und jetzt werden sie aber unter ein Gesetz
00:17:54: gestellt".
00:17:55: Ja oder ich glaube so eins der ältesten Glaubensbekenntnisse, dass wir in der Bibel
00:18:01: haben, ist ja ein herumirrender Aramea war mein Stammvater, mit einer Mannschaft von
00:18:07: wenigen Leuten zog er nach Ägypten hinab und lebte dort als Fremdling, wuchs dort aber
00:18:12: zu einem großen, starken und zahlreichen Volk heran.
00:18:15: Und das was da sich quasi von Ägypten löst, was da befreit wird in dieser Exodusgeschichte,
00:18:22: wird ja nicht in eine unbestimmte Freiheit entlassen, sondern die Befreiung hat einen
00:18:28: Grund, nämlich dass dieses Volk, das Volk ist, das Gott zu seinem Volk erwählt hat.
00:18:34: Ja.
00:18:35: Und dieses Volk stellt er unter sein Gebot, unter sein Gesetz.
00:18:39: Also in der Wüste passieren immer wieder Momente, in denen diese Freiheit, nicht als
00:18:46: unbestimmte Freiheit, sondern als eine Möglichkeit zum Gehorsam formatiert wird.
00:18:53: Ja.
00:18:54: Also schon das, der ganze Auszug klappt, hängt damit zusammen, dass man gehorsam ist, die
00:18:59: Türbalken mit Blut beschmiert.
00:19:03: Es werden Feste eingeführt im Exodusbuch, es werden die zehn Gebote gegeben, sie fallen
00:19:09: aber davon ab und praktizieren Götzendienst und wieder müssen die Gebote gegeben werden.
00:19:14: Es gibt dazwischen aber ein blutiges Gemetzel.
00:19:16: Dann auch die Reise, dieser Auszug ist ja nicht so, dass Mosel sie dann ins gelobte
00:19:24: Land führen kann, sondern an der Grenze sinkt Mosel und stirbt.
00:19:28: Und was ja dann kommt, ist dieser große Landtag zu sichem im Josuarbuch, wo das ganze Volk
00:19:38: nochmal auf diesen Gott verpflichtet wird.
00:19:40: Ja.
00:19:41: Und es ist dieses Volk und dieses Volk gehört diesem Gott und der hat einen unbedingten
00:19:47: Anspruch auf dieses Volk.
00:19:49: Ja.
00:19:50: Das heißt, es gibt nie diesen Moment einer unbestimmten, rein negativ bestimmten Freiheit,
00:19:57: sondern es geht eigentlich um einen Herrschaftswechsel, der darin ausgedrückt wird.
00:20:01: Ja.
00:20:02: Ja.
00:20:03: Und interessanterweise kommt mir gerade in den Sinn, wenn ich das nicht völlig falsch
00:20:05: mitgeschnitten habe aus meinen biblikundlichen Zeiten, dass Mosel im Gespräch mit Faro sogar
00:20:12: sagt, lass mein Volk ziehen, wir wollen quasi raus, um den Herrn anzubeten.
00:20:18: Also von Anfang an ist der Wunsch nach Befreiung verbunden mit einem Ziel eben quasi in dieser
00:20:26: Gottesbeziehung zu stehen oder eben den Herrn anzubeten.
00:20:30: Also das ist eigenartig verschränkt.
00:20:34: Und man könnte sich jetzt die Frage stellen, in welchem Verhältnis steht denn jetzt diese
00:20:39: neue Gesetzgebung und dieser neue Anspruch Gottes an das Volk eigentlich zum Thema der
00:20:44: Freiheit?
00:20:45: Sind dann jetzt nicht von einer Unfreiheit in die nächste gewechselt?
00:20:49: Ja.
00:20:50: Und da ist jetzt die theologische Idee dahinter, wäre natürlich, dass die Freiheit gerade in
00:20:57: der Erwählung liegt.
00:20:58: Also in dem das Volk erwählt wird, ist es frei.
00:21:02: Und es ist frei insofern, dass er Welt der Volk ist.
00:21:06: Und diese Idee, dass etwas jemandem gehört, also dass auch jemand jemandem gehört und
00:21:17: untersteht, das ist überhaupt kein Sonderfall.
00:21:20: Also es finden wir in der ganzen Umwelt des alten Testaments auch.
00:21:24: Da gibt es Fassallen, es gibt Fassallenverträge, das ist alles geregelt, wer hat, welchen Anspruch
00:21:30: aufwähnen und wie weit reicht der etc.
00:21:34: Also das ist das noch nicht mal das originelle.
00:21:36: Aber das, was für uns jetzt erst mal spannend sein muss, ist jetzt zunächst nicht eine
00:21:44: Befreiung im Sinne von "Ich nehme dich an der Hand und führe dich in einen paradiesischen
00:21:52: Garten, wo du dich austoben und spielen kannst, sondern ich dein Gott nehme jetzt meinen Anspruch
00:22:00: wahr und führe dich aus dieser Knechtschaft heraus, damit du mein Volk senkst."
00:22:06: Ja, ja.
00:22:07: Und das funktioniert, aber ich meine, da kommen wir ja jetzt drauf zu sprechen, aber das funktioniert
00:22:12: ja nur unter der Voraussetzung, dass der Mensch in Verhältnis zu Gott oder unter dem Zugespitzt
00:22:20: gesagt, unter der Abhängigkeit zu Gott und unter dem Gehorsam gegenüber Gott eigentlich
00:22:26: erst zu sich selbst findet.
00:22:28: Weil wenn er sich selbst verlieren würde, wenn das eine völlig heteronome Geschichte
00:22:34: wäre, wo er jetzt einfach aus der Knechtschaft der Ägipter in die Knechtschaft Gottes wechselt
00:22:42: und da in anderer Weise genauso sich abrakot und eigentlich verliert oder gar nie gewinnt,
00:22:50: wer er selber ist und wozu er bestimmt ist, dann wäre das ja keine Befreiungsgeschichte.
00:22:55: Ja, aber ich glaube, diese Befreiungsgeschichte liest du jetzt zu individualistisch, glaube
00:23:00: ich.
00:23:01: Also ich glaube wirklich, dass bei der Exodusgeschichte nicht darum geht, dass jemand befreit wird,
00:23:07: sondern das Volk.
00:23:08: Ja.
00:23:09: Also da geht es nicht um Individuen, weil zahlreiche dieser Individuen werden dahingerafft durch
00:23:17: ein blutiges Gemetzel, weil die Gesetze nicht erhalten werden.
00:23:21: Es gibt dann nicht die Perspektive, dass dieses einzelne Schicksal, das jetzt seine Freiheit
00:23:27: realisieren muss, irgendeine Bedeutung hat.
00:23:30: Also da geht es wirklich um das Volk, um die Sippe, um den größeren Zusammenhang.
00:23:36: Aber was ich spannend finde, wir haben das ja schon angedeutet, genau diese Idee wird
00:23:43: dann zur Folie, um die individuelle Freiheit zu denken im Zusammenhang mit der Jesusfigur,
00:23:51: mit der Christologie.
00:23:52: Wenn es in Galata 5.1 heißt, so Freiheit hat uns Christus befreit, so steht nun fest
00:23:59: und lasst euch nicht wieder in ein Joch der Knechtschaft einspannen, dann ist es eine
00:24:05: ganz ähnliche Idee wie die, die wir bei Exodus haben, die sich jetzt aber auf einzelne Personen
00:24:12: bezieht.
00:24:13: Also das einzelne Menschen jetzt im Blick hat und nicht nur ein ganzes Volk.
00:24:18: Ja.
00:24:19: Und das ist aber etwas, was, was, ja, das klingt so vertraut für die, die Bibelkunde hatten
00:24:25: und so kryptisch für die, die es nie hatten.
00:24:27: Aber vielleicht muss man sich mal wirklich klarmachen, wie voraussetzungsreich dieser
00:24:32: Satz ist.
00:24:33: Wenn es heißt, so Freiheit hat uns Christus befreit, dann muss das ja bedeuten, es gibt
00:24:38: aber eigentlich einen Zustand, der dieser Freiheit voraus liegt, der aber ohne Freiheit
00:24:43: ist.
00:24:44: Also es ist nicht so, quasi wie Gott hat uns frei und gleich geschaffen, oder?
00:24:48: Also diese Idee der Menschenrechte, wir sind alle frei und gleich geschaffen, das ist hier
00:24:53: gerade nicht die Idee bei Galata, sondern die Idee ist, dass wir aus der Unfreiheit befreit
00:24:58: worden sind.
00:24:59: Ja.
00:25:00: Also das heißt, es ist nicht etwas, was jetzt quasi ein Naturzustand ist, dass wir frei sind,
00:25:07: sondern der ursprüngliche Zustand ist, dass wir verknächtet und unfrei sind und das,
00:25:13: was Christus getan hat, was Gott in Christus getan hat, ist, uns zu befreien.
00:25:19: Das ist die Grundidee.
00:25:21: Ja, das ist quasi eben dann die Wiederholung dieses Schemas, das im Exodus gezeichnet wird.
00:25:29: Genau.
00:25:30: Also das Volk in Knechtschaft wird durch eine Heilstat Gottes eigentlich erst in die Freiheit
00:25:35: geführt und genau das wird übertragen auf Christus dann.
00:25:39: Christus ist derjenige, der die Menschen durch seine Heilstat aus einer jetzt nicht mehr
00:25:47: politisch gedachten, sondern geistlich bestimmten Gefangenschaft oder Knechtschaft herausführt
00:25:55: in die Freiheit.
00:25:56: Also ein Knechtschaft, neu testen wir eigentlich unter der Sünde-Knechtschaft, unter dem Tod
00:26:02: oder der Todesangst wird überwunden zugunsten einer Freiheit in Christus heil.
00:26:09: Es wird dann auch zu einer gewissen Aufspaltung des Menschen.
00:26:13: Also es ist ja schon angelegt, als Jesus davon den Pharisären auf die Probe gestellt wird
00:26:18: und sagen muss, wem diese Münze gehört.
00:26:20: Der ja wessen Kopf ist drauf und der des Kaisers, also gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist
00:26:28: und Gott was Gott ist.
00:26:30: Und genau diese Aufspaltung, diese Aufteilung wird dann eigentlich in die Person selbst hineingelegt,
00:26:37: und demso, dass sich als Mensch der in einer Gesellschaft lebt, untertan sein kann von
00:26:44: einem Regenten letztendlich vom Kaiser, im Kaiser des Römischen Reichs auch, aber
00:26:52: in der anderen Wirklichkeit und Wahrheit bin ich Gottes Kind.
00:26:56: Ja.
00:26:57: Und das ist ja eine Spannung, die das Christentum wirklich durchgezogen hat, immer wieder.
00:27:05: Ja.
00:27:06: Und das ist ja auch die Frage, wie es sich um das Christentum zu esklaverei, oder, wie
00:27:13: engagiert sich das Christentum gegen soziale Missstände jetzt in der Antike und so.
00:27:18: Ist ja nicht so, dass da nichts passiert ist.
00:27:20: Nur das Hauptaugenmerk lag jetzt nicht darauf, dass man gesagt hat, okay, wir richten jetzt
00:27:25: die Erde nach Gottes Prinzipien ein und übernehmen da quasi die Herrschaft und setzen eine gute
00:27:31: Regierung ein.
00:27:32: Sondern die Idee war, ja, so wichtig ist das gar nicht unbedingt, weil zunächst mal ist
00:27:38: wichtig, dass wir Gottes Kinder sind und in der Gemeinde begegnen wir uns wie Gottes Kinder,
00:27:45: aber kann gut sein, dass wir außerhalb dieser Gemeinde halt unter die Logik und Gesetzmäßigkeit
00:27:51: dieser Welt fahren.
00:27:52: Ja, also was du jetzt gesagt hast, wird ich im neuen Testament auch in den Pastoralbriefen
00:27:58: und so wieder entdecken, wo man schon den Eindruck auch gewinnen kann, dass in einer Art und Weise
00:28:03: die geistliche innere Freiheit des Menschen betont wird, dass, ich sage jetzt mal, die
00:28:09: System stürzende Kraft des Evangeliums teilweise unter den Tisch zu fallen droht, oder man
00:28:16: das wirklich nur in Ansätzen sieht, auch wenn Paulus einem Philemon in einem Philemon-Brief
00:28:21: eigentlich nicht so sehr die Überwindung der Sklaverei im Sinn hat, sondern eher dieses
00:28:27: Moment stark macht, ja, in Christus, in der Gemeinde, in Gottesdienst, in diesem geistlichen
00:28:33: Verständnis sind wir auf Augenhöhe, auch wenn es sich um den Herrn und den Sklaven handelt.
00:28:39: Und ich finde, man hat dann doch einigermaßen stimmig versucht zu zeigen, dass Paulus vielleicht
00:28:46: einen Prozess im Blick hat oder anzustoßen versucht, der zu einer Überwindung der Sklaverei
00:28:54: führen könnte.
00:28:55: Aber ganz sicher nicht, progressiv jetzt fordert, lass uns diese menschenverachtende Einrichtung
00:29:03: überwinden und politisch Einfluss nehmen.
00:29:06: Das war nicht im, das war nicht auf der Agenda.
00:29:08: Vielleicht können wir so sagen, die christliche Freiheit besteht nicht darin, dass sie realisieren
00:29:14: muss, wie im Himmel so aufwerten.
00:29:16: Also, sie muss es nicht kämpferisch durchsetzen, sondern sie besteht darin, dass sie in einer
00:29:22: Gewissheit lebt, dass der Himmel die Erde überwinden wird.
00:29:27: Ja.
00:29:28: Und das war's, ja?
00:29:30: Also, ich hab einfach...
00:29:31: Du bist nicht hier verstanden, gell?
00:29:32: Doch, doch, aber ich hab ein gewisses Unbehagen empfunden, also das vorhin beschrieben hast,
00:29:37: weil ich dann gedacht hab, ja, spätestens seit der sogenannten konstantinischen Wende
00:29:41: oder seit der Installation des Christentums als Staatsreligion und dem unglaublichen Machtanspruch,
00:29:51: den es dann auch errungen hat, sind die Dinge natürlich nochmal anders.
00:29:55: Da ist das Christentum dann eminent politisch geworden, aber nicht unbedingt im Namen persönlicher
00:30:03: individueller Freiheiten so.
00:30:05: Das ist dann vielleicht eher in den Hintergrund geraten, aber das war ja dann sehr politisch.
00:30:10: Aber lass uns das doch jetzt nochmal genau anschauen mit der Freiheit und wie sich das
00:30:14: verhält mit positiver und negativer Freiheit jetzt mit dem, was wir hier biblisch ein bisschen
00:30:19: hier versucht haben, aufzurollen oder anzudeuten.
00:30:22: Ja, vielleicht kannst du reformatorisch einsetzen, oder?
00:30:25: Hast du das noch nicht...
00:30:26: Ja, dazu würde ich dann gerne noch kommen, aber ich glaube, die Ausgangslage ist jetzt
00:30:30: zunächst mal so, dass anders als in dieser Versuchsanlage das negative Freiheiten dazu
00:30:39: da sind, positive Freiheiten einzusetzen, wir eigentlich biblisch das gerade umgekehrt
00:30:46: haben.
00:30:47: Ja.
00:30:48: Und eine positive Freiheit, nämlich einen erwählenden Gott, der das Volk erwählt in
00:30:54: Ägypten, der die Menschheit erwählt in Christus, wenn man so will, also etwas gesetzt wird.
00:31:02: Und das, was gesetzt wird, beendet zunächst mal eine Unfreiheit, die unser Grundzustand
00:31:09: ist.
00:31:10: Eine innere?
00:31:11: Ja, und jetzt in Ägypten ganz konkret auch den Zustand der Sklaverei unter der das Volk
00:31:17: klebt, oder? Das ist das, was ...
00:31:19: beendet wird, aber nicht so, dass es damit dann genug ist und man sagt so,
00:31:26: jetzt schauen wir mal welche Ordnung sich diese Menschen geben und was die so
00:31:30: brauchen, sondern das Ganze steht schon wieder unter dem Anspruch Gottes, dass er
00:31:38: diese Freiheit gebrauchen will, um etwas umzusetzen. Das ist keine unbestimmte
00:31:46: Freiheit, sondern es ist eine Freiheit, die in sich selbst schon zielgerichtet ist.
00:31:50: Und das ist doch jetzt ganz interessant, wenn wir diese Galatas stellen, eben zur
00:31:56: Freiheit hat uns Christus befreit. Da haben wir nicht die Idee, dass Christus
00:32:03: jetzt quasi der nächste Herr ist, also quasi der hat uns jetzt losgekauft und
00:32:08: jetzt sind wir seines Klafen, sondern der hat uns befreit, um frei zu sein. Und
00:32:14: das müssen wir unbedingt mitnehmen, was bedeutet jetzt diese Freiheit, zu der wir
00:32:19: befreit worden sein sollen? Ja, aber es gibt natürlich, also dieses Motiv gibt es ja
00:32:25: neu, Testament ist schon auch, dass wir quasi als Diener oder dann im Griechischen
00:32:29: auch übersetzbar als Sklaven Christi bezeichnet werden, aber in der
00:32:34: Überzeugung, dass eben die Abhängigkeit von Gott oder die Unterwerfung
00:32:39: unter Christus eigentlich eben diese Befreiung zur Freiheit bedeutet, dass
00:32:45: man da eben zu sich selbst oder zu dem Menschen wird, den Gott vor Augen hatte,
00:32:54: also uns geschaffen hat quasi so. Wir finden, dass man sich zurück.
00:32:59: Ja, aber das wäre ja, wenn wir es nur so sagen, dann wäre es super totalitär.
00:33:04: Also dann würden wir quasi zu dem Werten, was Gott sich gedacht hat und würden,
00:33:11: also jetzt quasi um ein Bild zu machen, würden quasi wie ein Teig durch eine Form
00:33:17: ausgepresst werden und wären dann genau so förmig wie sich Gott das gedacht hat.
00:33:22: Aber die Idee, die sich ja dann damit verbindet, ist, dass wir genau dann, wenn
00:33:27: wir in Übereinstimmung sind, mit dem wie Gott sich uns gedacht hat, wie er
00:33:33: eigentlich erst am Punkt sind, wo unsere Unfreiheit endet, weil wir dann das
00:33:38: realisieren, was wir eigentlich wirklich sein wollen. Ja, genau.
00:33:42: Also die Idee ist, dass es im letzten wirklichen eine komplette Übereinstimmung
00:33:48: gibt mit dem, was wir eigentlich sein wollen und mit dem, was Gott sich gedacht
00:33:55: hat, als er uns gesehen hat. Ja, das ist natürlich zuerst einmal einfach eine
00:34:00: Behauptung. Also das müssen ja Menschen dann irgendwie auch so erfahren und
00:34:04: erleben und von innen heraus irgendwie bekräftigen können. Das ist jetzt zuerst
00:34:08: einmal, ist das ein Bekenntnis quasi, ja, Gott hat sich etwas mit den Menschen
00:34:13: gedacht und wir finden uns nicht wirklich frei vor, sondern wir brauchen diese
00:34:20: Bezugnahme Gottes auf uns, um irgendwo zu uns selbst zu finden und zu der Person
00:34:25: zu werden, die zugleich eben Gott sich mit uns gedacht hat und der springende
00:34:30: Punkt und ich finde, dass das finde ich sehr stark, wie du das vorhin ausgedrückt
00:34:33: hast, dass ein Stück weit in der Bibel wie die Reihenfolge umgekehrt wird, dass
00:34:39: man das nicht zuerst die negativen Freiheiten errungen werden, im Sinne von
00:34:44: frei von allen Zwängen, von allem, was einengt, von allem, was uns repressiv
00:34:49: irgendwie an die Gurgel will und dann stehen wir hier im offenen Raum und
00:34:55: müssen uns fragen, oh Gott, wer sind wir eigentlich? Was will ich überhaupt? Wer bin
00:34:59: ich überhaupt und wie gehe ich jetzt mit diesem riesigen Spielfeld um, sondern
00:35:03: umgekehrt, dass biblisch eigentlich am Anfang eine Befreiungstat Gottes steht,
00:35:08: die uns ein Ziel, eine Purpose, eine Bestimmung gibt, die uns eine, in eine
00:35:14: Richtung irgendwie unterwegs sein lässt und da ist er das oder die gute
00:35:20: Nachricht. Genau, das ist das erste, was gesetzt wird. Das geht zu Beginn, noch
00:35:24: bevor überhaupt die negativen Freiheiten errungen worden sind und zugespitzt
00:35:32: könnte man sagen, ein Paulus kann sich seiner Freiheit in Christus rühmen,
00:35:36: selbst wenn er im Gefängnis sitzt und eigentlich keine, die negativen Freiheiten
00:35:40: sind nicht verwirklicht, aber innerlich quasi ist diese Freiheit in Christus
00:35:45: vorhanden. Das ist doch jetzt ein ganz spannender Punkt, also wenn wir uns
00:35:49: soweit einig sind, dass wir sagen würden, naja, jetzt in dieser biblischen
00:35:54: Denkweise, die wir jetzt natürlich wirklich ganz, ganz grob nur skizzieren
00:35:59: können, wird eigentlich ein Zustand der Unfreiheit durch das Setzen einer
00:36:04: positiven Freiheit zunächst mal beendet. Das ist das erste, was passiert. Dann haben
00:36:10: wir jetzt zwei Möglichkeiten, wie das Ganze ausschauen kann. Also wenn wir
00:36:14: sagen, dort wo ich Mensch bin nach dem Willen Gottes, da realisiert sich erst
00:36:22: meine Freiheit, das wäre ja die These, die da mit schwingt, dann kann ich jetzt
00:36:26: zwei Schlüsse draus ziehen. Entweder ich kann sagen, naja, das bedeutet, ich muss
00:36:30: alle Gebote einhalten, also ich muss ein Gott entsprechendes Leben führen und
00:36:37: das wird mich freimachen oder ich kann das Ganze umkehren und sagen überall
00:36:43: dort, wo ich wirkliche Freiheit erlebe, lerne ich etwas darüber, wer Gott ist.
00:36:49: Ja, ja. Und das Interessante ist, ich kann das nicht einfach auflösen und
00:36:55: entscheiden, aber biblisch ist natürlich sehr dominant, die zweite Lesart zu
00:37:00: nehmen und zu sagen dort, wo ich Befreiung erlebe, ist es Gott. Also ich bin dein Gott,
00:37:06: der dich aus Ägyptenland herausgeführt hat. Oder es ist ein Kernsatz, der immer
00:37:10: wiederkommt, der total wichtig ist oder die Idee, dass Christus uns
00:37:18: eben befreit hat, die schließt ja an eine konkrete Erfahrung an. Das ist ja nicht,
00:37:23: wenn du diese Checkliste durchgearbeitet hast, dann hast du eine Chance von 12%
00:37:30: auch freizubehren oder irgendwie sowas. Es ist ja nicht ein Game, sondern
00:37:34: schließt ja an eine Befreiungserfahrung, die Menschen konkret erlebt haben.
00:37:39: Ja. Und die sich dann kulturell tradieren und weitergeben natürlich und deuten.
00:37:44: Ja, aber jetzt weiß ich nicht genau, welche Art von Befreiungserfahrungen du
00:37:50: jetzt im Sinne hast, ob du denkst an, also ich würde sagen, aufgrund der
00:37:56: Neutestamenten-Geschichten, auch der Jesus-Begegnungen, ist es natürlich
00:38:01: zunächst, sind es einmal geistliche Befreiungserlebnisse, Befreiung von
00:38:05: Sünde und so weiter. Bei Jesus verbindet sich das aber dann schon sehr handfest
00:38:10: eben mit Befreien von Krankheit, Befreien von gesellschaftlichem
00:38:14: Ausschluss, Aussätzige. Die werden ja nicht nur geheilt, die werden wieder in die
00:38:18: Gesellschaft eingefügt, Besessene, die frei werden und dann eben wieder, wieder
00:38:26: im Beziehung treten können zu anderen Menschen und so. Das ist schon sehr handfest.
00:38:29: Aber genauso mein ich's. Super, genau so mein ich's. Weil das finde ich noch wichtig,
00:38:33: weißt du, sonst könnte man nämlich dann auch diese Unterscheidung zwischen
00:38:38: innerer Befreiung und äußerer Gnächtschaft, man könnte das dann ganz
00:38:44: perfide, könnte man sagen, das Christentum ist eine Religion, die befreit dich von
00:38:50: innen heraus und dann musst du an der Gesellschaft gar nichts mehr ändern, du
00:38:54: darfst einfach dich frei fühlen im Herrn Jesu. Und deswegen wollte ich das
00:38:58: jetzt so stark machen, weil wir dann nachher zur Reformation kommen müssen und
00:39:02: da nehmen wir eine Abzweigung, die wir vielleicht kritisch diskutieren müssen.
00:39:05: Aber die Idee ist, also das klaffte Volk wird aus Ägypten herausgeführt, egal
00:39:12: ob das eine Story ist oder historische Realität, es knüpft an eine
00:39:17: kollektive, kulturelle Erfahrung an, die man gemacht hat und die man tradiert.
00:39:22: Der Aussätzige, der nicht mehr in der Stadt leben darf und der zurufen muss,
00:39:28: Achtung, ich bin aussetzt, sie kommen ja nicht zu nahe, wird wieder einer, der die
00:39:33: Freiheit hat, am gesellschaftlichen sozialen Leben teilzunehmen. Der
00:39:38: blinde sieht. Das sind konkrete Erfahrungen von Befreiung.
00:39:44: Ich glaube eigentlich, das sind diesen biblischen Geschichten, es viel, viel
00:39:49: stärker so läuft, dass man sagt, da wo ich Freiheit erlebe, also wirkliche
00:39:54: Befreiung erlebe, da ist Gott und nicht so, dass man sagt, da wo ich alle Gebote
00:40:00: einhalte, da ist Gott. Also das bedeutet quasi, nach dem Willen Gott zu sein, kann
00:40:10: in diesen Geschichten immer wieder daran gemessen werden, dass jemand sich von
00:40:16: einer Unfreiheit befreit erfährt. Das wäre so die These, die ich stark machen
00:40:23: möchte, so als große rote biblische Linie. Was erzählfaden quasi? Ja, da
00:40:32: wäre dann auch Grund angelegt, auch für die ganz konkrete Befreiung von Menschen
00:40:44: und für die ganz konkrete Verwirklichung auch gesellschaftlicher und politischer
00:40:50: Freiheiten einzustehen. Weil du hast, da komme ich wahrscheinlich auch noch mal
00:40:55: drauf zu sprechen dann im Blick auf die Reformation, diese
00:41:00: Unterscheidung äußerlich und innerlich. Man könnte das ja eben wirklich auch
00:41:07: so verstehen, dass es dann auf die äußerlichen Freiheiten gar nicht mehr
00:41:11: ankommt. Aber das kann man auch wieder doppelt verstehen,
00:41:16: du hast ja vorhin die konstantinische Wende angesprochen. Jetzt nehmen wir mal
00:41:20: einen Zustand davor, da war doch völlig klar, Gottes Anspruch und Zusage gilt dem
00:41:28: ganzen menschlichen Leben in all seinen Vollzügen, in all seinen Ordnungen, in
00:41:34: denen es steckt, in all den Bedrohungen, in denen es konkret ist und in all der
00:41:39: Mühe, so all die es erlebt. Also Gottes Zusage und Anspruch an den
00:41:43: einzelnen Menschen gilt unbedingt, steckt sich auf alles sogar über den Tod
00:41:48: hinaus. Und wenn man dann aus dieser Idee heraus sagt, naja und deswegen ist ja
00:41:56: gar nicht so entscheidend, ob du jetzt verheiratet bist, ob du Sklave bist, ob
00:42:01: du arm oder reich bist, weil das andere ist einfach eine Ordnung, die topt halt
00:42:07: alles. Dann ist das eine Sache. Aber das was du glaube ich jetzt angesprochen
00:42:13: hast, ist eigentlich diese Idee, dass es wie zwei verschiedene Ordnungen gibt. Es
00:42:18: gibt eigentlich eine Ordnung der Welt und ja in dieser Ordnung der Welt kann ich
00:42:23: Sklave sein, aber das ist nicht so schlimm, weil in der geistlichen Ordnung
00:42:27: bin ich ein freies Kind Gottes. Und dann sieht man ja tatsächlich auch, dass sich
00:42:33: genau das politisch ja widerspiegelt, wenn das Christentum
00:42:38: Staatsreligion wird, dass wir sowas wie eine Lehre von zwei Schwertern etablieren.
00:42:43: Also es gibt quasi das geistliche Schwert und da haben wir das Papstum, das
00:42:49: dafür einsteht. Also da geht es darum, wer sind wir eigentlich vor Gott, im Gottes
00:42:54: Reich, in Ewigkeit etc. und dann gibt es das weltliche Schwert und das regelt
00:42:59: halt die Dinge hier. Und dann kann es sein, dass man mal mit dem weltlichen Schwert
00:43:03: ganz unchristlich richtig reinschlagen muss und den Krieg gewinnen muss und es
00:43:09: kann sein, dass das aber überhaupt nicht mit der Ordnung, also mit der
00:43:14: geistlichen Ordnung zu tun hat. Und das ist natürlich ein Gedanke, der ist
00:43:17: völlig absurd auf dem Hintergrund dessen, was wir jetzt gerade diskutiert haben,
00:43:22: sondern da ist einfach so, dass man quasi sagt, naja weißt du das, was die
00:43:25: weltliche Ordnung ist, das ist ja genau die Unfreiheit, aus der du herkommst und
00:43:30: aus der bist du quasi befreit durch die wahre Freiheit. Also genauso wie kommt
00:43:35: alle her zu mir, die ihr durstig seid, ich gebe euch Wasser, dass ihr nie wieder
00:43:39: durst habt. Genau so wäre es quasi wie, hey ihr alle in Unfreiheit kommt her zu mir, ich
00:43:45: gebe euch eine Freiheit, die kann euch keiner mehr nehmen. Es darf natürlich
00:43:49: nicht so sein, dass diese geglaubte Freiheit, dass diese geistige Freiheit
00:43:55: dann quasi zur Legitimation wird, dass die andere wirklich erlebte Unfreiheit
00:44:01: plötzlich irrelevant wird. Ja sonst hast du wirklich, da müssen
00:44:05: man sagen, da bist du erfolgreich beim Konzept des Opiums fürs Volk gelandet.
00:44:09: Da kann man sagen, dann ist doch jede Regierung zu rühmen, die eine anständige
00:44:16: christliche Religion befördern kann, in der sich die Leute innerlich so frei
00:44:20: fühlen, dass man sie äußerlich kräften kann und sie bleiben sogar noch
00:44:24: fröhlich. Also das wäre ja dann richtig zynisch. Und da machen wir jetzt
00:44:29: vielleicht mal wirklich den Riesenzeitsprung dann zur Reformation,
00:44:32: weil da haben wir wirklich, da bricht das Ganze doch auf. Also die Idee, die
00:44:39: Luther vertritt, war ja nicht der Einzige und nicht der Erste, aber die Idee, die er
00:44:43: vertritt ist, dass es keine Instanz auf der ganzen Welt geben darf, die zwischen
00:44:52: dem Menschen und Gott steht. Jeder Mensch steht unmittelbar oder besser gesagt
00:44:58: vermittelt durch Christus direkt vor Gott. Und das kann ihm niemand nehmen.
00:45:04: Und das ist natürlich eine krasse Freiheitsidee, die dann manche, die
00:45:10: Schwärme, die Teufel etc. auch politisch, wenn wir uns gesagt haben, ja gut,
00:45:15: also wenn das so ist, wenn wir von Gott her frei sind, dann wollen wir diesen
00:45:19: Anspruch auch in der Welt verwirklichen. Und da ist Luther ja an Grenze gestoßen,
00:45:27: also da hat er nicht mitgemacht, hat ja bei den Bauernkriegen auch sich ganz,
00:45:33: ganz eindeutig auf die Seite des Adels geschlagen, hat gesagt, nein, das ist eine
00:45:37: weltliche Ordnung, die es zu respektieren gibt, der heilige Geist schafft Ordnungen,
00:45:42: der hasst das Chaos, der hasst die Unordnung. Und eine ganz, ganz wichtige
00:45:48: Geschrift, die dazu gemacht hat, ist ja die Freiheit eines Christenmenschen.
00:45:52: Er hat jetzt nicht auf den Bauernaufstand bezogen, aber die ist halt sehr relevant
00:45:56: um diese Idee, dass es durch den Menschen hindurch wie eine Teilung gibt,
00:46:04: dass er einerseits einer geistlichen und andererseits einer weltlichen Realität
00:46:09: angehört. Und die Spitzensätze sind ein Christenmensch, ist ein freier Herr über
00:46:14: alle Dinge und niemandem untertagen. Und dann ein Christenmensch ist ein dienstbarer
00:46:20: Knecht aller Dinge und jedermann untertagen. Es scheint jetzt zunächst mal ein
00:46:25: Widerspruch zu sein, aber für Luther ist das eigentlich die dialektische Fassung
00:46:31: christlicher Freiheit. Ja genau, genau. Er ist ein Herr über alle Dinge, niemandem
00:46:36: untertagen und ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertagen.
00:46:41: Da kommt jetzt eben wieder diese Unterscheidung in Spiel oder diese
00:46:47: Bewegung in Spiel, die wir ja neut testamentlich versucht haben zu
00:46:51: identifizieren. Also es gibt einen Befreiungsanspruch des
00:46:56: Christienglaubens oder der einen Befreiungsmoment des
00:46:59: Christienglaubens, der die Tat Gottes oder die Zuwendung Gottes befreit Menschen
00:47:05: irgendwo zu sich selbst und zu Gott zu finden oder zu Gott zu finden und
00:47:10: dadurch zu sich selbst zu finden und damit finden sie aber auch zu einer
00:47:15: Bestimmung, die sie, ich könnte jetzt sagen verpflichtet, ich sage jetzt
00:47:21: befähigt, die sie befähigt Gott und Menschen zu lieben nach dem Doppelgebot
00:47:26: der Liebe quasi und in dieser Hinsicht sind sie dann wiederum allen untertagen.
00:47:31: Genau, also indem sie zwar Freiheit befreit sind, können sie allen dienen.
00:47:36: Wenn man so will. Und das ist zunächst mal ja eigentlich ein schöner Gedanke.
00:47:44: Also wenn ich frei bin von Angst, von mir selbst etc.
00:47:51: dann kann ich eigentlich an dein helfen, könnte man ja zunächst mal sagen.
00:47:57: Das Ding ist halt nur, dass das was Luther meint ist ja jetzt nicht ein
00:48:04: psychologisches Moment nur damit. Also er meint ja damit nicht, hey Manu,
00:48:08: weil du durchgebet und die Erfahrung, dass Gott dich liebt, hast du die
00:48:15: Möglichkeit viel großzügiger zu sein, sondern er meint ja schon damit auch,
00:48:20: dass wir quasi wie zwei verschiedenen Ansprüchen untergeordnet sind.
00:48:26: Also der Christenmensch ist in seiner Freiheit nicht bedroht dadurch, dass er
00:48:32: einen weltlichen Herrscher hat. Der weltliche Herrscher ist, da ist Luther
00:48:38: total in den Spuren von Augustinus, der ist von Gott eingesetzt, Gott duldet
00:48:43: mindestens diese Regierung und deswegen ist die hinzunehmen und die ist auch nicht
00:48:49: eine Grenze oder Bedrohung seiner Freiheit, weil die eigentliche Freiheit
00:48:53: bezieht sich ja nicht auf diesen äußeren Menschen, sondern auf den
00:48:57: inneren Menschen, der aber im Glauben an das Evangelium erneuert und gerecht
00:49:03: fertig wird. Der äußere Mensch, der kann dann in der Welt leben und handeln.
00:49:09: Ja, ich fremde halt immer noch mit dieser Unterscheidung, weil ich sie zumindest
00:49:17: potenziell gefährlich oder missbrauchsanfällig finde, eben wegen
00:49:23: dieser Unterscheidung, wegen dem Potenzial Menschen dann damit zu beruhigen, dass
00:49:28: sie doch in Christus befreit sind und jegliche Kultur und Gesellschaftstransformativen
00:49:33: Motive zu verlieren, weil man sagt ja, das ist dann halt unter einer anderen, das ist
00:49:38: ein anderes Regime, das ist eine andere Logik, das ist die Eigenlogik der Welt
00:49:43: und irgendwie hat Gott da auch noch seine Hand drüber, dann wird es sogar noch
00:49:47: sanktioniert quasi theologisch und wichtig ist diese innere christliche Freiheit.
00:49:54: Das ist eine Gefahr, die ich sehe oder ein Problem, dass ich damit ein bisschen
00:49:58: habe. Ich sage nicht, dass man ihr notwendigerweise erliegt, aber ich weiß
00:50:02: nicht genau, da bin ich auch zu wenig Lutherkenner, um zu sagen, welche
00:50:06: Sicherungen bei Luther gegen diese Art von Interpretation eingebaut sind und
00:50:13: das andere ist natürlich ein gewisses Unbehagen auch aufgrund meiner
00:50:17: Sozialisierung in, ich würde jetzt mal sagen, Evangelical/ oder
00:50:23: Konservativ/fundamentalistischen Gefielten. So, dieses Unbehagen ja, okay, Gott
00:50:32: befreit Menschen dazu, Gott und anderen zu dienen und sie finden dabei wirklich
00:50:38: erst zu sich selbst und zu der Person, die sie eigentlich sein sollen. Ja, aber es
00:50:44: gibt ja auch dann die Erfahrung von Menschen, dass sie irgendwo das Gefühl
00:50:48: haben, ich habe aber in meiner christlichen Sozialisierung in der ganz viel von
00:50:53: Berufung und Bestimmung und Plan Gottes und so weiter die Rede war. Ich habe mich
00:50:58: aber doch irgendwie selber verloren, ich habe mich verbogen, ich habe mich irgendwie
00:51:02: einem Regelwerk unterworfen, immer im Namen christlicher Freiheit und
00:51:08: christlicher Verwirklichung des Reiches Gottes und so, aber ich habe das überhaupt
00:51:13: nicht als Befreiengeschichte erfahren. Im Gegenteil, ich musste mich davon
00:51:17: mächtig losstramppeln, um mich selbst überhaupt unabhängig von diesem
00:51:23: geistlichen System wiederzufinden. Ich versuche mal so ein bisschen zu
00:51:30: systematisieren und dabei aber auch gleich schon zu werten. Ich glaube es gibt
00:51:34: eine Art, wie man Luther ganz stark lesen kann an dieser Stelle. Und es ist so, dass
00:51:40: man sagt, naja, in dieser Welt und unter diesen Geschöpfen, die alle Gott
00:51:45: gehören und alle von Gott abhängen, gibt es eine innere Freiheit, die du haben
00:51:54: kannst, egal was die Umstände sind. Ja. Und jetzt ist die Gefahr natürlich, dass
00:52:00: man sagt, naja, wenn das so ist, dann ist eigentlich völlig egal was die Umstände
00:52:03: sind, da muss sich daran gar nichts mehr ändern. Das muss ja überhaupt nicht so
00:52:08: gedacht sein, sondern im Gegenteil könnte ja gerade bedeuten, hey, ihr, diejenigen, die
00:52:14: für diese Umstände verantwortlich seid, vergesst nicht, das untersteht alles Gott.
00:52:18: Ja. Also ihr steht in der Verantwortung vor Gott mit dem, was ihr tut. Das wird
00:52:24: die Art Luther stark lesen. Ja. Wenn man ihn schwach liest und das ist ja dann
00:52:32: tatsächlich auch passiert im Luther-Tum, dann kommen wir zu so einer verrückten
00:52:36: Idee von zwei Reichen. Dann gibt es quasi die Logik der Welt, die Eigengesetzlichkeit
00:52:42: der Welt. Da gilt halt das Recht des Stärkeren, da braucht es Waffenkrieg,
00:52:47: etc. Und dafür setzt Gott dann irgendwelche Regenten ein, die das halt
00:52:53: durchziehen müssen. Da müssen wir uns aber als Christen gar nicht einmischen,
00:52:57: das haben wir halt so hinzunehmen, weil wir wissen ja Gott duldet das, sonst wäre es
00:53:01: gar nicht da und wir haben uns nur um den geistlichen Teil zu kümmern. Genau. Das
00:53:06: findet auf einer anderen Bühne. Das ist eine radikale Pervertierung des neuen
00:53:10: Testaments. Also man kann kein Evangelium damit irgendwie in Übereinstimmung
00:53:15: bringen. Das Evangelium hat immer den Anspruch an den ganzen Menschen und an
00:53:19: die ganze Welt. Zumindest nicht die Jesus-Geschichte.
00:53:22: Genau. Die könnte man sicher nicht so machen. Das meinte ich jetzt mit den
00:53:25: Evangelien. Also wenn wir das jetzt übertragen auf das, was du sagst, als
00:53:30: Erfahrungshintergrund, den du fundamentalistisch oder zu eng oder wie auch
00:53:35: immer beschreibst, dann dann könnte man wieder fragen, ja was ist denn die Logik?
00:53:40: Also wird Gott in diesen Gemeinschaften dadurch erkannt, dass er befreit oder ist
00:53:48: Befreiung etwas, das man sich verdienen muss durch Gehorsam. Und ich habe
00:53:56: deswegen auch so lange an diesen biblischen Texten vorhin rum gemacht und
00:54:01: versuch die zu diskutieren, weil ich glaube, die gehen ganz eindeutig den
00:54:05: ersten Weg, dass sie sagen, du erkennst aber Gott darin, dass du Befreiung
00:54:10: erfährst und Gott ist nicht quasi der, der auf der Schatztuhe sitzt, wo Freiheit
00:54:16: drin ist und du musst jetzt ein Tänzchen aufführen, damit er dir ein Stück davon
00:54:20: gibt. Ja, also das schliere nur, um das noch kurz zu sagen, ist ja dann, man kann ja
00:54:28: dann ganz leicht zum Gottesbild kommen, wo man sagt, weil du Gott hat eine Ordnung
00:54:33: und Gott hat ein Gesetz und das ist dir gegeben und wo du das einhältst, da
00:54:38: erfährst du Freiheit und wo nicht, da scheitest du Unterbricht und die Regeln,
00:54:44: die dann kommen. Sei das jetzt in Bezug auf Homosexualität, auf Ehevorstellungen,
00:54:52: auf True Love, Wates, Bullshit, auf Körper, all das Zeug. Das ist ja dann nichts,
00:54:58: wo man sagen könnte, ja das ist irgendwie etwas, was wir mit dem liebenden
00:55:02: Gott des Neuntester, also des Evangeliums insgesamt in Verbindung
00:55:07: bringen würden, sondern das sind ja letztendlich wirklich kulturell
00:55:12: formatierte und deformierte Ideen, die Menschen haben, die sich in ziemlich
00:55:17: kleinen Gott basteln. Ja, aber die Gefahr besteht halt, weil die ganze Rede von
00:55:26: Freiheit ja immer in bestimmten Kontexten und unter bestimmten Voraussetzungen
00:55:32: geschieht und weil man natürlich auch in hochreligiösen Kreisen natürlich die
00:55:38: Freiheit sehr hoch hält, aber da immer, ich habe das oft erlebt, dass man dann
00:55:42: immer, wenn man von Freiheit spricht, ja dann sofort natürlich, und da kann man
00:55:46: ja Paulus auch zitieren, sagt es ist natürlich nicht eine Freiheit zur Sünde,
00:55:50: die Gott uns schenkt, sondern es ist eine Freiheit quasi Gott Gehorsam zu sein.
00:55:54: Und dann ist, finde ich, hängt ganz vieles auch irgendwo vom Milieu und von der
00:56:00: Kultur ab, die in christigen Gemeinden und Kirchen auch gelebt wird, ob dann
00:56:05: Menschen auch irgendwo, ich sage jetzt mal, freigelassen werden, zu ihren eigenen
00:56:11: Schlüssen zu kommen oder natürlich im Gespräch und das Teil einer Gemeinschaft,
00:56:16: aber irgendwo auch dazu zu stehen, was sich ihnen vielleicht als befreiend
00:56:21: erschließt und was nicht, ja der Opfer von vornherein schon klar ist, wie die
00:56:27: Verwirklichung einer christienfreiheit in der Ehe, in der Beziehung, in der
00:56:32: Gemeinde, im Beruf und so weiter ganz konkret auszusehen hat und wer dann
00:56:37: nicht in dieses oft sehr bürgerlich gedachtes Schema passt, der hat dann
00:56:42: einfach seine Freiheit ungebührlich so wirklich. Aber man, genau so meine ich,
00:56:47: das ist genau der Punkt, dass die riesige Fahrt dabei ist quasi, dass wir sagen,
00:56:52: wir wissen eigentlich schon, wer Gott ist und aus diesem Wissen, wer Gott ist,
00:56:57: sagen wir jetzt, was das wirkliche Freiheit ist, weil das was wirkliche
00:57:03: Freiheit ist, ist das, was das Richtige ist, was das wahre ist, was das Gute
00:57:07: ist und das kennen wir alles und das musst du jetzt umsetzen und man über sie
00:57:13: dabei völlig, dass es eigentlich genau andersrum läuft, nämlich dass wir
00:57:17: Erfahrungen machen von Freiheit und dann erkennen, ah, das ist der liebe Gott.
00:57:22: Ja. Und das ist halt die die Umkehr quasi, wo Gott selbst zu einem repressiven
00:57:29: Machtinstrument in Gruppen und für Glaubensgemeinschaften werden kann, wo
00:57:35: die eigene Wertvorstellungen, eigene kulturelle Präferenzen dann absolut
00:57:40: setzen. Ja. Und das, was ja die Skalata Stelle so stark macht, ich liebe die
00:57:46: deswegen so, ist ja, das heißt, zur Freiheit hat uns Christus befreit. Also es
00:57:51: bedeutet, der Maßstab, ob da jetzt Christus am Werk ist, ob das
00:57:56: Evangelium ist, was da passiert, ist aber nicht, ob sich hier etwas realisiert,
00:58:02: von dem ich schon zuvor wusste, dass es das Gute und das Richtige und das Wahre
00:58:06: und das Schöne ist, sondern dass sich mir etwas erschließt, wo ich sage, wow,
00:58:11: das war Freiheit. Ja. Also mir gefällt auf jeden Fall jetzt hier die Dynamisierung
00:58:17: der ganzen Geschichte, dass man sagt, das eigentlich das Evangelium und diese
00:58:21: Befreiungsbewegung des Evangeliums, die stößt eine Befreiungsgeschichte an,
00:58:26: in der man Freiheit auch immer wieder neu entdeckt und in der sich auch neue
00:58:32: Freiheitsräume erschließen, in der nicht von vornherein schon für alle Zeiten
00:58:38: festgeschrieben ist, wie ein befreites, das befreite Leben eines Christenmenschen
00:58:45: bitte, auszusehen hat im Blick auf jede einzelne sexual, ethische und
00:58:51: politische und wirtschaftliche Einzelentscheidung und so, sondern dass
00:58:55: man sagt, wir sind hineingenommen in eine Befreiungsgeschichte und machen
00:59:01: als Christenmenschen Befreiungserfahrungen und ich sage jetzt mal, muss ja dann
00:59:08: schon auch irgendwie eine Kriteriologie oder eine gewisse Geisterunterscheidung
00:59:15: irgendwie mitgeführt werden, dass nicht alles, was jetzt das Individuum als
00:59:20: befreiend erlebt, unbedingt Befreiung im Sinne des Evangeliums ist, aber das
00:59:28: umgekehrt auf jeden Fall nicht dann im Namen einer christlichen Freiheit
00:59:34: eigentlich neue unterdrückerische Strukturen gefestigt werden.
00:59:39: Das ist doch schon was, wir machen jetzt nicht einst lexiges und es ist mir
00:59:43: völlig bewusst, dass das sehr pauschal ist, was ich jetzt sage, aber egal ob wir es
00:59:46: bei Paulus nehmen oder ob wir es bei Augustinos suchen, wir finden doch immer
00:59:50: wieder diese Idee, dass es nicht das Gesetz, also nicht ein Vorschriftenkatalog
00:59:56: und eine bestimmte Auslegung davon ist, was uns hilft frei zu sein oder mit Gott
01:00:02: in Beziehung zu treten oder uns selbst zu finden, sondern dass es die Liebe, die
01:00:09: Gemeinschaft mit Christus, die Erfahrung der Hoffnung, die Erfahrung
01:00:15: angenommen zu sein und geliebt zu sein sind, die diese Freiheit überhaupt in
01:00:21: Gang setzen und ermöglichen. Und überall dort, wo es quasi so ist, dass wir zu
01:00:27: erst eine Checkliste absolvieren müssen, ob wir das und das und das einhalten, ob
01:00:33: wir quasi dieser sexuellen Ausrichtung nach leben oder nicht, ob wir diese
01:00:41: Standards einhalten oder nicht, da wissen wir schon, da geht es nicht um Gott,
01:00:45: sondern das sind irgendwelche Buchhalte, Mentalitäten von Menschen, die eigentlich
01:00:50: einen Götzendienst vollziehen an dieser Stelle.
01:00:55: Die nehmen etwas in Anspruch, wovon sie sagen, das ist Gott, aber Gott hat genau
01:01:00: die andere Funktion in diesen ganzen, also ich würde das schon so scharf sagen,
01:01:04: das ist eine Form von blasphemie Gott an diese Stelle zu setzen, wo ich
01:01:10: meine eigenen Ideen absolut setze, in den Erzählungen, die wir finden in der
01:01:16: Bibel und auch in der Idee zum Beispiel, aber ich bringe das immer wieder,
01:01:22: Ehre raufen am Sabbat oder so, da geht es genau darum, dass Gott derjenige ist,
01:01:27: der die Offenheit der Geschichte bewahrt, der eine offene Zukunft davon
01:01:34: garantiert. Und das ist natürlich ein ganz ganz anderes Bild als quasi zu sagen,
01:01:39: Gott ist ein Gesetz, das wir einzuhalten haben und den wir zu uns sprechen.
01:01:44: Ja Stefan, ich würde vorschlagen, dass wir hier mal einen Doppelpunkt setzen, wie
01:01:52: ein einer meiner Dozenten immer zu sagen pflegte, wir sind nur bis Luther gekommen,
01:01:57: das heißt es wird auf jeden Fall mindestens noch eine Folge geben zum
01:02:01: Thema Freiheit. Ich sage es gibt noch zwei. Ja, mal schauen, mal schauen, aber wir
01:02:05: entlassen euch jetzt mit diesen Gedanken zur Freiheit nach Paulus, Luther und
01:02:13: Schmid Yüte und freuen uns euch nächstes Mal wieder dabei zu haben, wenn wir die
01:02:19: Dinge in die Neuzeit und ich würde auch sagen ins konkrete Leben hineinziehen.
01:02:23: Ja, mal mindestens bis in die Neuzeit. Bis nächste Woche. Tschüss zusammen.
01:02:31: Refleb.
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