Ausgeglaubt: ein RefLab-Podcast

Ausgeglaubt: ein RefLab-Podcast

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00:00:00: (Düstere Musik)

00:00:01: Ausgeglaubt.

00:00:04: Der Podcast über das, was wir nicht mehr glauben

00:00:08: und das, was uns wichtig bleibt.

00:00:11: (Düstere Musik)

00:00:12: RefLab.

00:00:14: Ja, Stefan, wir haben ein Special geplant zum Thema Freiheit

00:00:23: und kommen irgendwie nicht weiter.

00:00:26: Oder doch, wir kommen weiter, aber wir kommen nicht los

00:00:29: von dem Thema. - Du hast wieder eine interessante Wahl getroffen.

00:00:32: Du hattest X-Podcastfolgen zur Auswahl von Glauben

00:00:35: und Gesellschaft zum Freiheitsthema, über die wir sprechen können.

00:00:39: Und Manu, erzähl unseren Zuhörerinnen und Zuhörern,

00:00:42: wofür du dich entschieden hast.

00:00:44: Ja, also ich hätte zwei Favoriten gehabt.

00:00:47: Das eine war die kürzliche Diskussion über die olympischen

00:00:51: Fungsspiele.

00:00:52: Da kommen wir vielleicht dann doch auf einem Seitengleichs

00:00:55: noch drauf zu sprechen.

00:00:57: Schlussendlich hab ich dann gesagt, lasst uns doch über

00:01:00: das Gespräch mit Johannes Hartl über Cancel Culture,

00:01:03: Fake News und Doppelmoral reden.

00:01:06: Vielleicht ein kurzer Kontext für diejenigen,

00:01:08: die jetzt die letzten drei Folgen nicht geguckt haben

00:01:11: oder gehört haben.

00:01:13: Wir haben uns dem Thema Freiheit angenommen

00:01:17: und uns bezogen auch auf das Freiheitsprojekt

00:01:20: des Zentrums für Glaube und Gesellschaft.

00:01:23: Und haben jetzt über drei Folgen hinweg versucht,

00:01:26: ein bisschen abzustecken,

00:01:28: was eigentlich den christlichen Freiheitsbegriff ausmacht,

00:01:31: wie das verstanden wurde,

00:01:32: auch durch die Kirchengeschichte und Theologiegeschichte,

00:01:35: wie das Verhältnis zwischen positiver und negativer Freiheit

00:01:40: verstanden werden könnte und so weiter.

00:01:43: Und haben jetzt gesagt, zum Abschluss,

00:01:45: das ist jetzt wirklich die letzte Folge,

00:01:47: die wir zu diesem Specialthema Freiheit machen, zum Abschluss,

00:01:51: beziehen wir uns ganz unmittelbar auf eine Folge

00:01:54: im Podcast Glaube und Gesellschaft.

00:01:56: Der eben jetzt, ich glaube, es sind schon zehn, elf Folgen

00:01:59: zu diesem Freiheitsprojekt,

00:02:01: der sich sehr ausführlich abarbeitet an dem Thema Freiheit

00:02:06: mit der Grundtese,

00:02:08: dass unsere Zeit ein Übermaß an negativen Freiheiten

00:02:12: auszeichnet und eine Unbeholfenheit im Umgang

00:02:16: mit positiven Freiheiten oder einen Mangel

00:02:19: an wirklich positiven Visionen

00:02:21: zur Verwirklichung des Menschseins.

00:02:24: Wir dürfen alles, aber wir wissen gar nicht mehr,

00:02:27: was wir dürfen wollen. - Genau.

00:02:29: Wir finden uns auf weiter Ebene wieder

00:02:31: mit ganz vielen Handlungs- und Gestaltungsoptionen,

00:02:35: aber haben irgendwie keine Vorgabe mehr und keine Idee mehr,

00:02:38: in welche Richtung wir unser Leben eigentlich

00:02:41: Entwicklung gestalten könnten.

00:02:43: Also, und jetzt beziehen wir uns auf ein Gespräch,

00:02:46: dass im Anfang auch der Serie steht

00:02:50: von Glaube und Gesellschaft.

00:02:51: Da haben Sie eben mit Johannes Hartl über Freiheit gesprochen

00:02:56: unter dem Titel "Cancel Culture".

00:03:00: "Cancel Culture", "Fake News" und "Doppelmoral",

00:03:02: "Oliver Dürr", "Mikolas Matto" und "Johannes Hartl".

00:03:06: Genau. - Und ganz zu Beginn,

00:03:09: Arndmann, also, es kommt einen Vorspann, wo man erklärt wird,

00:03:12: was dieses Freiheitsprojekt ist, etc.

00:03:14: Und darum geht das Gespräch los mit Johannes Hartl.

00:03:17: Und das steht so im Zeichen eines Zeitungsartikel,

00:03:21: der erschienen ist.

00:03:22: Und zwar geht es da eigentlich um den Christopher Street Day.

00:03:26: Und innerhalb dieses Artikels wird betont,

00:03:29: dass es auch nicht ganz ungefährlich ist

00:03:31: für die Menschen, die sich da treffen,

00:03:33: zumal es reaktionäre, fundamentalistische Kräfte gibt,

00:03:38: die ein Problem damit haben.

00:03:40: Und ausgerechnet treffen sich jetzt solche Christen

00:03:43: noch zum Unum-Festival oder zu dieser Unum-Konferenz.

00:03:48: Und da werden dann eben diese Spitzen,

00:03:51: die jetzt die Christen quasi, ich überzeichne jetzt ganz leicht,

00:03:56: so in die Nähe von gewaltbereiten,

00:03:58: potentiell gefährlichen Menschen gleichen,

00:04:01: die werden da hervorgehoben und diskutiert.

00:04:04: Malo, wenn es dir irgendwie geht,

00:04:06: würde ich am allerliebsten darüber jetzt nicht zu lange sprechen,

00:04:09: sondern dann lieber darüber, was sie wirklich über Freiheit reden.

00:04:13: Aber wenn dir etwas Wichtiges an diesem Anfang,

00:04:15: lassen Sie uns das hier kurz abfrühstücken.

00:04:18: Ja, also ich muss auch sagen, am Anfang kann ich weitgehend mitgehen,

00:04:24: mit der Diskussion einfach insofern ich natürlich auch tagen würde,

00:04:28: die Reaktionen auf diese Unum-Konferenz,

00:04:31: mit deren Geist und Inhalt ich nach allem, was ich gehört habe,

00:04:35: jetzt nicht unbedingt superglücklich werde, muss ich auch sagen.

00:04:38: Also das sind natürlich auch ganz viele,

00:04:40: ich sage es mal, charismatisch-pinstliche Galeonsfiguren

00:04:44: zur Sprache gekommen, deren Theologie ich jetzt wirklich nicht teile,

00:04:47: aber die Aufregung in Zeitungsartikeln, die da geschürt wurde,

00:04:53: weil man gewaltsame Übergriffe von fundamentalistischen,

00:04:58: konservativen, evangelikalen Christen,

00:05:01: Gegenteilnehmer des Christopher Streetays befürchtet hat.

00:05:04: Ich halte das für völlig überzogen.

00:05:06: Es gibt, ich glaube, es gibt kaum Präzidentsfälle

00:05:10: im deutschsprachigen Raum für evangelikale Christen,

00:05:13: die jetzt, die jetzt, the queer in mansion,

00:05:16: auf diese Weise gewaltsam entgegen treten.

00:05:20: Und es zeug dann schon auch von einem gewissen Unverständnis

00:05:23: auch der Journalisten, was ich als evangelikaler Pastor

00:05:27: übrigens auch zuhauf erlebt habe.

00:05:30: Das kannst du dir nicht vorstellen, wie oft ich in Zeitungsartikeln

00:05:33: vorgekommen bin, um man mich als Priester bezeichnet hat, zum Beispiel.

00:05:37: Wo man einfach merkt, da hat der Journalist

00:05:40: die fundamentalsten Hausaufgaben nicht gemacht.

00:05:42: Keine Ahnung von Katholizismus, Evangelikalabewegung

00:05:46: und evangelischen Kirchen und so.

00:05:48: Also da müssen wir gar nicht lange bei verweilen.

00:05:51: Ich glaube, das war eine übereaktion

00:05:54: oder auch eine gewisse Panikmache im Anliegen

00:05:57: der Klickzahlen oder der Reichweite.

00:06:01: Auch wenn ich, lasst mich das noch anmerken,

00:06:03: es wäre natürlich ein schönes Signal gewesen

00:06:06: und auch eine Chance für eine solch Konferenz,

00:06:10: wenn man sich positiv auf den Christopher Street Day bezogen hätte.

00:06:15: Das wäre schon nach allen auch Urteilen und Vorurteilen,

00:06:19: die über Evangelikale und ihre rigorose

00:06:22: und zum Teil auch queerfeindliche Sexualmoral herrschen.

00:06:28: Und die doch auch nicht in jedem Fall unberechtigt sind,

00:06:31: wäre es natürlich ein tolles Zeichen gewesen.

00:06:34: Man hätte irgendwie an Christopher Street Day

00:06:37: keine Ahnung, ein Plakat geschwenkt,

00:06:39: "Mit Gott liebt euch alle" oder "Wir sind nicht eure Gegner"

00:06:44: oder "Ihr seid nicht unser Entgegner" oder was auch immer.

00:06:48: Wenn man irgendwie gezeigt hätte,

00:06:51: dass man da sogar Sympathien und Zuwendung

00:06:55: für diese Menschen hätte, das wäre schon eine Gelegenheit gewesen,

00:07:00: die aber dann doch dem Geiste vieler Teilnehmer an dieser Konferenz

00:07:07: vielleicht dann doch zu wider gelaufen wäre.

00:07:10: Aber ja, könnte sein.

00:07:11: Ich kenne das nicht mehr.

00:07:14: Was mir einfach aufgefallen ist,

00:07:16: ist, dass diese Kritik, die sich dann im Podcast anschließt,

00:07:20: ja, weitergeht.

00:07:22: Also es geht jetzt nicht um diesen einen Zeitungsartikeln nur,

00:07:25: sondern es geht schon um eine gewisse Gegenwartdiagnostische Kritik,

00:07:30: auch die sagt, hey, wir sind in so einer Vogue-Kultur,

00:07:33: in der Menschen nicht mehr kritisiert werden dürfen,

00:07:35: ohne dass das schon als Gewalt gedeutet.

00:07:38: Ja, ja.

00:07:39: Und da passiert etwas, was ich sehr, sehr kritisch sehe.

00:07:43: Wir haben gerade unter dem Begriff Freiheit,

00:07:46: es wird ja die These im Podcast vertreten,

00:07:48: dass es ja eigentlich schon möglich sein muss, sich zu kritisieren,

00:07:52: weil sonst ist ja so was wie Verbesserung nicht möglich.

00:07:55: Das Beispiel wird mit Musik oder mit Sport gebracht.

00:07:59: Und da würde ich einfach mal ganz, ganz kritisch fragen,

00:08:03: na ja, trifft diese Kritik jetzt wirklich das,

00:08:06: was sie hier eigentlich unter Vogue oder unter einer Cancel-Culture

00:08:11: oder was auch immer verstehen.

00:08:13: Weil es ist ja schon was anderes, ob ich sage,

00:08:16: Manu, ich finde, dein Klavierspiel könnte verbessert werden.

00:08:20: Das ist irgendwie zu unpräzis, zu langsam, etc.

00:08:23: Und du kannst da dran arbeiten.

00:08:26: Oder ob ich sage, hey, Manu, ich find's voll scheiße,

00:08:28: dass du schwul bist.

00:08:30: (Lachen)

00:08:31: Ja, ja, definitiv.

00:08:32: Nein, ich meine ganz ernst, also was wäre denn der Fortschritt?

00:08:36: Also ich unterstelle das jetzt keinem von den Dreien.

00:08:39: Aber nur um zu zeigen,

00:08:41: dass das Beispiel einfach nicht wahnsinnig viel austrägt.

00:08:44: Also wenn wir als Christin oder Christen sagen,

00:08:49: dass Homosexualität aus der Perspektive der Bibel ein Problem ist

00:08:55: und Gott, dass ein Gräuel ist, etc.,

00:08:58: dann ist es nicht dasselbe, wie wenn ich sage,

00:09:00: ich glaube, du könntest dein Klavierspiel verbessern.

00:09:03: Ja, ja, klar.

00:09:04: Weil der Unterschied ist,

00:09:06: dass ich damit sage,

00:09:09: weißt du, was du tust, kannst du verbessern.

00:09:12: Und im anderen Fall sage ich dir, du hast dich selbst missverstanden.

00:09:15: Ja, ja, ja.

00:09:17: Also ich hab auch das Gefühl,

00:09:18: dass das Gespräch sich an dem Punkt dann sehr schnell

00:09:22: von der ursprünglichen Fragestellung verabschiedet

00:09:25: oder von der ursprünglichen Problemstellung,

00:09:28: Christopher Street Day, fundamentalistische oder evangelikale Christen,

00:09:33: die sich zu einer Konferenz treffen,

00:09:36: zu einer ökumenischen Konferenz und so.

00:09:38: Das verabschiedet sich dann irgendwie relativ schnell.

00:09:41: Und ich glaub eben dieser Vergleichspunkt mit,

00:09:44: man sollte doch Kritik zulassen,

00:09:46: damit auch Veränderung und Verbesserung irgendwie möglich wird.

00:09:49: Man könnte das höchstens sagen,

00:09:51: von mir aus im Blick auf ein linksliberales Selbstverständnis

00:09:56: oder auf eine "voke" Kultur, wie Sie sie ja auch beschreiben,

00:10:00: dass man hier natürlich, dass hier Kritikfähigkeit auch wichtig wäre.

00:10:06: Wo genau?

00:10:08: Weil das ist für mich ganz entscheidend.

00:10:10: Wo wäre Kritikfähigkeit wichtig?

00:10:13: Ja, also ich weiß es ja nicht.

00:10:16: Nein, nein, nein, nein.

00:10:18: Die Grundunterschaft könnte mir darum,

00:10:20: ist die Kritikfähigkeit generell wichtig,

00:10:22: weil es jetzt darum geht, wie darf ich mich äußern

00:10:26: über die Eröffnung der Olympiade?

00:10:30: Also muss da kritikzulässig sein?

00:10:34: Natürlich muss da kritikzulässig sein, selbstverständlich.

00:10:37: Und Leute, die schlecht kritisieren,

00:10:40: offenbaren auch einiges über sich.

00:10:42: Das finde ich dann auch klar.

00:10:43: Oder geht es darum, dass man sagt,

00:10:45: nein, ich muss auch kritisieren können,

00:10:48: dass es Menschen gibt, die denken, dass sie homosexuell sind?

00:10:51: Das ist für mich gerade nicht ...

00:10:53: Sind das über zwei paar Schuhe, oder?

00:10:55: Ja, natürlich. Aber das meine ich jetzt gerade nicht.

00:10:58: Dass es quasi um das Queerenselbstverständnis geht,

00:11:01: dass man dann grundlegend in Frage stellt

00:11:03: oder von den Leuten erwartet,

00:11:05: dass man sie eben auch in ihrem Queerenselbstverständnis

00:11:09: grundsätzlich in ihrer Identität quasi hinterfragen

00:11:14: oder vereinen dürfen sollte.

00:11:17: Sondern es geht mir mehr um eine ...

00:11:19: vielleicht um eine Kultur und ein Habitus einer Gruppe,

00:11:23: um das Selbstverständnis einer ...

00:11:26: einer ...

00:11:27: Zum Beispiel die ...

00:11:30: Zum Beispiel ...

00:11:31: Also ich hab jetzt, zum Beispiel, Veranstaltungen vor Auge,

00:11:35: in denen irgendwie konservative Redner an einer Uni reden.

00:11:41: Und dann ohne, dass sie jetzt irgendwie provoziert

00:11:45: oder polemisiert hätten von ...

00:11:48: von ...

00:11:50: Angehörigen einer ...

00:11:52: Queerenscommunity niedergeschritten

00:11:55: oder beworfen werden mit Dingen und so weiter.

00:11:58: Also da könnte man sagen, ja, daran muss man ja Kritik üben können.

00:12:02: Man muss ja sagen können, hey, aber so kommt ja überhaupt kein ...

00:12:06: Diskurs und überhaupt keine ...

00:12:08: auch keine Annäherung zustande, auch kein Verständnis füreinander.

00:12:13: Wenn ihr alle nieder schreit, die mich von Anfang an

00:12:16: sich unter eure Voraussetzungen begeben oder so, weißt du,

00:12:21: da könnte man ja Kritikfähigkeit einfordern.

00:12:25: Ja, also ich würde vor allem mal Diskussionsbereitschaft einfordern.

00:12:29: Weil wir eigentlich sagen müssen, unsere Gesellschaft beruht insgesamt darauf,

00:12:33: dass wir bereit sind, miteinander Gründe auszutauschen

00:12:37: und zu streiten.

00:12:38: Jetzt ist aber genau das ein Einfallstor für einen Riesen-Missverständnis,

00:12:42: das Johannes Hartl hier auftut, wo ich wirklich nicht mitgehen kann.

00:12:46: Weil er dann eigentlich sagt, na ja, das Problem ist doch,

00:12:50: dass hier eigentlich eine Unfreiheit unter quasi woken Vorzeichen

00:12:55: eingeführt wird, indem sich nämlich jemand

00:12:59: reductionistisch so definiert, dass er sagt, na ja, ich bin halt Queer

00:13:04: oder ich bin halt schwul oder meine sexuelle Ausrichtung,

00:13:06: meine Geschlechtsidentität, ist das, was ich bin.

00:13:09: Ja, also ich reduziere mich auf das.

00:13:12: Ja, der Vergleich ist dann quasi wie ich bin Bayern Münchenfan

00:13:16: oder irgendwie sowas.

00:13:18: Und da würde ich sagen, nein, oder ein Christ kommt auch was.

00:13:21: Christ oder Grauhaarig oder so.

00:13:24: Da würde ich sagen, sorry, aber das trifft den Punkt nicht.

00:13:28: Weil erstens sind Bayern Münchenfans ganz grundsätzlich in der Gesellschaft,

00:13:33: wenn es um ihre Rechte geht, keine marginalisierte Gruppe

00:13:37: und Christen sind das grundsätzlich hier auch nicht.

00:13:40: Also das würde ich mal so festhalten und behaupten.

00:13:43: Und es ist auch nicht so, dass man als Christ, wie ich jetzt zum Beispiel

00:13:47: als Christ lebe, darauf reduziert wird, dass ich Christ bin.

00:13:52: Und ich Nachteile dadurch hätte in dieser liberalen Gesellschaft,

00:13:56: in der wir sind, auf das ich das Ganze hier beziehe.

00:13:59: Es ist aber sehr wohl so, dass ganz, ganz lange Zeit

00:14:03: queere Menschen darauf reduziert worden sind, dass sie queere Menschen sind.

00:14:07: Also es ist so, dass wir ein Medizinsystem haben,

00:14:10: das noch vor 35 Jahren Diagnosen ausgestellt hat,

00:14:13: dass die verrückt sind und die Therapie brauchen.

00:14:16: Und dann ist irgendwie unfair zu sagen, na ja, ihr macht einen Riesenfehler.

00:14:21: Ihr reduziert euch eigentlich auf etwas, worin ihr gar nicht aufgeht,

00:14:24: ihr seid doch mehr als das, also kommt jetzt mal.

00:14:27: Also es wäre etwa so, wie wenn du beim Frauenstreik hingesten sitzt,

00:14:31: hey, liebe Frauen, das ist ein Riesenselbst, Missverständnis.

00:14:35: Ihr reduziert euch hier gerade auf ein Geschlecht,

00:14:38: ihr seid doch wohl mehr als das.

00:14:39: Ja. - Das kannst du nicht machen,

00:14:42: aus der Position der Herrschaft heraus,

00:14:44: wo du quasi immer zum normalen Gehörst,

00:14:47: zum unhinterfragten Gehörst, zu dem, was nicht gechallengt wird.

00:14:51: Ja, ja. Also das ist mir auch sofort entgegengeschlagen,

00:14:54: dass ich gedacht habe, das ist eigentlich ein bisschen ein perfider Vorwurf,

00:14:59: wenn man jetzt queeren Menschen sagt,

00:15:02: dass sie sich reduzieren auf ihr Queer-Sign

00:15:04: und quasi dann am Christopher Street Day

00:15:07: ihre Identität zelebrieren und sich auf das reduzieren,

00:15:11: wenn man sie gesellschaftlich lange Zeit eben selber reduziert hat,

00:15:16: auf ihr Schwul-Sign, auf ihr Lesbisch-Sign, auf ihr Trans-Sign

00:15:20: und im Prinzip auch nicht mehr sehen konnte und sehen wollte,

00:15:24: was sie daneben oder in ihrem Queer-Sign drin,

00:15:29: alles auch noch sind, nämlich Söhne von Eltern

00:15:33: oder Töchter von Eltern, nämlich Grafierspieler,

00:15:38: Professorinnen, was auch immer.

00:15:41: Also ganz vieles, was sie in sich und in ihrer Identität auch vereinen.

00:15:46: Man hat sie ganz oft reduziert auf das

00:15:49: und auch entsprechend diskriminiert

00:15:51: und ihnen das dann zum Vorwurf machen,

00:15:54: wenn sie in Zuge einer Freiheits- und Emanzipationsgeschichte

00:15:58: endlich öffentlich dazu stehen

00:16:01: und sogar mit einem stolzen Selbstverständnis sagen,

00:16:06: yes, I, ich bin gay, ich bin trans, ich bin queer

00:16:11: und sich trauen, damit in aller Öffentlichkeit hervorzutreten,

00:16:15: ihnen dann vorzuwerfen, dass sie sich

00:16:18: illegitimerweise auf ihr Queer-Sign reduzieren.

00:16:21: Das finde ich auf dem Hintergrund der Diskriminierungsgeschichte,

00:16:27: die diese Menschen erfahren haben, ist es einfach ein perfider Vorwurf.

00:16:30: Auch wenn ich selbstverständlich sagen würde,

00:16:33: dass auch Queer-E-Menschen, genauso wie heterosexuelle Menschen,

00:16:39: sich nicht einfach auf ihr Queer-Sign

00:16:41: oder auf ihre Heterosexualität reduzieren lassen sollten

00:16:45: und sagen, das Einzige, ich sage das ja auch nicht von mir,

00:16:48: das Einzige, was ich finde.

00:16:50: Ich würde nur sagen, genau das tun Sie ja damit nicht,

00:16:53: sondern der eine Kulturtechnik zu sagen,

00:16:55: das, was uns quasi von außen wie eine Beschimpfung aufoktoriiert wurde.

00:17:00: Das nehmen wir jetzt an und setzen es performativ in etwas um,

00:17:05: was uns eine Identität und Stärke gibt.

00:17:08: Ja, ich sage.

00:17:09: Und das dann quasi auch selbst Missverständnis zu begreifen,

00:17:12: das finde ich schon ein bisschen gewagt.

00:17:14: Ja, und das schließt ja auch überhaupt nicht aus,

00:17:17: dass Teilnehmer am Christopher Street Day eine Woche später

00:17:20: in einer Gewerkschaftsdemonstration mit Laufen und Plakate hochhalten

00:17:26: für irgendwie einen höheren Minimallohn.

00:17:30: Und da sind nicht quasi Kraft ihres Queer-Signs,

00:17:34: sondern Kraft ihres Mensch-Signs und ihrer Gewerkschaft,

00:17:37: die viel schaffe ich.

00:17:38: Da war es bestimmt auch bei jenen München-Fans

00:17:40: und ganz bestimmt gab es da auch Christinnen und Christen.

00:17:43: Ja, und Grauhaarige, ja genau.

00:17:44: Also die Beispiele, die er da genannt hat.

00:17:47: Also da geht es, das geht nicht auf

00:17:50: und hat auch wirklich die Tendenz

00:17:53: einen wirklich unfairen oder illegitimen Vergleich auf.

00:17:58: Und das zeigt doch jetzt aber etwas, oder?

00:18:00: Also diese Kritik jetzt am woken,

00:18:02: was du einer Cancel Culture führen soll, was zu Unfreiheit wird.

00:18:06: Damit sind wir eigentlich mit dem Thema verbunden, oder?

00:18:10: Die läuft ständig Gefahr, nicht genau zuzuhören,

00:18:15: wenn Menschen sagen, das geht nicht.

00:18:18: Du übertrittst hier eine Grenze.

00:18:20: Ich kann nicht einfach sagen,

00:18:21: hey, Sprache darf auch verletzen.

00:18:23: Na ja, klar, Sprache darf auch verletzen.

00:18:25: Das gehört auch zu den Spielregeln.

00:18:27: Nur darf man sich dann auch wehren und sagen,

00:18:29: das, was du tust, verletzt.

00:18:31: Ohne dass da jemand schon gekanzelt wird.

00:18:34: Ohne dass man sagen muss,

00:18:35: oh, das ist jetzt aber unfair,

00:18:37: jetzt bist du plötzlich beleidigt.

00:18:38: Wie kommt das?

00:18:39: Und zwar deswegen, weil es wirklich was anderes ist,

00:18:43: ob ich mit dir drüber streite, ob dieses Automodell cooler ist

00:18:47: als dieses Automodell,

00:18:48: oder ob ich dir abspreche,

00:18:50: dass das eine vor Gott richtige Lebensform ist,

00:18:55: oder dass du mit einem Mann zusammenlebst.

00:18:57: Oder dir abspreche, das Recht hast,

00:19:00: ein Kind zu adoptieren als Schuler Mann.

00:19:02: Wie auch immer.

00:19:03: Das sind einfach zwei verschiedene Dinge.

00:19:06: Und der zweite Fall, würde ich sagen,

00:19:08: wenn ich aber nicht etwas kritisiere, was du tust,

00:19:12: sondern eigentlich etwas, was du bist,

00:19:14: das ist natürlich eine Form von Gewalt.

00:19:16: Weil ich mich ja zunächst mal fragen muss,

00:19:19: okay, also warum,

00:19:21: wer bin ich eigentlich, dass ich dir sagen darf,

00:19:24: dass dir das nicht dasteht und ich das falsch finde.

00:19:27: Ja, gut, aber ...

00:19:29: Ja, auch wenn ich sagen muss, an der Stelle,

00:19:32: da habe ich ja immer wieder Diskussionen gehabt,

00:19:34: meine Intuitionen, ich würde jetzt mal sagen,

00:19:37: in vielen Fällen sehr liberale Grundintuitionen,

00:19:41: also politisch liberale,

00:19:42: und da sind mir natürlich die Vertreter

00:19:44: der Meinungsäußerungsfreiheit durchaus nahe.

00:19:48: Also ich finde auch, es besteht kein Recht,

00:19:50: nicht beleidigt zu werden als Person.

00:19:54: Ja, aber das ist doch eine Diskussion, die es bei uns gar nicht gibt.

00:19:58: Du darfst ja Menschen beleidigen.

00:20:00: Als nur damit rechnen, dass sie sich wehren.

00:20:03: Genau. - Aber der Fall, also ...

00:20:05: Mach jetzt mal so, wenn du jetzt zum Spielplatz kommst,

00:20:08: und da sind zwei Männer mit einem Kind,

00:20:11: und du schaust dir die ganze Zeit Schreck an,

00:20:13: gehst da mal hin und sagst,

00:20:15: ich finde das totaler Frechheit, dass so was jetzt geht dir.

00:20:18: Ich muss ja einfach klarmachen, das war keine Kritik,

00:20:21: das war eine Beleidigung.

00:20:22: Und du würdest auch nicht zum dicken Mann hingehen und sagen,

00:20:25: haben Sie sich mal überlegt,

00:20:27: bei Ihrem Gesundheitszustand noch ein Kind zu zeigen?

00:20:30: Boah! Also ...

00:20:31: Und wenn du es tust, musst du damit rechnen, dass er sagt,

00:20:34: also, was sagen Sie, das ist doch unverschämt, was fällt Ihnen ein?

00:20:38: Wie kommen Sie dazu, sich zu mir um meinem Leben zu äußern?

00:20:41: Ja, zu Recht. - Das ist auch eine ...

00:20:43: Das ist eine soziale Unverschämtheit, es ist eine ...

00:20:46: Genau. - ... ein Mangel-Antakt-Gefühl

00:20:49: und ganz vieles mehr, wenn man das in so einer Situation sagt.

00:20:52: Ich sage jetzt mal, weißt du, die Diskussion taucht ja immer wieder

00:20:55: auf im Zusammenhang mit Comedien.

00:20:57: Und in den USA spitzt sich das teilweise zu,

00:21:00: dass ganz verschiedene Gruppierungen oder auch ...

00:21:03: auch marginalisierte Gruppen sich auflehnen

00:21:07: gegen bestimmte Comedien und sagen,

00:21:09: man sollte ihnen diese und diese Witze verbieten und so weiter.

00:21:13: Und da sind meine Intuitionen immer.

00:21:15: Also, ein Comedian hat grundsätzlich das Recht,

00:21:19: sich über alles und jeden lustig zu machen.

00:21:22: Natürlich kann man dann im Einzelfall sagen,

00:21:24: es gibt sicher auch niederträchtige Motive,

00:21:27: irgendwie auf einer Gruppe rumzuhacken oder so.

00:21:29: Aber ich finde jetzt, da würde ich mich für Meinungsfreiheit

00:21:35: stark machen und sagen, wenn du nicht beleidigt werden willst

00:21:39: von diesen Comedien, dann musst du dir sein Programm nicht angucken.

00:21:42: Also, da wäre ich jetzt ganz sicher nicht für eine Einschränkung.

00:21:46: Nee, da hab ich ein politischeres Verständnis.

00:21:48: Ich mach's mal ein Beispiel, das dir vielleicht näher ist.

00:21:52: Und ich mag den eigentlich total.

00:21:54: Aber ich find's zum Beispiel,

00:21:56: dass was Felix Lobrecht mit einem Programm gemacht hat,

00:21:59: wo er sich wirklich minutenlang

00:22:01: über behinderten Parkplätze lustig macht.

00:22:03: Ich find's nicht okay.

00:22:05: Und zwar nicht deswegen nicht, weil ich sage, es muss verboten sein.

00:22:08: Das ist überhaupt nicht mein Punkt.

00:22:10: Weil ich sage, ich kritisiere,

00:22:12: dass er in einer gesellschaftlichen Machtposition,

00:22:16: der sich befindet, so was tut.

00:22:18: Weil er etwas salonfähig macht,

00:22:21: was man auf dem Hintergrund der Geschichte des Landes,

00:22:24: in dem er lebt und der Kultur, die er mitzutragen

00:22:26: und mitzuprägen hat, eigentlich nicht tun sollte.

00:22:29: Und wenn doch, dann müsste gute Gründe dafür nennen.

00:22:32: Und es reicht nicht zu sagen, es ist nicht verboten.

00:22:35: Aber ich bin dafür, dass es diese negative Freiheit gibt,

00:22:40: dass er das tun darf.

00:22:42: Das bestreite ich nicht.

00:22:43: Ich will kein Gesetz dagegen.

00:22:45: Und trotzdem will ich sagen, ich find's aber scheiße,

00:22:48: hast du's gemacht.

00:22:49: Ja, okay, aber das finde ich eine wichtige Unterscheidung.

00:22:53: Und die Unterscheidung geht aber jetzt im amerikanischen Diskurs

00:22:57: immer wieder verloren.

00:22:59: Da will man ja wirklich dann,

00:23:01: fordert man von Netflix bestimmte Programme vom Netz zu nehmen

00:23:05: und ruft zu Boycotten gegen irgendwie Comedians auf,

00:23:09: weil sie sich über Transpersonen lustig gemacht haben.

00:23:12: Oder irgendwie so.

00:23:13: Ich find, zu sagen, das find ich geschmacklos.

00:23:16: Oder auch öffentlich zu sagen,

00:23:18: wenn einer sich frei fühlt, sich öffentlich über,

00:23:20: behinderte lustig zu machen, zu sagen,

00:23:22: das find ich aber nicht in Ordnung, nicht richtig.

00:23:25: Oder der hat Judenwitze gemacht oder was auch immer.

00:23:27: Das geht gar nicht.

00:23:29: Genau so frei, wie der sich fühlt, solche Witze zu erzählen,

00:23:32: muss man sich fühlen dürfen, ihm auch entgegenzutreten.

00:23:35: Genau.

00:23:36: Und es ist keine Cancell Culture ihm dann entgegenzutreten.

00:23:39: Nein, und es ist auch noch keine Cancell Culture zu sagen,

00:23:42: ich geh an einen solchen Anlass nicht.

00:23:45: Und ich schau mir solche Videos nicht an,

00:23:47: um dieser Person nicht unnötigreich weiterzugeben.

00:23:50: Aber es wäre ... - Es ist auch nicht Cancell Culture

00:23:52: vor dieser Veranstaltung zu demonstrieren

00:23:55: und zu zeigen, dass man es scheiße findet, dass der auftritt.

00:23:58: Es kommt aber, für mich kommt das dann drauf an,

00:24:01: welche Forderung sich damit verbindet.

00:24:03: Wenn sich die Forderung damit verbindet,

00:24:06: wenn man darauf aufmerksam machen will,

00:24:08: dass man sich hier zutiefst

00:24:11: verhöhnt ungerecht behandelt fühlt,

00:24:14: oder dass man findet, hier wird ungebührlich

00:24:18: eine Menschengruppe herabgesetzt.

00:24:20: Und man das demonstrativ zum Ausdruck bringt,

00:24:23: dann find ich okay, kann man machen, wenn man aber versucht,

00:24:27: Leute am Eintritt zu hindern

00:24:30: oder versucht, die Veranstaltung zu boykottieren,

00:24:32: wenn man sich in dieses Auditorium Zugriff verschafft

00:24:38: und dann die Referenten niederschreit und so,

00:24:41: dann find ich, das geht gegen mein Leben.

00:24:44: Das ist eine Meinung, dass man mit der Meinungsfreiheit

00:24:48: oder wenn man verlangt, mit politischen Mitteln

00:24:51: jemanden zum Schweigen zu bringen,

00:24:54: das geht mir zu weit.

00:24:58: Ich glaube, der entscheidende Punkt ist,

00:25:01: dass wir relativ gelassen sein können,

00:25:04: wenn es um eine Bedrohung der Freiheit geht

00:25:07: durch "voke" Tendenzen,

00:25:09: mindestens hier in der Schweiz und Deutschland,

00:25:12: und ein bisschen genauer verstehen sollten,

00:25:15: was meine Menschen, wenn sie uns sagen,

00:25:18: dass sie etwas verletzt, dass sie etwas als Gewalt erfahren.

00:25:21: Und wir uns nicht einfach im Lehnsessel zurücklehnen können

00:25:25: und sagen, na ja, war ja aber erlaubt, oder?

00:25:28: Dürfte er ja sagen.

00:25:30: Das ist mir zu billig.

00:25:32: Ja, aber ich finde, ein guter Punkt,

00:25:35: aber das kommt sehr auf die Rolle an, die man dann einnimmt.

00:25:38: Wenn man die Rolle als Bürger und sagt, gut, außer verboten,

00:25:41: dann war es nicht, ja, okay, gut, kann man machen,

00:25:44: sind ganz viele andere Dinge nicht verboten,

00:25:47: die irgendwie der gute Geschmack, der Anstand,

00:25:50: die Menschenliebe eigentlich nicht zulassen.

00:25:53: Wenn man jetzt als Christin oder Christ

00:25:56: in der Rolle argumentiert,

00:25:58: dann kann man ja nicht ernsthaft sagen,

00:26:01: dass dich das jetzt tief verletzt hat, ist mir scheißegal.

00:26:05: Ja, das sagen ganz viele Christen

00:26:08: gegenüber queeren Menschen ständig.

00:26:10: Ich weiß, aber ich meine, das muss man ja dann irgendwann auch ernst nehmen.

00:26:15: Und damit muss man umgehen.

00:26:17: Und was ich jetzt, jetzt muss ich aber eben doch ...

00:26:20: Jetzt muss ich doch die Parallele noch aufziehen,

00:26:23: weil ich find's witzig, dass Johannes Hartl in diesem Gespräch ...

00:26:26: Dann an einer Stelle sagt, er wäre auch total gegen Blass für Miegesetze,

00:26:30: die irgendwie da die Verhöhnung oder Sport von Religion verbieten und so.

00:26:35: Da ist er ganz auf Seiten der Meinungsfreiheit

00:26:38: und richtet sich auch gegen diese Empörungskultur

00:26:42: und macht deutlich, keiner hat das Recht darauf, nicht beleidigt zu werden.

00:26:46: Aber im Zuge der unsäglichen Aufregung,

00:26:51: um die Olympia-Eröffnungsfeier,

00:26:54: in der angeblich die Abendmal-Szene Jesu mit seinen Jüngern

00:27:00: verhöhnt und verspottet wurde,

00:27:02: was nach wie vor meines Wissens eigentlich strittig ist,

00:27:05: weil der künstrische Direktor sagt,

00:27:07: er hätte sich gar nicht direkt darauf bezogen.

00:27:10: Aber selbst wenn das Abendmal in irgendeiner Weise im Blick war,

00:27:15: an dieser Stelle, muss man sagen,

00:27:17: ja, da haben aber jetzt ganz viele Christinnen und Christen

00:27:22: aus dem hochreligiös-konservative, v.a. likalen Lager,

00:27:26: die sonst mit Pauken und Trompeten für die Meinungsfreiheit einstehen,

00:27:32: dann doch massiv Einspruch erhoben, Beukottaufrufe gemacht,

00:27:37: Unterschriften gesammelt, sich auf sozialen Medien kundgetan.

00:27:42: Das ist eine Schweinerei, das stattfindet,

00:27:44: das sollte man verbieten, weiß nicht was.

00:27:46: Also irgendwie habe ich das Gefühl,

00:27:49: da ist eine gewisse Inkongruenz dann vorhanden.

00:27:53: Johannes Hartl hat sich ja auch in einem Video dazu geäußert.

00:27:58: Auch wenn ich sagen muss, im Video hat er auch die Empörungskultur

00:28:01: unter Christen, hat er auch angesprochen.

00:28:03: Da hat sich nicht für ein Verbot von sowas eingesetzt.

00:28:06: Aber nicht für Plastomieverbot, das muss man auch sagen.

00:28:09: Muss man sagen, genau.

00:28:10: Aber es ist eine gewisse Spannung, die ich feststelle

00:28:15: auf meinem Facebook-Feed, auch auf dem wieder mal

00:28:19: wirklich die Kacke auf Augenhöhe flog,

00:28:22: nachdem ich auch noch einen Artikel

00:28:24: zur Olympia-Eröffnungsfeier geschrieben habe.

00:28:27: Aber es ist eine gewisse Spannung zwischen Vertretern,

00:28:31: konservativen Vertretern der ziemlich kompromisslosen Meinungsfreiheit,

00:28:35: die dann anderen Leuten, gerade der woken Community,

00:28:40: schnell einmal Snowflake-ness und Überempfindlichkeit

00:28:45: und Übersensibilität.

00:28:47: Und ja, wenn man dafür heute nichts mehr sagen und so.

00:28:50: Und dieselben Leute, die sich für die Meinungsfreiheit so einsetzen,

00:28:56: sind dann unfassbar getrickert und empfindlich,

00:28:59: wenn vermeintlich eine Abendmarszene verhöhnt wird.

00:29:05: Und das ist jetzt die Stärke.

00:29:07: Also, ich übernehme jetzt das "Wording",

00:29:10: dero, die sie aufgeregt haben,

00:29:12: weil selbst wenn sich die Inszenierung aufs Abendmahl bezogen hat,

00:29:16: eine explizite, unmittelbare Verhöhnung,

00:29:20: das Abendmahl war die Szene, wenn es eine Abendmarszene war,

00:29:24: war bestückt mit queer Menschen,

00:29:26: die für manchen Geschmack etwas zu leicht begleitet waren.

00:29:31: Aber es ist ja nicht so, dass irgendwie verbal jetzt

00:29:35: Christus verhöhnt worden wäre,

00:29:37: oder die das Abendmahl lächerlich gemacht worden wäre, oder so.

00:29:42: Aber eben.

00:29:43: Es sind ja nicht zwei verschiedene Fragen.

00:29:46: Ist das eine Abendmarszene?

00:29:47: Nein, darüber müssen wir gar nicht streiten.

00:29:50: Ich finde, wer das so sehen will, darf das so sehen.

00:29:53: Was ich aber wirklich skandalös finde,

00:29:55: ist, dass man völlig ungefiltert davon spricht,

00:29:59: dass das eine Parodie auf das Abendmahl gewesen sei,

00:30:02: dass das eine Verhöhung des Abendmahls gewesen sei.

00:30:05: Ich frage mich, warum denn?

00:30:06: Also, wo war die Verhöhung? Wo war die Parodie?

00:30:09: Das müsste man ja erst mal erklären.

00:30:12: Aber das wird einfach in der Empörungskultur

00:30:16: selbstverständlich vorausgesetzt, dass es so ist.

00:30:18: Ja, ich glaube, die Leute haben sich gestoßen

00:30:21: an einem unverkennbar ironischen Unterton der Inszenierung.

00:30:25: Also, da ist quasi ein nackter Schlumpf in der Mitte da,

00:30:29: ein blau bemalter Dionysus oder so.

00:30:33: Das Problem war doch, wenn wir jetzt ganz ehrlich sind,

00:30:36: das Problem, das doch ganz viele damit hatten,

00:30:39: ist, dass dort eine Person war, die als Frau gelesen wird

00:30:42: und die dick ist.

00:30:45: Es gibt nichts auf der ganzen Welt,

00:30:48: was mehr provoziert als dicke Frauen.

00:30:51: Nein, wirklich.

00:30:53: Findest du, ja? - Ja, natürlich.

00:30:55: Es gibt doch nirgendwo so viel Hass im Internet,

00:31:00: wie gegenüber Frauen, die korpulent sind und sich zeigen.

00:31:05: Mhm.

00:31:06: Ja, außer wenn die Korpulenten ...

00:31:08: Und sie werden ständig darauf reduziert,

00:31:10: dass sie korpulent sind.

00:31:12: Gut, aber richtig, wenn die korpulenten Frauen abnehmen

00:31:15: und wie Adele oder die anderen Schauspielerinnen ...

00:31:18: Aber auf jeden Fall ist das immer das Thema.

00:31:21: Und das, was jetzt quasi passiert ist,

00:31:23: die müssen nicht mehr begründen, warum das blasphemisch ist.

00:31:28: Warum das ...

00:31:29: Sondern die können nur noch sagen, ich bin im Pörd,

00:31:31: schacke es, es ist ganz furchtbar, ihr habt meine Religion

00:31:35: durch den Dreck gezogen.

00:31:36: Ich denke so wirklich, weil da Travestiekünstler etwas aufführen,

00:31:42: was du als Abend mal liest,

00:31:44: na ja, gut, dann musst du ja aber erst mal klar sein,

00:31:47: dass du als Westeuropäischer Christ in einer solchen Situation

00:31:52: aus einer wahnsinnig privilegierten Position heraus sprichst.

00:31:56: Und sonst mal ganz gut überlegen, ob das dieselbe Situation ist,

00:32:00: wie jene, die dafür kritisiert werden,

00:32:04: dass sie sich am Christ of a Street Day zeigen.

00:32:06: Ja.

00:32:07: Das ist so eine christliche Überempfindlichkeit,

00:32:10: die ich wirklich abstoßend finde.

00:32:12: Ja, ja, das ist mir auch so gegangen.

00:32:15: Und hab ich auch schwierig gefunden,

00:32:18: eben auf dem Hintergrund der Tatsache,

00:32:20: dass das Christentum, die zentrale Figur des Christentums

00:32:25: ja selber verhöhnt und verlacht und verspottet wurde

00:32:29: und sich nicht mit Protesten und Beukott aufrufen dagegen gewährt hat,

00:32:34: sondern, sondern, sondern das in einer Art und Weise ertragen hat,

00:32:40: die dann den Spöttern auch den Wind aus den Segeln genommen hat.

00:32:43: Spätestens in der Auferstehung Jesu natürlich.

00:32:45: Aber eben, also ...

00:32:47: Machen wir mal, lass uns mal weitergehen,

00:32:49: die Zeit läuft schon wieder wie verrückt.

00:32:51: Und ich ...

00:32:53: Wir müssen jetzt auf die Frage kommen,

00:32:56: na ja, was machen die jetzt mit Freiheit?

00:32:59: Und, und da kommt jetzt die starke Idee auf,

00:33:03: dass wir ... na ja, die Idee,

00:33:06: die eigentlich durch die ganze Podcast-Serie trägt

00:33:09: von Glaubengesellschaft,

00:33:10: das ist ein Missverhältnis,

00:33:12: es gibt zwischen negativer Freiheit und positiver Freiheit.

00:33:15: Ja.

00:33:16: Und wir unbedingt eine Idee des Guten und Waren brauchen.

00:33:20: Eine starke Idee des Guten und Waren.

00:33:23: Und da gibt es dann verschiedene Beispiele, an denen sich das festmacht.

00:33:27: Ich glaube, ein Beispiel, das sehr leicht zu diskutieren ist, ist das mit der Kinder-Erzieher.

00:33:32: Also Johannes Hartl sagt dann, das ist doch eigentlich seltsam, dass wir so tun, als hätten

00:33:37: wir kein Wissen mehr darum, was das Gute und was das Ware ist, was unsere Wärze sind.

00:33:43: Aber trotzdem erziehen wir ja Kinder.

00:33:45: Also wie soll das gehen?

00:33:46: Das ist doch schräg.

00:33:48: Also wie soll man Kinder erziehen, ohne eine normative Vorgabe dessen, was man für

00:33:54: gut und lebenswert und richtig erachtet?

00:33:57: Ja.

00:33:58: Ich glaube, das überzeugt dich, oder?

00:34:01: Nicht ganz, oder ich hätte da ganz viele Rückfragen gehabt.

00:34:05: Weil was mir natürlich ein bisschen schräg reinkommt, wäre die Idee, dass die Eltern

00:34:14: ganz genau wissen, was gut und richtig ist, nicht nur für ihr Leben, sondern auch für

00:34:20: das Leben ihrer Kinder und sie dann in einer alternativlosen Weise auf, erzieherisch auf

00:34:29: eine solche Spur setzen.

00:34:31: Das finde ich, das fände ich schwierig.

00:34:33: Und es kommt für mich ein bisschen darauf an, ob man das Gute und das Ware und das

00:34:38: Richtige, ob man das eher formal fasst oder inhaltlich.

00:34:43: Also ob man sagt, das für mich zum Beispiel ist, und man sagt ja das Gute, das ist für

00:34:48: mich, dass Kinder sich selbst als geliebte Menschen, als von Gott und von ihren Eltern

00:34:55: geliebte Menschen erfahren und dadurch auch befreit und befähigt werden, irgendwie sich

00:35:01: selbst zu entdecken, etwas zu wagen, auch Niederlagen einzustecken, lernen aus ihren

00:35:09: Erfahrungen und so weiter.

00:35:10: Und das möchte ich vor allem vorleben, weil mit dem Sagen und keine Ahnung hinter die

00:35:18: Ohren schreiben, klappt das sowieso eigentlich nicht.

00:35:22: Aber das möchte ich vorleben.

00:35:23: Ja oder ob es wirklich um inhaltliche Vorgaben gibt im Sinne von, das ist, dass eine Familien

00:35:33: und Beziehungsverständnis das lebensförderlich und richtig ist für dich und das ist der

00:35:40: eine, also weißt du was ich meine, wenn man das zu sehr inhaltlich auffüllt und festzurt,

00:35:48: dann wird es mir ein bisschen unbehaaglich.

00:35:50: Ja, ich glaube, ich habe ein bisschen gestaunt über diese Stelle, weil wir müssen es ein

00:35:56: bisschen platonisch vorgekommen ehrlich gesagt.

00:35:59: Also zuerst mal brauchen wir einen geklärten Begriff vom Guten und Waren und Schönen

00:36:05: und erst dann wissen wir was wir unseren Kinder weitergeben sollen.

00:36:08: Ich sage nein, ich glaube nicht.

00:36:10: Also Jesus selbst wusste nicht was das Gute ist, oder?

00:36:14: Er hat sich gegen diese Beschreibung gewährt, hat gesagt, gut ist nur einer, das ist der

00:36:18: Vater im Himmel.

00:36:19: Er hat gewusst, wer gut ist, aber nicht was.

00:36:22: Ja, weil nicht was, oder?

00:36:23: Und das ist doch eine Bescheidenheit, die uns eigentlich ganz gut arde stehe.

00:36:27: Aber das, was wir doch tun, wenn wir über Erziehung nachdenken oder wenn wir meistens,

00:36:34: meistens stehen wir ja nicht am Morgen auf und denken, so jetzt erziehe ich mal meine

00:36:38: Kinder eine halbe Stunde, sondern das ist ja ein Zusammenleben, in dem wir wahrscheinlich

00:36:46: ohne das Wesen wollen, aber sogar wenn wir es ganz bewusst wollen, das weitergeben,

00:36:50: was für uns wertvoll ist.

00:36:51: Und es ist ja nicht so, dass ich zunächst den Begriff des Guten, des Waren, des Schönen

00:36:58: brauche, also jetzt immer im Singular kann, damit ich sagen kann, hey Theo Schaumer, ist

00:37:04: das nicht ein wunderschöner Bergsee?

00:37:06: Hey, wie gefällt dir dieser Karavaggio?

00:37:09: Sprich dich das auch an oder sowas?

00:37:11: Also das kann ich ja alles tun, ohne dass ich eine innere Ordnung haben muss von schönem.

00:37:17: Ich kann ja mit meinem Kind zusammen die Welten decken.

00:37:21: Und meistens läuft es ja gerade so, dass es nicht so ist, dass ich mein Kind auf das

00:37:27: Ware und auf das schöne Stoße, sondern genau umgekehrt.

00:37:31: Weil mein Kind etwas sieht, was ich nicht sehe oder was ich verlernt habe zu erkennen.

00:37:36: Ja.

00:37:37: Also deswegen, da wäre ich sehr skeptisch und dann hat wieder so diese Idee ja, totale

00:37:43: Orientierungslosigkeit, YouTube erzieht dann quasi die Kinder.

00:37:47: Also sowas, das halte ich für wirklich kompletten Irrsinn.

00:37:52: Weil ich glaube, wir leben in der Zeit, in der Eltern so viel darüber nachdenken, was

00:38:00: für ihre Kinder gut ist und was sie alles tun und was sie alles lassen sollen, wie wahrscheinlich

00:38:05: noch nie in der ganzen Menschheitsgeschichte.

00:38:07: Ich glaube nicht, dass Maria, also Jesus Mutter, sich nur halb so viele Gedanken über ihren

00:38:13: Sohn gemacht hat wie du über deinen.

00:38:16: Das glaube ich nicht.

00:38:17: Ja, man könnte natürlich jetzt auch die These stark machen.

00:38:21: Wir haben ja in dieser Staffel über die Weltbestseller oder die deutschsprachigen Bestseller haben

00:38:27: ja auch mindestens ein Erziehungsbuch besprochen und haben da schon festgestellt, dass eigentlich

00:38:33: die Anzahl der Erziehungsbücher und die Anzahl Menschen, die Erziehungsbücher lesen, wahrscheinlich

00:38:40: exponentiell angestiegen ist in den letzten Jahren, dass unsere Eltern.

00:38:44: Ich glaube, meine Mutter hat, ich weiß noch, die hat ein Erziehungsbuch gelesen, wo es

00:38:49: um Teenager ging, weil sie wahrscheinlich gemerkt hat, jetzt wird es bei mir langsam

00:38:53: schwierig.

00:38:54: Aber sonst glaube ich nicht, dass meine Eltern Erziehungsbücher gelesen haben, meine Großeltern

00:38:59: ganz sicher nicht.

00:39:00: Aber da könnte man natürlich sagen, das ist ein Indiz dafür, dass natürlich die Orientierungslosigkeit

00:39:06: zunimmt, dass die Leute nicht mehr wissen auf Erziehung und so, als Eltern irgendwie

00:39:11: denken, keine Ahnung und so, irgendwie das Feld ist offen und wir wissen nicht, wohin

00:39:16: wir steuern sollen und deshalb verkaufen sich diese Bücher so regel.

00:39:20: Tatsache ist ja, dass wir eigentlich erst seit der modernen Begriff von Kindheit haben.

00:39:25: Ja.

00:39:26: Wir haben ja vorhin überhaupt keine Idee von Kindheit, das sind ja einfach kleine Dume

00:39:31: Erwachsene, die arbeiten sollen.

00:39:33: Ja.

00:39:34: Und leider noch nicht genug Kraft.

00:39:36: Ja, genau.

00:39:37: Und dann kommt ja sowas auf wie Pädagogik und das haben wir ja durchaus schon im 19.

00:39:43: Jahrhundert, ne, auseinandersetzung mit Pädagogik und es gibt auch eine erste Reformpädagogik,

00:39:48: die da aufkommt.

00:39:49: Also Schleiermacher zum Beispiel, der hat an einer reformpädagogischen Schule gearbeitet.

00:39:54: Also es ist ja jetzt sich was komplett Neues, dass man über so was nachdenken ist.

00:39:58: Und das, was doch jetzt passiert ist, dass wir empathisch und reflexiv sind und uns

00:40:06: fragen, was hat eigentlich mich selbst geprägt in meinem Aufwachsen, was davon hat funktioniert,

00:40:12: was möchte ich lieber nicht weitergeben.

00:40:14: Aber das ist gerade das Gegenteil von Orientierungslosigkeit, wenn ich, ist eine sehr gesteigerte

00:40:20: Achtsamkeit und eigentlich ein liebevolles Sich-Selbst und dann demnächst zuwenden.

00:40:27: Also gerade keine Lücke, nichts, was fehlt.

00:40:31: Ja, ja.

00:40:32: Und vielleicht bringe ich auch für das, könnte ich jetzt auch selbst kritisch sagen, für

00:40:38: das, was Johannes hier stark macht, eben das Gute und das Ware und das Schöne seinen

00:40:44: Kindern weitergeben.

00:40:45: Vielleicht bringe ich viel zu viel Unsicherheit mit im Blick auf diese Themen.

00:40:49: Ich weiß ja selber noch nicht mal für mein Leben immer, was jetzt genau das Gute und

00:40:53: das Richtige und das Ware und das Schöne ist.

00:40:56: Und bin hier auf einem Entdeckungsweg, der mich doch auch in ganz verschiedene Richtungen

00:41:02: geführt hat, die letzten Jahre und so.

00:41:04: Also im Blick auf Leben und Glauben und so weiter.

00:41:07: Also ich habe jetzt nicht das Gefühl, ich hätte komplett den Kompass verloren, aber

00:41:11: so diese Selbstgewissheit, dass in mir irgendwie sich eine ganz klare Idee verfestigt hat, dessen,

00:41:18: was Gute und Richtige und Schöne und so ist.

00:41:21: Ich bin da ja selber unterwegs und ich würde eigentlich gerne irgendwie in einer Art und

00:41:26: Weise mit meiner Familie leben und meine Kinder aufziehen, dass sie vielleicht selber auch

00:41:35: lernen, mit diesen Fragen unterwegs zu sein und ihre Antworten zu finden.

00:41:40: Ob das dann dieselben sind, wie die Vorläufigen, die ich finde, weiß ich gar nicht.

00:41:45: Ich meine, mir fehlt doch, mir fehlt dieses Selbstverständnis, dass das, mir fehlt dieses

00:41:50: Selbstverständnis.

00:41:51: Du bist nicht der Part, ich hatte Familie aus der jetzt den Wertekatalog vorgeben muss.

00:41:55: Ich weiß, was Gute und Richtige ist und das gebe ich jetzt meinen Kindern mit dem Brustton

00:42:01: der Überzeugung weiter.

00:42:03: Ach, da hat sich so viel zu vieles in meinem Leben verändert, die letzten Jahre, um diese

00:42:10: Sicherheit überhaupt noch auf.

00:42:11: Die Frage ist, ob das jetzt wirklich rein biografisch ist, weil es so auf dein Leben

00:42:14: bezogen oder ob es nicht so ist, dass etwas vom Wichtigsten, was Menschen heute lernen

00:42:19: müssen, ist mit Ambivalenzen und Unsicherheiten klarzukommen, ohne sie aufzulösen.

00:42:25: Wir leben ja in einer Zeit, in der wir immer mehres zugleich wollen, was sich irgendwie

00:42:31: ausschließt oder bedingt.

00:42:32: Und das ist Komplexität, damit klarzukommen.

00:42:36: Und ich sage jetzt mal ein primitives Schema, Neig dazu, das einfach aufzulösen.

00:42:42: Also quasi in einem Akt der Entscheidung zu sagen, okay, dann Türe, ach!

00:42:47: Ja.

00:42:48: Und vielleicht brauchen wir eher, ja, ich weiß gar nicht, ob das dann noch Erziehung

00:42:53: ist, aber vielleicht brauchen wir eher ein Zusammenleben in Familien, wo wir lernen, dass wir auch

00:42:57: vor den Türen ABC eine Picknickdecke auslegen können und das mal ganz gut aushalten, etwas

00:43:03: nicht entscheiden, nicht wissen zu können.

00:43:05: Ja.

00:43:06: Oder gute, gesunde Intuitionen einfach.

00:43:09: Das ist mir fast wichtiger irgendwie gute Intuitionen selber zu gewinnen und auch vielleicht

00:43:17: auch zu vermitteln den Kindern.

00:43:20: Also ich erinnere mich jetzt gerade, wenn wir ja bei diesem YouTube und TikTok Beispiel

00:43:24: sind, das Johannes auch erwähnt hat.

00:43:27: Ich erinnere mich, dass gestern Abend unsere Tochter zu mir gekommen ist und gesagt hat,

00:43:34: ja jetzt sind ja dann die Sommerferien vorbei und in den Sommerferien hast du ja quasi die

00:43:40: Beschränkung auf YouTube, hast du ja aufgehoben.

00:43:44: Wir haben ja diese Familienfreigabe und so und dann habe ich quasi die Nutzungsbeschränkung,

00:43:50: was die Zeit betrifft.

00:43:51: Da ist das Zeitlimit aufgehoben bei unserer Tochter, weil ich gesagt habe, wenn du in

00:43:55: den Ferien bist und so und Videos guckst, dann will ich dir jetzt nicht dieselben Grenzen

00:44:02: auferlegen wie in der Schulzeit.

00:44:04: Und dann hat sie, ist sie gekommen, hat gesagt, jetzt wären dann die Ferien vorbei und sie

00:44:08: wäre sehr froh, wenn ich ihr dieses Zeitlimit wieder einrichten könnte, weil jetzt die

00:44:13: Sekundarschule anfängt und sie froh wäre, wenn sie sich nicht verläuft auf diesen

00:44:20: Medien und dann so viel Zeit totschlägen quasi.

00:44:23: Und das fand ich eigentlich noch geil, dass sie zu mir kommt und mich bittet, weil ich

00:44:29: hätte es wahrscheinlich sogar echt vergessen, ich habe es nicht mehr auf dem Schirm gehabt,

00:44:34: aber dass sie mich bittet, dieses Zeitlimit wieder einzurichten, weil sie die Befürchtung

00:44:39: hat, dass sie sonst zu viel Zeit verdötelt auf YouTube.

00:44:43: Und das hat mich auch ein bisschen stolz gemacht auf die Tochter, aber da habe ich auch das

00:44:48: Gefühl, das sind irgendwie vielleicht gesunde Intuitionen bei ihr herangewachsen.

00:44:53: Wenn man das Gegenbeispiel nehmen will und sagen, du kriegst das so in den Griff, dass

00:45:01: du immer einen Zeitbraun hast, um ganz sicher sein kannst, dass es nicht länger geht als

00:45:05: so und so, irgendwann ist die Freiheit aber da.

00:45:08: Also die negative Freiheit wird irgendwann da sein.

00:45:10: Und wenn sie nicht gelernt hat, bis dahin positive Bilder zu entwickeln von dem, was sie mit

00:45:17: ihrer Freizeit tun will, dann brechen dann die Dämme.

00:45:20: Man, es gibt ein Bild, das in diesem Podcast diskutiert worden ist, das mir eigentlich

00:45:25: gefällt.

00:45:26: Und zwar ist es ja so diese Idee, dass man sich immer alle Optionen offen halten soll.

00:45:33: Das hat schon ein bisschen Wasser, in der Gegenwart ist es eine wichtige, ich habe immer alle Optionen

00:45:38: offen, ich lege mich mal noch nicht fest.

00:45:40: Und da bringt Johannes das Beispiel, dass quasi du fährst halt ständig im Kreisverkehr.

00:45:46: Ah ja.

00:45:47: Das ist eigentlich nicht wirklich Freiheit.

00:45:50: Vielleicht fühlt es sich für dich so an, aber du wirst freier, wenn du nach Ausfahrten

00:45:54: nimmst.

00:45:55: Ja.

00:45:56: Und ich finde, das ist ein gutes Bild.

00:45:57: Mein Punkt ist, dass ich da wirklich mitgehen würde, halt ohne jetzt zu behaupten, dass

00:46:03: ich dafür ein Navi brauche.

00:46:04: Weißt du, also ich würde sagen, wenn ich eine starke Idee des guten Warn schön habe, etc.,

00:46:11: im Singular, dann wäre das so ein bisschen wie ein Navi.

00:46:15: Und da muss ich einfach meinem Navi hinterher und die Ausfahrt wählen, die angezeigt wird.

00:46:21: Und ich frage mich manchmal, ob das wirklich der Fall ist oder ob es nicht oft im Leben

00:46:27: so läuft, dass ich eine Ausfahrt gewählt habe im Kreisverkehr und das erst mal als Erleichterung

00:46:33: empfinde, dass ich etwas entschieden habe und sich dann Freiheit realisiert, indem da

00:46:40: etwas wieder auf mich zukommt.

00:46:42: Also ich meine, stell dir mal vor, man kann ja solche Mind Games machen.

00:46:46: Viele Dinge hängen ja an kleinen Entscheidungen, die tausend Sachen nach sich ziehen.

00:46:51: Also hätte ich mich damals im Vekariat entschieden, das Vekariat zu Ende zu machen und nicht Assistent

00:46:56: in Bern zu werden, dann wäre ich heute mit großer, großer Sicherheit nicht mit der

00:47:02: Frau zusammen mit der ich zusammen bin.

00:47:03: Wir hätten nicht die Kinder, die wir haben, wir würden nicht da wohnen, wo wir wohnen.

00:47:07: Also es wären ich Sachen, also ich hätte mir die Stellenanzeige nicht auf den Tisch

00:47:12: gelegt, der Kirche in Zürich.

00:47:15: Deswegen hätte ich dich zum Beispiel nicht eingeladen an die Veranstaltung, wir hätten

00:47:19: uns nicht kennengelernt, wir hätten keine Schwerbflöcke.

00:47:21: Es sind ja Kaskaden an Abzweigungen, die da hintereinander hängen.

00:47:27: Und das, was ich doch jetzt tun kann, ist nicht mich zu fragen, na bin ich damals wirklich

00:47:32: richtig abgebogen, das ist ja eine total kindische Frage.

00:47:35: Sondern ich kann doch eher darauf zurückschauen und sagen, wow, das hat ja ganz schön viel

00:47:42: in Gang gesetzt.

00:47:43: Was ich da an die Arbeit habe.

00:47:45: Ja, und was meinst du jetzt damit im Blick auf die Freiheit, dass man manchmal eine Entscheidung

00:47:53: trifft oder eine Abzweigung, eine Ausfahrt nimmt, vielleicht ohnevöllige Sicherheit, dass

00:47:58: das jetzt genau das Richtige ist und man sich da optimal selbst verwirklicht und dann aber

00:48:03: einfach eigentlich miterlebt, was daraus wird.

00:48:07: Ich glaube halt, dass wenn ich jetzt anders entschieden hätte, dann würde ich das heute

00:48:13: wahrscheinlich auch nicht bedauern, aber ich wäre halt ein anderer, also ich bin.

00:48:17: Ja, ja, ja.

00:48:18: Und das ist der Punkt.

00:48:19: Und deswegen ist die Frage wahnsinnig fiktiv.

00:48:23: Also wäre ich als dieser andere glücklicher, als ich jetzt bin zum Beispiel, wäre es sinnvoller

00:48:29: gewesen, diese andere Option zu ergreifen.

00:48:32: Die stellt sich nur demjenigen, der das dort zu entscheiden hatte, aber die stellt sich

00:48:37: mir heute nicht mehr, weil ich bin ja einer geworden, der ich damals nicht war und ich

00:48:41: wäre ein anderer heute, hätte ich anders entschieden.

00:48:44: Ja, ja.

00:48:45: Und ich glaube, da habe ich das Problem so mit diesen ontologischen Ideen, weißt du,

00:48:50: von Person oder vom Guten oder vom Waren, dass ich sagen würde, na ja, das ist ja nicht

00:48:57: so, dass es das Gute gibt und meine Personen und beides sind feststehende Dinge.

00:49:01: Und die müssten jetzt irgendwie gefittet werden, dass das passt.

00:49:05: Ja.

00:49:06: Dann ist es ja eigentlich so, dass ich wahres Schönes und Gutes entdecke, wenn ich die Ausfahrt

00:49:13: links nehme oder wenn ich die Ausfahrt rechts nehme.

00:49:15: Ja.

00:49:16: Und das ist doch irgendwo etwas, wo ich sagen würde, da realisiert sich tatsächlich jetzt

00:49:20: für mich persönlich christliche Freiheit, dass ich sagen kann, du, eigentlich egal,

00:49:24: ob ich es für Karriere jetzt abbreche und diesen Weg gehe oder ob ich es für Karriere

00:49:28: durchziehe und den anderen Weg gehe, ich glaube, dass ich auf keinem Weg irgendwie der Sinnlosigkeit,

00:49:35: der Gottlosigkeit, wenn man so will, der Beziehungslosigkeit ausgeliefert bin, sondern ich bin wirklich

00:49:42: in vollem Sinn frei beides zu tun.

00:49:45: Ja.

00:49:46: Also auf beiden Wegen bin ich nicht allein.

00:49:47: Ja.

00:49:48: Ja.

00:49:49: Aber man könnte natürlich dann schon auch sagen, auf diesen Wegen, um wieder diesen

00:49:55: Begriff der Erschließungserfahrung oder des Wiederfahrens zu gebrauchen, auf diesen

00:50:01: Wegen, erschließen sich uns bestimmte Dinge als schön und als gut und als richtig.

00:50:06: Und man könnte natürlich dann schon sagen, auf dieser Grundlage prägt man dann zum

00:50:11: Beispiel auch seine Kinder.

00:50:13: Also es kann ja sein, ah, mal schauen, mir ein halbwegs vernünftiges Beispiel einfällt.

00:50:18: Also man könnte sagen, zum Beispiel ein Mensch erlebt in seinem Leben, in den Entscheidungen,

00:50:25: der hier fällt, dass es sich für ihn bewährt hat, durch taffe Zeiten durchzustehen und

00:50:34: nicht aufzugeben und an einer Entscheidung dran zu bleiben und quasi auch die Täler

00:50:40: zu durchschreiten und so.

00:50:42: Dann könnte es sein, dass das zu einem ganz, ganz entscheidenden Lebenswert für diese

00:50:48: Person wird und dass man seine Kinder dann auch entsprechend zu erzielen versucht, im

00:50:53: Sinne von, wenn du ja sagst dazu, dann musst du das auch durchziehen und dann musst du

00:50:58: dazu stehen und wenn es dann schwierig wird mit Klavierspielen oder mit Geige spielen

00:51:03: oder mit dem Kunsthohenunterricht oder mit dem Mathematikstudium oder was auch immer,

00:51:08: dann wird hier nicht abgebrochen und herumgedüttelt, sondern dann ziehst du das durch, das hat

00:51:12: sich bei mir auch immer bewährt.

00:51:14: So, weißt du, was ich meine?

00:51:15: Und vielleicht könnte es sein, dass die selbe Person 20 Jahre später umlernen muss, weil

00:51:20: sie sagt, ja, meine Partnerin ist jetzt schwer krank und ich habe ein starkes Pflichtgefühl,

00:51:27: sie pflegen, weil ich ja gesagt habe, bis das der Tod uns scheidet.

00:51:31: Aber ich merke, dass ich mich hier übernehme, dass ich an eine Grenze komme, wo ich mich

00:51:34: selbst verliere, wo es nicht mehr geht und dann macht sie eine neue Lernerfahrung, dass

00:51:39: manchmal gut ist, aufzugeben.

00:51:41: Ja, und das ist halt, was ich gemeint habe mit dieser dynamischen Dimension, dass ich

00:51:48: natürlich eben nicht völlig irgendwie lost bin, sondern durchaus sagen könnte, was mir

00:51:54: in meinem Leben jetzt wichtig ist und welche Werte und Einsichten sich für mich auch bewährt

00:52:00: haben.

00:52:01: Aber dass ich einen Empfinden dafür habe, wie flüssig und formbar diese Dinge sind oder

00:52:07: wie ich diese Fragen wahrscheinlich vor zehn Jahren noch anders beantwortet hätte.

00:52:12: Und ich habe den begründeten Verdacht, dass ich sie in zehn Jahren noch mal anders beantworten

00:52:17: würde und deshalb würde ich halt auch das, was ich den Kindern mitgebe, immer auch mindestens

00:52:23: in diese Klammer setzen.

00:52:24: Also ich meine, lassen Sie es vielleicht doch noch mal am Gottesbegriff festmachen und

00:52:30: auf Freiheit beziehen.

00:52:32: Ich kann sich ja Gott auf ganz verschiedene Arten denken, ich versuche mal zwei Pole

00:52:36: zu benennen.

00:52:37: Eine wäre so, du kannst in eine Beziehung stecken und ich dann fragen, soll ich diese Beziehung

00:52:43: verlassen oder soll ich sie aufrechterhalten, soll ich sie weiterflegen?

00:52:47: Dann sagen wir, ja gut, der liebe Gott erwartet ja von mir und der findet es richtig, war

00:52:52: gut und schön, dass man einen solchen Bund nicht bricht oder?

00:52:56: Da liegt er da und du bleibst.

00:52:58: Oder kannst du sagen, da kann ich jetzt Gott nicht entsprechen und ich gehe.

00:53:03: Das ist ein Gottesbild, was damit zusammenhängt.

00:53:05: Das ist jetzt für mich etwas sehr Substanzielles.

00:53:08: Da gibt es eine Ordnung, es gibt das Richtige, es gibt das wahre, es gibt das gute.

00:53:11: Ich kann mich daran orientieren oder nicht.

00:53:13: Ich bin viel stärker zu einem Gottesbild gekommen, wo ich mir denke, ich glaube, das ist Gott

00:53:18: eigentlich scheißegal.

00:53:20: Also wenn ich mich entscheide, dass ich diese Beziehung beende und eine neue Beziehung

00:53:27: anfange, dann ist es halt die nächste Chance, meine ganzen Issues einfach nochmal durchzuspielen

00:53:33: in einer neuen Beziehung.

00:53:35: Oder ich kann bleiben und irgendwas über mich um eine Issues lernen in der Beziehung, in

00:53:41: der ich bin.

00:53:42: Aber ich glaube nicht, dass Gott sagt, oh, das enttäuscht mich jetzt, aber ich habe

00:53:46: wirklich gedacht, jetzt bleiben die zusammen scheißende, was da jetzt kommt, das macht

00:53:51: mich echt traurig.

00:53:52: So wollte ich das nicht.

00:53:53: Ich glaube, Gott ist in beiden Erwägungen dabei.

00:53:56: Jetzt hast du grad, was du jetzt gesagt hast, ja und nein.

00:54:01: Also ich würde auf jeden Fall, ich habe ja auch dieses dezidierte Verständnis einer

00:54:06: offenen Zukunft und ich glaube, dass Gott tatsächlich auch durch ganz verschiedene Entscheidungen

00:54:11: unseres Lebens hindurch mit uns seine Geschichte weiter schreibt und dass es nicht möglich

00:54:17: ist Entscheidungen zu treffen, die uns quasi aus Gottes Absichten und Willen so definitiv

00:54:23: herauskugeln, dass wir dann einfach irgendwie auf der Ersatzbank landen, sondern dass und

00:54:28: ich glaube, dass es viele Entscheidungen gibt, in denen Gott auch selber sagen würde, ja

00:54:33: gut, also ob du jetzt Fahrer wirst oder Theologe oder Designer oder Hausmann und so, also

00:54:39: du kannst auf allen Wegen glücklich werden und ich werde dich auf allen Wegen begleiten

00:54:44: so.

00:54:45: Das würde ich auf jeden Fall unterstreichen, dass Gott nicht betrübt sein könnte über

00:54:50: Entscheidungen, die wir treffen.

00:54:52: Das meinst du wahrscheinlich auch nicht, aber das würde ich auf jeden Fall bestreiten.

00:54:57: Also ich würde sagen, es gibt sicher Entscheidungen, die für uns und für Mitmenschen sehr nicht

00:55:02: lebensförderlich sind oder sogar sehr verletzend sind, ganz viel auch Leid und vielleicht

00:55:09: Ungerechtigkeit in die Welt setzen und da würde ich sagen, es kann durchaus sein, dass Gott

00:55:14: quasi trauert über Entscheidungen, die wir getroffen haben, ohne uns deswegen den Laufpass

00:55:20: zu geben.

00:55:21: Also mein gar nicht nur den Laufpass, sondern ich glaube, dass es für Gott nicht schwieriger

00:55:26: ist, aus solchen Entscheidungen etwas, wie soll ich sagen, sinnvolles Gutes und Ganzes

00:55:34: zu machen als aus vermeintlich richtigen Entscheidungen.

00:55:38: Ich mein damit quasi wie natürlich könnten wir dann fünf Jahre später an einem Punkt

00:55:46: stehen, wo wir sagen, oh, jetzt sind wir wieder genau an dem Punkt, wo wir schon mal waren.

00:55:51: Das war ja wirklich für gar nichts.

00:55:54: Weißt du so?

00:55:55: Ja, eben das ist möglich.

00:55:56: Und dann könnte man sagen, oh, ich glaube, das war keine gute Entscheidung.

00:56:00: Jetzt muss ich irgendwie dazulernen.

00:56:02: Ja.

00:56:03: Und ich glaube, das ist auch sinnvoll, wenn das passiert.

00:56:06: Aber ich glaube nicht, dass es für Gott so ist, dass es für ihn schwieriger ist, mit

00:56:12: dir eine Beziehung zu leben, wenn du für dich falsche Entscheidungen triffst.

00:56:17: Das mein ich damit.

00:56:18: Aha, ja.

00:56:19: Ja.

00:56:24: Weil jede Entscheidung jedes Leben, das ein Mensch lebt und das er vor Gott bringt, bietet

00:56:28: eigentlich immer die Chance, dass Gott in diesem Leben mitleben und Beziehungen mitgestalten

00:56:36: kann, so dass wir uns entwickeln, lernen, größer werden und wachsen darin.

00:56:41: Ja.

00:56:42: Und das andere klingt quasi so wie ein bisschen, weißt du so wie, oh, da hat er die falsche

00:56:48: Abzweigung erwischt, jetzt muss er umkehren, weißt du quasi umkehr, Buse tun und dann

00:56:54: wieder auf die richtige Straße und dann geht es weiter.

00:56:56: Und ich glaube, das ist eigentlich kein gutes christliches Bild für Freiheit, sondern die

00:57:01: Freiheit besteht darin, dass es über ganz viele Umwege, Seitenwege, Einwandstraßen

00:57:07: etc. gar nicht darum geht, dass ich am Schluss von A nach B komme, sondern dass ich immer

00:57:14: wie mehr spürte es da, wo ich unterwegs bin, bin ich jemand, der lernt und wächst und

00:57:24: sich selbst besser annehmen, verstehen und lieben kann.

00:57:27: Ja, also ich würde das Motiv der Umkehr an der Stelle natürlich nicht aus dem Protokoll

00:57:33: streichen wollen, aber die Idee oder die Vorstellung, dass man im Leben quasi falsche Entscheidungen

00:57:40: treffen kann, falsche Abzweigungen nehmen kann und dann dahin zurückkehren könnte,

00:57:46: um eine andere Abzweigen zu gehen, das ist ja schon alleine aufgrund der Unumkehrbarkeit

00:57:51: des Zeitstrahls einfach nicht möglich.

00:57:54: Also wenn man eine Entscheidung getroffen hat, dann kommt man nicht mehr an diese Entscheidungssituation

00:57:58: zurück.

00:57:59: Man kann umkehren im Sinne von, man kann sich und Gott und anderen Menschen eingestehen,

00:58:06: dass man eine schlechte, eine verletzende, zerstörerische Entscheidung getroffen hat

00:58:15: oder Handlung aus sich herausgesetzt hat und kann dann seine in dieser bußfertigen Haltung,

00:58:24: seine Geschichte mit Gott, weiterschreiben zu.

00:58:27: Aber das ist ja dann nicht, man kommt nicht mehr zurück an diese Entscheidungssituation,

00:58:33: sondern diese Entscheidung, die man getroffen hat, die Fehler, die man begangen hat, die

00:58:38: werden dann Teil der eigenen Geschichte.

00:58:41: Und Umkehr ist ja dann eigentlich, ist für mich die Möglichkeit, Gott in diese Entscheidung

00:58:51: hineinzulassen und ihm möglich zu machen, etwas Gutes daraus hervorzubringen oder zumindest

00:58:57: selbst etwas davon zu lernen.

00:59:00: Okay, so sind wir glaube ich wieder ganz nahe beieinander.

00:59:04: Ich spitz es aber nochmal zu, bin einverstanden, also bin wirklich interessiert, ob du so weit

00:59:11: mitgehen würdest.

00:59:12: Als Jugendlicher war ich in so einem Gottesdienst, der total Evangelikal geprägt war und es

00:59:17: ging darum, weißt du, das Christentum macht nicht ein besserer Menschen aus dir.

00:59:20: Darüber sprechen sie ja übrigens auch noch am Schluss.

00:59:23: Sondern im Christentum geht es darum, in der richtigen Beziehung zu sein und das Bild

00:59:28: war dann, stell dir vor, du sitzt im Zug, der Zug fährt los und jetzt geht es nicht darum,

00:59:36: ob du richtig in diesem Zug sitzt und ob das ein toller Sessel ist, auf dem du sitzt

00:59:41: da drin, dann geht nur darum, hast du den richtigen Zug erwischt.

00:59:44: Weil du kannst noch so ein tolles Zugfahrterlebnis haben, wenn das in die falsche Richtung geht,

00:59:50: dann halt schade für dich.

00:59:52: Da haben wir ja Erfahrung damit, weil wir sind bei unserem letzten Treffen mit Oliver

00:59:56: Torture und Johannes Hartl und den anderen üblichen Verlegen.

01:00:00: Weil wir leicht verspätet sind.

01:00:01: Sind wir ja in die falsche Richtung gefahren und müssen noch mal umdrehen.

01:00:05: Stimmt, genau.

01:00:06: Und jetzt, ja das stimmt, das ist wirklich wett.

01:00:09: Aber auf jeden Fall dieses Beispiel hat mich lange beschäftigt.

01:00:13: Ich finde es bringt irgendwie schon was Krasses zum Ausdruck, aber hat auch etwas sehr Ausschließendes.

01:00:19: Es gibt dann einfach die richtige Verbindung und das andere ist halt am Falsch.

01:00:23: Und ich habe mir jetzt überlegt, ich glaube ich würde heute wirklich anders sehen.

01:00:27: Ich würde sagen, nein, es ist gerade umgekehrt, es ist eigentlich scheißegal in welchem Zug

01:00:31: du sitzt.

01:00:32: Wirklich, es ist wirklich egal, wo der hinfährt.

01:00:37: Weil es ist nicht so, dass es dieses Ziel gibt, das wir zu erreichen haben oder dorthin

01:00:42: müssen, sondern die Frage ist, was in dieser Zugfahrt alles passiert mit mir und mit anderen.

01:00:50: Also, wem kann ich in diesem Zug ein Nächster sein?

01:00:54: Mit wem komme ich in ein Gespräch?

01:00:57: Was bringt mich zum Nachdenken?

01:00:59: Wo sage ich, jetzt denke ich an, dass ich über etwas nachhabe, als ich das je zuvor

01:01:03: gemacht habe.

01:01:04: Woran denke ich, wenn ich dann irgendwann meine letzten Atemzüge mache, an welches

01:01:10: Bild denke ich, wenn ich aus dem Fenster geschaut habe?

01:01:12: Weißt du solche Dinge?

01:01:13: Ich glaube, ich sind viel entscheidender.

01:01:15: Für mich im jetzigen Moment, ich kann gut sein, dass es in zehn Jahren anders ist,

01:01:20: würde ich sagen, naja, das, was für mich christliche Freiheit bringt, ist so ein Grundvertrauen,

01:01:27: dass egal, wie gut es mir gelingt, Freiheit zu realisieren oder wie sehr ich in Unfreiheit

01:01:34: falle, es eigentlich nie so sein kann, dass ich in einer falschen Welt lebe oder in einem

01:01:42: falschen Leben gestrandet bin.

01:01:44: Weißt du?

01:01:45: Ja.

01:01:46: Ja, aber da würde ich jetzt ganz vorm sagen, weil Gott, weil in letzter Instanz Gott mein

01:01:53: Leben zu einem richtigen Leben macht.

01:01:55: Also das Bild vom Zug gefällt mir auch nicht, weil es extrem statisch ist, quasi der Zug,

01:02:02: der fährt unaufhaltsam in eine bestimmte Richtung, auf einem festgelegten Schienennetz und so,

01:02:07: das ist mir natürlich zutiefst unsympathisch, dieses Bild.

01:02:10: Das Ganze hat für mich dann überhaupt nichts Abenteuerliches mehr.

01:02:14: Ich würde eher sagen, Gott ist auf einem Abenteuer unterwegs mit den Menschen und ich auch mit

01:02:20: Gott und anderen Menschen und der Ausgang ist offen und es gibt unzählige Untiefen und

01:02:26: Abzweigungen und so weiter und Entscheidende ist nicht unbedingt, welche Abzweigung ich

01:02:31: nehme, sondern mit wem ich diese Abzweigungen nehme.

01:02:35: Aber ja, gehe ich mit.

01:02:37: Aber ich glaube, das Bild des Schienennetzes oder des Straßenverkehrs findet dann hier

01:02:44: eben seine Grenzen.

01:02:45: Nein, zurück gibt es nicht, es gibt nur Vorwärts- und Integration in die eigene Biografie irgendwie,

01:02:53: mit Gottes Hilfe.

01:02:54: So.

01:02:55: Ja, ja, vielleicht ist das Schienennetz wirklich blöd, weil das muss ja schon vorgegeben

01:02:58: sein.

01:02:59: Vielleicht müsste man sich Gott auch eher als jemandem denken, der ganz neugierig drauf

01:03:03: ist, welche Wege und Pfeide wir alle noch entdecken.

01:03:07: Ja, das wäre eigentlich ein Bild, das mir ganz gut gefällt.

01:03:10: Jo, Manu, dann sollten wir uns jetzt mal die Freiheit nehmen, an dieses Gespräch zu einem

01:03:16: Ende zu bringen, diese Mini-Serie zu Freiheit abzuschließen.

01:03:20: Genau.

01:03:21: Gibt es für dich so was wie ein Fazit?

01:03:23: War irgendwas überraschend von dem, was wir in den letzten Folgen diskutiert haben, etwas

01:03:27: wo du sagst, da ist mir jetzt nochmal wichtig geworden, das hatte ich gar nicht auf dem

01:03:32: Schirm vorher.

01:03:33: Ja, also was ich spannend fand, war die Einsicht im Blick auf die Geschichte auch des Liberalismus

01:03:40: und des liberalen Rechtsstaates und so, dass eben Theoretika-Virusso und andere eben auch

01:03:48: davon ausgegangen sind, dass Menschen sich im Namen der Freiheit selbst Gesetze, Ordnungen,

01:03:57: Distriktionen auferlegen, die dann nicht fundamental Freiheitsgefährten sind, weil der Mensch eben

01:04:07: in die Geschichte dieser Ordnungen und in die Sätze dieser Gesetze selbst involviert ist

01:04:13: so.

01:04:14: Und das war nicht spannend, im Parallel jetzt zu Theologischen Freiheitsbestimmungen ja auch

01:04:19: davon ausgehen, es gibt eine Freiheit, zu der auch der Glaube befreit und befähigt, aber

01:04:25: diese Freiheit ist eben dann auch wie umschlossen oder ausgerichtet auf eine Abhängigkeit von

01:04:35: Gott, wie es Schleiermacher sagt oder auf einen Gehorsam gegenüber Gott oder einfach

01:04:40: auf die Idee eines Menschseins, wie Gott es sich für uns gedacht hat und das muss keine

01:04:53: Einschränkung oder Negation der Freiheit sein, sondern kann Ausdruck der Freiheit sein,

01:04:58: sich eben in dieses Leben hinein zu begeben.

01:05:01: Das hat mir, ich fand das noch spannend, diese Parallele.

01:05:04: Find ich cool.

01:05:05: Für mich war es, wie ich so überraschend zu sehen, diese biblischen Motive, die eigentlich

01:05:10: immer von positiven Freiheitssetzungsakten quasi ausgehen, die dann erst so was wie

01:05:16: eine negative Freiheit begründen und auch die Überlegung, dass eigentlich das, was wir

01:05:21: gesündenen letztendlich gut beschrieben werden könnte, mit einem Mangel an negativer

01:05:27: Freiheit, weil ich nämlich nicht realisieren kann, was ich realisieren will und wie aktuell

01:05:35: dann doch so Paulinische Sätze bleiben, wie alles ist dir erlaubt, aber nicht alles ist

01:05:40: dir nützlich und diese Aufgabe, die bleibt, zu prüfen, was denn nicht das Gute ist,

01:05:47: aber was jetzt vielleicht für mich gut ist.

01:05:51: Ja, ihr Lieben, das war unser Freiheitsspecial, das sich im Zuge der Diskussion zu vier vollen

01:05:57: Folgen aufgebläht hat, aber ich hoffe, es hat euch Spaß gemacht und auch ein paar Einsichten

01:06:02: gebracht und jetzt schließen wir dieses Special ab und nächste Woche geht es dann mit der

01:06:07: eigentlich neuen Staffel weiter.

01:06:10: Ihr Lieben, tschüss.

01:06:12: Tschüss.

01:06:15: Danke, dass ihr das Video gefallen habt.

01:06:18: Danke.

01:06:20: Copyright WDR 2021

01:06:22: [Musik]

Über diesen Podcast

Was heisst das eigentlich, Christ zu sein? Woran glauben Christen und was können sie getrost aufgeben? Logisch, dass sich Manuel Schmid & Stephan Jütte dabei nicht immer einig sind. Aber sie versuchen in diesem Podcast zusammen herauszufinden, was für sie wirklich zählt und was ihnen eher im Weg steht. Und klar: Beide wissen es auch nicht wirklich. Aber vielleicht regt es dich an zum Mitdenken. Oder es regt dich auf und du magst mit ihnen streiten. Oder du schreibst ihnen einfach mal, was du nicht mehr glauben kannst oder musst oder willst.

von und mit Manuel Schmid & Stephan Jütte

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