Ausgeglaubt: ein RefLab-Podcast

Ausgeglaubt: ein RefLab-Podcast

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00:00:04: Ein Podcast für Menschen, die glauben, neu denken.

00:00:08: Und manchmal

00:00:09: alles anzweifeln.

00:00:18: Herzlich willkommen bei AusGeglaubt.

00:00:20: Wir widmen uns heute dem Thema die dunkle Seite der Vergebung.

00:00:26: Und wir, das sind Manu und ich.

00:00:28: Manu ist ein Freund, Theologe und Podcastkollege, der übrigens auch im fortgeschritten ... Alter noch so lange in Clubs wach bleibt, dass er am nächsten Tag zu müde ist, um den Podcast vorzubesprechen.

00:00:43: Aber dann doch so gewissenhaft, dass er mir am Montagmorgen zehn Seiten Notizen schickt.

00:00:49: Hallo, Manu.

00:00:51: Stefan, ja, vielen Dank.

00:00:53: für das Kompliment in fortgeschrittenem Alter.

00:00:58: Ja, ich trage das mit Fassung und Würde, würde ich mal sagen.

00:01:03: Und freue mich, mit dir zu sprechen.

00:01:05: Stefan, du bist auch reformierter Theologe.

00:01:09: Mein langjähriger Freund und Podcastpartner, bei AusGeglaubt.

00:01:15: Und du bist ... Ich glaube, das habe ich so noch nie so herausgestrichen.

00:01:20: Aber du bist ein ausgesprochen geselliger Mensch.

00:01:24: Wenn du jeweils von eurem Besuchsprogramm erzählst über Wochenenden oder auch unter der Woche, dann habe ich quasi schon stellvertretend ein soziales Burnout.

00:01:35: Du bist ein Mensch, der aufblüht, wenn er mit anderen Menschen zusammen ist und der ... eine enorme Großzügigkeit an den Tag legt.

00:01:45: Den ganzen Kühlschrank lehrt auch für spontane Gäste.

00:01:49: Und wenn es vorbereitet ist, dann besorgt deine Frau Snacks und Essen und Trinken in Hülle und Fülle.

00:01:57: Da werden ganze Läden leer gekauft.

00:02:00: Und zumindest deine Frau plagt dann auch immer die Angst zu.

00:02:04: Es könnte doch noch zu wenig sein, selbst wenn man mit den Resten eurer Partys eigentlich immer eine ganze Komp... noch versorgen könnte.

00:02:13: Das ist etwas, was ich an dir und an euch, an eurer ganzen Familie enorm schätze und wo ich auch schon viele, viele Stunden bei bester Gesellschaft und bei vorzüglich der Verpflegung selber genießen konnte.

00:02:30: Schön, das freut mich.

00:02:31: Da habe ich auch viele gute Erinnerungen dran, Warnum.

00:02:34: Hey, aber lass uns vielleicht heute einsteigen mit dem Feedback, das wir auf die letzte Folge bekommen haben.

00:02:40: Wie sah das bei dir aus?

00:02:42: Ich habe wirklich so viel Feedback gekriegt auf die letzte Folge wie schon lange nicht mehr.

00:02:48: Ich auch.

00:02:48: Und ich habe es auch ein bisschen befürchtet beziehungsweise kommen sehen, weil wir in der letzten Folge doch einerseits uns auch kontrovers, ich sage jetzt nicht gestritten, aber auseinandergesetzt haben mit dem mit dem Fall Charlie Kirk, mit dem Mord an Charlie Kirk und der Frage, wie man darauf angemessen reagiert.

00:03:12: Und du hast da schon auch ein, vor allem würde ich sagen, du hast ein paar provokative Statements rausgehauen und ich habe auch Rückmeldungen gekriegt.

00:03:22: Verschiedener Art, Leute, die sehr froh waren auch gerade um dein Statement oder um deinen, dein Votum auch für die, für die Und wie hast du das gesagt?

00:03:36: Für die

00:03:37: Unverfügbarkeit

00:03:39: Gottes im Blick auf solche Unterdrückungsverhältnisse, in denen man vielleicht allzu schnell in Gefahr steht, Gott auf seine Seite zu ziehen, da haben viele auch zustimmend reagiert und manche kritisch.

00:03:54: Das hast du ja auch mitgekriegt, gell?

00:03:57: Ja, genau.

00:03:57: Ich habe wirklich sehr viel freundliches, nachfragendes, gutes Feedback erhalten auf die Folge.

00:04:05: Auch gerade darauf, dass wir uns nicht immer einig waren.

00:04:09: Viele haben diese Streitkultur zwischen uns gut empfunden.

00:04:12: Andere haben sich aber auch wahnsinnig genervt.

00:04:15: Ein Peter Nitschke hat geschrieben, dass ich dich die ganze Zeit unterbrochen hätte, weil du die besseren Argumente gehabt hattest.

00:04:23: Das will ich dir auch nicht beantworten.

00:04:24: Kann man auf Facebook nachlesen.

00:04:26: Ja, ich glaube, natürlich freut mich das immer, wenn ich Zustimmung kriege, aber ich habe mal so versucht, durchzugehen, was waren denn so die kritischen Punkte, die zurückgemeldet worden sind und würde darauf vielleicht gerne noch kurz eingehen.

00:04:41: Einem hat Jason geschrieben und im Kern seiner Anfrage ging es eigentlich darum, ob diese Unterscheidung, die ich gezogen habe zwischen verbaler und tätlicher physischer Gewalt, wirklich funktioniert.

00:04:55: Und ich finde das eine ganz spannende Frage, weil in einem Bereich funktioniert sie natürlich nicht.

00:05:01: Also es ist ja nicht so, dass man sagen kann, physische Gewalt hat immer einen größeren Effekt als verbale Gewalt.

00:05:10: Ja.

00:05:10: Oder Jasson weiß dann darauf hin, dass es sowas gibt wie Volksverhetzung, also wo dann physische Gewalt auch in, ja nein, wo verbale Gewalt dann in physische Gewalt umschlagen kann.

00:05:23: Ja.

00:05:24: Da bin ich natürlich ganz bei ihm, dass es das gibt.

00:05:27: Allerdings meinte ich nicht, dass es das empirisch nicht gibt.

00:05:31: Also nicht, dass es empirisch nicht den Zusammenhang gibt, dass jemand physische Gewalt durch Worte provozieren oder herauf beschwören kann, sondern was ich eigentlich meinte, war, das ist ethisch.

00:05:44: nicht

00:05:45: möglich ist, zu behaupten, weil jemand verbal dieses oder jenes geäußert hat, habe ich ihm eine Ohrfeige gehauen.

00:05:52: Das war eigentlich mein Punkt.

00:05:54: Und der Hintergrund der ganzen Debatte geht darum, dass ich sagen würde, wir haben in USA tatsächlich an vielen Hochschulen ein etwas seltsames Klima in diesem ständigen Geräte um Microaggressions, die dort laufen.

00:06:09: Und da scheint es mir halt schon wichtig zu sein, dass die Verletztheit einer Person, die jetzt findet, dass sie in einem Statement, in einem Votum nicht richtig getroffen wurde oder dass ihr da verbal unrecht getan worden ist, dann nicht gleichgesetzt werden kann damit, dass man jemandem eine Orphi geschlägt oder

00:06:29: sowas.

00:06:31: Ja.

00:06:31: Ja, ich fand das hilfreich.

00:06:33: auch die Rückfragen.

00:06:35: Ich darf auch sagen an der Stelle, also wir lernen ja auch viel durch kritische Rückfragen gerade dann, wenn sie jetzt nicht völlig vergiftet daherkommen, sondern auch gut informiert irgendwie kritisch auch differenzieren.

00:06:49: Da lernen wir ja auch selber und ich fand das auch hilfreich, weil mich diese Unterscheidung, die du da auch stark gemacht hast im letzten Gespräch, das habe mich auch noch ein bisschen beschäftigt.

00:07:01: Ich glaube, was du nicht sagen wolltest, ist einerseits, dass es irgendwie eine Abstufung gibt im Blick auf.

00:07:10: das Verletzungspotenzial zwischen physischer und verbaler Gewalt oder auf, dass es quasi per Definition so wäre, dass verbale Gewalt weniger weh tut als physische Gewalt oder so.

00:07:24: Also ich kann mich selber gut erinnern an Beleidigungen, die ich in meiner Schulzeit erlebt habe oder an wirklich so ganz, ganz verletzende Bemerkungen, die genau die Wundestelle getroffen haben.

00:07:39: wo ich sagen würde, da wäre mir eine Faust in die Fresse lieber gewesen, weil mich das jahrelang auch beschäftigt hat, um mir nachgegangen ist, also verbale Gewalt kann auf psychischer Ebene wahnsinnig verletzend sein und einem nachhaltig auch schaden.

00:08:02: Also das wolltest du nicht behaupten, dass es quasi weniger, per Definition weniger schlimm wäre oder weniger verletzend wäre, verbale Gewalt.

00:08:10: Nein.

00:08:11: Und was du jetzt sagtest, du wolltest auch nicht sagen, dass verbale Gewalt nicht zu physischer Gewalt führen kann.

00:08:20: Wir haben ja letztes Mal dieses Beispiel von Will Smith und Chris Rock besprochen.

00:08:25: Da war das ja genau sinnenfällig der Fall.

00:08:28: Aber du fragst, es gab keine... ethische Rechtfertigung.

00:08:32: Man kann nicht physische Gewalt ausüben und sagen, ja, ich tue das und ich tue das mit Recht, weil der andere mich verbal beleidigt hat.

00:08:43: Ich glaube, das ist ein ganz entscheidender Unterschied.

00:08:46: Natürlich kann man menschlich nachvollziehen, vielleicht, warum Will Smith dort eine Ohrfeige geschlagen hat.

00:08:54: Vielleicht kann man das menschlich nachvollziehen, aber es ist deswegen nicht gerechtfertigt.

00:08:57: Es ist nicht richtig, das zu tun.

00:09:00: Und das finde ich... Ein ziemlich wichtigen Unterschied.

00:09:03: Und dann, glaube ich schon, besteht, weil Verbalergewalt eine größere Freiheit auf Seiten des Adressaten sich dazu zu verhalten als bei physischer Gewalt.

00:09:12: Also nehmen wir jetzt mal an, ich hätte dich auf eine beleidigende Art und Weise vorgestellt heute im Podcast.

00:09:18: Dann hättest du die Möglichkeit nachzufragen, wie hast du das gemeint?

00:09:21: Warum hast du das so gesagt?

00:09:23: Ich fand das nicht gut.

00:09:24: Ja.

00:09:25: Also was ganz anderes, als wenn ich mit dir im Podcast Studio sitze und dir eine Ohrfeige runterhaue oder dich schlage oder weiß nicht was oder dich anspucke oder sowas.

00:09:35: Und es kann sogar sein, dass du sagst, ja eine Ohrfeige wäre mir lieber gewesen in dieser Situation.

00:09:41: Das will ich nicht beschleiten.

00:09:43: Aber

00:09:44: du hast viel mehr Möglichkeiten.

00:09:47: Zum Beispiel kannst du sagen, dass Stefan mich so flapsig vorstellen muss, liegt an seinem Minderwertigkeitskomplex.

00:09:55: Das hat nichts mit mir zu tun, zum Beispiel.

00:09:57: Das kann man nicht immer, das gelingt einem nicht immer.

00:10:00: Dass man unterscheiden kann, ist das eine Aussage, die eigentlich der Sprecher über sich selbst getroffen hat oder über mich.

00:10:08: Das sehe ich schon ein.

00:10:09: Und trotzdem ist mir diese Unterscheidung wichtig.

00:10:12: und ganz wichtig ist mir halt, dass es nicht einen kausalen Weg geben darf von verbaler Gewalt zu physischer Gewalt.

00:10:20: Ja, ja.

00:10:20: Und das

00:10:21: meine ich alles im Bereich des Sollens, oder?

00:10:23: Also im Bereich der Ethik.

00:10:25: Der Ethik, ja, genau.

00:10:26: Also, so ein bisschen, die Unterscheidung, die du jetzt einziehst, geht ein bisschen in die Richtung von diesem berühmten Zitat von, ich glaube, Oscar Wilde oder Klaus Kinski wird das zugeschrieben, so im Stil von, wer mich ... beleidigt, das entscheide ich immer noch selber.

00:10:42: Nur muss man hier natürlich dann auch sagen, dass erfordert eine psychische, innere, emotionale Stärke, jetzt zum Beispiel in Reaktion auf eine Beleidigung, die wirklich close to home, die wirklich mich trifft, die wirklich on point ist.

00:11:00: dann den Mut oder die Fähigkeit aufzubringen zu sagen, das sagt jetzt mehr über diese Person aus als über mich und ich lasse mich davon jetzt nicht herunterziehen oder bestimmen.

00:11:12: Und was man natürlich sagen könnte ist, Menschen, die verbale Gewalt, verbales auch Mobbing, online ist das ja auch ein Riesenthema, die strategisch von Leuten, die ihnen vielleicht sogar nahe stehen, fertig gemacht, gedemütigt, entwürdigd werden, dass diesen Menschen dann im Zuge dieser konstanten verbalen Gewalt die innere Stärke eben auch abhanden kommt, darauf noch so souverän zu reagieren, wie ein Klaus Kinski oder ein Oscar Wilde, die dann sagen, wer mich beleidigt, entscheide ich immer noch selber, weißt du?

00:11:48: Das muss man schon einpreisen.

00:11:50: Ja, das sehe ich auch.

00:11:53: Eine andere Kritik ging darum, dass ich die systemischen Zusammenhänge dieser ganzen Gewalt und Unterdrückung übersehen würde.

00:12:02: Und da möchte ich einfach sagen, ich ... Ich glaube, dass wir sehr wenig über systemische Zusammenhänge und Gewalt gesprochen haben im Podcast.

00:12:10: Ich würde die aber nicht einfach mit verbaler Gewalt gleichsetzen.

00:12:14: Also wenn wir so was haben wie ein wirkliches Racial Profiling oder eine Kultur des Rassismus auf einer Polizeistation oder so, dann ist es nicht einfach verbaler Gewalt, sondern die wird ja handfest.

00:12:27: Also die äußert sich in Kontrollen in Schikanen, die Menschen und besondere Personengruppen dann über sich ergehen lassen müssen.

00:12:37: Und da würde ich nicht sagen, dass es nur verbale Gewalt ist.

00:12:39: Was ich einfach nicht stehen lassen kann, sind so Argumente in der Art und Weise, ich zitiere jetzt hier halt nochmal Peter Nitschke, der dann quasi sagt, ja, es sei ganz klar, ich verurteile den Mord an Kirk total, so was geht gar nicht.

00:12:55: Aber das Körg Hass gesät hat gegen Minderheiten und marginalisierte Gruppen, kann nicht mit dem Hass gegen ihn, den er selbst verursacht hat, verglichen werden.

00:13:06: Und das ist für mich eine total falsche Versuchsanlage von Anfang an, oder?

00:13:12: Weil das würde dann quasi bedeuten, wenn ich auf beiden Seiten gleich viel Unrecht habe, dann hebt es sich wieder auf.

00:13:18: Aber darum geht es nicht.

00:13:19: Und ich würde dann auch ganz grundsätzlich beschreiten, dass einer, der Opfer wird, eines Attentats, nicht sehr viel Hass erlebt hat.

00:13:29: Das ist für mich einfach total schräg, diese Rechnungen, die da aufgemacht werden.

00:13:34: Und nochmal, es ging mir nicht darum, was jemand ... der sich durch die Sprache Kirks und durch sein Imperium, das er aufgebaut hat, bedroht gefühlt hat, jetzt in diesem Moment, wo er getötet worden ist, empfinden muss.

00:13:50: Also darum geht es mir überhaupt

00:13:51: nicht.

00:13:52: Es geht mir nicht darum, dass wir jetzt alle traurig sein müssen.

00:13:55: Ich bin zum Beispiel selbst nicht traurig.

00:13:58: Ich habe nicht die Emotion der Trauer dazu.

00:14:01: Aber es geht mir darum, dass ich nicht in dieses Sprachspiel bin, nicht traurig, hat er es vielleicht auch verdient,

00:14:08: etc.,

00:14:09: Pepe, ausweichen darf, weil es hier um Recht und Unrecht geht und nicht um Betroffenheit oder Nichtbetroffenheit, etc.

00:14:18: Das ist das falsche Sprachspiel.

00:14:20: Darüber spricht man eigentlich nicht in dieser Situation, finde

00:14:23: ich.

00:14:24: Und ich finde auch, man nimmt sich dann etwas zu wichtig, wenn ein Mensch ... ob für eines Artentats wird, dass man denkt, man muss jetzt mal ganz zuerst seine persönliche Befindlichkeit sortieren und sich fragen, wie traurig man jetzt ist.

00:14:38: Ja, zumindest teile ich auf jeden Fall dieses Urteil, dass es in jeder Hinsicht verwerflich ist, den Mord an einer Person in irgendeiner Art und Weise zu rechtfertigen oder die Schwere dieser Tat abzumildern unter Hinweis auf bestimmte menschenverachtende Aussagen dieser Person oder was auch immer.

00:15:04: Es ist ja auch dann wirklich so, dass das Leute, die sich über diese über diese aufkommenden auch rechtsnationalistischen Bewegungen ärgern oder sich daran stoßen, weil sie dadurch die rechtsstaatliche Demokratie gefährdet sehen.

00:15:22: Und ich befürchte, dass diese Gefährdung zu Recht wahrgenommen wird.

00:15:27: Aber man kann sich nicht über die Infragestellung rechtsstaatlich demokratischer Instrumente durch rechtspolitische ... Akteure aufregen und gleichzeitig den... Mord an einem Menschen nicht in aller Schärfe verurteilen, weil dieser Art der zivilen Justiz genau die Unterwanderung dieser rechtsstaatlich-demokratischen Instrumente bedeutet.

00:15:56: Und das kann man nicht gut finden, sonst teilt man die Radikalität mit seinen Gegnern einfach auf links gewendet.

00:16:07: Und das ist keine Lösung.

00:16:10: Oder das, was uns als Gesellschaft schützt, ist das Recht und ist die Auslegung von Recht.

00:16:17: Und überall dort, egal ob das von links oder von rechts gut gemeint oder mit böser Absicht kommt, wo Gefühle an die Stelle von Recht treten, passiert etwas für uns potenziell sehr gefährliches, weil es eine Kultur zersetzt, die wirklich eine Errungenschaft ist, dass wir recht sprechen ohne Ansehen der Person etc.

00:16:37: Also diese ganzen Errungenschaften können eben nicht nur von Rechtspopulisten, sondern auch von gut gemeinten linken Positionen untergraben werden, wenn wir sie in einer solchen Situation so bringen.

00:16:50: Ja, jetzt provozierst du aber doch noch, Entschuldigung, jetzt provozierst du doch noch meinen Widerspruch.

00:16:55: einfach, weil ich sage mal so, es gehört ja auch zu den Zielen auch von linkspolitischen Gruppierungen und gerade auch von Menschen, die als Minderheiten unter drückerischen und unfähren Gesellschaften leiden.

00:17:15: Es gehört ja auch zu ihren Zielen, das Recht auch entsprechend anzupassen, weil oder für die für Änderungen auch rechtliche Änderungen zu kämpfen, weil sie sehen, dass dieses Recht eben nicht immer einfach ohne Ansehen der Person funktioniert, sondern natürlich auch ein sehr stark ein weißes Recht ist oder ein männliches Recht oder ein Recht, das eben nicht über jeden Zweifel erhaben ist.

00:17:42: Die Frage ist, mit welchen Mitteln man für die Änderungen des Rechts eintritt, oder?

00:17:49: Aber wo ist

00:17:49: das Widerspruch zu dem, was ich gesagt habe?

00:17:52: Ja, einfach, weil du jetzt quasi in einer Art und Weise auf das Recht verwiesen hast, als ob dieses Recht jetzt schon in allen Fällen, quasi ohne Ansehen der Person und in völliger Fairness und Gleichheit, ausgelegt wird in den USA oder wo auch immer und das ist ja nicht der Fall.

00:18:16: Aber das

00:18:16: ist gerade nicht der Punkt.

00:18:17: oder der Punkt ist, dass der Anspruch an das Recht sein muss, dass es ohne Ansehen der Person ausgelegt wird.

00:18:24: Im Recht

00:18:26: kann ich den Anspruch geltend machen, dass das Ansehen der Person nicht der entscheidende Punkt ist.

00:18:31: Das kann ich nicht bei der Emotion, das kann ich nicht bei einer poetischen Betrachtung oder was auch immer.

00:18:38: Das kann ich eben nur im Recht.

00:18:40: Und selbstverständlich müssen wir alles dafür tun, dass das Recht besser wird und dass das Recht geschützt ist dagegen.

00:18:46: Also da habe ich überhaupt keinen Widerspruch mit dir.

00:18:50: Ja, okay.

00:18:51: Also das Recht selber ist quasi nicht jetzt diese platonische Größe, die jetzt schon vollkommen über uns ist und auf die wir uns immer berufen können, sondern das ist eigentlich ein... ein aus demokratischen Prozessen hervorgehende Richtschnur für deren Änderung und für deren Anpassung auch an Unfaire-Verhältnisse auch demokratisch gekämpft werden muss.

00:19:17: Ja, genau.

00:19:18: Also deswegen meine ich nicht Gerechtigkeit, sondern Recht.

00:19:21: Ja, okay.

00:19:23: Und dann gab es noch einen dritten Punkt und den finde ich halt dann sehr heikel.

00:19:27: Da hat jemand geschrieben, Dass ich meine, auch wenn ich privilegiert sei, hätte ich das Recht, jene Position von schwarzen Christen, die sich weigerten Körg zu betrauen, zu kritisieren.

00:19:42: Dieses Recht hätte ich aber nicht.

00:19:44: Und da würde ich einfach gerne unterscheiden.

00:19:46: Ich würde sagen, was irgendein Mensch, egal wie und ob dieser Mensch marginalisiert es zu empfinden hat, dazu habe ich schlicht überhaupt nichts zu sagen.

00:19:57: Das ist völlig klar.

00:19:58: Niemand hat das Recht, sich da einzumischen.

00:20:01: Aber darum geht es ja nicht bei dem Gespräch, das wir geführt haben, sondern es geht darum,

00:20:07: ob

00:20:08: es eine theologische Begründung gibt innerhalb des Christentums, die sagt, Gott steht entschieden auf unserer Seite und steht gegen die Seite der anderen, die die Unterdrücker und Ausbeuter sind.

00:20:24: Und deswegen muss auch die Kirche auf unserer Seite stehen.

00:20:28: Und davor warne ich nicht als jemand, der marginalisiert sein muss, sondern einfach als jemand, der Theologie studiert hat und versucht, aus der Kirchen- und Dogmengeschichte zu lernen.

00:20:40: Und da muss ich ja sagen, alle Verzerrungen, die ich gefährlich finde, haben immer gedacht, dass Gott auf ihrer Seite ist.

00:20:49: Die

00:20:49: waren sich immer ganz sicher, dass Gott mit ihnen ist und dass sie Recht haben und dass sie ein göttliches Recht haben.

00:20:55: Und das ist letztendlich nichts anderes als eine theologisch aufgeladene Form der Selbstgerechtigkeit.

00:21:02: Und gegen die muss ich mich sehr wohl, gerade als jemand, der privilegiert ist, Theologie studieren durfte, an tollen Fakultäten und einen Job hat, bei dem er dafür bezahlt wird, über solche Fragen nachzudenken, muss ich selbstverständlich stellen.

00:21:18: dazu nehmen.

00:21:19: Das ist keine Frage meiner Eigenmarginalisierung.

00:21:22: Das kaufe ich nicht ein.

00:21:24: Ja, ja.

00:21:26: Ich glaube, hier ist wirklich ... Differenzierung nötig.

00:21:29: Also ich hab das jetzt gerade in den letzten Jahren auch in Auseinandersetzung oder im Gespräch auch mit befreundeten Menschen, die jetzt nicht weiß sind oder die nicht männlich sind oder die in anderer Weise auch sehr persönlich auch Benachteiligungserfahrungen und Diskriminierungserfahrungen kennen.

00:21:53: Ich hab das schon gelernt.

00:21:55: Das war für mich eine wichtige auch, ich sag mal, Demütigung oder ein wichtiges Korrektiv zu lernen, wie sehr meine Perspektive auf die Welt und auf Theologie und Glaube und Kirche doch auch geprägt ist von meinem weißen, männlichen, christlich-westlichen Blick.

00:22:17: Das war für mich hilfreich zu sehen und ich finde auch, es hat der Theologie gut getan.

00:22:24: oder es ist wichtig auch für die Kirche, dass man auch die Stimmen von jetzt, das ist ja die letzten Jahrzehnte, gab es ja immer wieder Bewegungen, die das auch in den Vordergrund gestellt haben.

00:22:35: Befreiungstheologische Perspektiven, feministische Perspektiven, Black Theology und so weiter.

00:22:40: Ich finde das ganz, ganz wichtig, dass man diese Stimmen auch in den Diskurs holt und auch Menschen, die aus einer Betroffenheitsperspektive auch biblische Texte noch einmal ganz anders lesen und Kirche noch einmal ganz anders sehen.

00:22:54: Ich finde das alles super wichtig.

00:22:56: Aber ich glaube, wenn man daraus schließt, dass Menschen, die jetzt nicht in diesen klassischen Diskriminierungslinien, die man durch die Gesellschaft zieht, Mann, Frau, weiß, nicht weiß, heterosexuell, nicht heterosexuell und so, Menschen, die da auf der Privilegierten nicht die diskriminierenden Seite landen, dass man ihnen das Recht abspricht.

00:23:20: überhaupt sich zu einem Diskurs zu äußern oder Argumente einzubringen.

00:23:25: Ich meine, das verstärkt ja die Gräben.

00:23:28: Nur schlussendlich müssen wir uns doch gemeinsam verständigen über irgendwie geteilte Faktenbasis und eine geteilte Rationalität.

00:23:37: Und das ist nicht möglich, wenn man denen, die vielleicht historisch auf der Gewinnerseite standen, einfach die die das Recht abspricht, überhaupt Argumente oder Gedanken einzuwerfen.

00:23:51: Also das geht, so geht es nicht.

00:23:53: Ja, weil dann lösen wir wirklich alles auf in Betroffenheitsdiskurs, oder?

00:23:58: Und ich finde, die Betroffenheit ist etwas sehr, sehr Wichtiges, was in unserer gesellschaftlichen Selbstverständigung vorkommen muss, was da einen ganz wichtigen Platz hat.

00:24:08: Aber es ist...

00:24:10: kein

00:24:12: besonderer Erkenntniszugang, der uns davor schützt, auch Argumente zu bringen und an das Ganze zu denken.

00:24:20: Und man darf zurückfragen, hey, wenn ihr das so sagt, aus der wahrgenommenen Position, dass ihr selbst durch Position, die Charlie Kirk vertreten hat, marginalisiert und unterdrückt worden seid.

00:24:34: Was bedeutet das, was ihr jetzt sagt für das Gottesbild insgesamt?

00:24:38: Wie versteht ihr das?

00:24:40: Und da, finde ich, darf man streiten.

00:24:42: Also sonst nimmt man ja diese Position gerade nicht ernst.

00:24:45: Dann sagt man ja einfach, ah, das ist so was Exotisches, was ich nicht ganz kenne und ich darf nichts dazu sagen.

00:24:50: Das ist ein Naturschutzgebiet, das ich zwar besuchen darf, aber mich da auf keinen Fall niederlassen kann.

00:24:58: Dann ist das letztendlich eine Verklärung, die aber niemals Akzeptanz bringen wird.

00:25:03: für solche Positionen.

00:25:04: Ja,

00:25:05: absolut.

00:25:06: Gut, jetzt haben wir schon fast die Hälfte der Zeit verquatscht, Stefan.

00:25:10: Und wir sind noch nicht einmal bei unserem Thema angelangt.

00:25:13: Und unser Halleluja- und Stoßgebet kam auch noch nicht.

00:25:17: Wollen wir das, wirst du mal mit dem Halleluja starten?

00:25:20: Und von meinem Stoßgebet kommen wir dann auf unser Wochenthema.

00:25:25: Ist das okay?

00:25:25: Super,

00:25:26: so machen wir es.

00:25:31: Ja, ich hatte letzten Freitag ein Treffen in Bern mit den Herausgeberinnen und Herausgebern der Kirchenahen Medien und da hat uns Erik Nussbaum, der Nationalrat, eine Führung durch das Bundeshaus bereitet.

00:25:48: Und das war wirklich ganz, ganz eindrücklich, weil man hat gesehen, das ist ein Nationalrat, der viel Erfahrung hat politisch.

00:25:56: Der seit achtzehn Jahren mir im Bundeshaus dabei ist, der sehr respektvoll und wertschätzend über diese politische Kultur, die wir haben in der Schweiz gesprochen hat und wie wichtig es sei, diese zu erhalten.

00:26:10: Da war er gerade jetzt als Espeler, als Linker sehr, sehr konservativ, wenn es um den Stil und Würde auch des Parlaments geht.

00:26:20: Und das hat mich sehr beeindruckt.

00:26:22: Und hat mir irgendwo schon Hoffnung gemacht, als ich jetzt an die Situation natürlich im Hinterkopf USA und wie dort Debatten geführt werden, wie dort mit politischen Gegnerinnen, Gegnern umgegangen wird, gedacht habe.

00:26:37: Und dann kam am Nachmittag eine schlimme Nachricht dazu.

00:26:41: Alfred Herr, der SVP-Politiker aus Türich, ist total unerwartet gestorben, im Alter von gut sechzig Jahren.

00:26:51: Und was mich da dann sehr berührt hat, war zu sehen, dass es wirklich von links bis rechts so was gibt wie eine Würdigung dieses Lebens, aber auch dieses politischen Lebens und dieses Menschen, mit dem man ja in ganz, ganz vielen Sachthemen vielleicht gar nicht einig war, dem man sogar politisch bekämpft hat.

00:27:11: Aber da habe ich wirklich gedacht, Gott sei Dank lebe ich in einem Land, in dem es möglich ist, dass man politische Gegner als Mensch und quasi seiner Menschlichkeit noch so wertschätzen kann, dass man das öffentlich ausdrückt und dass das zu unserer Kultur gehört.

00:27:28: Ja, sehr schön.

00:27:30: Sehr schön.

00:27:30: Ja, Erich Nussbamer ist ja unser direkter Nachbar und ist wirklich auch, finde ich, persönlich ein ganz wunderbarer und vor allem sehr glaubwürdiger Mensch.

00:27:40: Also ich kann das sofort nachvollziehen, was du da erzählst.

00:27:46: Ich bring jetzt noch meinen Stoßgebet und dann starten wir ins Thema.

00:27:54: Ja, mein Stoßgebet hat zu tun mit dem Grund, weshalb ich gestern viel später zu Bett ging, als ich mir das eigentlich vorgenommen habe.

00:28:04: Ich wurde durch einen Freund auf den Live.

00:28:08: übertragenen, laufenden Memorial Service hingewiesen, der zu Ehren von Charlie Kirk stattgefunden hat.

00:28:16: Und wir haben ja letztes Mal über Charlie Kirk gesprochen und ich habe damals so zugeschaltet und bin nicht mehr losgekommen davon.

00:28:25: Und das war eine ganz, finde ich, ambivalente Erfahrung.

00:28:29: Es war ein Gottesdienst mit einer unfassbaren Fallhöhe.

00:28:34: Also da begann es mit den allen bekannten Worship.

00:28:40: Musikgrößen, die Amerika aufzubieten hat, Chris Tomlin, Brenton Lake, Phil Wickham, Carrie JoBee Carnes und Cody Carnes und so weiter.

00:28:51: Also Leute, die in den amerikanischen Charts mit ihren Alben die ersten Plätze jeweils besetzen und die haben da kräftig eingeheizt, ganz nach Manier einer evangelikal-charismatischen Massenveranstaltung.

00:29:08: Und die Lieder, die waren mir mehrheitlich vertraut, das sind Lieder, zu denen ich mit erhobenen Händen jahrelang in Gottesdiensten mitgesungen habe.

00:29:19: Und jetzt kommen die im Zusammenhang mit dieser Gedenkfeier für Charlie Kirk und das Ganze hat sich fünf Stunden hingezogen.

00:29:27: Irgendwann habe ich dann aufgegeben und bin schlafen gegangen, aber die Reden, die da gehalten wurden, die haben sich, die haben derart auch politisch Fahrt aufgenommen.

00:29:38: und haben sich gegenseitig überboten in einer ganz... Eindeutig parteipolitischen und zunehmend aggressiven Rhetorik verbunden mit einer Verklärung von Charlie Kirk als Moses, der das amerikanische Volk ins verheißene Land führt.

00:29:57: Sein Tod wurde als Selbstopfer, als Sacrifice für Gott und für God and Country inszeniert oder interpretiert, als Same einer Erweckung, die mit diesem Gottesdienst Beginnt hunderttausend Leute im Stadion versammelt und etwa drei Millionen Menschen Zuschauer an den Bildschirmen oder in der Liveübertragung.

00:30:24: Und zunehmend wurde das Ganze immer politischer, immer auch ätzender gegen die radikale Linke, gegen die Marxisten und die Sozialisten, die die Kinder verführen, die Universitäten im Griff haben und so weiter.

00:30:42: Und ich habe zunehmend, also zunehmend dieses Unbehagen empfunden mit einer Vermischung von Gottesdienst, von Religion, Christentum und expliziter Parteipolitik, also die Demokraten wurden als das Übel Amerikas, als die Krankheit, die es quasi auszurotten gilt, dargestellt.

00:31:05: Und das hat mir wirklich, also ich sage das jetzt auch nicht so leichtfertig, das hat mir wirklich einen Stoßgebet abverlangt, weil ich gedacht habe, wo führt diese Art der Instrumentalisierung von Religion noch hin?

00:31:20: Am nächsten Morgen, und damit kommen wir zu unserem Thema der Woche, am nächsten Morgen habe ich dann auf den sozialen Medien verschiedene Ausschnitte dieses Gottesdienstes nochmal gesehen, auch des Teils, den ich mir dann geschenkt habe, weil es schon zu spät war.

00:31:39: Und da war ein ganz berührender Moment mit dabei ist die Witwe Charlie Kirk's Erika Kirk auf die Bühne geht und sichtlich berührt, sichtlich bewegt.

00:31:53: Es sich dazu bringt, dem Mörder Charlie Kirk's Vergebung auszusprechen und zu sagen, ich weiß, Jesus Christus hat Vergebung gepredigt und es ist klar, dass man Hass nicht mit Hass besiegen kann.

00:32:10: Und darum spreche ich diesem jungen Mann, der meinen Ehemann ermordet hat.

00:32:17: zu ich vergebe dir und das hat große reaktionen ausgelöst im publikum.

00:32:22: menschen haben geweint menschen haben geklatscht.

00:32:25: das war ein.

00:32:27: Ich will das in keiner Art und Weise jetzt irgendwie einfach zynisch oder ironisch framing, sondern das war ein berührender Moment.

00:32:35: Ich sage jetzt mal ein Einbruch.

00:32:36: Für mich war das ein Einbruch einer jesuanischen Ethik in diesem Gottesdienst.

00:32:43: Leider wurde dieser Moment von Donald Trump unmittelbar wieder kaputt gemacht, indem er in einer unsäglichen weiße gesagt hat.

00:32:53: Ja, er würde sich von Charlie Kirk eben unterscheiden darin, dass er seine Gegner, seinen Gegner nichts Gutes wünscht.

00:33:01: I hate my opponents, er sagt bewusst, opponents, er sagt nicht mal Enemies, er sagt nicht Feinde, ich hasse meine Gegner, meine gemeint ist offensichtlich seine politischen Gegner, nicht seine, nicht die, die außenpolitischen Kriegsparteien mit denen.

00:33:18: die USA in Auseinandersetzung steht, sondern ich hasse meine politischen Gegner und ich wünsche ihnen nur das Schlechteste oder nichts Gutes.

00:33:29: Dieser vergebende Moment wurde dadurch meines Erachtens wieder zerstört, aber ich würde mit dir gerne über dieses Thema Vergebung an diesem aktuellen Aufhänger auch sprechen.

00:33:42: Ja, gerne.

00:33:43: Ich muss sagen, ich habe mir den Livestream nicht angetan.

00:33:46: Ich habe heute Morgen ein paar Videos reingeschaut auf YouTube und habe Zeitungsartikel dazu gelesen.

00:33:56: Gerade weil ich es vielleicht nicht erwartet hatte, fand ich es wirklich berührend, was die Witwe von Charlie Kirk, Erica Kirk gesagt und getan hat.

00:34:07: Und ich fand, dass das weit über ein persönliches Statement hinausgegangen ist.

00:34:13: Also an einer Trauerfeier, die wirklich über Teile hinweg verzweckt worden ist, um jetzt die radikale Link, die NGOs, die ganzen Organisationen, die wir nicht wollen, die jetzt dazu geführt hätten, dass dieser große Gottesmann getötet worden ist, also die wirklich den Hass geschürt haben und die darauf gezielt haben, jetzt einen Gegner festzumachen.

00:34:41: Unbestimmt, aber halt irgendwie gegen alle.

00:34:43: Und jetzt muss man aufräumen und so.

00:34:46: Kommt sie und sagt, dass die Antwort auf Hass nicht Hass ist, sondern immer Liebe.

00:34:51: Liebe zu unseren Feinden und Liebe zu denen, die uns verfolgen.

00:34:54: Das ist fast ein eins zu eins Zitat aus der Bergpredigt.

00:35:00: Und ich fand das Ungeheuer, mutig und stark.

00:35:03: Ja.

00:35:04: Weil es wirklich ... Ich verstehe das auch als politischen Kontrapunkt zu dieser Vereinahmung, wo jetzt alle nach Blut lächzen und ihre Chance sehen, sich machtvoll durchzusetzen gegen die Opponenten, die ja eben keine Enemies sein müssen, oder?

00:35:20: Und das hat mich bewegt.

00:35:21: Und sogar Trump hat ja dann zu Erica Kirk hingeschaut und hat gesagt, Es tut mir leid, ich kann das nicht, vielleicht kannst du mich davon überzeugen.

00:35:30: Ich glaube, das war nur rhetorik, das war nur rhetorik.

00:35:33: Aber es zeigt immerhin, dass das so stark war, dass er nicht einfach drüber hinweg konnte.

00:35:39: Ja, man könnte auch sagen, es hat ihn sichtlich irritiert.

00:35:45: Dieser Akt der Vergebung hat Trump sichtlich irritiert.

00:35:49: Das passt nicht in die Art und Weise, wie er die Welt wahrnimmt und wie er auch seine Machtspiele und seine Ränkespiele ausführt, dass jemand hier Vergebung ausspricht.

00:36:03: In einem, im Kontext muss man sagen, eines Gottesdienstes in dem, also in no uncertain terms auch, der Staat zum Beispiel wurden die republikanischen Repräsentanten, die ja da in großer Zahl, also da war ja alles dabei, von Präsidenten über J.D.

00:36:21: Vance, über die ganzen Lackeien der Trumps in der republikanischen Partei.

00:36:28: Und die wurden aufgefordert, die Macht des Schwertes zu ergreifen gegen die Gegner, die politischen Gegner.

00:36:37: Und es blieb unausgesprochen, aber der Gegner, der gezeichnet wurde in diesem Gottesdienst, sind eindeutig die Linken, die Demokraten, die vorgeblich marxistisch-sozialistischen Scharfmacher.

00:36:53: Also in diesem Kontext steht Der Akt der Vergebung einer.

00:36:58: Erika Kirk sticht eigenartig hervor oder heraus.

00:37:04: Ja, und man kann das natürlich ganz ambivalent beurteilen und diskutieren, was sie zur Todesstrafe auch gesagt hat.

00:37:12: Mindestens fordert Erika Kirk die Todesstrafe nicht.

00:37:17: Also sie hat ihrem Anwalt gesagt, darüber soll die Regierung entscheiden.

00:37:22: Sie möchte das Blut dieses Mannes nicht auf ihrem Konto

00:37:25: haben.

00:37:27: Und natürlich steht im Hintergrund vielleicht eine Angst, dass sie deswegen dann nicht in den Himmel kommen würde oder so was.

00:37:35: Aber es zeigt, dass da mindestens etwas ist, was Anna kennt, dass sie ... Nicht einfach als eine, die jetzt auf ganz schreckliche Art und Weise betroffen ist, einfach Rache fordern darf, sondern sie scheint da tatsächlich sagen, schau, mein Weg ist Vergebung und was die Regierung tut, tut die Regierung.

00:37:57: Ja.

00:37:59: Ich finde das einfach bemerkenswert und will das auch gesagt haben bei allem, was ich kritisch zu Charlie Kirk und zu seinen Anhängern und auch zur Verklärung und Heiligsprechung Charlie Kirk im Gefolge seiner Ermordung gesagt habe.

00:38:15: Ich würde das doch auch herausstreichen, ausgerechnet die Witwe Charlie Kirk, die am direktesten betroffen ist von dieser ungeheuerlichen Und der man Rache-Gefühle und Genugtungsgefühle noch am ehesten zugestehen würde, ausgerechnet sie, ringt sich zu einem Akt der Vergebung durch, während die ganzen anwesenden republikanischen Politiker eigentlich versuchen, die ganze Stimmung politisch zu instrumentalisieren und sich an ihrem politischen Feind abzuarbeiten, wohlverstanden, noch immer bei ungeklärter Motivlage dieses Mordes.

00:39:02: Also soweit ich weiß zumindest, er ist noch immer nicht klar, welche Motive diesen jungen Mann zu dieser Tat veranlasst haben.

00:39:11: Also soweit ich weiß, ist noch nicht klar, dass es sich um links radikale Gewalt handelte.

00:39:18: Aber das hält die Vertreter dort nicht davon ab, mächtig und aggressiv Stimmung zu machen gegen die Demokraten, um das Ganze als einen geistlichen Kampf zu frame.

00:39:30: Das ist verhängnisvolle Verquickung auch.

00:39:34: Und Erica Kirk ringt sich zur Vergebung durch.

00:39:38: Also, was ... Ich mein mal ... was mich hier schon umtreibt und was ich gerne mit dir besprechen würde, ich kann nicht anders als solchen Menschen auch meinen tiefen Respekt zu zollen.

00:39:52: Und ich habe nicht Anlass genug, dass irgendwie die Authentizität dieser Vergebung in Frage zu stellen.

00:40:01: Ich finde, das steht mir auch nicht zu.

00:40:05: Ich finde das unfassbar, wenn man Tage nach einer solchen Tat einen Menschen in dieser Weise auch entlässt quasi und frei gibt aus der eigenen möglichen Verbitterung und aus dem eigenen Schmerz.

00:40:24: Das finde ich unglaublich bewundernswert.

00:40:28: Und die Frage, die mich natürlich umtreibt, ist, lässt sich das als Vorbild so hochhalten und sogar anderen Menschen zumuten, die Unrechtserfahrungen erlebt haben?

00:40:44: oder wie geht man um mit diesem auch neutestamentlichen Imperativ zur Vergebung?

00:40:51: Ja, ich glaube, wir müssen diesen Imperativ vielleicht ein bisschen sezieren.

00:40:56: Das scheint mir ganz wichtig zu sein.

00:40:59: Es gibt eine ganz berühmte Stelle im Römerbrief, das ist Römer zwölf, neun bis einundzwanzig, wo es um die Vergebung im Leben der Gemeinde, der Gemeinschaft geht.

00:41:12: Und ich glaube, dass man sich das schon mal etwas genauer anschauen muss, damit man jetzt nicht aus Vergebung was rein spirituelles macht, wo es darum geht, oh, ich werde das los, was mich als Schatten verfolgt, dort wieder da.

00:41:26: sondern das hat schon eine soziale Funktion und auch eine soziale Sprengkraft.

00:41:32: Was da drin steht, hat aber sehr wenig zu tun mit humanistischen Werten, wie wir sie heute gerne hochhalten würden, wenn wir über Vergebung sprechen, sondern es gibt viel mehr um Demut, nämlich anzuerkennen, was ist meine Aufgabe als Christin und Christ hier auf Erden und was gehört Gott?

00:41:53: Und ihr möchtet es vielleicht kurz vorlesen, damit wir dann über diesen Text auch ins Gespräch kommen und nicht abstrakt einfach über Vergebung sprechen.

00:42:03: Also Römerbrief neun, äh zwölf, Vers neun geht es los.

00:42:08: Die Liebe sei ohne Falsch hast, das Böse hängt dem Guten an.

00:42:11: Die Brüderliche Liebe untereinander sei herzlich einer komme dem anderen mit eher Erbietung zuvor.

00:42:18: Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt, seit Brennen.

00:42:21: dem Geist dient dem Herrn.

00:42:23: Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldigen Trübsal, behalig im Gebet.

00:42:27: Nimmt euch der Nöte der heiligen Anübt-Gast-Freundschaft.

00:42:31: Und jetzt geht es los.

00:42:32: Segnet, die euch verfolgen.

00:42:34: Segnet und verflucht sie nicht.

00:42:37: Freut euch mit den fröhlichen Weint mit den weinenden.

00:42:41: Seit eines Sinnes untereinander trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch zu den Niedrigen.

00:42:46: Haltet euch nicht selbst für klug.

00:42:49: Vergeltet niemandem Böses mit Bösem.

00:42:52: Seid auf gutes Bedacht gegenüber jedermann.

00:42:55: Ist möglich?

00:42:56: So viel an euch liegt, so hab mit allen Menschen Frieden.

00:43:00: Reicht euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes, denn es steht geschrieben, die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht er her.

00:43:12: Viel mehr, wenn dein Feind hungert, so gib ihm zu essen, dürstet ihn, so gib ihm zu trinken.

00:43:17: Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln.

00:43:23: Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutum.

00:43:28: Ja, krass.

00:43:29: Und ich finde das ganz krass, wenn wir hier auf Vergebung schauen, dann geht es eigentlich eher um ein Verzeihen, nämlich um ein Verzicht, sich selbst zu rächen, selbst Böses... Bösem entgegenzuhalten, also nicht quasi ein Konto aufzumachen, wo man sagt, der hat mir jetzt viermal dies getan, jetzt darf ich zweimal das und einmal das entgegenen, sondern dass man sagt, nein, ich lasse meine Integrität, meine Gottesbeziehung nicht dadurch kaputt machen, dass ich selbst zu einem Übeltäter werde, dass ich selbst Böses tue, sondern Ich anerkenne, dass das Gottessache ist.

00:44:12: Wenn Gott das rächen will, dann kann er es rächen.

00:44:17: Und das ist dann vielleicht die Frage meiner Aufgabe ist, aber dann tatsächlich dem hungrigen Feind Essen zu geben und ihm trinken zu geben, wenn er Durst hat.

00:44:28: Und das ist die spirituelle Aufgabe quasi, die da drin liegt.

00:44:33: Ja, also ich finde diesen Text unglaublich.

00:44:39: herausfordern, gerade in dieser Verdichtung und in dieser Zuspitzung.

00:44:44: Da könnte man ja natürlich die Seelichpreisungen von Jesus ihn zunehmen oder dass der Text lebt ja auch oder atmet diesen Geist, der Seelichpreisungen segnet, die euch fluchen und tut Gutes denen, die euch, wie heißt es, verfolgen oder böses tun.

00:45:03: In dieser Zuspitzung, das ist schon, es ist schon krass und was ich spannend finde in dem Paulustext, den du gelesen hast, dass hier eben der Verweis auf die Rache Gottes erfolgt.

00:45:15: Und ich lese das genauso, wie du das jetzt kurz gesagt hast.

00:45:18: Ich lese es auch so, dass der Betroffene an dieser Stelle, man könnte sogar sagen, die Kraft oder den Mut zur Vergebung aufbringt im Blick auf einen Gott der Gerechtigkeit, im Blick darauf, dass Gott sich quasi um das Recht der armen kümmert und dass er derjenige ist, der hier, es heißt dann Vergeltung übt.

00:45:48: Das erinnert mich an die berühmte Bezeichnung von Dietrich Bonnhöfer, der hat ja so ein kleines Büchlein geschrieben zu dem Psalmen als Gebetsbuch der Gemeinde und da hat er ein Kapitel zu den Rachepsalmen und da bezeichnet er eben die Rachepsalmen des Alten Testament, in denen ja Menschen für ihren Feinden fürchterliche Dinge.

00:46:12: Wünschen im Gebet und er sagt, es sind eigentlich rache Verzichtsalmen, weil zwar Menschen hier, dass die Ungerechtigkeit, die ihnen widerfahren ist, absolut schonungslos markieren und auch ihren Gefühlen.

00:46:31: und ihren Gedanken nach Vergeltung, nach Rache völlig schonungslos Ausdruck verleihen, aber sie tun dies in der Gegenwart Gottes und also tun sie dies in einem Setting, dass darauf verzichtet, die Rache selbst auszuführen, sondern in der Hoffnung auf einen Gott, der gerecht ist und Gerechtigkeit herstellen kann.

00:46:54: Ich finde das ein interessanter Aspekt im Blick auf

00:46:57: Vergebung,

00:46:58: dass man sagen kann, Vergebung Im christlichen Kontext lebt vom Glauben an einen Gott, der gerecht ist und der Gerechtigkeit herstellt und die geschundenen und ungerecht behandelten auch ins Recht setzen wird.

00:47:18: Ja, und ich glaube, es geht hier auch... eine ganze Bewegung durch diesen kurzen Text, oder?

00:47:24: Also am Anfang hab ich eigentlich noch die Brüder und Schwestern und wie lebe ich mit denen zusammen, dann kommt diese schreckliche Verfolgung, oder?

00:47:33: Also es gibt solche, die uns aber verfolgen.

00:47:37: Und was sollen wir tun, mit denen?

00:47:38: wir sollen sich segnen und nicht verfluchen?

00:47:41: Also verflucht sie nicht, heißt es.

00:47:43: Also es ist doch nicht mal von körperlicher Gewalt, die Rede, sondern nicht mal verfluchen sollt ihr sie.

00:47:49: Und am Schluss dann diese Klammer eigentlich um alles, lasst dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwindet das Böse mit Gutem.

00:47:58: Da fragt man sich ja, wenn ich jetzt das Gebot habe, dass ich mein Feind lieben soll.

00:48:04: Oder wenn ich das Böse mit Gutem überwinden soll.

00:48:08: Wo ist dann noch Böses?

00:48:09: Wo ist dann noch ein Feind?

00:48:11: Das wäre ja eigentlich das, worauf es abzieht.

00:48:14: Ich glaube, das ist wirklich in Nutsche eine Beschreibung dieser Reich Gottes Idee.

00:48:20: dass da nämlich eine Zusage, eine Verheißung, eine Kraft ist, dass man böses mit gutem Überwinden kann, dass man seinen Feind lieben kann.

00:48:30: Also, welchen Feind hast du, den du liebst?

00:48:33: Ist das wirklich noch ein Feind?

00:48:34: Und was bedeutet das?

00:48:36: Und ich glaube, jetzt muss man hier aber auch ein bisschen differenzieren, weil wir bei Liebe sofort an ein Gefühl denken, an eine Emotion, die man haben soll, als Kinder der Moderne und der Neue Zeit, aber ich glaube gemeint es damit, dass ich mich um ihm kümmere, also dass ich ihm liebes Dienst erweise in dem, was ich tue.

00:49:01: Und

00:49:02: ich glaube aber, dass das dann tatsächlich auch die innere Haltung ändert.

00:49:06: So, und das ist ja jetzt alles ganz schön und gut, aber wir haben das nicht umsonst die dunkle Seite der Vergebung genannt, weil was passiert jetzt, wenn daraus ein geistlicher Anspruch wird, wenn es zum Beispiel heißt,

00:49:19: ja,

00:49:20: der Pastor hat dich sexuell missbraucht und vergewaltigt und dich gedemütigt

00:49:27: etc.,

00:49:28: aber lasst dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit gutem Vergib ihm, liebe dein Feind.

00:49:35: Ja.

00:49:36: Ja, und das ist, also das ist eben der Picante.

00:49:41: Punkt an der Stelle, weil was du jetzt genannt hast, ist ja kein fabriziertes Beispiel, sondern ist auch nach den empirischen Untersuchungen auch im Blick auf die deutsche Missbrauchstudie, die Studie, die Forumstudie in Kirchen, das ist ein Argument, das tatsächlich immer wieder vorgebracht wurde, das sich zurückverfolgen lässt in vielen Fällen, wo Pastoren sich an ihren Schutzbefohlenen oder an ihren Gemeindegliedern vergangen haben, dass man da dann mit der Gemeindelleitung oder mit dem ältesten Rat oder mit der Kirchenpflege oder wer auch immer, dass die dann mit den Opfern sprechen und sich berufen auf ein christliches Vergebungsethos und sagen, ja, wir müssen das jetzt nicht zur Anzeige bringen.

00:50:30: Es tut ihm ja auch leid und so.

00:50:33: Und jetzt ist quasi die Tugend der Vergebung gefragt.

00:50:37: Jetzt kannst du doch ihm das nicht anlasten und ihn nicht noch vor Gericht zähren, sondern jetzt bist du gefragt als evangelischer Christ, der nach Vorbild der Bergpredigt und des Jesuanischen Vergebungsgebotes sagt, ich lass dich jetzt los und halte nicht daran fest.

00:50:58: Das passiert, das passiert zu Hauf.

00:51:02: Und ist natürlich ein ganz fürchterlicher Missbrauch auch dieses theologischen Gedankens.

00:51:10: Und man kann sagen, da werden Menschen, die in... Kreisen der Kirche schon einmal missbraucht werden, werden eigentlich noch einmal spirituell missbraucht, wenn man sie theologisch so unter Druck setzt.

00:51:24: Das ist ja in der Tagung, für die wir auch ein paar Mal geworben haben, über spirituellen Missbrauch vor zwei Wochen, anderthalb Wochen, da ist das ja auch ganz klar herausgekommen beim letzten Referat zumindest, wo heißt der Rainer Anselm.

00:51:43: Wo er auf theologische Aspekte evangelischer reformatorischer Theologie hingewiesen hat, die missbrauchsbegünstigend sich auswirken können oder die die Vertuschung und die fehlende Ahndung von sexuellen oder von spirituellen Übergriffen befördern, da hat er das auch angebrangert unter anderem.

00:52:09: Ja, genau.

00:52:12: wichtig, den Verzicht auf Rache auch historisch etwas zu kontextualisieren.

00:52:18: Es ist eben nicht Rache, einen Täter anzuklagen und vor Gericht zu bringen.

00:52:23: Das hat gar nichts mit Rache zu tun.

00:52:25: Auch unser ganzes Justizsystem funktioniert so, dass es auf den Racheaspekt im Strafrecht eigentlich weitestgehend verzichtet und sich um Resoluzialisierung kümmert.

00:52:38: Ja.

00:52:38: Also es bedeutet, unser ganzes Justizsystem ist schon sehr stark täterin und täterorientiert, jetzt gesagt.

00:52:46: Also schon das ist nicht auf Rache ausgelegt, oder?

00:52:49: Und das Gegenbild hier ist der Verzicht auf Rache, der dann eigentlich geschildert wird und den wir dann so schnell mit Vergebung und Verzeihen gleichsetzen.

00:53:01: Aber ich glaube, der Verzicht auf Rache ist hier im biblischen Text eigentlich einfach die Anerkennung, dass Gott dieses letzte Wort zusteht.

00:53:12: Nicht

00:53:12: ich den Mörter töten darf, sondern dass Gott nur dieses Urteil über dieses Leben haben darf.

00:53:19: Und ganz ähnlich, glaube ich, sollten wir in einem Rechtsstaat mit dem Recht umgehen.

00:53:25: Also, dass wir auch auf Rache das, was man Lünchjustiz nennen würde, verzichten sollen.

00:53:31: und darauf vertrauen sollen, dass das Recht sein Job tut an dieser Stelle.

00:53:37: Ja, ich finde das jetzt eine sehr, sehr wichtige und hilfreiche Unterscheidung.

00:53:42: Man kann sagen, die Frage, ob ich einem Täter oder jemanden, der mir Unrecht getan hat, ob ich ihm vergebe, hat eigentlich nichts ... damit zu tun, ob man diese Person juristisch behaftet oder strafrechtlich verfolgt.

00:54:00: Das sind zwei verschiedene Dinge.

00:54:02: Man könnte oder man kann einem Menschen persönlich vergeben und gleichzeitig sich bemühen, dass diese Person staatsrechtlich, strafrechtlich verfolgt wird, das schließt sich nicht aus.

00:54:16: Einerseits mit dem Gedanken, den du genannt hast, strafrechtlicher Folgen bedeutet nicht, dass der Staat Rache übt am Täter, sondern dass er sich bemüht, um dessen Resozialisierung oder was es ja auch gibt strafrechtlich, dass man sagt, man versucht Menschen im Gefängnis auf Freiheitsentzug zu setzen, damit sie nicht zu Wiederholungstättern werden.

00:54:41: Und das ist ja ein Aspekt, Ich kann ja auch, wenn ich den Mut und die Kraft aufbringe, jemanden zu vergeben, ist es ja immer noch in meinem Interesse, dass diese Person nicht die Freiheit hat.

00:54:56: das, was sie mir angetan hat, an vielen anderen zu wiederholen.

00:55:00: Und deshalb kann es gleichzeitig mein Anliegen sein, diese Person strafrechtlich zu verfolgen.

00:55:06: Die Frage der Todesstrafe, die müssen wir zum Glück im europäischen Kontext jetzt nicht diskutieren.

00:55:12: Da wäre für mich dann tatsächlich der Schritt, eben die Grenze überschritten zu einer Art der staatlichen Justiz oder der staatlichen Strafvollzugs, der eigentlich ins Terrain Gottes vorstößt.

00:55:27: Aber eine... Ja,

00:55:28: Mannu, ich würde sogar so weit gehen und sagen, jede Idee, die einen rache Gedanken in die Justiz einträgt, fällt eigentlich hinter Römer zwölf zurück.

00:55:39: Ja, ja, sehr schön.

00:55:40: Oder

00:55:40: weil die Idee ist ja nicht, dass ich sage, ich verzichte auf rache, weil das Recht wird mir zur Gerechtigkeit verhelfen.

00:55:48: Das ist ja nicht die christliche Idee.

00:55:50: Ja.

00:55:51: Sondern ich sage, ich selbst verzichte sowieso auf Rache, weil das Urteil über diesen Menschen das gehört Gott.

00:55:59: Ja.

00:55:59: Und jetzt leben wir aber in Gesellschaften zusammen und da hat das Recht, die Funktion dieses Zusammenleben weiterhin zu ermöglichen.

00:56:09: Und dort, wo etwas kaputt gegangen ist, dass soweit es geht, zu fixen, damit ein Zusammenleben möglich bleibt.

00:56:16: Das ist die Aufgabe des Rechts.

00:56:18: Also das Recht hat nicht die Aufgabe, Gerechtigkeit umzusetzen.

00:56:22: Wenn wir das jetzt auf die Frage der Todesstrafe beziehen, dann könnte man ziemlich einfach sagen, na ja, die Todesstrafe, die weiß nicht, ob sie gerecht oder ungerecht ist, aber sie weiß, dass sie das Konto des Rechts überzieht, indem sie eine endgültige Gerechtigkeit schaffen will.

00:56:41: Und das ist ein Fehler jetzt aus einer christlichen Perspektive, wenn wir von Römer her kommen, weil es nicht die Aufgabe ist, die wir Menschen untereinander haben.

00:56:50: Ja, und es ist natürlich, um das einfach als Gedanken noch nachzuschieben, es ist auch erkenntnistheoretisch vermessen, die Todesstrafe, weil sie halt eine absolut irreversible Tötung eines Menschen vornimmt, ohne sich bewusst zu sein oder dazuzugestehen, dass es leider sehr zahlreiche Fälle von Justiz-Irtum gibt, die sich dann in keiner Weise mehr rückgängig machen lassen, weil die Person tot ist, obwohl sie sich im Nachhinein als unschuldig erwiesen hat.

00:57:23: Die Liste ist erschreckend lang mit Menschen im amerikanischen Rechtssystem.

00:57:29: bei denen es sich genauso verhalten hat.

00:57:32: Also da will ich auch sagen, da überzieht der Staat sein Konto oder da überschreitet er seine Zuständigkeit.

00:57:39: Aber eben jetzt im Blick auf Charlie Kirk's Witwe, ihr Akt der Vergebung heißt nicht und zum Glück nicht, dass sie das Gefühl hat, man muss diesen jungen Mann jetzt frei auf die Straße lassen und ihm alles Gute wünschen, sondern selbstverständlich soll der Straf ... rechtlich verfolgt und auch verurteilt werden.

00:58:00: Das hat mit ihrer Freiheit ihm zu vergeben, nichts zu tun.

00:58:05: Ich hoffe, dass sie, und dass sie ihn auch in der Weise freigibt, dass sie nicht die Todesstrafe fordert.

00:58:12: Das spricht natürlich zusätzlich auch für sie.

00:58:15: Und ich hoffe, dass jetzt nicht irgendwelche rachsüchtigen Politiker das zum Anlass nehmen, an diesem Mann ein Exempel zu statuieren und ihn hinzurichten, weil ich glaube, dass daraus nichts Gutes erwächst?

00:58:29: Ja, das glaube ich auch nicht.

00:58:31: Und ich denke, wenn wir sagen, wir sprechen über die dunkle Seite auch von Vergebung, oder dann gehört da auch dazu, dass man manchmal von Menschen so etwas wie menschliche Größe und Vergebung einfordert, die das überhaupt nicht tun können.

00:58:51: Also ich muss sagen, auch wenn Erika Kirk sich jetzt hingestellt hätte und sie hätte ganz schreckliche Dinge gesagt, hätte ich immer noch gedacht, man hätte sich schützen müssen vor diesem Auftritt, aber ich hätte sehr viel Verständnis dafür gehabt, dass sie nicht in der Lage ist, sich so differenziert und weise zu äußern, wie sie das jetzt getan hat.

00:59:15: Und auch da, glaube ich, dürfen wir dann nicht auf der Seite der Opfer etwas einfordern, was die nicht können oder noch nicht können und vielleicht auch nie können werden.

00:59:28: Die Vergebung darf nicht als etwas instrumentalisiert werden, was wir quasi zu einem gelingenden Prozess, inneren Prozess eines Opfers zählen.

00:59:40: sollten, oder?

00:59:41: Weil dann wäre die Person, die nicht vergeben kann, die wäre dann einfach pathologisch.

00:59:47: Also die wäre krank, die sich nicht richtig entwickelt.

00:59:50: Aber es gibt natürlich himmelschreiende Ungerechtigkeit und Brutalität, die einen dazu bringen kann, niemals vergeben zu können.

01:00:01: Im Sinne, dass ich etwas aufgeben kann.

01:00:03: Aber das, was uns geboten ist, ist der Verzicht auf Rache.

01:00:07: Ich glaube, das ist etwas ganz Wichtiges.

01:00:10: Und was uns verheißen ist, ist, dass Gott uns vergeben hat und dass wir versuchen können, auch zu vergeben.

01:00:18: Das sind ganz andere Dinge, als man die dann in diesem geistlichen Missbrauch darstellt, quasi als Automatismus der Vergebung.

01:00:28: Also, die ist etwas passiert, du bist Christ, du musst vergeben.

01:00:32: Das ist nicht die Idee.

01:00:34: Sondern die Idee ist, dass Gott Wege und Möglichkeiten kennt.

01:00:39: die nicht zulassen, dass du für immer auf das, was dir angetan worden ist, festgelegt sein musst.

01:00:47: Das ist eigentlich der Sinn von Vergebung.

01:00:49: Ja, sehr schön.

01:00:52: Absolut, ich unterschreibe das und ich ringe aber doch mit der Frage, was bedeutet das, wenn die Bibel das Neute Testament gerade Jesus an so vielen Stellen?

01:01:03: Die Vergebung herausstreicht und deutlich macht, das geht ja bis ins Vater unser.

01:01:09: Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.

01:01:15: Wenn Jesus das so stark herausstreicht, was bedeutet das jetzt für Opfer von himmelschreienden Ungerechtigkeiten, für Opfer von Missbrauch gerade in kirchlichen Kreisen?

01:01:28: Weil du hast es jetzt sehr, sehr pointiert auch gesagt, es ist eine unglaubliche Zumutung und auch ein missbräuchlicher Umgang mit Theologie, wenn man die Opfer von Ungerechtigkeit noch zusätzlich unter den Druck stellt, jetzt Vergebung auszusprechen.

01:01:54: Und ich glaube, es gibt Menschen, die betroffen sind und die mit gutem Recht sich gerade, wenn das so übergriffig, dieser imperativ zur Vergebung so übergriffig daherkommt, mit gutem Recht sich weigern zu vergeben, weil sie mit dem Akt der Vergebung in diesem Kontext eigentlich eine Relativierung des Unrechts verbinden.

01:02:15: dass ihnen wiederfahren ist.

01:02:16: Weißt du, dass sie denken, Leute, die jetzt von mir Vergebung einfordern für diese schrecklichen Dinge, die ich als Kind oder Jugendlicher erlebt habe und die mir unter Umständen, die mich traumatisiert haben, die mir praktisch mein ganzes Leben versaut haben.

01:02:32: Und jetzt mutet man mir zu, noch Vergebung auszusprechen.

01:02:36: Das fühlt sich für viele wahrscheinlich an, als ob sie Vergebung nur um den Preis erkaufen könnten, dieses Unrecht irgendwie zu relativieren, irgendwie als nicht ganz so gravierend einzustufen.

01:02:52: Und das ist natürlich wirklich einfach falsch, weil wenn wir uns mal die biblischen Gleichnisse anschauen, wo es um Vergebung geht, also die Jesus selbst erzählt, oder?

01:03:01: Funktionieren die so, dass zum Beispiel ein sehr reicher Gutsherr, der aber verschuldet ist, geht zum König und der König lässt ihm die Schuld.

01:03:11: Und jetzt geht er weg vom König und fordert aber von seinem untergebenen, schlechter gestellten Schuldner den ganzen Betrag ein und lässt sich alles zurückzahlen.

01:03:23: Und da sagt sie, das geht doch nicht.

01:03:25: Das geht nicht.

01:03:26: Das ist doch seltsam.

01:03:29: Wenn dir von höchster Stelle vergeben worden ist, wie kannst du weiter gegen unten treten und da nicht auch nadewalten lassen.

01:03:37: Aber ist ein ganz klares Hierarchie-Verhältnis.

01:03:40: Also, die dir übergeordnete Hierarchie hat dir vergeben, du kannst gegen unten auch vergeben.

01:03:48: Aber der Priester, der dich missbraucht, der ist nicht der Unten.

01:03:53: Der ist dir übergeordnet.

01:03:55: Das ist ein ganz furchtbarer Machtmissbrauch, den jemand da verübt hat.

01:03:59: Und das ist nicht so, dass du dann quasi großzügig gegenüber deinem Hund bist oder einem Kind oder einem Mitarbeiter, für den du verantwortlich bist.

01:04:08: sondern das fordert etwas ganz ganz anderes ein, was in diesen Gleichnissen mindestens nicht vorkommt.

01:04:15: Und dann zum Unser Vatergebet, das ist immer eine Frage, wie man das versteht.

01:04:19: oder man kann das Gebet so verstehen, dass man betet, vergib uns.

01:04:24: wie wir das auch tun untereinander.

01:04:27: Also wie auch wir vergeben unseren Schuldigen.

01:04:30: Und dann wäre es ganz einfach die Festigung, schau mal lieber Gott, wir schaffen das auch untereinander, weil dein Reich angebrochen ist.

01:04:39: Und darum hoffen wir darauf, dass du das auch tust in Ewigkeit.

01:04:44: Also quasi Gott auf die... Eigenlogik seines eigenen Reiches zu behaften.

01:04:51: Das wäre eine Lesart.

01:04:53: Eine ganz furchtbare Lesart wäre zu sagen, vergib uns, aber nur wenn wir auch unseren Schuldigern vergeben.

01:04:59: Aber das ist eigentlich keine Übersetzung dieses Textes.

01:05:03: Also es steht halt nicht da.

01:05:04: Es ist nicht in dem Sinne gemeint, dass man sagen kann, nur wenn ich mit der ganzen Welt im Reihen bin, lieber Gott, kannst du mir auch vergeben.

01:05:15: Das, was es gibt, ist, dass wenn man zum Gottesdienst geht und vor Gott treten will, dass man Streitereien, die man noch im Privaten hat bereidigen soll.

01:05:24: Aber da geht es auch wieder um was ganz anderes.

01:05:26: Da geht es darum, dass du dich nicht in irgendeine spirituelle Sonderlücke verstecken kannst und dich der Welt entziehen kannst und da quasi dann abfeierst, dass alles zwischen dir und Gott in Ordnung ist.

01:05:40: Nein, die Gottesbeziehung hängt auch an deinen Beziehungen zu deinem Mitmen.

01:05:44: Und die Beziehungen

01:05:46: zu deinen Mitmenschen prägen auch deine Gottesbeziehungen.

01:05:48: Aber es ist wieder was ganz anderes.

01:05:50: Also deswegen, ich glaube nicht, dass es diesen Zwang zu Vergebung gibt.

01:05:54: Es gibt bestenfalls die Verheißung, dass wir vergeben können.

01:05:58: Und es gibt immer wieder die Erfahrung, dass das geschenkt wird.

01:06:02: Das ist eine Gnade, wenn das passiert.

01:06:04: Und die wird angerufen, glaube ich, in diesem Gebet.

01:06:09: Ja, ich finde das schon bleiben spannungsvoll.

01:06:13: Ich glaube ... Ein Aspekt, den du jetzt eigentlich auch schon angedeutet hast, den finde ich sehr wichtig beim Thema oder entscheidend beim Thema Vergebung, dass es eigentlich etwas ist, wenn wir irgendwie an einem einigermaßen evangelischen Verständnis des christlichen Lebens festhalten wollen, dann ist Vergebung und überhaupt auch Glaube und ganz und alles andere, ist etwas, das wird uns geschenkt, die Freiheit dazu, der Mut, dazu.

01:06:45: Das wird uns geschenkt.

01:06:48: Das ist etwas, was wir nicht einfach aus uns herauspressen können und das wir auch nicht schaffen, wenn wir uns unter einen biblischen Imperativ stellen und sagen, ich müsste das tun, weil Jesus sagt das doch vielleicht sogar noch mit der Angst, dass man dann selber vielleicht, dass man es nicht in den Himmel schafft, wenn man nicht vergibt und so.

01:07:10: Das sind alles Motive, die meines Erachtens in solchen gravierenden Fällen, die Kraft nicht haben, uns wirklich zur Vergebung zu führen.

01:07:22: Und doch gibt es diese auch irritierenden Stellen.

01:07:25: Ich bin da exegetisch zu wenig fit, um das jetzt im Kontext auszulegen oder vielleicht auch ein bisschen zu relativieren.

01:07:32: Aber Matthäus VI auch noch bergpredigt, wo Jesus sagt, wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben.

01:07:44: Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.

01:07:51: Oder dann Parallelstelle in Markus elf.

01:07:53: Und wenn ihr steht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemanden habt, damit auch euer Vater im Himmel euch eure Verfehlungen vergebe, zumindest auf der Oberfläche gelesen, könnte man jetzt schon sagen, meine Bereitschaft, meinen Schuldigen zu vergeben, ist Voraussetzung für die Vergebung Gottes mir gegenüber.

01:08:15: Und wenn es so wäre, dann wäre der Anspruch zuerst und es wäre meines Erachtens kein Evangelium.

01:08:24: Ja, und das ist halt jetzt die Frage, was das bedeutet, zu vergeben.

01:08:28: Also heißt das einfach, dass man nicht böses mit bösem vergeht?

01:08:32: Das wäre ja eine Möglichkeit, wenn wir an Römer denken, heißt es, dass wir Raum lassen für die rache Gottes darin, dass wir dann die Demut anzuerkennen, dass das seine Sache ist und nicht unsere.

01:08:48: Oder bedeutet es, dass wir innerlich sagen, ja, Ich liebe diesen Täter von ganzem Herzen, wie auch Gott mich liebt, von ganzem Herzen.

01:08:59: Nein, ich glaube, das muss es eben nicht heißen.

01:09:02: Und das finde ich eine gefährliche Vermischung, die halt in unseren Sprachspielen immer wieder ganz, ganz nahe zusammenkommt, oder?

01:09:09: Also dieses Vergeben und Vergessen, dass wir immer so einander hängen.

01:09:14: Nein, ich glaube, es geht eigentlich vielmehr um ein Verzicht auf Rache und ein Verzicht sich selbst recht.

01:09:22: zu verschaffen, Selbstgerechtigkeit ausüben zu müssen.

01:09:26: Und das finde ich durchaus nachvollziehbar und auch stark, aber das ist glaube ich nichts, was man jetzt ausziehen kann auf das, was ein... Opfer gegenüber einem Täter fühlen und empfinden muss.

01:09:41: Ja, das finde ich hilfreich in diese Richtung.

01:09:45: Und das auch abzulösen, ganz sicher abzulösen von irgendwelchen Gefühlen.

01:09:50: Ich finde auch, der Verzicht auf Rache, dass ein Opfer auf Rache verzichtet, ist auch noch nicht gleich bedeutend, dass ein Opfer auf Rache Gefühle verzichten kann.

01:10:02: Also, dass ein... Opfer von Missbarung.

01:10:04: Also die Rache-Gefühle haben ja sogar ganz viel Platz.

01:10:07: Die Rache

01:10:08: ist mein,

01:10:08: ich will vergelten, sprich der Herr.

01:10:11: Das hat seinen Platz, aber gehört nicht in deine Hoheit.

01:10:14: Genau, das sind wir wieder bei den Rache-Psalmen, die man mit gutem Recht oder die man auch mit einer christlichen Freiheit nachbeten kann, weil das befindet sich in mir.

01:10:26: Diese Gefühle sind da.

01:10:29: die zu verdrängen oder christlich abzuurteilen, das bringt nichts und ist auch nicht möglich.

01:10:35: Es geht nicht darum, aber es geht darum, nicht die Rache in die eigene Hand zu nehmen und den Täter insofern auch quasi der Gerechtigkeit Gottes zu übergeben und anzuerkennen, dass er sich, dass es sich bei ihm auch um einen Menschen mit einer Würde handelt, was Strafverfolgung nicht ausschließt.

01:10:59: Und was auch nicht bedeutet, dass man den zu seinem neuen Freund machen muss oder sich, das ist ja auch oft gefährlich, nahe beieinander Vergebung und Versöhnung, dass man sich in einer Art und Weise versöhnt, die dann, und das gibt es leider auch traurige Geschichten von Leuten, die sich verpflichtet fühlen, sich mit dem Täter in einer Art und Weise zu versöhnen, die eine Wiederholung der Tat, eine Wiederholung des Missbrauchs dann sogar wieder möglich macht.

01:11:28: völlig absurd.

01:11:30: Ja, und ich glaube, Nietzsche hat da wirklich einen ganz wichtigen Punkt gehabt, als er über Rache nachgedacht hat.

01:11:37: Dass Rache eigentlich etwas ist, was uns, auch wenn wir das Rache-Gefühl haben, den Rache-Plan haben, immer in einer Abhängigkeit zum Täter, an dem wir uns reichen wollen, bringt.

01:11:51: Also wir sind in der Rache immer letztendlich dann in der reagierenden, in der unterlegenen Position.

01:12:02: Daraus kommt die Rache-Fantasie.

01:12:05: Aber sie ist eigentlich nicht etwas, was wir aus Stärke tun und aus Stärke empfinden.

01:12:10: Und deswegen ist es so gefährlich, wenn wir jemandem, der Rache-Gefühle hat, aufzwingen wollen, das er vergeben muss.

01:12:19: Weil ich glaube, diese Vergebung ist nicht einfach ein Klickmoment, ein Automatismus oder ein Gesetz, das wir einzuhalten haben, sondern das muss zunächst über den Weg gehen, dass ich mich nicht mehr unterlegen, nicht mehr bedroht, nicht gefährdet fühle in meiner Integrität, in dem, was ich bin.

01:12:37: Und dann ist so etwas möglich wie der Verzicht auf Rache.

01:12:42: Und daraus kann vielleicht noch mehr werden.

01:12:44: Das will ich alles gar nicht bestreiten.

01:12:46: Das wäre ja wunderschön.

01:12:47: Aber es ist nicht so, dass man das rache Gefühl direkt durch die Vergebung einfach ersetzen kann und los wird, sondern es braucht diesen Weg, sich nicht mehr klein, nicht mehr unterlegen, nicht mehr schwach zu fühlen.

01:13:02: Und deswegen,

01:13:03: und das ist etwas, was du ja immer so stark machst, sind eigentlich christlich-pazifistische Positionen, keine Positionen aus einer Schwäche heraus.

01:13:12: Sondern es sind Positionen, die darum wissen, dass sie nicht unterlegen sind, dass sie auf Augenhöhe sind und dann verzichten sie auf Gewalt.

01:13:21: Es ist nicht ein Gewaltverzicht aus Mangel an Alternativen, sondern es ist eine Bewusstheit dahinter.

01:13:29: Man könnte, aber man tut es nicht.

01:13:32: Ja.

01:13:33: Ja, und es ist eine Überzeugung, dass quasi derjenige wirklich frei ist, der sich nicht in eine Gewalt, Spirale verwicken lässt und der auch sich nicht einnehmen lässt von... dem Bösen, das ihm droht oder widerfahren ist, sondern eine Freiheit dazu entwickelt.

01:13:55: Und das kann man natürlich bei Vergebung auch sagen.

01:13:58: Es gibt wirklich sehr berührende Geschichten von Menschen, die durch die Vergebung von himmelschreiendem Unrecht auch irgendwie die Autorschaft über ihrer Geschichte wieder erlangt haben und die Freiheit erlangt haben, ihre ganze Geschichte und ihre Identität nicht einfach als Opfer dieses Täters zu framing und bestimmen.

01:14:20: zu sein für den Rest des Lebens von dieser Person und was sie einem angetan haben, sondern quasi durch die Vergebung selber wieder ihre eigene Geschichte schreiben.

01:14:32: Also ich wünsche das ja Menschen, aber der Schritt das von Menschen zu verlangen, zu fordern und ganz besonders, wenn es von denjenigen gefordert wird, die institutionell auf der Täterseite stehen, dann wird es wirklich ganz pervers.

01:14:48: Und dann, und da sollten Kirchen, glaube ich, auch wirklich ihre Hausaufgaben machen, auch theologisch und sich nicht theologisch oder systemisch mit den Tätern solidarisieren, sondern mit denjenigen, die da Unrechte erlitten haben.

01:15:08: Und denen es frei steht oder die selber die Freiheit finden müssen oder können, Vergebung auszu... sprechen, aber sicher nicht als Forderung einer Institution, die Angst hat, um negative Schlagzeilen oder so.

01:15:28: Dazu sage ich gleich, armen und verzichte damit auch auf mein Armen, Maru.

01:15:35: Was steht die Woche noch an bei dir?

01:15:38: Eigentlich nicht mehr so viel für einmal, weil ich ja die nächsten zwei Wochen im Urlaub bin.

01:15:45: Und jetzt vor allem noch packen muss.

01:15:48: und natürlich hab jetzt im Reflab noch einiges vor.

01:15:51: Wir nehmen ja auch voraussichtlich noch eine Folge von Ausgeglaubt auf, weil du's wieder nicht lassen kannst in den Ferien auch noch Ausgeglaubt auszustrahlen.

01:16:02: Ja, aber es ist, glaub ich, einigermaßen überschaubar diese Woche für einmal.

01:16:07: Und bei dir ...

01:16:09: Ja, bei mir ist jetzt noch viel Schreibarbeit, aber das Haus ist so halb leer.

01:16:14: Und das heißt, ich komme gut voran mit Arbeiten und werde auch versuchen, mein Schreibtisch so abgebaut zu haben, dass ich den Urlaub dann richtig genießen kann.

01:16:24: Wann fährst du?

01:16:26: Samstagmorgen früh, sechs Uhr, sieben Uhr, so fahren wir Richtung Südfluch Frankreich los.

01:16:31: Ja, schön.

01:16:32: Also wir fahren am Dienstag erst los und ich freue mich jetzt, dass ich noch wirklich Zeit habe, alles zu erledigen, was doch ansteht.

01:16:41: Hey, wenn ihr bis jetzt dran geblieben seid, vielen Dank.

01:16:44: Wir freuen uns auf euer Feedback, nehmen das auch gerne in der nächsten Folge wieder auf und wünschen euch eine gute Zeit.

01:16:51: Vielleicht hören wir uns wieder in einer Woche.

01:16:54: Bis denn, führt euch Gott.

01:16:56: Tschüss.

Über diesen Podcast

Was heisst das eigentlich, Christ zu sein? Woran glauben Christen und was können sie getrost aufgeben? Logisch, dass sich Manuel Schmid & Stephan Jütte dabei nicht immer einig sind. Aber sie versuchen in diesem Podcast zusammen herauszufinden, was für sie wirklich zählt und was ihnen eher im Weg steht. Und klar: Beide wissen es auch nicht wirklich. Aber vielleicht regt es dich an zum Mitdenken. Oder es regt dich auf und du magst mit ihnen streiten. Oder du schreibst ihnen einfach mal, was du nicht mehr glauben kannst oder musst oder willst.

von und mit Manuel Schmid & Stephan Jütte

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