00:00:04: Ein Podcast für Menschen,
00:00:06: die glauben, neu denken und manchmal alles anzweifeln.
00:00:18: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Ausgklaub.
00:00:21: Wir sprechen heute über die Zukunft der Religion und zwar Zwischen Individualismus und Gemeinschaft und wir, das sind Manu und ich.
00:00:30: Manu ist mein Freund, Podcast-Kollege seit fünf Jahren Theologe, Philosoph und immer unter Strom und dafür meistens erstaunlich gut gelaunt.
00:00:41: Er hat eine Riesen-Super-Schwäche und das ist, er kann ganz schlecht Nein sagen.
00:00:47: Er nimmt viel zu viele Termine an und hat dann Gott sei Dank aber meistens Spaß daran.
00:00:53: Hallo Manuel, schön bist du da.
00:00:55: Hallo Stefan.
00:00:56: Ja meistens habe ich dann Spaß aber manchmal bereue ich auch.
00:01:04: gewisse Dinge zugesagt zu haben und wünschte mir, es würde mir leichter fallen auch mal.
00:01:12: auch mal etwas Interessantes abzusagen, weil es einfach nicht ins Programm passt.
00:01:17: Aber ich lerne dazu.
00:01:18: Und ich rede...
00:01:19: Das ist immer so, wenn ich diese Bestseller sehe, wo es eigentlich nur darum geht, Menschen zu erklären, dass sie nein sagen dürfen und sich trotzdem selbst lieb haben können, denke ich immer, ja, aber wer braucht das?
00:01:30: und da kommst du immer zu
00:01:31: mir.
00:01:34: Ja, genau, genau.
00:01:36: Und ich rede hier mit Stefan Jüte.
00:01:40: langjähriger Freund-Podcast-Gesprächspartner bei ausgeglaubt, reformierter Theologe und in aller Regel eine ausgesprochene Frohnatur.
00:01:51: Er gehört zu den wenigen Menschen, denen ich eigentlich fast zu jeder Zeit fragen kann, wie geht's denn?
00:01:59: Und dann meistens geht's ihm nicht nur anständig oder gut, sondern super.
00:02:05: Und
00:02:05: ja, das ist auch heute Morgen so mal lustig.
00:02:09: Vielen Dank.
00:02:10: Ja, und aber in diesem Podcast ausgeglaubt sprechen wir eigentlich immer über Gegenwart-Phänomene von Religion.
00:02:18: Was hat Religion?
00:02:20: Was hat christlicher Glaube mit dieser Gegenwart zu tun?
00:02:23: Was macht diese Gegenwart mit unserem Glauben, mit unseren Ideen, die wir haben, auch vielleicht mit Ideologien, die wir beobachten können?
00:02:32: Und das werden wir auch heute tun.
00:02:34: Aber bevor wir das tun, Manu, steigen wir ein mit Stoßgebet und Halleluja.
00:02:38: Magst du?
00:02:38: beginnen mit dem Stoßgebiet.
00:02:45: Ja, mein Stoßgebiet hat den Anlass in der letzten Woche.
00:02:52: Da habe ich dir sogar im Vorfeld noch gesagt, ja, ich muss mal schauen, wir haben so einen Appero beim im Reflepp.
00:03:01: An dem wir unsere Volunteers vom Festival verdankt haben, also wir haben quasi für alle, die freiwillig und unentgeltlich mit geholfen haben an unserem Reflepp-Festival, haben wir so ein Appero organisiert mit Essen und Trinken und hab dann gesagt, das wird noch knapp.
00:03:20: Ich hab nämlich noch eine Einladung zu einem Geburtstagsfest von einem eigentlich gemeinsamen Freund von uns, kann man sagen, Stefan.
00:03:28: Und ich, wir kennen ihn beide sehr gut.
00:03:31: ein Pfarrer aus der Region des Basel bietet, wo wir da beide ich jetzt noch lebe und du lange gelebt hast.
00:03:41: Herzlichen Gruß an Christoph!
00:03:43: Genau,
00:03:44: Herzlichen Gruß!
00:03:45: Und er hat uns eingeladen zu seiner Geburtstagsfete und ich habe ihm dann gesagt, ja, ich werde da noch an einem Anlass in Zürich und würde dann versuchen, den nächsten Zug zu nehmen und wenigstens die zweite Hälfte des Abends noch mitzunehmen und bin dann wirklich halsüberkopf nach diesem Reflap Volunteer Appero.
00:04:07: zum Bahnhof gerannt und käuchend und schnaufend und schwitzend in den Zug gestiegen, gerade noch kurz bevor er abgefahren ist.
00:04:15: Und in Listal, wo wir zu Hause sind, bin ich mit dem Fahrrad auch unter Hochdruck dann zur Location gefahren, wo das Geburtstagsfest hätte stattfinden sollen.
00:04:29: Und es war einfach weit und breit.
00:04:32: war kein Licht und niemand zu sehen beziehungsweise nur in einem Haus nebenan.
00:04:38: und da waren Leute unten versammelt mit Weingläser und haben angestoßen.
00:04:43: und ich hab gedacht ja das wird jetzt wohl sein und hab mich da unter die Menge gemischt und dann gefragt ja seit ihr Seid ihr auch wegen Christoph hier, wegen dem Geburtstagsfesten, dann sagen die, nee, wir sind ein Museumsverein, der die Jahrestagung hat oder irgendwie sowas?
00:05:00: Und der langen Rede, kurz aus Ihnen, das ganze Fest, ich habe dann den Chatverlauf nochmal angeguckt und gemerkt, das ist ihr Am... irgendwie elften oder dreizehnten November, das ist noch weit weg.
00:05:13: Und vor allem hat von den Zahlen des Datums einfach keine einzige Zahl mit dem Datum übereingestummen, an dem ich dachte, das Fest findet statt.
00:05:24: Und habe mich wirklich gefragt, wie konnte ich so verpeilt sein und fest davon überzeugt sein, dass dieses Fest heute Abend stattfindet.
00:05:32: Und ich habe mich umsonst gestresst und bin dann wie so ein geknicktes Blümlein.
00:05:38: mit dem Fahrrad wieder nach Hause gefahren und hab gedacht, ja dann halt.
00:05:45: Ah, ich hab so gutes Bild vor mir, wenn du das erzählst, wie du abgekämpft und verschwitzt da ankommst und denkst, ich muss es finden, ich muss es finden.
00:05:55: Ja, lustig wär ja.
00:05:55: Dann lagst du
00:05:56: beim Museumsverein.
00:05:57: Ja, genau, lustig wär ja gewesen, wenn du auch gekommen wärst, weil du dich fest auf mich verlassen hast, dass ich den Termin richtig in Erinnerung halte und du dann mit mir zusammen verschlonst.
00:06:09: Aber das hab ich mir wirklich
00:06:10: gedacht, dass du mir das erzählst, dass das wird mir jetzt eine Warnung sein.
00:06:13: mir einfach ungeprüft von dir übernehmen und dir einfach so glauben.
00:06:19: Das wäre jetzt echt scheiße gewesen, wenn ich davon Bern angefahren wäre, um dann mit dem Museumsverein anzustoßen.
00:06:26: Aber hattest du's nett, bist du noch ein bisschen geblieben oder?
00:06:28: Nein, nein, nein, nein.
00:06:29: Ich bin nach Hause und hab dann Netflix geguckt und hab mich dann mit dem Leben wieder ausgesöhnt.
00:06:35: Schön.
00:06:36: Ja.
00:06:37: Ich hab dafür einen Hallelujah.
00:06:44: Hey, mein Halleluja ist nicht spektakulär, aber es macht mir jede Woche wieder Spaß.
00:06:50: Ich habe ja angefangen, im Sommer Urlaub, also angefangen, das ist eigentlich schon fast zu viel gesagt, aber so ein bisschen Tennis zu spielen.
00:06:56: Ich habe dir das auch schon mal erzählt, auch im Podcast.
00:06:59: Und das ist jetzt wirklich was, was wir durchziehen.
00:07:01: Also jede Woche gehen wir Tennis spielen, immer am Wochenende.
00:07:05: Und das ist so cool, weil es einerseits Einfach eine total sinnvolle Aktivität ist am Wochenende.
00:07:11: Viel mehr Spaß macht als einfach alleine laufen zu gehen mindestens mir im Moment.
00:07:17: So toll ist eine neue Sportart, ein neues Hobby auszuprobieren, wo du ganz am Anfang stehst und einfach jede Woche ein bisschen besser wirst und Fortschritte machst.
00:07:27: Und das ist mega motiviert.
00:07:29: Ich war jetzt gerade dieses Wochenende wieder spielen und wir haben auch schon gebucht für das nächste Wochenende wieder.
00:07:36: Und das ist wirklich was ganz Gutes, was in mein Leben gekommen ist.
00:07:40: Und zwar sowas, wo ich immer gedacht habe, ja, also Tennis, das ist mir zu kompliziert koordinativ.
00:07:46: bestimmt mega teuer und nichts mehr für mich, das hätte ich als Kind anfangen müssen, aber stimmt überhaupt nicht.
00:07:53: Tennis ist auch ein super Hobby für über vierzigjährige, die nochmal was Sinnvolles mit Freunden unternehmen wollen.
00:08:01: Ja, sehr schön.
00:08:02: Aber da spielst du mit deiner Frau zusammen oder was?
00:08:05: Nein.
00:08:07: Meine Frau
00:08:07: ist immer noch im Studienurlaub.
00:08:09: Ich spiele mit einem guten Freund, einem Kollegen zu sein.
00:08:14: Da hätte ich mir schon fast Sorgen gemacht, weil ich mir jetzt vorgestellt habe, wie deine zierliche Frau deine Schmetterbälle dann abnehmen muss.
00:08:26: Ich glaube, so Rückschlagspiele sind nicht ideal.
00:08:36: Ja, Manu, wir kommen zum Thema der Woche und wir haben lange rumgeeiert, wie wir das nennen wollen.
00:08:41: Wir haben es dann genannt, Zukunft der Religion.
00:08:44: Eigentlich geht es uns darum, das, was wir bis jetzt diskutiert hatten, so unter... Individualismus und Gemeinschaft jetzt noch mal zusammenzudenken und uns zu fragen, ja, was bedeutet das denn jetzt für die verschiedenen Formen, Institutionen, Kirchen des Christentums?
00:08:59: Wie blicken wir darauf?
00:09:01: so vielleicht auch ein bisschen aus einer Vogelperspektive?
00:09:03: Welche Veränderungen erwarten wir?
00:09:05: Welche Herausforderungen stellen sich uns?
00:09:08: Wo haben wir Hoffnungen, dass wir darauf reagieren können und wo sehen wir auch offene Fragen, wo wir noch keine Ahnung haben, wie das gehen könnte?
00:09:16: Ja.
00:09:17: Ja, und vielleicht kann ich einleitend, du kannst dann wieder übernehmen, aber vielleicht kann ich einleitend noch einen kurzen Rückblick wagen auf die letzten beiden Folgen, weil wir ja, das machen wir ja jetzt, neuerdings eigentlich eher nicht mehr, so zusammenhängende Staffeln oder mehrere Folgen am Stück und so, aber wir haben jetzt mal wieder einige zusammenhängende Folgen gebracht von ausgeglaubt, nämlich zu Individualismus, zu Kollektivismus.
00:09:46: Es ist so witzig, Maru.
00:09:48: Es ist besonders, dass das, was wir denken, um miteinander besprechen, irgendein Zusammenhang hat und nicht völlig random ist.
00:09:56: Eigentlich war es ja so, wir wollten was machen zu Individualismus, weil das immer wieder unter Druck kam.
00:10:01: Und dann hat uns ja Jay diese lange Sprachnachricht geschickt mit, hey, mach doch auch mal was zu Gemeinschaft, das gehört doch dialektisch dazu.
00:10:08: Ja, ja, ja.
00:10:08: Mega witzig, dass du es so besonders... findest.
00:10:11: Das ist mein Zusammenhang zwischen unseren Themen.
00:10:15: Nein, ich hab das jetzt eher gedacht, einfach im Blick auf frühere Staffeln, wo wir dann zehn oder zwanzig Folgen an irgendwie die zusammengehängt haben oder wo wir so verschiedene eine Grundfragestellung in verschiedenen Unterthemen variiert haben und so.
00:10:31: Und jetzt sind die meisten Folgen ja voneinander thematisch eigentlich losgelöst.
00:10:36: Aber jetzt haben wir mal zwei Folgen, Individualismus und Kollektivismus.
00:10:40: gemacht und haben so versucht, ein bisschen eine Schneise zu ziehen und zu zeigen, dass einerseits dieses biblisch-christliche Erbe, könnte man sagen, im Verlauf der Kirchengeschichte auch individualistische oder individualisierende Tendenzen freisetzt.
00:10:59: Wir haben das besonders an der Geschichte der Reformation auch festgemacht, in der der individuelle Glaube eines jeden einzelnen betont wurde.
00:11:09: Jeder steht letztlich alleine vor Gott und hat sich für sein Leben zu verantworten.
00:11:15: In der Reformation wurde auch diese Idee der persönlichen Berufung oder eben des Berufes sehr stark gemacht.
00:11:23: Jeder einzelne hat eine Bestimmung vor Gott und wird als Individuum in den Blick genommen.
00:11:32: Und auch wenn das sehr, sehr lang ... fristige Prozesse sind, kann man doch sagen, in der Reformationsgeschichte, da wird ein individualisierendes Moment angestoßen, das in der Neuzeit dann auch diesen natürlich in Verbindung mit vielen anderen Entwicklungen, wirtschaftlich, technologisch und so weiter, aber diese auch individualisierte westliche Gesellschaft mit befördert hat.
00:12:01: Und letztes Mal haben wir haben wir aber dann auch deutlich gemacht, dass natürlich dieses biblisch-christliche Erbe von ganz ausgeprägt kollektivistischen Kultur hintergründen.
00:12:14: zehrt und eigentlich die biblischen Geschichten, auch die Jesus-Geschichten, ganz selbstverständlich in einer sehr viel kollektivistischeren Gesellschaft oder Hintergrund entstanden sind, als wir ihn heute im Invest Europa erleben und dass wir vielleicht sogar geneigt sind, biblische Texte falsch zu verstehen oder individualistisch eng zu führen, die sehr viel gemeinschaftlicher gedacht waren.
00:12:43: Aber es ist ja nicht nicht nur so, dass die biblischen Texte in einer kollektiveren, gemeinschaftlicheren Kultur entstanden sind, sondern es ist auch so, dass das Christentum auch neue Formen der Gemeinschaft befördert hat und eigentlich den Kollektivismus der damaligen Zeit ein Stück weit auch auf den Kopf gestellt hat, in dem Jesus schon diese Familienstrukturen, diese Clan, dieses Clan-Denken, diese Sippenzugehörigkeiten eigentlich immer wieder unterwandert hat und gesagt, nein, eure Brüder, eure Schwestern und so weiter, eure unmittelbare Familie, das sind diejenigen, die mit euch im Glauben unterwegs sind und so weiter, oder Paulus, der dann sagt, es gibt nicht Mann und Frau und Heide und Jude und so weiter, es gibt nicht Sklave und Herr, sondern wir sind alle in diesem Gedanken des Reiches Gottes quasi zusammen geschlossen zu einer neuen Form der Gemeinschaft.
00:13:47: Also hier kommt nicht nur ein individualistisches Moment in Gange, sondern auch ein neu gemeinschaftliches Moment, das die Kirche auch über Jahrhunderte hinweg mitgeprägt hat.
00:14:02: Das einfach nur nochmal, um den Hintergrund ein bisschen aufzurollen.
00:14:07: Ja, das ist sehr hilfreich.
00:14:08: Vielen Dank.
00:14:09: Und ich glaube, daraus wird jetzt auch deutlich, wir haben uns stark an der Geschichte sowohl individualistischer Bezüge des Christentums, wie auch Gemeinschaftsstiften der Bezüge des Christentums orientiert.
00:14:23: Und wir müssen das jetzt in die Gegenwart ziehen oder uns fragen, ja, aber was trägt das jetzt aus?
00:14:28: Wie kann das Orientierung geben, wenn wir uns diese Geschichte vergegenfertigen?
00:14:34: Und ich glaube, da haben wir tatsächlich ganz viele aktuelle Entwicklungen.
00:14:39: Ich will mal eine nennen.
00:14:41: Ich habe letzte Woche den Podcast gehört von Lanz und Brecht.
00:14:45: Eigentlich haben die über den Trump-Deal gesprochen, diesen Friedensplan für Israel Gaza und sind dann da.
00:14:53: Aber auf ein ganz interessantes weiteres Thema zu sprechen gekommen, nämlich die Frage, was hält eigentlich den Westen noch zusammen?
00:15:03: Gibt es so was wie eine Idee des Westens noch?
00:15:06: Und da hat sich dann Brecht zur Diagnose hinreißen lassen, dass wir metaphysisch obdachlos geworden sein im Westen.
00:15:15: Und das ist eine Gegenwartdiagnose, die nicht aus dem Rahmen fällt.
00:15:20: Das denken ganz viele, das haben ganz viele auch vor ihm und mit ihm schon gesagt.
00:15:26: Und ich nehme das wunderbar.
00:15:27: nur, wie reagierst du auf so eine Diagnose?
00:15:30: Was findest du, es plausibel zu sagen, wir sind metaphysisch obdachlos geworden als Gesellschaft?
00:15:37: Ja, also das halte ich für sehr plausibel und ich finde es auch irgendwo eine sehr treffende Formulierung, die ich weiß gar nicht mehr auf wen die zurück geht, das ist ja auch soziologisch immer wieder festgemacht worden und historisch natürlich so diese, also ich halte das für ziemlich plausibel zu sagen, wir sind in einer Zeit angekommen, in der dieser große gemeinsame eben metaphysische Hintergrund dieser Bezug einer ganzen Gesellschaft oder zumindest eines Großteils der Gesellschaft auf auf ein Selbstverständnis, das sich religiös herleitet, das mit einem Gott, mit einem Schöpfer rechnet, das sich irgendwo verortet als Mensch unter einem Eben.
00:16:32: Sternenhimmel, der von Gott erzählt und so.
00:16:36: Und diese ganzen, das geht ja auch einher mit der Rede vom Zerbruch der großen Narrative, diese großen Geschichten, die unsere Gesellschaft und es sind in unserem Breitengraden, ist es eine christlich geprägte Großgeschichte, die uns irgendwo, die uns Orientierung gestiftet hat.
00:16:55: und das jetzt, dass das zerbricht oder sich fragmentiert oder individualisiert, pluralisiert.
00:17:01: bis zu einem Punkt, wo man sagen kann, da sind wir jetzt ein Stück weit obdachlos geworden.
00:17:08: Da gibt es nicht mehr dieses große Zelt, das uns alle umspannt und natürlich auch ein Stück Gemeinsamkeit und Orientierung stiftet.
00:17:19: Ja, das halte ich für, das halte ich eigentlich für sehr plausibel.
00:17:25: Man kann jetzt natürlich so in Schwarngesang einstimmen und sagen, oh je, oh je, wir sind metaphysisch Obdachlos geworden.
00:17:33: Man könnte auch einfach sagen, das ist eine treffende Beschreibung für das, was Säkularisierung bedeutet.
00:17:39: Weil ich würde immer, wenn jemand sagt, wir sind metaphysisch Obdachlos geworden, würde ich fragen, na ja, hättest du gerne wieder ein Dach?
00:17:46: Also, welches Dach würdest du dir denn wünschen?
00:17:49: Und wer sollte dieses Dach bauen und bewahren?
00:17:53: und die Löcherstopfen, die in diesen Dächern ja immer auch drin sind.
00:17:57: Ich glaube, das ist ein Teil der westlichen Moderne des liberalen Rechtsstaats, dass wir gerade darauf verzichten, einen metaphysischen Überbau zu haben, jenseits der eigenen Verfassung und der Absichtserklärung, wie wir zusammenleben wollen.
00:18:13: Also ich glaube, dass dieser metaphysische Überbau gerade etwas ist, was immer wieder auch zu Totalitarismen, zu starken Ausschließungsmomenten geführt hat.
00:18:26: Und dagegen gibt es die Idee eines westlichen liberalen Rechtsstaates, der sagt, na ja, die Freiheit darfst du eigentlich nur dort einschränken eines Individuums, wo die Gemeinschaft als Ganzes betroffen und gefährdet ist.
00:18:42: Aber die Freiheit des Individuums ist quasi wie ein Richtwert, die immer größer werden soll, die immer steigen soll und Einschränkungen an individuellen Freiheiten, sei das jetzt durch metaphysische Ordnungssysteme oder Gesetze oder was auch immer, sind immer ganz stark rechenschaftspflichtig.
00:19:04: Damit würde ich übereinstimmen, also ich würde jetzt auch nicht in eine eigenartige Nostalgie- und Vergangenheitsverklärung verfallen und sagen, das ist jetzt nur, also ich würde die Rede von der metaphysischen Obdachlosigkeit nicht einfach als Verfallserscheinung begreifen wollen und sagen, ja, wäre doch dieser Horizont noch aufgespannt oder könnten wir zurückkommen, zurückkehren zu einem gemeinsamen metaphysischen Horizont und so.
00:19:35: Also da würde ich auch auf jeden Fall sehr, sehr kritisch zurückfragen.
00:19:41: Eben einerseits im Blick auf Menschen, die von dieser Art der metaphysischen Orientierung, von dieser Art der Geschichte, die eine Gesellschaft zusammenhält und ihnen die Normen und die Werte und so weiter vorgibt, die da zwischen die Stühle und Bänke gefallen sind oder unter die Räder gekommen sind, also Menschen, die denen das nicht zum Guten oder zum Leben gedient hat.
00:20:10: Auf jeden Fall.
00:20:11: Und würde auch sagen, die vergangene, diese große christliche Geschichte, das ist natürlich auch eine Machtgeschichte.
00:20:20: Also die Zeit der Vorherrschaft der Kirche oder der ganz engen Verschmelzung von Kirche und staatlicher Macht.
00:20:30: die ja auch nötig war, um eine Gesellschaft so grundlegend christlich zu orientieren oder mindestens vermeintlich christlich zu strukturieren und so.
00:20:43: Das sind natürlich machtförmige Geschichten.
00:20:47: Ich würde
00:20:50: sogar sagen, jedes metaphysische Dach ist letztendlich machtbörmig.
00:20:55: Also ganz
00:20:55: egal, ob wir jetzt über Ideologien wie Kommunismus und Sozialismus sprechen, also wenn wir uns jetzt auf Russland und China beziehen, oder ob wir über islamische Religion sprechen, die ein solches metaphysisches Dach in gewissen Regionen strukturiert oder versucht mindestens dieses Dach irgendwie aufrecht zu erhalten und immer wieder zu stopfen.
00:21:22: Oder ob das kristliche metaphysische Weltbilder sind.
00:21:27: Die sind immer machtförmig, oder?
00:21:29: Und ich glaube, das gehört halt letztendlich zur Idee der Freiheit und Demokratie, dass man sagt, nein, wir akzeptieren diese Vorgaben nicht, wenn es darum geht, eine Gesellschaft als Ganzes Orientierung zu geben, Regeln aufzuerlegen, das Leben der Menschen, der Individuen zu strukturieren, sondern da gelten demokratische Aushandlungsprozesse, da gelten Gründe.
00:21:55: die wir uns schulden, die wir bringen müssen.
00:21:57: Jetzt ist das nicht eine unumstrittene Erfolgsgeschichte, die einmal gedacht wurde und dann um die Welt ging und seitdem sind wir alles liberale Demokratien.
00:22:08: Im Gegenteil sieht es im Moment so aus.
00:22:11: Als wäre das vielleicht eine tolle Zeit von etwa drei Jahrzehnten gewesen, in denen man das genießen konnte, die jetzt vielleicht ihrem Ende zugeht.
00:22:21: Mindestens machen das rechtspopulistische Strömung, die überall Zulauf erhalten, auch gerade in westlichen Demokratien, in westlichen liberalen Rechtsstaaten.
00:22:32: Sehr plausibel, dass das so sein könnte.
00:22:36: Das, was mich darin irgendwo beehlendet, ist diese scheinbare Alternativlosigkeit.
00:22:45: Entweder wir haben ein Dach, auf das wir uns einigen können.
00:22:49: Also Menschenrechte, das Christentum, der Islam, der Sozialismus, der Kommunismus.
00:22:55: Oder wir sind eine total zerfledderte, in sich nicht mehr solidarisch verbundene Gesellschaft, die aber nicht mehr fähig ist eine Gemeinschaft.
00:23:05: Ja, das ist es.
00:23:07: Und
00:23:07: da bin ich einfach sehr skeptisch.
00:23:09: Das glaube ich nicht.
00:23:10: Ich glaube, dass es, und das hat jetzt vielleicht klingt, dass jetzt in deinen Ohren ein bisschen so nach Hans-Künk-Weltethos.
00:23:17: Ich glaube, dass wir als plurale Gesellschaften davon leben, dass wir in all diesen Ideologien und Religionen immer wieder Motive und Intuition finden, die das Gemeinschaftliche in der Gesellschaft auch stark machen können, die auch einen eigenen Platz bei aller individuellen Freiheit.
00:23:36: auch relativ zu der Freiheit anderer, zum Wohl der Schwächeren, zum Wohl der gesamten Gemeinschaft denken können, durchaus vorfinden und die miteinander ins Gespräch bringen sollten.
00:23:50: Also das ist eher... eine Moderation ist, die uns fehlt, eher eine Bühne ist, die uns fehlt, auf der diese Intuition ausgespielt werden können, anstatt dass es ein Einigungsprozess wäre, um eine metaphysische Letztbegründung, die dann eine ganze Gesellschaft tragen muss.
00:24:07: Also verstehst du ein bisschen, was ich meine?
00:24:09: Ich glaube,
00:24:10: das Problem ist eher, dass wir diese Ideen und die Intuition nicht mehr miteinander teilen, statt dass wir uns auf eine Einzige einigen.
00:24:18: Ja, ich denke, Zug ist auch abgefahren.
00:24:21: Also der Train has left the station.
00:24:24: Die Idee, dass man jetzt als Gesellschaft noch einmal zurückfindet zu einem gemeinsamen Überbau, dem man sich verpflichtet im Blick auf Werte und Normen, im Blick auf transzendente Bezüge und so weiter.
00:24:43: Der Zug ist abgefahren und es ist auch, wie gesagt, es ist auch nicht, ich finde es auch nicht wünschenswert, weil eben, weil sich das ja nur durchsetzen lässt, durch so Herrschaftliche Impulse und das meine ich jetzt durchaus auch im doppeldeutigen Sinn, dass es dann oft sehr patriarchale oder paternalistische Gebärden sind, mit denen man versucht, dann solche großen Geschichten durchzusetzen in den USA.
00:25:12: Allerdings kann man schon sagen, dieser christliche Nationalismus, der sich hier formiert und der sich anschickt, wirklich auch gesamtgesellschaftlich in den USA Einfluss zu nehmen und eine solche große neue oder eben nicht eine neue, eine vermeintlich alte Geschichte noch mal ganz stark zu machen.
00:25:35: One Nation Under Guard.
00:25:36: Und so jetzt sind wir mal am Drücker und diese Vereinigung von sehr fundamentalistisch reaktionären christlichen Kräften mit der parteipolitischen republikanischen Rechten.
00:25:56: Das macht Insofern auch Sorge, als hier wirklich versucht wird, noch einmal ein Stück weit dieses Rad zurückzudrehen und sagen ja, Pluralismus AD, jetzt werden christliche Normen und Werte eingeführten.
00:26:11: Jetzt wird eigentlich, das ist das sehr explizite Bestreben von nicht allen, aber von vielen, die in dieser christlich-nationalistischen Bewegung den Ton angeben.
00:26:25: Jetzt wird ein Staat nach christlichem Vorbild gebaut, dann auch mit entsprechend sehr rigorosen Vorgaben und Gesetzen im Blick auf Frauenrechte, Abtreibung im Blick auf Religionsfreiheit und so weiter.
00:26:45: Da wird einem dann schon auch wieder ein bisschen ein bisschen schaurig und man schaumt,
00:26:52: dass das noch möglich
00:26:53: ist.
00:26:54: Ja,
00:26:54: ja.
00:26:55: Und ich glaube auch, dass man das so nicht erwartet hätte.
00:26:58: Also wenn wir vor zwanzig Jahren eine Religionssoziologie hätten schreiben müssen, hätten wir nicht gesagt, dass die Zukunft sein wird.
00:27:06: Also da muss man ehrlich sein, glaube
00:27:08: ich.
00:27:08: Wir hätten eher an so einer Habermaswelt geglaubt, wo sich die besseren gegen die guten Gründe durchsetzen und wir immer wie mehr zu einem humanistischen Ideal und Gebilde werden, das hat sich so nicht erfüllt.
00:27:22: Das ist klar.
00:27:23: Aber ich halte fest, oder wir beide gehen davon aus, es gibt kein Zurück zu diesem metaphysischen Dach, das alles umspannt und es gibt bei uns mindestens auch nicht den Willen, dahin zurückzukehren.
00:27:37: Aber das schaffte dann eine Ausgangslage, dass man sagen muss, da hat sich ja das, was die Kirche Jetzt konkret, als Institution auch die Landeskirche einmal im Aufgabenkatalog hatte, stark verändert.
00:27:52: Also die Kirche ist nicht mehr staatstragend.
00:27:56: Die Volkskirche ist nicht mehr die Kirche des Volkes, sondern vielleicht, wenn sie das sein will und die Kraft dazu findet, die Kirche für das Volk, für eine Gesellschaft, in einer Gemeinschaft, aber sie ist nicht mehr staatstragend im Sinn, dass sie einen Wertehorizont erhalten kann, der Orientierung schafft, in dem Menschen als Völker zum Beispiel angesprochen werden können, die darin innerhalb von Gottesplan oder You Name It eine besondere bestimmte Aufgabe haben.
00:28:31: Das hat seine Plausibilität verlangen.
00:28:34: Insofern könnte man sagen, naja, da war vielleicht Der Evangelikalismus und die verschiedenen evangelikalen Bewegungen eigentlich wie die ersten, die das wahrgenommen haben und stark darauf reagiert haben, also die quasi kapiert haben, hey, die Zukunft der christlichen Religion des christlichen Glaubens liegt nicht in Vergemeinschaftungsformen, liegt auch nicht primär.
00:29:01: in der Organisation eines diakonischen Netzwerkes, sondern liegt eigentlich darin, dass wir Religion für Individuen anbieten können.
00:29:11: Also deswegen nicht Kindertaufe, sondern Entscheidungsreligion.
00:29:16: Nicht Individuation innerhalb einer Kirchengemeinde, sondern Bekehrungskristentum mit Bekehrungsaufruf.
00:29:24: Deswegen auch nicht Kirche, die rein territorial organisiert ist, sondern eine missionale Bewegung, die in die ganze Gesellschaft hineinwirken
00:29:34: soll.
00:29:35: Ja, also ich finde das eine treffende Analyse und ich glaube, das lässt sich durchaus auch an der Geschichte des Evangelikalismus auch festmachen, dass das hier ein Stück weit könnte man sagen, der Selbstverständlichkeit des Christlichen, eine ein Überzeugungskristentum entgegengesetzt wurde, vielleicht auch in der hellsichtigen Voraussicht, dass sich diese Selbstverständlichkeiten immer mehr in Auflösung befinden und eben irgendwann halt einfach nicht mehr selbstverständlich sind.
00:30:10: Das sehen wir ja in der Gegenwart auch an diesem sehr bedenklichen auch und markanten Traditionsabbruch innerhalb der tradierten Landeskirche.
00:30:22: Das wirklich auch, dass die Taufen und alles, was damit einhergeht, merklich und besorglich ist.
00:30:31: auch zurückgeht, dass ganz viele auch reformierte Familien ihre Kinder gar nicht mehr taufen lassen und damit auch nicht mehr in dieser Selbstverständlichkeit in diesem reformiert christlichen Milieu aufziehen.
00:30:46: Und das führt ja zu einem Traditionsabbruch.
00:30:50: der eben diese ganzen Selbstverständlichkeiten auflöst.
00:30:54: und der Evangelikalismus hat da schon vor Generationen ein entschiedenes Überzeugungskristentum quasi entgegengesetzt.
00:31:02: Da versammelt man sich noch aus persönlicher Glaubensüberzeugung.
00:31:07: Da wird gepocht darauf, dass es kein Geborensein ins Christentum hineingibt, sondern dass es nur eine persönliche, authentische, ganzherzige Entscheidung für Christus gibt, einem zum Teil der Kirche macht.
00:31:22: und da wird ein Stück weit, wird auch eine Parallelstruktur aufgebaut, Gemeinschaften entstehen.
00:31:31: Das ist ein bisschen Paradox, aber die... einerseits ein sehr individualisiertes Frömmigkeitsverständnis haben und sehr individualisiert über den Glauben, über Ihren Jesus und Ihre Bibel und Ihren Gott und Ihren Glaubensweg und Ihre Berufung nachdenken, die aber zugleich ganz, ganz stark auf Vergemeinschaftung setzen und fast ein bisschen, oder?
00:31:57: an manchen Stellen zumindest eine Parallelgesellschaft etablieren, also mit christlichen Schulen, mit christlichen Parteien, mit christlichen Buchverlägen, mit christlichen Konferenzen, christlich alles gibt es auch in christlich, vor allem in der evangelikalen Welt der USA natürlich, wo die auch zahlenmäßig sehr viel Präsenter sind.
00:32:20: Da gibt es quasi eine christlich- evangelikale, überzeugungskristliche Parallelwelt, in der eben diesem säkularisierten am Selbstverständlichkeitschristentum der Kultur etwas entgegengesetzt wird.
00:32:39: Ja.
00:32:40: Ich glaube auch, dass wir hier an einem interessanten Punkt sind, um mal so eine kleine Introspektion zu halten.
00:32:46: Also wenn wir jetzt über die reformierte Kirche nachdenken, die reformierte Kirche in der Schweiz, die evangelisch reformierte Kirche in der Schweiz, ich stelle mal eine These auf und bin gespannt, wie du drauf reagierst.
00:32:59: Du bist ja in zwei Monaten, bist du ja der Leiter von Theologie und Ethik bei der evangelisch reformierten Kirche Schweiz.
00:33:08: Und da challenge ich dich jetzt mal mit einer These.
00:33:12: Ich würde sagen, die evangelisch reformierte Kirche in der Schweiz, die auf drei Ebenen, also Kirchgemeinde, Kantonalkirche, nationale Ebene funktioniert und da jeweils ihre Synoden und Parlamente oder Räte hat, ist eigentlich ein Relikt einer Struktur einer ehemals staatstragenden, metaphysisches, dachorganisierenden Kirche, die aber selbst ständig kommuniziert, dass sie diesen Autoritätsanspruch nicht hat, sondern nahe bei den Menschen sein will.
00:33:49: Also, dass sie eigentlich eine unmögliche Form ist, weil sie ein Staatsgebilde ist, das ein Quartierverein sein möchte.
00:34:01: Ja, also ich finde eine gewisse Plausibilität kann man jetzt dieser.
00:34:07: Analyse nicht nicht absprechen.
00:34:10: und ich glaube die gegenwärtige Form der reformierten Kirchen hat natürlich eine eine lange Geschichte.
00:34:18: und da sind da ist jetzt würde ich sagen strukturell jetzt nicht alles schon fit gemacht und getrimmt auf die nächsten zwanzig oder vierzig oder fünfzig Jahre sondern hat sich ein Stück weit auch historisch halt ergeben.
00:34:34: und da gibt es wahrscheinlich strukturelle... Eigenheiten, die so in einer zunehmend auch secularisierten und pluralisierten Gesellschaft nicht mehr ewig aufrechterhalten werden können.
00:34:50: Also eine gewisse... Also
00:34:52: die nicht mehr zeitgemäß
00:34:53: sind.
00:34:53: Ja, nicht mehr zeitgemäß sind, genau.
00:34:55: Und die auch gesellschaftlich, dass man wird sehen, wie schnell das geht.
00:35:01: Manchmal sind ja die Beharrungskräfte dann doch noch erstaunlich, aber... Gewisse Privilegien, die sich aus der langen und auch sicher auch fruchtbaren Geschichte zwischen Staat und Kirche und Landeskirche ergeben haben, das Einziehen von Steuern und andere Eigenheiten.
00:35:27: Wie lange das noch ... Wie lange das noch aufrechterhalten werden kann, wenn die Mitgliederzahlen weiter schrumpfen und die Berechtigung der Rede von einer Volkskirche im eigentlichen Sinn noch weiter zurückgeht, ja, das wird die Zukunft zeigen, ja.
00:35:45: Hey, Manu, ich würde dich gerne gleich challenging mit einer nächsten These.
00:35:48: Und du musst auch nicht immer zustimmen, darfst auch wirklich dagegen sein.
00:35:52: Meine zweite These wäre, wir sitzen in einer Demokratiefalle.
00:35:56: Und ich würde es so begründen.
00:35:58: Wir sind als evangelisch reformierte Kirche komplett demokratisch durchorganisiert.
00:36:04: Also bei der Kirchgemeindeversammlung wird der Kirchgemeinderat gewählt.
00:36:09: Es wird die Vertretung in die kantonale Synode gewählt.
00:36:13: In der kantonalen Synode wird die Vertretung auf die nationale Ebene gewählt.
00:36:17: Über Geschäfte wird demokratisch abgestimmt.
00:36:21: Niemand hat wirklich das Sagen.
00:36:23: Am Schluss steht eigentlich nicht über der Basis einer Kirchgemeinde in dieser Kirche und darauf sind wir stolz.
00:36:33: Ich bin aber nicht mehr sicher, ob wir zu Recht darauf stolz sind, deswegen nenne ich es Demokratiefalle, weil ich nämlich glaube, dass diese Form struktureller Demokratie uns daran hindert, tatsächlich partizipativ Kirche zu sein.
00:36:51: Also wir sind wahnsinnig gut, wenn es darum geht, zu zeigen, dass wir in unseren Verfahren demokratisch sind, aber wir legen einen solch starken Fokus auf die demokratischen Verfahren unserer institutionellen Organisation, dass wir eigentlich die partizipativen Momente, wo Menschen wirklich etwas mitgestalten, wo sie nicht frontal Bildungs oder Dienstleistungsangeboten ausgesetzt werden, sondern selbst etwas organisieren und in Kirche Strukturen schaffen und vorfinden, in denen sie etwas umsetzen können, vernachlässigt haben.
00:37:29: Demokratiefalle.
00:37:31: Ja, das nehme ich natürlich jetzt ambivalent wahr, weil einerseits bin ich lange genug jetzt Mitglied und Mitarbeiter der reformierten Kirche, um zu sehen, wo diese auch sehr basisdemokratischen Grundüberzeugungen, dann manchmal auch in einer Art und Weise gelebt werden, dass sie Initiativen eher ersticken als ermöglichen und dass sie eben nicht unbedingt dazu führen, dass man dass motivierte, engagierte Leute mit Leidenschaft und mit Vision irgendwie in die Gänge kommen und einen gewissen Freiraum erhalten, sondern dass Dinge dann teilweise von Gremium zu Gremium wandern, bis sich der leidenschaftliche Impuls erschöpft hat, bevor das Kind zur Welt kam quasi.
00:38:28: Das ist sicher die Gefahr von so programmatisch-demokratischem Organisationen, wie jetzt die reformierte Kirche eine ist.
00:38:38: Und gleichzeitig sehe ich natürlich auf dem Hintergrund der Entwicklung, die jetzt die Charismatisches Christentum und Evangelicales Christentum in den USA genommen hat, sehe ich natürlich den unglaublichen Wert und auch das Potenzial Machtmissbrauch, wenigstens ein bisschen einzudämmen in demokratischen Strukturen, sehe ich natürlich sehr, sehr klar vor Augen.
00:39:07: Aber lasst mich diese Idee mal challenging.
00:39:10: Also wo hilft uns Demokratie, Machtmissbrauch vorzubeugen und solche Auswüchse zu verhindern?
00:39:16: Ich würde jetzt sagen, ich habe das ja jetzt im Kontrast zu gewissen Entwicklungen im amerikanischen Evangelikalismus gesagt.
00:39:26: und da würde ich schon sagen, da gibt es charismatische Persönlichkeiten, die praktisch in ihren Kirchen und Organisationen praktisch unum, wie sagt man?
00:39:45: kein Gegengewicht haben, kein demokratisches Gegengewicht, keine Einbindung in eine Struktur, die ihnen auch den Riegel vorschieben könnte oder die auch einmal sagen könnte, so jetzt ist genug, jetzt stimmt das so einfach nicht mehr und jetzt kommen hier ungesunde toxische Dynamiken in Gange, sondern die können mehr oder weniger durchregieren und es gibt Ja,
00:40:15: aber Manu, ist das wirklich ein Problem fehlender demokratischer Mechanismen oder ist das ein Kulturproblem?
00:40:22: Also ich frage das jetzt deswegen, weil ich sagen würde, na ja, ich könnte nicht ausschließen, dass bei uns solcher Machtmissbrauch nicht gesehen würde.
00:40:33: Das liegt doch viel eher an Verfahren, die jetzt gar nicht unbedingt davon abhängen, ob die Kirchgemeindeversammlung über das Büsche abstimmt oder nicht.
00:40:42: Es liegt doch an einer Art Kultur, wie wir miteinander umgehen, ob wir uns auf Fehlentwicklungen ansprechen können, ob es selbstverständlich ist, auch mal zu sagen, dass man nicht alles richtig macht, nur weil man Kirche ist, sondern dass man sich auch kritisieren darf, ohne dass das ein Freundschaftsabbruch ist und ohne dass das die Gemeinschaft sprengt.
00:41:03: Ich bin deswegen, weil es so demokratieskeptisch jetzt nicht in Bezug auf die Gesellschaft, sondern wirklich in Bezug auf die Kirche, weil ich sagen würde, ihr nennt das Demokratie, aber eigentlich ist das die Herrschaft der Rentnerinnen und Rentner bei uns.
00:41:17: Wer hat denn die Zeit und die Möglichkeiten, sich überhaupt in einem Kirchgemeinde Rat zu engagieren?
00:41:24: Das sind selbstständige Menschen mit einem Unternehmen, das läuft.
00:41:28: Das sind Menschen, die Ein Einkommen haben und ein Beruf haben, indem sie sich die Arbeitszeit relativ selbstständig und frei einteilen können.
00:41:38: Und es sind die Rentnerinnen und Rentner.
00:41:41: Also, wenn du dir die Kirchgemeinderäte, die Kirchenpflegen anschaust, dann sind da überraschend wenige junge Papis und Mammis.
00:41:50: Und das liegt ganz einfach daran, dass die die Kapazität nicht haben, sich dort zu engagieren.
00:41:55: Und das ist ... Ein Problem, das wir auf parlamentarischer Ebene national durchaus auch haben.
00:42:01: Das will ich gar nicht sagen, bei denen läuft einfach alles gut.
00:42:04: Aber wir müssen uns schon klarmachen, dass diese Form der demokratischen Selbstverwaltung, die wir leben, dazu führt, dass eigentlich... Immer Menschen das sagen haben, die sich für mindestens vier Jahre kommenten können, einmal oder all zwei Wochen an einer langen, langen, langen Abendsitzung teilzunehmen und mit Mitarbeitenden unter der Woche zu deren Arbeitszeiten zusammenarbeiten zu können.
00:42:28: Das ist eigentlich unsere reale Gestalt dann, dieser demokratischen Form.
00:42:33: Ja, also klar.
00:42:38: Das ist aber, wie du jetzt selber auch zugestanden hast, das ist ein Problem, das sich in jeder demokratisch organisierten Struktur ergibt.
00:42:48: Auch staatlich, auch politisch sind natürlich... die demokratisch aktiven Wählerinnen und Wähler, diejenigen, die an Abstimmungen teilnehmen oder die Referenten unterschreiben und so weiter.
00:43:03: Das ist ja nicht einfach ein schön gleichmäßiger Querschnitt aus der Bevölkerung, sondern da gibt es ganz signifikante Verdichtungen und da gibt es solche, die sich daran fast gar nicht beteiligen.
00:43:15: Und da muss man ja dann immer... da ja immer an zwei Fronten quasi Einfluss nehmen.
00:43:21: Einerseits muss man versuchen, Menschen zur Beteiligung zu bringen und zu gewinnen, sich politisch zu engagieren oder jetzt im kirchlichen Kontext sich einzubringen, eben Junge, Mammis und Pappis oder wer auch immer auf die proaktiv zuzugehen und versuchen ihnen, sie zu gewinnen, auch Einfluss zu nehmen zum Wohle der Zukunft dieser Kirche.
00:43:46: Das wäre die die eine Maßnahme und die andere ist ja dann natürlich die Leute, auch die eh schon an den Prozessen teilnehmen, sie versuchen dazu zu bringen, eben nicht einfach nur im Sinne ihrer eigenen Interessen Einfluss zu nehmen in der Kirche, sondern diejenigen im Blick zu haben, die noch gar keine Stimme haben in dieser Kirche.
00:44:11: Also für diejenigen auch mitzudenken und Kirche der Zukunft mitzugestalten.
00:44:16: die noch nicht in diesem Gremium sitzen und ihre Stimme noch nicht abgeben können, oder?
00:44:22: Die wahrscheinlich nie in diesem Gremium sitzen werden können.
00:44:25: Das finde ich aber auch wichtig.
00:44:27: Ja, ja, aber ich will nur sagen, natürlich, das macht mich ja dann auch manchmal ein bisschen hilflos, wenn man schaut, wer die Geschicke einer Kirche lenkt und wer jetzt da die entscheidenden Weichen stellt und dann merkt wie wie die aus einem, teilweise aus einem ganz schmalen Spektrum der Gesellschaft oder der Kirchenmitglieder überhaupt kommen.
00:44:59: Und man sich dann natürlich fragt, welche Entscheidungen kommen hier zustande, wenn diejenigen, die in zwanzig Jahren Kirche gestalten sollten, da überhaupt gar nicht repräsentiert sind oder so.
00:45:13: Also das natürlich macht man sich da Gedanken.
00:45:15: Die Alternative wäre aber ja nicht zu sagen, wir ziehen jetzt irgendein Ein demokratiefreies nach reinem Charisma oder Selbstberufung organisiertes Ding hoch, indem irgendein Wort gewannter Typ dann den Kurs vorgibt oder so, weißt du?
00:45:40: Ja,
00:45:41: ich glaube halt nur, dass das genauso auch in demokratischen Strukturen passiert und passieren kann und passiert ist.
00:45:47: Aber vielleicht können wir uns ja darauf einigen, dass wir sagen, na ja, Demokratie ist nicht die Falle, sondern die Falle besteht darin, dass wir aufgrund der demokratischen Form dann darauf verzichten, Partizipation in einem echten Sinn wirklich auch zu leben und stark zu machen.
00:46:02: Also die Demokratie darf uns nicht darüber hinwegtrösten.
00:46:06: dass wir ein Partizipationsproblem haben.
00:46:09: Ja, und ich weiß nicht, ob du da schon darüber nachgedacht hast.
00:46:13: Ich habe hier die Lösungen auch nicht in der Tasche, aber das ist natürlich schon etwas, was mich beschäftigt im Blick auf die reformierte Kirche, auch auf dem Hintergrund meiner Erfahrungen in evangelikal, pietistisch-karismatischen Gemeinschaften.
00:46:29: Wie kommt man dahin, dass diejenigen die Leidenschaft Ideen, Vision mitbringen, dass die dass die auch den Freiraum... bekommen, etwas zu gestalten.
00:46:42: Also da gibt es ja, da gibt es natürlich Ansätze.
00:46:45: jetzt in der Zürcher Kirche, wird dieser, wurde dieser Innovationsfonds gesprochen, der es einfacher machen soll und ich glaube auch wirklich an vielen Stellen tatsächlich einfacher macht, Kirche oder kirchlich motivierte Initiativen zu starten und Geld zu kriegen, mit dem man mal anfangen kann zu schaffen.
00:47:04: Da gibt es einen kleinen Kredit und einen großen Kredit und da kann man dann jetzt nicht von auf morgen, aber ich würde sagen innerhalb desselben Jahres noch, kann man eine Anschubfinanzierung kriegen und dann mal anfangen zu arbeiten und so.
00:47:19: Das sind ja so in kleinen, ich sage jetzt mal innovativen Biotopen, sind das mal Ansätze für etwas, was eigentlich gesamtkirchlich wichtig wäre, dass man nicht durch siebzehn Gremien und einen Prozess von vier Jahren abwarten muss, bis leidenschaftliche, einsatzbereite Leute irgendwo die offizielle Erlaubnis bekommen.
00:47:46: ihre Visionen umzusetzen.
00:47:48: Weißt du, das ist schon ein Problem.
00:47:50: Ja, und ich finde es super, dass diese Initiativen gibt.
00:47:53: Gibt es ja auch in der FBU, so gibt es ja auch anderen Ort.
00:47:56: Aber
00:47:56: das, was doch bleibt, ist, dass alles Neue, alles, was aufbricht, alles, was von der Basis neu geschaffen werden soll, nicht in einer bestimmten parochialen Struktur, also nicht der ganz hippe neue Gottesdienst schon am Samstag vor Abend, sondern wirklich etwas anderes, wirklich eine andere Form von Gemeinschaft, die nicht an ein bestimmtes Pfarramt in einer bestimmten Kirchgemeinde gebunden ist.
00:48:22: Dass das alles enorm rechenschaftspflichtig und erklärungsbedürftig ist gegenüber dem, was schon immer war und immer sein wird und die Gestalt der Kirche ausmacht.
00:48:33: Manu, ich will jetzt aber noch Wechseln auf die etwas größere gesellschaftliche Ebene, mal diesen Mikro- oder Mittelbereich vielleicht verlassen.
00:48:42: Du hast jetzt ein paar Mal die Evangelikalen angesprochen in den USA.
00:48:46: Ich habe dir ja schon kurz erzählt, dass mich dieses Podcastgespräch, also weniger jetzt der Teil über Trump, sondern das, was nachher über unser Gesellschaft gesagt wurde zwischen Lanz und Precht, interessiert hat letzte Woche.
00:48:57: Und die haben da über Emmanuel Todd gesprochen, allerdings über sein neues Buch.
00:49:03: Viel spannender finde ich sein Werk, wo er Co-Autor war mit David Garriok von Nineteen Fünfund Dachzig, das heißt The Explanation of Ideology.
00:49:15: Und dort versucht er quasi zu erklären, dass wir verschiedene Mentalitäten geopolitisch und in unterschiedlichen Gesellschaften haben, die aufgrund von Familiensystemen bestimmt sind.
00:49:28: Er unterscheidet zwischen einer anomischen Familie, zwischen einer endogamen Großfamilie, also die Verwandtenheirat kennt, eine exogame Großfamilie, in der alle Brüder meistens Schwester nicht gleichgestellt.
00:49:45: sind, wo ein Paar der Familias über alles herrscht und dann über das Modell der absoluten Kernfamilie nennt er das.
00:49:53: Und das ist das Modell, was er jetzt der angelsächsisch-normanischen Welt zuschreibt und sagt,
00:49:59: in
00:49:59: diesen Systemen haben sich Werte des Liberalismus, des Kapitalismus und des Feminismus durchgesetzt.
00:50:06: Das ist eine Diagnose, Und was ich jetzt spannend finde, ist, dass ich sagen würde, ja, in einem ersten Schritt würde ich da genau mitgehen.
00:50:15: Es scheint genau das zu sein, was im liberalen Westen passiert ist.
00:50:20: Also im Westen der Europäischen Union dann später.
00:50:25: Auch in weiten, weiten Teilen der USA ist das passiert.
00:50:29: Also Liberalismus, Kapitalismus, Feminismus.
00:50:33: Wenn wir uns jetzt überlegen, was bedeutet das für das Christentum?
00:50:36: Ja klar.
00:50:37: Oder da haben wir ständig dieses Promet, dieses Individualisierende.
00:50:41: Was bringt es mir?
00:50:43: Was ändert es in meinem Leben?
00:50:45: Aber auch über den Feminismus natürlich stark die Frage nach, wie geht Gerechtigkeit?
00:50:50: Was bedeutet das, wenn wirklich alle Menschen an Würde gleich sind?
00:50:54: Wie organisieren wir dann Gesellschaft?
00:50:57: Was bedeutet dann das Reich Gottes?
00:51:00: Soll es jetzt anklingen lassen?
00:51:01: Wir haben eine Art Backlash oder vielleicht auch ein Vorpreschen.
00:51:05: Wir werden es sehen.
00:51:06: Die Geschichte wird es zeigen unter den evangelikalen Rechten in den USA.
00:51:11: in denen das Christentum nun doch wieder zu einem metaphysischen Weltdach werten soll.
00:51:19: Und ich finde es bezeichnend und deswegen finde ich auch diese Diagnose von Nineteen Fünfund Achtzig so interessant von Emmanuel Todt, dass gerade da der Feminismus natürlich ganz extrem unter Druck gerät, also unter diesem Sperrfeuer gegen alles, was woke ist, gegen alles, was man als feministisch bezeichnen würde.
00:51:41: dass aber auch der Liberalismus unter Druck kommt.
00:51:44: Gerade wenn wir dran denken, wie Gerichte unter Druck geraten, wie die Rechtsprechung ins Lächerliche gezogen wird, wie die vierte Gewalt, also die Medien unter Druck geraten und ausgehebelt werden, aber sogar der Kapitalismus unter Druck gerät durch die Zölle, durch den starken Fokus auf Binnenwirtschaft etc.
00:52:08: Ja, das ist eine... Ich glaube, eine hellsichtige Analyse, die uns natürlich vor die Frage stellt, was bedeutet das jetzt für die Zukunft von Religion und Christentum in unseren Breitengraden, die eher ja, wie hast du das genannt, im Zeichnetjahr,
00:52:30: die absolute Kernfamilie?
00:52:31: Ja, genau.
00:52:34: Weil das, ja, ich weiß nicht, ob es mir zu stark vereinfacht ist, jetzt die Schneisen, die du jetzt anhand von Emmanuel Todt nachgezeichnet hast, weil es ja doch eine... Eine Gemengelage ist, bei der vieles auch über Kreuz geht.
00:52:50: Also zum Beispiel diese Kernfamilie ist ja etwas, was gerade bei den Evangelikalen sehr, sehr groß geschrieben wird.
00:52:57: Ja, das
00:52:58: würde er ja genau voraussetzen.
00:53:00: Also wenn wir sagen, das sind quasi die, die auf die Modernisierung aufgehobt sind und da quasi die Sperrspitze waren, dann wäre es nur logisch, dass sie diese Kernfamilie so favorisieren.
00:53:12: Ja, und eigentlich, da gibt es ja auch ganz starke Kräfte, die den Staat aber sehr stark eben zurück schneiden würden und sagen, ich und meine, ich und meine Kernfamilie und die persönlichen Freiheiten, die ich verteidige vom Waffenbesitz und Grundbesitz und so weiter.
00:53:36: Das ist das Norm plus Ultra und der Staat soll sich eigentlich so weit wie möglich.
00:53:41: aus den Angelegenheiten raushalten.
00:53:46: Das ist eine
00:53:46: libertäre Haltung, oder?
00:53:50: Ja.
00:53:54: Ja.
00:53:54: Ja.
00:53:55: Wir haben doch eine Phase, wenn ich Thorsten Guth zugehört habe, über die Geschichte der Evangelikalen gesprochen hat.
00:54:02: Man könnte sagen, bis in die Siebzigerjahre sind das Treiber des Liberalismus, des Kapitalismus, auch der Bürgerrechte eigentlich, wenn man so will.
00:54:14: in ganz unterschiedlichen Beziehungen jetzt weniger vielleicht direktes Feminismus, aber auch da hat Thorsten Bezüge aufgezeigt.
00:54:22: Aber das, was ja jetzt passiert ist, ist ja eigentlich die Idee, dass Evangelikalismus auf, ja, wie will man sagen, auf Aufputschmitteln eigentlich bedeuten würde, nicht nur innerhalb einer kleinen Gemeinschaft für die eigenen Werte zu sorgen, für die Community zu sorgen, sondern den ganzen Staat letztendlich als Community zu begreifen, der wieder unter einem metaphysischen Dach steht.
00:54:52: Und meine Frage an dich, dazu habe ich jetzt keine These, sondern es ist wirklich eine offene Frage, würde ich sagen, das ist Eine Form des Backlashes, also das was rückwärts gewandt ist, das ist das letzte Aufbäumen quasi gegen einen liberalen Trend, der halt noch nicht zum Ziel gekommen ist.
00:55:12: oder würde es sagen, nein, das ist tatsächlich eine entscheidende Abzweigung, die da genommen wurde, die Geschichte schreibt.
00:55:19: Ja, ich glaube schon, dass das eine.
00:55:22: Ich glaube, dass es eine Abzweigung ist oder eine Umformung auch von Impulsen, die im Evangelikalismus lange angelegt waren und die jetzt aber teilweise sogar auch die Richtung geändert haben.
00:55:38: Also weißt du, ich glaube, die starke Betonung im Evangelikalismus auf individuellen Glauben auf Kernfamilie, auf Verantwortung der Eltern für ihre Kinder bis hin zur eigenen Erziehung und zum Homeschooling und so weiter.
00:55:55: Diese ganzen sehr starken Impulse im Evangelikalismus habe ich das Gefühl, die werden jetzt im Rausch der Macht, die die Evangelikale Christinnen und Christen in den USA erlangt haben durch diesen Schulterschluss mit Trump und im Namen eines christlichen Nationalismus.
00:56:16: Also diese ursprünglichen Impulse werden teilweise unterlaufen jetzt oder überholt von der Aussicht, nicht nur so Kernfamilien und Kerngemeindebiotope frei zu kämpfen in den USA, sondern das ganze Land wieder zurück zu Gott zu bringen.
00:56:36: Und da eben, da finde ich, da Stoßen dann auch Motive gegeneinander.
00:56:45: Also du hast ja dann ein sehr freiheits ... Sehr freiheitsliebende individualistische Impulse unter den Evangelikalen, die eigentlich eher für einen Abbau des Staates.
00:57:00: Der Staat soll sich raushalten, Ausfremden kriegen und er soll sich raushalten aus der Familie und man soll denn zurückschneiden und zurückdrängen, nur das Nötigste und so.
00:57:12: Ja, aber was du jetzt hast, mit Eisstaatsbeamten, die in Chicago und Portland die Leute von der Straße holen.
00:57:21: aus den Autos zähren und mit einem Staat, der sich in alle möglichen Belange sehr, sehr machtvoll eingreift, bis hin eben zu Einflussnahme auf.
00:57:36: Medien und so weiter, das ist ja ein sehr starker Staat, der doch unter weiter breiter Beteiligung und Unterstützung evangelikaler Kräfte aufgebaut wird.
00:57:48: Das stimmt ja alles irgendwie mit vielen ursprünglichen Motiven nicht mehr überein.
00:57:54: Man kann hier wirklich so, man kann hier nur sagen, dieses Diese Seven Mountains Mandate, über das wir ja auch schon gesprochen haben.
00:58:02: So dieser Masterplan, das christliche Kreise in allen Bereichen der Gesellschaft, in Kultur, Medien, Sport, Unterhaltung, Bildung und so weiter, dass sie da, Politik natürlich genau, dass sie da Einfluss nehmen und sogar ans Ruder kommen, dass jetzt die Aussicht darauf, dass dieser Plan tatsächlich gelingen könnte, aus den sehr individualistisch-freiheitsliebenden Vorkämpfern des Evangelikalismus dann doch auch Vertreter eines sehr starken Staates gemacht haben.
00:58:42: Das ist ja, also ich glaube, hier formen sich Dinge umwillig einfach sagen.
00:58:47: Ja, und ich finde es auch ganz interessant, dass wir hier ganz starke Zentralisierungstendenzen haben.
00:58:52: Also der President, der dann quasi alles darf, dem alle Autorität zukommt, dessen Regentschaft direkt von Gott gebelickt und gewollt ist.
00:59:03: Ja, Manu, we're running out of time.
00:59:06: Es ist bedauerlich, es wäre interessant gewesen.
00:59:09: Aber lass uns vielleicht dieses Mal anstelle eines Amens damit schließen, was unsere Prognosen wären für die Entwicklung von Religion, vielleicht näherhin auch von Kirche.
00:59:20: Sagen wir doch mal so für die nächsten dreißig Jahre.
00:59:24: Also ganz bescheiden für die nächsten dreißig Jahre.
00:59:29: Meinst du jetzt in unseren Breitengraden oder in diesem amerikanischen Kontext?
00:59:33: Wie du willst,
00:59:33: wie du willst.
00:59:34: Also mich interessieren natürlich unsere Breiten gerade mehr, aber feel free.
00:59:40: Ich beginne sonst mal.
00:59:42: Ich glaube, wir werden damit zu tun haben, dass Religion von der Organisationsform her eher kleinräumiger wird.
00:59:50: Also dass es kleinere Gruppen werden auch nicht unbedingt virtuelle Community sein müssen, sondern wirklich kleinere Gruppen vor Ort, die sowas wie ein gemeinsames geistliches religiöses Leben pflegen.
01:00:05: Ich glaube, das wäre eine weitere Ablösung.
01:00:09: der staatsnachgebildeten Kirchensstruktur erleben werden.
01:00:15: Ich glaube auch, dass es immer wie mehr zu einem Verlust von Privilegien finden wird.
01:00:20: Auf der anderen Seite glaube ich auch, dass so etwas wie ein Servicebüblig, der medial im Moment ganz stark diskutiert wird, auch auf Seiten der Religionsgemeinschaften und Kirchen immer wie mehr in den Blick gerät, weil ich schon denke, dass durch dieses Wie wenn man sagen Sozialkapital, das in diesen Religionsgemeinschaften und Verbindungen entsteht, eigentlich etwas in dieser Gesellschaft drin ist, auf das wir sinnvollerweise nicht verzichten können.
01:00:52: Und ich glaube, dass dort, wo Religionsgemeinschaften und Kirchen Es wirklich schaffen, eine integrative Kraft für Menschen in die Gesellschaft zu sein, auch deren Wert erkannt wird und dass sich das langfristig durchsetzen wird.
01:01:08: Ich rechne aber damit, dass wir noch Jahre vor uns haben, wo Religion vor allem zu einem Identitätsmerkmal, zu einem identitären Move missbraucht werden kann und wird.
01:01:21: Und wünsche mir da ein sehr waches Christentum.
01:01:25: dass diesen Tendenzen sich verwehrt und nicht den schnellen Erfolg sucht, sondern sich wirklich an einer Mischen orientiert unter der wir gleich an Würde sind, in denen wir uns Rechenschaft schulden für das, was wir tun und vor allem auch in der Kirche immer wieder als Ort erlebt werden kann, wo Menschen auftanken für das Leben, dass sie draußen, außerhalb dieser Kirchenmauern führen und dort als Christin und Christen unterwegs sind.
01:01:56: Ja, ich befürchte auch, dass es eine zwiespältige Zukunft wird, dass die Kräfte, die sie jetzt sammeln, auch in den USA nationalistisch, christlich nationalistisch und überhaupt die auch sehr stark fundamentalistisch formatierten Bewegungen und Gemeinschaft nicht glaube, nicht, dass die jetzt so schnell sich wieder auflösen oder vom Tisch sein werden, dass da doch auch ein Momentum drin ist und auch bleiben wird, weil sie halt eine gewisse Orientierungsleistung erbringen.
01:02:42: die in einer Zeit der metaphysischen Obdachlosigkeit, wie wir am Anfang gesagt haben, doch auch gefragt ist und eine Attraktivität hat.
01:02:51: Das ist ein Sinnstiftungsangebot oder ein Identitätsstiftungsangebot.
01:02:57: Das sieht man, ich finde, das sieht man sehr, sehr klar, wenn man sich zum Beispiel den Memorial Service von Charlie Kirk anschaut, die Art von Begeisterung und von Sinnstiftung, die solche Reden und diese Zuspitzung, die das bieten kann, das finde ich ist mit Händen zu greifen dort.
01:03:18: Und gleichzeitig wünsche ich mir und ich glaube auch daran, dass auch in unseren Kreisen, auch in Volkskirchen reformierten Kreisen das Kirchen Sehr viel, ich würde sagen sehr viel Partizipativer und sehr viel auch flacher und niederschwelliger unterwegs sind und in eine Zeit hineinkommen, in der man sich wahrscheinlich auch nicht mehr es sich leisten können wird, dass vollzeit angestellte Funktionäre der Kirche den Betrieb, ich sage jetzt mal aufrechterhalten, sondern dass man sehr viel stärker noch als es Jetzt stellenweise schon geschieht die Verantwortung und die Initiative und die Leidenschaft auf ganz viele Schultern verteilt und Leute auch ermächtigt, Gottesdienste zu gestalten und in Verkündigung, in Predigt, in Lehre, in Unterricht usw.
01:04:21: Einfluss zu nehmen.
01:04:23: dann vielleicht nicht unbedingt jetzt evangelikale Gemeinschaften von der Struktur hergründet, aber doch sehr viel partizipativer angelegte Communities entstehen.
01:04:34: Kleinere Brötchen backen jetzt nicht unbedingt mit dem Ziel, die alte Volkskirche wieder zurückzubringen, aber doch mit dem Ziel, Kirche mitten unter den Menschen zu sein und mitten in den Dörfern und Städten und auch Großstädten, wenn es das gibt, der Schweiz, da präsent zu sein.
01:04:58: Also da habe ich sicher mehr Hoffnung für als für einen Wiedererwachen der metaphysisch bestimmenden Großkirche oder so.
01:05:13: Ja.
01:05:13: Ja, das teilen wir beide.
01:05:15: Und du hast es gesagt, oder?
01:05:16: Die Aufgabe bleibt groß.
01:05:18: Im Moment scheint es so, als wären es immer weniger Schultern, die das tragen müssen.
01:05:23: Ich erlaub mir an dieser Stelle einen ganz kurzen Werbespot.
01:05:27: Ich werde am ersten Elften beim Refine dabei sein.
01:05:32: Das ist ein Jugendfestival der Kirchen.
01:05:35: Das in Zürich stattfindet.
01:05:37: Und die ganz gute Nachricht ist, dass es jetzt schon Jugendliche hat, die sich da angemeldet haben, die da teilnehmen werden.
01:05:45: Das bringt aber auf der anderen Seite auch viel Aufwand mit sich und es werden noch Volunteers gesucht.
01:05:51: Also wenn du solche Schultern hast, die dort etwas mittragen können, dann informiere dich doch unter Refind.ch.
01:05:59: Dort findest du, wo und wann noch voluntärisch gesucht werden.
01:06:03: Ich weiß jetzt gerade, dass das sicher noch am Freitag ist und sicher noch am Sonntag.
01:06:07: Ich glaube, Samstag ist schon ziemlich gut abgefüllt, aber vielleicht schaffst du das ja dort einen Beitrag zu leisten.
01:06:14: Und wenn nicht auch nicht schlimm, dann weißt du jetzt mindestens, dass ein großes Jugendfestival geben wird in Zürich in den nächsten Tagen.
01:06:22: Sehr
01:06:22: schön.
01:06:23: Was steht bei dir an, Manu?
01:06:25: Ach!
01:06:25: Ach, Mitarbeitergespräche diese Woche und eigentlich wollte ich bei einer Tagung noch aufkreuzen, aber ob ich das schaffe, steht in den Sternen.
01:06:36: Ja, meine Agenda ist ziemlich voll mit Gesprächsterminen, muss ich sagen.
01:06:41: Und bei dir?
01:06:43: Ja, ich habe dieses Wochenende noch Gesprächsynode, wo ich eingeladen bin als Gast der RefBusso.
01:06:50: Die widmen sich dem Thema Kirche und Jugendliche.
01:06:53: Also, was haben eigentlich Jugendliche mit dieser Kirche zu tun und haben sie einen Platz darin?
01:06:58: und wie könnte man das tun?
01:07:00: Und darauf freue ich mich und bin auch gespannt, wie diese Podien dann wahrgenommen werden.
01:07:04: Und auf einem dieser Podien werde ich auch sitzen.
01:07:07: Ach, schön.
01:07:08: Aber nicht als Vertreter der Jugend, gell?
01:07:13: Hey,
01:07:13: schön, dass ihr bis jetzt dran geblieben seid.
01:07:15: Wir hören uns wieder in einer Woche.
01:07:17: Wenn ihr Feedback habt, dann immer gerne an unsere E-Mail-Adressen.
01:07:21: Am liebsten bei mir immer über Instagram.
01:07:25: Da sehe ich es wirklich am ehesten.
01:07:28: Und wenn ihr Vorschläge habt für nächste Themen oder Einwände oder etwas, was wir diskutieren müssen, dann freuen wir uns drüber.
01:07:36: Bis bald.
01:07:37: Gehen wir durchs Sorg.
01:07:38: Tschüss zusammen.
01:07:39: Tschüss.
01:07:42: Reflepp.