00:00:00: Und hier sind wir wieder.
00:00:20: Herzlich willkommen, ihr Lieben zu einer neuen Folge von "Ausglaubt" - pünktlich am
00:00:25: Mittwochmorgen.
00:00:27: Das sind wir wieder am Start.
00:00:29: Hallo Stefan.
00:00:30: In aller Früh.
00:00:31: Hallo, Mannu.
00:00:32: Ich freu mich auf dich.
00:00:35: Wer bist du denn, Stefan?
00:00:37: Ja, also für alle, die das erste Mal einschalten.
00:00:42: Ich bin Stefan Jütte.
00:00:43: Ich arbeite als Leiter des Bereichs Theologie und Ethik und des Bereichs Kommunikationen
00:00:49: bei der evangelisch reformierten Kirche Schweiz.
00:00:52: Wir haben unseren Hauptsitz in Bern, wo ich auch mit meiner Familie lebe und dort gehe
00:00:58: ich gerne laufen und während dem Laufen höre ich vor Podcasts, am liebsten Podcast, die
00:01:04: sich irgendwie auch mit Reibungspunkten von Religion und Christentum in unserer Gesellschaft
00:01:12: beschäftigen.
00:01:13: Das ist eine Frage, die mich umtreibt auch hier im Podcast und darüber spreche ich besonders
00:01:18: gerne mit dir, Mannu.
00:01:19: Ja, schön.
00:01:20: Ich bin Manuel Schmid.
00:01:22: Ich bin reformierter Theologe ebenso.
00:01:25: Ich arbeite in der reformierten Kirche des Kantons Zürich und bin Co-Leiter im RefLab
00:01:34: und leider komme ich nicht mehr so oft zum Laufen und auch mein Fahrrad steht seit längerem
00:01:42: ungenutzter rum, aber ich habe mir zumindest Vorsätze gefasst, da ein bisschen aktiver
00:01:49: wieder zu werden.
00:01:51: Ich lese gerne in meiner Freizeit und auch in meiner Arbeit habe ich meine Hobbys, es
00:01:58: sind eigentlich eine Verlängerung dessen, was ich auf der Arbeit auch tue, inklusive Podcasts
00:02:04: hören und mich auseinandersetzen mit philosophischen Fragen, theologischen Fragen und auch mit gesellschaftlichen
00:02:13: Dingen und das werden wir auch heute natürlich wieder tun.
00:02:17: Ja genau, du hast ein spannendes Thema mitgebracht mit einem provokativen Titel "Christian Verfolgung
00:02:23: lieber Volk als Solidarisch" und dazu werden wir danach erkommen.
00:02:29: Aber lass uns noch einen kleinen Rückblick machen auf die letzte Folge, wir haben da
00:02:34: eine Abstimmung gemacht und gefragt, ist Kirche zu politisch und ein Drittel unserer
00:02:41: Hörerinnen und Hörer, die auf Spotify abgestimmt haben, finden tatsächlich, dass Kirche zu
00:02:46: politisch ist.
00:02:47: Zwei Drittel waren der Meinung, dass sie nicht zu politisch ist.
00:02:51: Interessanterweise hat bei dieser Umfrage niemand die Option gewählt, ich weiß es nicht
00:02:56: oder ich bin unsicher.
00:02:58: Ja also.
00:02:59: Und dann muss ich noch Buse tun, ich muss Buse tun, weil ich habe Hannah Betger falsch
00:03:06: vorgestellt, da waren ganz viele Fake News dabei, ich habe sie verjüngt.
00:03:09: Sie ist also nicht Jahrgang 1983 wie ich, das bin ich, habe mir nämlich notiert, ungefähr
00:03:15: gleiches Alter und danach geschaut.
00:03:19: Also Hannah Betger sieht nur jünger aus als ich, aber in Wirklichkeit ist sie älter,
00:03:26: sie wird dieses Jahr 45 und sie hat nicht in Literaturwissenschaft, sondern in Politikwissenschaft
00:03:34: promoviert, arbeitet derzeit nicht bei der FAZ, sondern bei der Welt und der Welt am
00:03:39: Sonntag und at last but not least, ihr Buch ist nicht Ende 2024 erschienen, sondern erst
00:03:48: im Februar 2025, das wollte ich hier unbedingt klarstellen und ich danke Hannah Betger für
00:03:55: das Aufmerksame zu hören und die Korrekturen, die sie uns geschickt hat.
00:03:59: Ganz herzliche Grüße an Hannah Betger.
00:04:01: Ja sehr schön.
00:04:02: Nach deinem Busgang kommen wir zum Halleluja der Woche.
00:04:08: Stefan, was hat dich zu spontanem Halleluja Rufen verandacht?
00:04:19: Ja, so Halleluja Rufen ist vielleicht zu viel angesichts dessen, was ich jetzt erzählen
00:04:25: werde, aber Dankbarkeit, wirklich Dankbarkeit.
00:04:28: Meine Mutter ist bei einem Spaziergang mit dem Hund gestürzt und meine Mutter kennt
00:04:34: weiß, die ist wirklich fit, also das ist nicht irgendwie erwartbar, dass die einfach mal
00:04:39: so hinfällt und ist so dumm gestürzt, dass sie sich gleich das Bein gebrochen hat.
00:04:44: Das alleine ist keines Jubelruf wert, aber wie sie dann in der Klinik behandelt worden
00:04:51: ist, was sie erzählt hat von den netten Menschen, die sich da um sie gekümmert haben, dieses
00:04:57: Gefühl in guten Händen zu sein, eine OP zu bekommen sofort, die dann auch noch so gut
00:05:04: läuft, das ist ganz viel Grund für Dankbarkeit.
00:05:08: Ach sehr schön, sehr schön Stefan und ich kenne ja deine Mutter auch und freue mich,
00:05:13: dass das einen guten Ausgang genommen hat.
00:05:16: Mein Halleluja der Woche betieft sich auf diese Woche, die wir als Reflepteam in der Ardäsch
00:05:23: verbracht haben.
00:05:24: Ich habe das letzte Mal ganz am Anfang der Woche schon von erzählt und das ist einfach
00:05:31: wirklich eine ganz wunderbare Zeit geworden.
00:05:33: Also ich wusste ja nicht.
00:05:34: Wart mal, das musste noch ein bisschen aus, schmücken Manu, weil so auf euren Social Media
00:05:39: Poster, das eher aus wie ein Arbeitslager in schöner Umgebung.
00:05:42: Ja, das war es ja auch, also wir haben tatsächlich auch gearbeitet, haben das ja auch gelabelt
00:05:48: als Workation, ich kannte den Begriff vorher nicht, aber das ist natürlich ein Kombi Wort
00:05:53: aus Vacation, aus WU-Laub und aus Workarbeit und wir haben tatsächlich doch jeden Tag
00:06:01: mehrere Stunden auch gearbeitet, oft jeder für sich, aber wir hatten natürlich auch
00:06:05: ganz viel Freizeit und Viel Zeit für uns, das ganze konnte jeder so gestalten, wie er
00:06:11: wollte oder sie wollte und da ist natürlich auch ganz viel Raum gewesen für, keine Ahnung,
00:06:18: für Spaziergänge, wir haben auch Andachten zusammen gehabt, wir haben abends Gebeten
00:06:24: zusammen und morgens eingeladen zum Shigong und Früh Yoga, da habe ich dann gepasst,
00:06:31: aber das war alles mit drin und wir hatten einen ganz wunderschönen, denkwürdigen
00:06:37: Abschiedsabschlussabend, bei dem wir eine gemeinsame Spotify Playlist laufen ließen, jeder konnte
00:06:45: seine Favorite Dance Songs in die Warteschlaufe legen und dann haben wir da getanzt und gesungen,
00:06:53: was das Zeug hielt, also alles in allem muss ich sagen, diese Woche, ich war ja nicht sicher,
00:06:59: wie das funktioniert, dass man als Team zusammen arbeiten kann, bedeutet ja nicht zwangsweise,
00:07:04: dass man auch eine Woche auf doch relativ engem Raum miteinander, sage ich mal Urlaub/Arbeitswoche
00:07:13: miteinander verbringen kann, ohne sich in die Haare zu kommen und das war wirklich ganz
00:07:18: überraschend schön. Ja, da bin ich ja wirklich auch ein bisschen leidisch, Manu, und muss
00:07:23: sagen, also, dass ihr eine so gute Workation hingekriegt habt, ist schon beeindruckend,
00:07:29: aber dass ihr dann auch noch einen Generationenübergreifenden Tanzabend hingekriegt habt, das ist
00:07:34: wirklich aller Achtung. Ja, Generationenübergreifen, du bist mal wieder ein richtiger Arsch vom
00:07:42: Dienst. Na ja, gut, gut, ja. Ja, dann machen wir doch gleich weiter mit dem Stoßgebet,
00:07:50: oder? Sehr gut, ja, gerne, gerne. Ja, ich habe beim Stoßgebet wirklich was Trauriges
00:07:59: und Ärgerliches, ich weiß nicht, Manu, kennst du Annalena Müller? Annalena Müller ist eine
00:08:06: super begabte, clevere Journalistin, die zuvor bei KCH gearbeitet hat, die auch immer wieder
00:08:15: Artikel drin hat oder als Expertin Auskunft gibt bei der NCZ und die hat ein Fahrblatt gearbeitet
00:08:23: und aus diesem Fahrblatt, was eher eine regionale Bedeutung hatte, wirklich eine Nummer gemacht
00:08:30: mit ihrem Team, die man lesen wollte und sollte, wenn man sich für katholische Kirche, für
00:08:39: die Bedeutung der Kirche in der Gesellschaft interessiert hat, das war immer wahnsinnig
00:08:44: sachkundig und du hörst es schon, ich muss sagen war, weil das Fahrblatt hat Annalena
00:08:53: Müller gekündigt und sie per sofort freigestellt und zwar einfach, weil die strategisch andere
00:09:01: Vorstellungen hatten und dann das Vertrauen gefehlt hat, dass man das mit ihr machen könnte.
00:09:06: Das könnte uns ja kalt lassen, man könnte sagen, ja gut, das betrifft uns nicht, das
00:09:11: ist die katholische Kirche, aber ich glaube, es wirft auch grundsätzliche Fragen auf,
00:09:17: nämlich welche Art von Journalismus brauchen wir eigentlich durch kirchennahe Medien und
00:09:25: wie viel Freiheit sollen die haben, was ist zu viel und wer darf sagen, was zu viel ist
00:09:32: und ich glaube, das ist etwas, was wir uns auch in unseren reformierten Kontexten immer
00:09:37: wieder überlegen sollten.
00:09:39: Ich bin der festen Überzeugung, dass wir sehr, sehr freie Medien brauchen, als korrektiv,
00:09:45: auch als ein Schaufenster, das wir selbst nutzen können in die Welt, nicht dass wir
00:09:51: davon abgeschieden sind, aber manchmal sind diese Provokationen auch sehr heißam für uns
00:09:58: und wir sollten uns derer nicht einfach so entledigen, wie das jetzt passiert ist.
00:10:03: Ja, jetzt wo du das erzählt hast, ich habe das mitgekriegt auf Social Media, mir war
00:10:08: einfach der Name nicht mehr geläufig, aber das habe ich mitgekriegt und das hat mich
00:10:11: auch ein bisschen nachdenklich gestimmt, dass da jemand so abgesägt wird.
00:10:16: Ich kenne die ganze Geschichte dahinter nicht, aber da teile ich deine Bedenken.
00:10:22: Mein Stoßgebet ist ein bisschen profaner oder alltäglicher.
00:10:27: Nein, alltäglich eigentlich auch nicht.
00:10:28: Wir sind ja am Aufsetzen unserer Festival-Website, weil im September unser Reflepp-Festival
00:10:38: stattfindet und das ist jetzt doch ein richtiger Kraftakt geworden.
00:10:43: Das ist eigentlich oft so, man hat eine Deadline und bereitet sich darauf vor und stellt alle
00:10:50: Texte ein und dann denkt man so, jetzt gehen wir live und dann schaut einer noch mal drüber
00:10:55: und sagt, meine Fresse, da sind ja noch Platzhalter drin, da steht dann "Wir reden über" und
00:11:04: da kommt nichts und so.
00:11:06: Ihr habt ein falsches Geburtstheor angegeben.
00:11:09: Ja, genau.
00:11:10: Das war echt dann gestern, haben wir noch mal ganz vieles besprochen und ausgebügelt
00:11:17: und geklärt und dann merkt man, der Teufel steckt ihm Detail und so und ich habe gestern
00:11:23: wirklich bis 7 Uhr abends einfach non-stop an diesen Dingen gearbeitet und unsere Mitarbeiter
00:11:31: innen vor allem Julia, die für Marketing und Social Media zuständig ist, die hat da
00:11:36: nochmal extra Meilen hingelegt, wie verrückt.
00:11:40: Das war schon ein bisschen mein Stoßgebet.
00:11:42: Jetzt kriegen wir das hin, ohne Peinlichkeiten und ohne Dinge.
00:11:46: Ich meine, es gibt dann, wenn man Ticketverkauf online stellt, dann muss das schon stimmen,
00:11:52: sonst beginnen Leute an, Tickets zu buchen für falsche Zeitslots usw.
00:11:57: Und dann wird es schon giftig.
00:11:59: Genau.
00:12:00: Und jetzt lieber Stefan, also dieses schon, ist eine wunderbare Überleitung.
00:12:05: Und zum Sponsor.
00:12:06: Das führe ich natürlich zu dem kurzen, aber leidenschaftlichen Werbeblock.
00:12:10: Alles wird gut.
00:12:15: Das Reflehr-Podcast Festival.
00:12:19: Erlebe an zwei Tagen Live-Offnahmen von Podcasts wie Unterfahrerstöchtern, Kaffeefreitag,
00:12:28: Hossa Talk, die sogenannte Gegenwart und vielen anderen.
00:12:35: Mit dabei sind auch Olivia Röhrlin, Niklaus Branschen, Thorsten Dietz und natürlich
00:12:42: das Reflehr-Podcast Festival.
00:12:44: Am 6. und 7. September.
00:12:47: Kauf jetzt dein Ticket auf reflehrfestival.ch.
00:12:53: Alles wird gut.
00:12:57: Ja, das ist unser Reflehr-Festival, 6. und 7.
00:13:06: Dezember.
00:13:07: Schreibt euch das ein, lasst euch das nicht entgehen.
00:13:10: Ich freue mich sagenhaft darauf, vor allem auch, weil wirklich einige meiner absolut
00:13:16: favorite Podcasts und Podcasts, der innen mit dabei sind, unter anderem eben, wie ihr
00:13:22: gehört habt im Jingle.
00:13:25: Die sogenannte Gegenwart, das ist mein persönlicher Lieblings-Podcast geworden.
00:13:31: Und Wolfgang M. Schmitt verfolge ich auch schon seit Langen im verschiedenen Podcastformaten,
00:13:37: die er bespielt, natürlich auch in der Filmanalyse, die mir in vielem zum Vorbild wurde.
00:13:42: Wir haben ja diesen Netflix- und Serien-Podcast "Popcorn Culture", den ich mit Jay und
00:13:48: Jana zusammenbetreibe.
00:13:50: Und da habe ich immer wieder durch Seitenblicke auf die Filmanalyse von Wolfgang M. Schmitt
00:13:55: enorm viel gelernt.
00:13:57: Also der langen Rede kurzer Sinn, das wird grandios und ich könne es jedem von euch und
00:14:03: jeder von euch damit dabei zu sein.
00:14:05: Gut, so viel dazu.
00:14:08: Jetzt kommen wir zum Thema der Woche.
00:14:11: Das Thema der Woche.
00:14:15: Ja, Stefan, du hast es schon angekündigt und den Titel schon genannt, "Kristenverfolgung
00:14:21: lieber Vogue als Solidarisch".
00:14:24: Der Titel bezieht sich auf einen Bericht in der NCZ, der wurde mir letzte Woche gleich
00:14:32: von mehreren Seiten her zugespielt.
00:14:34: So im Sinne von "Hast du das schon gesehen?" oder "Hast du das auf den Blick?" oder "Wie
00:14:39: stehst du eigentlich dazu?"
00:14:40: Das ist ein Artikel von Kacem El-Gasali, oder ich bin nicht sicher, ob ich das richtig
00:14:46: ausgesprochen habe, aber auf jeden Fall ein NCZ-Artikel von einem marokkanisch-schweizerischen
00:14:55: Autor, der steigt ein mit einer ganz, ganz schrecklichen Szene, die sich in Nigeria abgespielt
00:15:04: hat, ein Überfall von islamistischen, radikalen Organisationen oder von diesen Fulani Milizen,
00:15:15: die in ein Dorf einfallen und dort ein Massaker unglaublichen Ausmaßes anrichten, Kinder
00:15:24: und Frauen verstümmeln und erschlagen.
00:15:28: Und es ist wirklich schwer zu lesen, was er hier berichtet und er entwickelt dann von
00:15:36: dieser Episode von diesem Massaker aus, entwickelt er dann die These, dass es eben an vielen
00:15:43: Orten der Welt massive Verfolgungen von Christinnen gibt, die in der westlichen Welt journalistisch
00:15:52: kaum wahrgenommen oder aufgegriffen werden und die auch von kirchen, von westlichen Kirchen
00:15:59: in unseren Breitengraden kaum zum Thema gemacht werden.
00:16:03: Und er hat damit verbindet auch verschiedene, sag ich mal Verdachte oder Beobachtungen, die
00:16:10: wir gerne diskutieren wollen in dieser Folge, weil wir fanden, das gibt einiges her und
00:16:18: bietet wirklich auch Stoff zum Diskutieren und zum Widersprechen, aber auch vielleicht
00:16:24: Stoff sich oder Anlass, sich gewisse Dinge nochmal neu in Erinnerung zu rufen.
00:16:29: Stefan, du hast den Artikel auch gelesen, was verbindest du damit oder was war deine Reaktion?
00:16:36: Ja, es hat ja nicht nur jetzt einfach diesen Teil der Schilderungen, also dass es eine
00:16:44: Christenverfolgung gibt in Nigeria, Pakistan, Irak, Syrien etc., sondern im ganzen Artikel
00:16:52: schwingt ja auch dieser Vorwurf mit dazu schweigen die Kirchen, während sie sich sonst quasi
00:16:58: für alles einsetzen und sich Gerechtigkeit ganz groß auf die Fahne schreiben, schweigen
00:17:04: sie dazu und eigentlich müssten sich doch Kirchen für ihre Glaubensgespiste einsetzen,
00:17:12: aber vielleicht sind diese Glaubensgespiste für die europäisch-westeuropäisch-saturierte
00:17:19: Christenheit einfach zu viel, weil sie uns nämlich an eine Tiefe erinnern würden, an
00:17:27: eine Opferbereitschaft, die wir längst verloren haben in unserem lauwarmen Christentum.
00:17:33: Ich paraphrase jetzt um, ist egal.
00:17:36: Und ja, das finde ich interessant, über diese These zu sprechen und natürlich auch dagegen
00:17:41: zu streiten, weil ich kann das schon mal sagen, ich teile das nicht in diesem Framing.
00:17:47: Also was ich nicht bestreiten will, ist es gibt Christenverfolgung.
00:17:51: Ich glaube auch, man könnte Christenverfolgung mehr auf dem Schirm haben, als man sie hat.
00:17:58: Aber ich teile die These nicht, dass wir quasi die Solidarität mit diesem verfolgten
00:18:07: Christen hinter unseren eigenen Vognis und Political Correctness etc. haben zurückstehen
00:18:14: lassen.
00:18:15: Ja, ja.
00:18:16: Also vielleicht muss man das dazu sagen, dass der Artikel in der NCZ eratmet für mich
00:18:23: schon an vielen Stellen auch den gegenwärtigen Kulturkampf.
00:18:28: Also man spürt das an verschiedenen Stellen heraus, dass so ein bisschen diese, zumindest
00:18:33: implizit, diese Gegenüberstellung oder dieser Antagonismus zwischen linksliberalen Voken-Kreisen,
00:18:43: die für alle möglichen Minderheiten aufstehen und sich stark machen, aber vielleicht, vielleicht
00:18:53: das dann übersehen gerne und geflissentlich übersehen, was ihnen irgendwie ideologisch
00:18:58: nicht in den Kram passt und dann dieser anderen eher konservativen Seite, auch ein bisschen
00:19:05: den Hütern des christlichen Abendlandes und so.
00:19:08: Also es kommt mir zumindest unterschwellig, kommt mir diese Gemängerlage, kommt mir in
00:19:14: dem Artikel entgegen und ich möchte vielleicht, bevor wir das auch diskutieren und vertiefen,
00:19:19: zum Autor selber noch ein paar Takte sagen, weil ich immer wichtig finde, wer schreibt
00:19:25: denn hier und aus welcher Perspektive kommt, dass also dieser Katzem oder Katzem El-Gasali
00:19:32: ist ein Essayist und Aktivist, mit marokkanischen Wurzeln, der ist in einer sophistisch geprägten
00:19:41: Familie in Marokko aufgewachsen und hätte eigentlich von seinem Vater zum Imam erzogen
00:19:46: werden sollen, war aber auch beeinflusst von einem Onkel, der so heimlich atheistisch war
00:19:52: und ihn dann so westliche Literatur zugespielt hat und dieser Katzem El-Gasali hat dann
00:19:59: mit 17 Jahren schon anonym angefangen zu bloggen und die Missstände in der islamischen Welt
00:20:07: auch in seinem Land angeprangert, darunter auch die Diskriminierung von Frauen, von
00:20:12: Homosexuellen, von Konfessionslosen und er wurde dann auch geoutet oder hat sich geoutet
00:20:20: als Schwul und in Folge dessen viele Repressalien erlebt, wurde verfolgt, er ist dann geflohen
00:20:30: und konnte durch überzeugende Dokumente dann bei der Schweizer Botschaft Asylgründe darlegen
00:20:37: und im Gelang dann, das fand ich noch ein pikantes Detail, im Gelang dann 2011 mit Hilfe
00:20:44: von Schweizer Freidenkern, also diese atheistische, programmatisch-ateistische Vereinigung von
00:20:52: Schweizer Freidenkern, die haben ihn die Ausreise nach Genf dann ermöglicht und da ist er jetzt
00:20:59: in der Schweiz geblieben seither und ist 2017 dann in der Schweiz eingebürgert worden.
00:21:07: Also das ist der Hintergrund und das hilft auch ein bisschen zu verstehen, auch die, ich
00:21:11: sage mal, die Spitzen und Schärfen des Artikels zu verstehen, da schreibt ein schwuler atheistischer
00:21:20: Mann aus einem explizit islamischen, einer islamischen Herkunftsfamilie, der selbst eine
00:21:30: Verfolgungsgeschichte hinter sich hat und jetzt hier anprangert, dass man Verfolgungssituationen
00:21:37: von Christen in Nigeria und anderen Orts einfach zu wenig auf dem Schirm hat und eben sein Verdacht,
00:21:45: du hast das schon genannt, er hat eigentlich, ich würde sagen, er hat vor allem zwei Verdachtsmomente,
00:21:50: der eine Verdacht ist den du genannt hast, ja, bei Kirchen werden solche Dinge nicht wahrgenommen
00:21:58: oder nicht ernst genommen, weil man sich ein bisschen peinlich berührt sieht von der Situation
00:22:04: verfolgter Christen und denkt, was, also es löst Irritationen aus in einem kulturchristlichen
00:22:11: Abendland, dass es irgendwo noch Menschen gibt, die da für ihren Glauben ihr Leben hergeben. Und
00:22:18: das zweite Verdachtsmoment ist damit verbunden und geht über die Kirche hinaus, dass er sagt,
00:22:24: man hat unglaubliche Vorbehalte oder Reservationen, irgendetwas zu Christenverfolgung, gerade in
00:22:31: islamischen Ländern zu sagen, weil man die Angst mitführt, dann als Islamophob abgestempelt zu
00:22:38: werden oder weil man auf jeden Fall eben nicht islamkritisch sein will, sondern viel eher
00:22:47: herausstreicht quasi wie wichtig diese Multikulturalität in der Schweiz und in Europa ist und wie
00:22:54: wichtig die Begegnung und das Miteinander von Religionen ist und da kommen irgendwie Situationen
00:23:01: verfolgter Christen in islamischen Ländern, kommen da irgendwie quer, quer mit rein und das
00:23:07: drückt man dann eher runter so. Diese beiden Verdachtsmomente habe ich sehr stark rausgelesen.
00:23:12: Ja, ich auch. Aber dann, ich glaube, das ist da so eine grundsätzliche Frage, was ist eigentlich
00:23:19: die Aufgabe und Rolle von Kirchen in der Gesellschaft zu solchen politischen Themen? Was muss
00:23:25: sie beachten, wenn sie dazu spricht und ich meine, wir sind als Kirche ja auf ganz unterschiedlichen
00:23:32: Ebenen tätig. Also es gibt diese Themen, die in der Kirche Gemeinde vorkommen, es gibt das Ganze
00:23:38: auf der Ebene der Kantonalkirchen, es gibt es auf der nationalen Ebene, es gibt es in den
00:23:44: internationalen Beziehungen, die Kirchen pflegen untereinander, also zum Beispiel im ÖRK, wo das
00:23:53: ja auch Thema ist, also das Thema der verfolgten Christen und ich glaube, man muss sich einfach
00:24:00: vergegenwärtigen, dass man überall auch zu einem anderen Kontext, ja in einem anderen Kontext
00:24:06: Stellung bezieht und eigentlich damit auch eine andere Frage mitverhandelt. Wenn wir jetzt an den
00:24:13: Schweizer Raum denken, muss man sagen, ja also seit 9/11, seit diesem schrecklichen oder seit diesen
00:24:22: schrecklichen Terroranschlägen, die die USA betroffen haben, haben wir schon eine islamophobe
00:24:30: Stimmung, eine Stimmung, die den Islam für eine nicht aufgeklärtige, gefährliche, irgendwo auch
00:24:39: ja zum Teil barbarische Religion wahrgenommen hat. In den Medien haben wir dann später viele
00:24:46: Bilder von Kämpfern gesehen, von islamistischen Kämpfern, IS Kämpfer, die Menschen enthaupten
00:24:54: und ich würde das alles gar nicht bestreiten, dass es das gibt, aber das ist natürlich nicht die
00:24:59: Realität von Muslime in der Schweiz, also die sind in aller Regel nicht so gesimmt, die sind in
00:25:08: aller Regel nicht gefährlich, die wenigsten von ihnen sind überhaupt religiös und da stehen dann
00:25:15: halt Themen des religiösen Friedens und des gesellschaftlichen Zusammenhalts auch ganz weit
00:25:21: vorne, wenn wir darüber sprechen. In der Schweiz haben wir 2009 das Minarettverbot angenommen,
00:25:29: eine wirklich klare Diskriminierung einer bestimmten Religionsgemeinschaft, die es bis in
00:25:35: die Bundesverfahr so geschafft hat und das alles ist ein Hintergrund, den man einfach mitdenken muss,
00:25:40: wenn wir da Zustellungen nehmen. Aber trotzdem glaube ich, ja, sorry. Ja, nur es macht auf mich
00:25:48: jetzt fast den Eindruck, dass du eigentlich die These des Autors ein Stück weit bestätigst, dass
00:25:53: du sagst, ja man hat, man hat auf dem Hintergrund auch einer teilweise islamophoben Grundstimmung
00:25:59: oder einer Minarettabstimmung ist vielleicht die symbol trächtigste Spitze einer gesellschaftlichen
00:26:06: Stimmung in der Schweiz, die im Islam insgesamt irgendwie eine Gefahr zu sehen begann, die dieses
00:26:15: Narrativ der Schleichenden oder auch aggressiven Islamisierung Europas irgendwie mit eingekauft
00:26:21: hat und jetzt will man Rücksicht nehmen auf die Gefahren der islamophobie und der auch
00:26:27: des radikalen irgendwie hartes gegen islamische Menschen und deshalb, also ich will dir nicht
00:26:34: das Wort umrehen, ich will dir nur die Gelegenheit geben, das zu präzisieren. Man könnte sagen,
00:26:39: du lenkst jetzt Wasser auf die Mühlen des Autors, weil du bestätigst, ja in dieser
00:26:46: Situation ist man dann allzu vorsichtig über Christenverfolgung zu sprechen, weil man denkt,
00:26:51: man bestärkt damit, dass islamophobe Narrativ, dass in vielen Bevölkerungskreisen in der
00:26:57: Schweiz eh schon vorherrscht. Also ich stehe mir dem ganzen ersten Teil zu, dass das tatsächlich
00:27:05: wichtig ist für die Art und Weise, wie Kirchen sich äußern zum Thema Christverfolgung, besonders
00:27:11: in islamisch geträgten Ländern, Regionen dieser Erde, aber ich finde, dass es nicht falsch und
00:27:19: es ist deswegen besonders richtig darauf Rücksicht zu nehmen, weil wir in der Schweiz gar nicht die
00:27:24: Situation haben, dass sich hier Kirchen für diese verfolgten Minderheiten alleine einsetzen
00:27:33: müssen, sondern sie tun das zusammen mit anderen Religionsvertreterinnen und Vertretern,
00:27:38: die auch Religionsfreiheit wollen. Also es ist überhaupt kein umstrittenes Thema,
00:27:45: zum Beispiel im Rat der Religionen, dass auch die Muslime und natürlich auch die Juden,
00:27:53: dass auch die Christkatholiken, die Katholiken und auch wir als reformierte Religionsfreiheit
00:28:00: wollen. Aber das ist nichts, was sich jetzt hier unterscheiden würde zwischen Christen und Muslim.
00:28:08: Und deswegen ist es völlig richtig, in dem was man sagt und in dem was man äußert,
00:28:14: darauf Rücksicht zu nehmen, dass das einen Impact hat für die Muslime, die hier leben und die
00:28:20: hier als Muslime erkennbar unterwegs sind und leben. Das finde ich eigentlich völlig richtig und
00:28:27: selbstverständlich. Ich sehe das nicht als Problem. Und es würde ja nur dann zutreffen, wenn man sagen
00:28:33: würde, nein, es gibt eigentlich diese Islamophobie gar nicht. Das ist einfach eine superwoche Idee,
00:28:38: die ihr überstrapaziert habt. Aber das ist doch nicht wahr. Natürlich gibt es in der Schweiz
00:28:44: ein superislamophobes Klima, in dem quasi wie Verschwörungserzählungen, dass der Islam hier
00:28:52: die Überhand gewinnen will, dass unsere Kinder davon bedroht sind, irgendwann in einer islamischen
00:29:00: Ordnung groß zu werden etc. Das sind ja Dinge, die erzählen sich her und Frau Schweitzer durchaus.
00:29:06: Ja, ich finde es richtig, darauf Rücksicht zu nehmen. Also Stefan, da bin ich schon bei dir,
00:29:11: weil ich das ja auch so mitgekriegt habe. Ich bin ja auch in Berührung gekommen und habe mich
00:29:16: teilweise bewegt im Kreisen oder Milius, in denen dieses Bild der Islamisierung Europas und auch
00:29:23: dieses wirklich Droh- und Angst-Szenario. Wenn wir jetzt nicht aus Christen aufstehen und kraftvoll
00:29:30: einen Riegel vorschieben, dann überrennen uns diese Muslime mit ihren vielen Kindern, die sich da
00:29:36: ausbreiten und vermehren quasi. Das waren wirklich Islamophobe und auch, sag ich mal empirisch,
00:29:43: ganz, ganz schlecht abgedeckte Erzählungen, die da kursierten. Aber Stefan, es ist ja eine Sache,
00:29:52: Rücksicht in seiner Wahrnehmung und Kommunikation. Rücksicht zu nehmen auf diese, auf gewisse
00:29:59: gesellschaftliche Vorstellungen und auf eine auch Islamophobe Aufladung gewisser Gesellschafts-Teile.
00:30:08: Das ist eine Sache und die andere Sache ist es, sag ich mal, ein solches Massaker, wie es in Nigeria
00:30:15: passiert ist, wo Frauen und Kinder abgeschlachtet werden aufs Grausamste, dann zu verschweigen aus
00:30:23: Angst. Man würde damit das Islamophobe-Klima in der Schweiz oder in Europa anheizen. Das ist ja,
00:30:28: es kann ja nicht sein, dass man dann die Augen verschließt davor oder sich nicht mehr traut,
00:30:34: auch auszusprechen, dass es nur ganz wenige mehrheitlich islamische Länder gibt, in denen
00:30:43: Christen volle, völlige Religionsfreiheit und Freiheit zur Ausübung ihres Glaubens bis hin zur
00:30:51: Verbreitung von ihren Glaubensüberzeugungen und Verteilung von Bibeln und so weiter. Also
00:30:57: in vielen islamischen Ländern ist das mit massiven, mit massiven Diskriminierungen oder
00:31:06: Restriktionen verbunden und das, also davon einfach zu schweigen aus Angst, dass Islamophobe-Klima
00:31:14: weiter anzuheizen. Das wäre ja auch falsch. Also, ja, aber das meine ich ja gar nicht. Ich meine nur,
00:31:21: es ist nicht so, dass das hier in unserem demokratischen Rechtsstaat primär die Aufgabe
00:31:28: der christlichen Kirchen ist dazu, was zu sagen, sondern im Regelfall sagt sie, dass gemeinsam
00:31:35: mit anderen Religionsgemeinschaften zusammen die auch für Religionsfreiheit einstehen. Also
00:31:42: ist ja nicht so, dass hier in der Schweiz einfach die christlichen Kirchen die Idee der Religionsfreiheit
00:31:48: gepachtet haben und vertreten, sondern unser ganzer liberaler Rechtsstaat beruht unter anderem
00:31:53: auf dieser Idee und deswegen ist das etwas, das vertreten wird, sowohl von der Politik,
00:32:00: aber auch von den anderen Religionsgemeinschaften in der Schweiz.
00:32:04: Ja, also das ist ja auch eine Errungenschaft. Das sind ja auch Kräfte, die man stärken sollte,
00:32:10: weil ich mir auch irgendwie vielleicht die Erfolgschancen, dass solche Verlautbarungen
00:32:17: irgendwie an den Orten ankommen, an denen sie ankommen sollten, für höhere Einschätze,
00:32:23: wenn nicht nur Christen sie anklagend an islamische Länder oder Vereinigungen richten,
00:32:29: sondern wenn sie quasi von ökumenischen und von auch interreligiösen Börperschaften,
00:32:36: Vertreten werden. Aber ja, also ich finde, man muss sich diesen Dingen stellen und ich finde es
00:32:46: wichtig, dass nicht... Ja, ich finde auch, dass man sich diesen Dingen stellen muss. Oder ich finde
00:32:51: einfach, wir haben im Moment so eine ganz gefährliche Argumentationsfigur, wenn wir über solche Themen
00:32:57: nachdenken. Also wenn wir jetzt den GASA-Konflikt nehmen, oder dann heißt sofort, ja, wegen des
00:33:02: Zweiten Weltkriegs getraut sich gar niemand überhaupt Israel und seine Regierung zu kritisieren.
00:33:09: Was übrigens kompletter Bullshit ist, also Israel ist Regierung wird ständig kritisiert, aber das
00:33:14: ist ja genau auch so ein Narrativ. Und deswegen nehmt ihr im Kauf, dass die ganze Bevölkerung
00:33:21: in GASA abgeschlachtet wird. Das ist ja genau auch so ein Narrativ, wo man sagen müsste,
00:33:25: ah, interessant. Also jetzt sind wir trotzdem nicht die super Woken Islam-Versteherin und
00:33:33: Versteher, sondern jetzt sind wir dann wieder bereit, die zu opfern, weil Israel dann doch
00:33:40: wichtiger ist. Also dort läuft ja die Argumentation genau so. Und ich finde, das ist einfach gefährlich
00:33:46: und auch nicht richtig, dass man immer versucht, hier Gruppen gegeneinander auszuspielen und zu
00:33:53: fragen, wer verdient, wie viel Solidarität durch wen. Und das ist besonders im Fall des
00:33:59: Christentums, ist das keine kluge Idee, weil das Christentum ja nicht, ich sage mal mit
00:34:06: einer Moral aufgetreten ist, die gesagt hat, wir müssen unsere eigene Sippe, unsere eigene
00:34:13: Dorfgemeinschaft, unseren eigenen kleinen Klümmel durch alle Böden hindurch verteidigen,
00:34:19: sondern eine große Leistung des Christentums ist, dass es in religiöser Sprache sehr früh so etwas
00:34:26: wie eine universalistische Ethik formuliert hat. Das bedeutet dann, dass Religionsfreiheit für uns
00:34:32: nicht deswegen einen Wert hat, damit Christinnen und Christen ungestört Gottesdienst feiern können,
00:34:40: sondern es hat deswegen einen Wert, weil wir sagen, es ist etwas, was allen Menschen an allen
00:34:46: Orten zustehen sollen. Und das, was ja dann häufig passiert und diese Stimmung gibt es halt tatsächlich
00:34:52: in der Schweiz ist, dass man sagt, ja gut, dann sollen doch diese Muslime an den Ort zurückgehen,
00:34:57: wo sie herkommen. Wieso geben wir den all diese Freiheiten, die haben wir ja in ihren Ländern auch
00:35:05: nicht. Nein, das ist gerade nicht die christliche Idee, das ist gerade nicht das, was, wenn man diesen
00:35:10: Begriff überhaupt nutzen will im christlichen Abendland gewachsen ist, sondern unsere Idee ist
00:35:15: eine universalistische, dass wir sagen, es ist immer und zu allen Zeiten richtig, dass Menschen ihre
00:35:20: Religion frei ausüben können in den Grenzen, in denen sie andere nicht handicapieren. Also und das
00:35:27: ist natürlich auch eine, ich sage mal, eine Errungenschaft oder ein langer Weg gewesen, bis auch
00:35:32: in christlichen Breitengraden diese Überzeugung sich wenigstens mehrheitlich durchgesetzt hat.
00:35:39: Und ich würde das absolut stark machen jetzt auch aus einer theologischen Warte, weil wir ja auch
00:35:44: ein Podcast sind, der gesellschaftliche Phänomene auch irgendwo kirchlich theologisch einordnen
00:35:51: möchte. Ich finde das gut, wie du das stark gemacht hast. Das kann nicht, das kann nicht die
00:35:58: christliche Argumentation sein, dass man sich irgendwie gegen Begehrlichkeiten muslimischer
00:36:04: Mitbewohner wert oder gegen ihre volle freie Religionsausübung oder ihre Anerkennung als
00:36:11: Religionsgemeinschaft unter Verweis auf die Verfolgung von Christen in islamischen Ländern. Und
00:36:17: dann sagt ja, die sollen jetzt erst einmal in Ägypten und in Marokko und in der Türkei ihre
00:36:23: Hausaufgaben machen, bevor wir ihnen da noch weitere Privilegien einräumen und so. Ich würde
00:36:29: auch sagen, das ist theologisch und christlich, ist das keine stimmige Argumentation. Wir fühlen
00:36:38: uns von unserer, von unserem Glauben an die Menschenliebe Gottes und an die Würde eines
00:36:46: jeden Menschen und auch an die Freiheit eines Menschen, sich und seine Beziehung zu Gott zu
00:36:52: leben. Wir fühlen uns von daher verpflichtet und beauftragt für diese Würde und Freiheit zu
00:37:01: kämpfen in unserem Land, wo wir politischen Einfluss auch haben als Bürgerinnen und Bürger. Und
00:37:07: das muss unabhängig sein davon, wie es unseren Glaubensgeschwistern in islamischen Ländern
00:37:15: oder so geht. Was nicht bedeutet, dass wir nicht auch das Leid von Christen in kommunistischen oder
00:37:25: ehemals kommunistischen oder in islamischen Ländern vor Augen haben und auch anprangern. Das
00:37:31: finde ich wichtig, aber das ist auf einer anderen Ebene. Wir können das da nicht so
00:37:35: verrechnen und sagen ja, bevor die hier in Nigeria nicht erstmal den Christen alle Rechte einräumen,
00:37:43: machen wir hier erstmal gar nichts mit unseren Muslime. Das kann es nicht sein.
00:37:47: Ja, ganz genau. Das finde ich nämlich ein wichtiger Punkt, weil gerade in der Debatte
00:37:53: damals und die Minarettinitiative ging es immer wieder darum, dass man gesagt hat,
00:37:56: ja, wir können ja auch nicht einfach in den Sudan und dort eine Kirche bauen. Was denn,
00:38:03: was da passiert, wenn wir da einen hohen Kirchturm aufbauen? Nein, das ist nicht das christliche
00:38:09: Denken, es ist aber auch nicht das humanistische Denken, es ist nicht das Denken einer liberalen
00:38:14: Demokratie und zu dieser liberalen Demokratie gehören in der Schweiz die Muslime ganz genau so,
00:38:20: wie die Christen, wie die Säkularen, wie alle anderen auch die Teil dieser Staatshilfe. Das wollte
00:38:25: ich einfach als erstes mal gesagt haben. Und ich finde dann den anderen Punkt sehr wichtig,
00:38:32: dass man sagt, ja, das ist jetzt aber nicht eine Dispens davon, sich gegen das Unrecht,
00:38:40: das Christinnen und Christen weltweit passiert aufgrund ihres Glaubens, aufgrund dessen,
00:38:46: dass sie zu ihrem Glauben stehen, sich gegen dieses Unrecht zu wehren und sich für Gerechtigkeit
00:38:52: einzusetzen. Aber, und das ist halt dann der zweite Punkt, wir müssen auch schauen,
00:38:59: was wir damit politisch tun. Also bauen wir einfach den nächsten identitären Marker auf und
00:39:07: sagen quasi, ja, wir gehören zu den Christen und die werden weltweit verfolgt und deswegen ist
00:39:15: das dann quasi eine Identität, die wir haben innerhalb dieses Staates, die verteidigt werden muss,
00:39:22: die uns gegenüber muslimen, gegenüber den woken, gegenüber der sp, gegenüber den Säkularen,
00:39:31: whatever, irgendwie in einer bestimmten Art und Weise auszeichnet. Und ich finde,
00:39:37: man kann sehr gut beobachten, wie schnell liberale Demokratien mit solchen identitären
00:39:43: Momenten kippen können, wenn du daran denkst, wie im Moment Donald Trump Südafrika wahrnimmt. Und dort
00:39:51: von einer Verfolgung weißer Christen spricht, oder? Ja, ja, ja. Also das ist, das ist eine sehr reale
00:39:58: Gefahr einfach und das ist nicht etwas, was man jetzt einfach so als Übersensibilität einfach
00:40:04: so abtun soll. Das finde ich wirklich nicht. Ja, und also darauf müssen wir als nächstes
00:40:08: besprechen kommen, weil das finde ich ganz wichtig und da finde ich, da warten auch einige Einsichten
00:40:13: und Zugeständnisse noch auf und sich will nur kurz noch anfügen zu diesem letzten Punkt,
00:40:19: Stefan. Aber man kann das ja auch, ich meine, du bist Kommunikationsexperte jetzt auch in der EKS.
00:40:26: Man kann solche Dinge ja auch differenziert kommunizieren. Also man muss ja nicht,
00:40:31: man muss ja nicht ein islamophobes Narrativ bestärken, wenn man von der Verfolgung von
00:40:37: Christen in islamischen Ländern spricht. Man kann ja differenzieren, man kann sich sogar
00:40:42: im den Schulterschluss suchen mit islamischen Organisationen in der Schweiz oder anderswo,
00:40:49: die auch die Verfolgung von Christen in islamischen Ländern verurteilen und die auch für Religionsfreiheit
00:40:56: einstehen. Man muss dann einfach sagen genauso wie es das Christentum nicht gibt,
00:41:00: das ist jetzt wirklich ein Allgemeinplatz, gibt es auch den Islam nicht und ich habe ja die letzten
00:41:06: sechs Jahre am Zentrum für islamische Theologie studiert in Münster und eine Arbeit geschrieben
00:41:12: bei Muhannad Korschied, einem der, würde ich sagen, der wichtigsten Islamtheologen im deutschsprachigen
00:41:18: Raum und auch einer der Fürsprecher eines liberalen, demokratiefreundlichen aufgeklärten
00:41:25: Islams und er würde selbstverständlich sagen, er findet die Verfolgung von Christinnen und
00:41:31: Christen in islamischen Ländern ganz schrecklich und absolut verurteilenwürdig. Man muss dann aber
00:41:36: auch sagen, dass der gute Muhannad über Jahre hinweg unter Polizeischutz steht seit Jahren in
00:41:44: Deutschland, weil er inner islamisch, inner muslimisch so massiven Widerstand und Todesdrohungen
00:41:51: und eigentlich ständig in der Gefahr steht, dass er von seinen eigenen, also eigenen in Anführungszeichen
00:41:57: nicht von seinen eigenen und das finde ich aber den ganz entscheidenden Punkt, sorry, aber da
00:42:02: mache ich jetzt ganz kurz so eine Karte, Zeichen wie ich sie sehe. Ich würde sagen, es gibt in der Mitte
00:42:08: gibt es einen ganz großen Teil vernünftiger Kräfte und da gehört Muhannad Korschiede genau so dazu,
00:42:17: wie das normale Theologen und Theologen aus dem Christentum, wie das Menschen, die den liberalen
00:42:27: Rechtsstaat lieben in der Schweiz und in Europa etc. auch tun. Also das ist quasi so ein Common Sense,
00:42:34: wo wir sagen, wir brauchen Religionsfreiheit, wir brauchen Menschenrechte und keine religiöse
00:42:41: Gruppierung, keine religiöse Autorität darf da drüber stehen. Das ist das, was uns alle verbindet.
00:42:47: Da können wir gemeinsam Stellung nehmen dazu. Und dann gibt es, ich sage jetzt mal, am rechten Rand
00:42:52: identitäre Kräfte einerseits aus den Religionen, das kennen wir aber auch aus den Freikirchen oder die
00:43:00: dann auf grundheiliger Schriften und ihrer prophetischen Einsichten etc. eine Gefahr sehen, dass wir hier
00:43:09: quasi in einem apokalyptischen Ausmaß bedroht sind und dass sich hier Endzeit-Szenen abspielen oder
00:43:18: dass politische Macht eine Theokratie etc. angestrebt werden soll. Und wir haben auf der linken Seite
00:43:26: auch wieder ein Irrsinn, wenn man zum Beispiel an diesen Beitrag denkt von Hugo Stamm, der sich über
00:43:32: eine Missionarien lustig gemacht hat, die gegen das Anraten des Edas ein Land besucht hat,
00:43:40: das gefährlich war und da führt, wurde gefoltert, wurde und hingerichtet worden.
00:43:45: Also um das zu präzisieren, er hat nur kurz.
00:43:49: Es ist mir so wichtig zu sagen, wo Howard Cochit ist, nicht auf der anderen Seite, sondern der gehört
00:43:54: genau in diesem Beitrag, wo ich auch dazu gehören möchte.
00:43:57: Gut, also zwei Präzisierungen, also Hugo Stamm hat sich nicht in dem Sinn lustig gemacht, sondern er hat,
00:44:02: da habe ich ja auch öffentlich dann widersprochen, er hat in einer Kolumne gesagt, diese Missionarien,
00:44:07: die in einem islamischen Land gefoltert und hingerichtet wurde, ist Opfer ihres radikalen
00:44:13: Glaubens geworden. Das ist natürlich victim blaming par excellence, auch wenn man den Kopf schüttelt
00:44:21: über die Beharrlichkeit einer Frau gegen alle Empfehlungen in dieses Land noch mal einzureisen
00:44:26: und dort quasi das Christentum verbreiten zu wollen, dann zu sagen, sie wäre Opfer ihres Glaubens geworden
00:44:33: und nicht auszusprechen, dass sie Opfer islamisch radikaler Kräfte geworden sind, die quasi
00:44:39: andersgläubige Foltern und Umbringen, das fand ich einfach eine absolute Unsäglichkeit.
00:44:45: Und die andere Präzisierung, ich habe ja gesagt, Mohamed Cochit wird von seinen eigenen
00:44:51: in Anführungs- und Schlusszeichen Leuten, ich wollte damit sagen von Leuten, die sich auf
00:44:57: dieselben heiligen Schriften berufen, auf denselben Propheten, auf dieselbe religiöse Tradition
00:45:04: berufen und doch von ihm weltanschaulich so weit entfernt sind. Und das würde ich ja jetzt sage
00:45:13: ich mal von irgendwie amerikanischen christlichen Nationalisten auch sagen, die sind von mir so
00:45:17: weit entfernt, dass ich mich Mohamed Cochit wesentlich näher fühle. Also das gefiel ich super, dass du das jetzt präzisehst.
00:45:26: Ja, weil ich würde auch sagen, also jetzt Evangelikale in den USA sind nicht in dem Sinn unsere eigenen
00:45:34: und ich würde auch nicht mal sagen, dass wir dasselbe meinen, wenn wir von der Bibel reden.
00:45:39: Oder dass wir irgendwie dasselbe meinen, wenn wir Gott sagen oder Jesus. Also es hat einfach
00:45:45: für mich das, was da läuft, nichts miteinander zu tun. Aber jetzt verstehe ich, du meinst,
00:45:50: es ist einfach, die beziehen sich quasi auf dasselbe Buch, wenn man so will.
00:45:54: Ja natürlich und die würden alle, würden Uni so nur sagen, wir sind überzeugte gläubige Muslime.
00:46:00: Das ist ja schon eine Gemeinsamkeit, die sich nicht vom Tisch wischen lässt, genauso wie sich nicht vom Tisch wischen lässt,
00:46:07: dass auch der strammste Trumpist sagen würde, ich bin ein gläubiger Christ. Und dann bei näherem Hinsehen merkt man,
00:46:16: oh Gott, wir verstehen so unterschiedliche Dinge darunter, dass unter der, ich sage jetzt mal,
00:46:23: semantischen Gleichheit sich unglaubliche Gräden auftun, die es dann schwer machen überhaupt noch zu sehen,
00:46:33: wo unsere Gemeinsamkeiten liegen. Also das muss man ja...
00:46:37: Ja, und was für mich ist das halt dann so gefährlich quasi zu sagen, wir müssten unsere Stimme erheben?
00:46:44: Weil ich denke so, was könnte das denn sein? Also sollen wir eine Medienmitteilung schreiben, wo wir sagen,
00:46:49: wir verurteilen da, da, da, da, da, da, da, da, da, da. Das ist eine Möglichkeit, das ist ein Instrument, was man hat,
00:46:56: was halt sehr viel häufiger passiert und das passiert halt wirklich ist, dass man mit den Partnergemeinden,
00:47:03: zum Beispiel in Syrien, Engenkontakter, die auch besucht, also es gibt Besuche der EKS dort, vor Ort.
00:47:11: Und wir haben Kontakt zu diesen christlichen Gemeinden und als jetzt einer Regime wechselbar hatte man sofort Kontakt und hat gefragt,
00:47:19: wie geht's euch, was braucht ihr? Aber das sind dann eben nicht die, die sagen, bitte mach Druck damit,
00:47:25: sondern das hilft denen gar nicht, das wäre jetzt in diesem Fall kontraproduktiv gewesen.
00:47:31: Oder was die ÖRK-Delegation Ber-Karabach besuchen wollte, hat also bei Jan Ber-Karabach angegriffen und eingenommen,
00:47:38: die konnten ja nicht mal über die Brücke passieren dort. Und seitdem sind wir dran und für dieses Thema einzusetzen.
00:47:46: Das hat einfach keinen hohen Stellenwert bei den Medien, das muss man ganz klar sehen. Aber jetzt gerade,
00:47:52: während wir sprechen hier, man findet in Bern eine große Konferenz statt, wo es darum geht, wie können wir das armenische Erbe retten
00:48:03: und bewahren. Und da sind Vertreterinnen, Vertreter aus aller Welt und natürlich ganz besonders aus den betroffenen Gebieten vor Ort.
00:48:13: Und man hat das durchaus auf der Agenda. Aber das läuft dann sehr oft nicht einfach markt,
00:48:19: streierisch, indem wir irgendwo eine Demo organisieren, sondern indem wir zunächst mal diesen Menschen zuhören
00:48:25: und fragen, was ist das, was ihr an Hilfe wirklich braucht, was ist das, was wir gemeinsam zusammen mit euch bewegen können.
00:48:32: Ja, also ich könnte es weiter machen oder mit noch vielen anderen Themen.
00:48:38: Zum Beispiel im November findet eine große Tagung in der Schweiz statt, wo es um die Religionsfreiheit geht.
00:48:46: Es ist auch ein Thema, was natürlich sehr viel mit Christenverfolgung zu tun hat.
00:48:52: Es gibt Christian Solidarity International, die das Thema sehr, sehr stark auf der Agenda haben mit der Christenverfolgung.
00:49:01: Das ist eine Vereinigung, die 1977 gegründet worden ist.
00:49:06: Das entstand zum Beispiel aus einem Schweigemarsch, der 1975 durchgeführt worden ist, wo man aber an die Christenverfolgung erinnern wollte.
00:49:16: Und ehrlich gesagt, ich finde, ich kann verstehen, dass die These sexy ist, dass man sagt, ja, ihr seid wo, ihr wollt keinen Fehler machen.
00:49:24: Deswegen lasst ihr eure Glaubensgespiele im Stich.
00:49:27: Wenn man dann schaut, was politisch tatsächlich läuft und wie dieses Thema vertreten wird auf nationaler und internationale Ebene,
00:49:36: also kannst du auch mal die ÖRK-Webseite besuchen und da mal schauen, was alles läuft zu genau diesen Gebieten, wie wir jetzt besprochen haben,
00:49:44: da kannst du bei den Hilfswerken vorbeischauen, also Caritas Hex, Mission 21, DM.
00:49:52: Das ist das überhaupt nicht so, dass man die einfach im Stich lässt und das vergessen hat.
00:49:57: Aber man ist sich einfach dessen bewusst, dass wir nicht der gesellschaftlichen Spaltung, nicht den religiös, radikalen Kräften, den Ideologinnen und Ideologen,
00:50:08: die diese Gesellschaft auch hat, noch mehr Rückenwind verschaffen.
00:50:13: Also ich bin froh auch, um diese Klarstellungen, weil man eben dann sehen kann, da hat der Autor dieses NCC-Articles auch vieles einfach nicht auf dem Schirm,
00:50:24: was tatsächlich läuft, nicht alles im Rampenlicht der medialen Öffentlichkeit,
00:50:30: aber vieles, was von reformierter oder ökumenischer Seite auch läuft, wo man merkt, da ist ein Bewusstsein für die Not von Christinnen und Christen in anderen Ländern durchaus vorhanden.
00:50:44: Ich würde jetzt aber gerne, und ich weiß, wir riskieren in Überlänge zu gehen, aber ich würde es mir nicht verzeihen, wenn ich darauf nicht noch zu sprechen käme.
00:50:53: Ich habe nämlich bei dem Thema Verfolgung schon vor einiger Zeit ein Buch gelesen von Jason Brunner, das hat den Titel "Imagining Persecution,
00:51:03: why American Christians believe there is a global war against their faith".
00:51:08: Und das Buch, das hat mich jetzt noch mal richtig, ist mir noch mal in Erinnerung gekommen in den Vorbereitungen zu dieser Folge.
00:51:15: Und du hast das ja auch schon ein bisschen angetönt, dass es in Christen Kreisen teilweise diese Vorstellung gibt, ja, die Verfolgung des Christentums ist ein Stück weit auch ein Identitätsmarker,
00:51:32: oder ist ein Stück weit auch ein Moment, das uns in unseren Glauben bestärkt.
00:51:38: Und der Autor beuntersucht genau dieses Narrativ am amerikanischen Christentum und er stellt die ziemlich steile These auf,
00:51:51: dass eben, das muss man sagen, das ist auch ein bisschen spezifisch amerikanisch oder US-Evangelikal, dass amerikanische Christen gleichzeitig,
00:52:02: dass eine ganz paradoxe Gleichzeitigkeit gleichzeitig eigentlich politische Macht anstreben und auch erlangen,
00:52:09: großen Einflussgewinnen, enorme Finanzen freisetzen können und gleichzeitig dieses Narrativ pflegen, zu einer verfolgten Minderheit zu gehören
00:52:21: und zu einer Glaubensgemeinschaft, die quasi weltweit gezielt verfolgt wird.
00:52:28: Also da werden diese Geschichten von verfolgten Christen in verschiedenen Ländern zu einem großen Narrativ verknüpft
00:52:37: und das sind natürlich, wie du das vorhin auch erwähnt hast, da sind auch apokalyptische Untertöne mit dabei.
00:52:43: Also da findet quasi ein großer Endkampf statt zwischen Christentum und den anderen Religionen oder Ideologien,
00:52:53: Weltanschauungen, da hoartet sich quasi alles zusammen, um Christen zu niederzuhalten
00:53:02: und dieses Narrativ hat erstauntlichen Rückhalt unter amerikanischen Christen, vor allem amerikanischen Evangelikalen,
00:53:11: obwohl Evangelikale ja kaum, kaum wo, so großen Einfluss und so viele Erfolge zu verzeichnen haben, wie in den USA,
00:53:22: aber die kriegen das irgendwie zusammen und ich wollte das einfach noch einspielen,
00:53:27: weil ich ein Stück weit auch damit aufgewachsen bin, also nicht mit diesem Narrativ per se,
00:53:35: aber ich bin aufgewachsen in meinem Evangelikalen Umfeld mit einer großen Sensibilität für die Verfolgung von Christen weltweit,
00:53:42: da bin ich auch dankbar für, also all das jetzt Nigeria im Speziellen nicht, was der NZZ-Artikel drauf abhebt,
00:53:50: aber all diese Geschichten von verfolgen Christen in kommunistischen Staaten, schon noch zu Zeiten des eisernen Vorhangs,
00:53:59: Verfolgung von Christen in China, in islamischen Ländern, ich bin mit diesen Geschichten aufgewachsen,
00:54:05: ich habe als Jugendlicher Bücher gelesen über Christenverfolgung in China, in Nordkorea,
00:54:12: das ist bis heute Nordkorea belegt den ersten Platz in diesem Verfolgungsindex,
00:54:17: da werden Christen nachweislich auf grausamste Weise verfolgt in Arbeitslagern gehalten, gefoltert, ausgehungert,
00:54:26: ich habe Bücher gelesen, da schläfst du eine Woche nicht mehr, wenn du das verinnerlichst
00:54:32: und ich bin damit aufgewachsen und natürlich war ein bisschen schon auch die Idee damit verbunden,
00:54:40: das sind Christen, die leben uns vor, was es heißt ernsthaft, hingebungsvoll, opferbereit zu glauben
00:54:48: und wir sehen uns ein Stück weit auch mit ihnen vereint, als Hochreligiöse, Evangelikale, rechtgläubige,
00:54:58: biblgläubige Christinnen und auch wenn bei uns noch, der Wind noch nicht so scharf entgegen weht,
00:55:06: hat man sich doch ein Stück weit identifiziert mit dieser verfolgten Christenheit
00:55:12: und das ist spannenderweise in den USA der Fall, wo Christen ja ein gesellschaftliches Einfluss haben,
00:55:20: der eigentlich die Rede von Verfolgung wirklich nicht mehr rechtfertigt.
00:55:24: Ja, ich finde das wirklich ganz interessant auch darüber noch zu sprechen,
00:55:29: weil Brunner ja zeigt, wie leicht reale Verfolgung, die wirklich passiert, dann in ein Narrativ kippen kann,
00:55:39: feststehende Identitäten formt, also wir gegen die anderen, wir sind die Opfer dieser barbarischen anderen,
00:55:49: die uns weltweit verfolgen, die jährlich hunderttausende Christen umbringen
00:55:55: und das ganze geschieht natürlich so aus einer Vogelperspektive, wo man dann ethnische, religiöse, politische Gründe für Verfolgung
00:56:07: vermischt und daraus quasi eine Einheit konstruiert, wo man sagt, wir sind die Verfolgten gegen diese anderen
00:56:15: und was ja Brunner dann durchaus tut, ist sich zu fragen, naja es gibt ja tatsächlich diese biblischen Bezüge,
00:56:23: dass Verfolgung genannt wird, also alle, die vom Leben wollen, in Jesus Christus leiden Verfolgung
00:56:30: oder Selig, die unter Gerechtigkeit will verfolgt werden, ihnen ist es himmelreich etc.
00:56:36: Ja, bergbredig, gell?
00:56:38: Ja, genau, oder wenn euch die Welt hasst, wisst, dass sie mich zuerst gehasst hat,
00:56:43: das sind ja alles starke Elemente, die wir mitwählen, aber Brunner sagt,
00:56:49: ja wir dürfen das jetzt nicht quasi in eine starre Identitätsbildung auflösen,
00:56:55: sondern müssen uns fragen, ja was bedeutet denn Verfolgung heute, also wo erkennen wir heute das Leid Christi in der Welt?
00:57:04: Und da kommt er dann auf eine sehr, sehr viel differenziertere Antwort als diese Melange, die da oft angeboten und politisch instrumentalisiert wird.
00:57:14: Ja, und er weiß natürlich auch darauf hin, dass diese Rede von der Christenverfolgung im Sinne von wir als, ich sage jetzt wieder in seiner Perspektive,
00:57:26: wir als weiße amerikanische Evangelikale, wir gehören zu einer verfolgten Minderheit,
00:57:33: oder wir sind in einem Kulturkampf und in einem endzeitlichen Kampf, in dem man versucht die Stimmen des Christentums zum Verstummen zu bringen
00:57:44: und wir sind diejenigen, die leiden und er sagt, dass dieses Narrativ versperrt auch zum Beispiel den Blick vor Menschen,
00:57:51: die unter dem Christentum in den USA leiden oder vor Menschen innerhalb der Kirchen oder innerhalb der christlichen Bevölkerungsteile,
00:58:02: die vor Queer-Menschen oder sonst Leute, die nicht in dieses auch sehr traditionelle konservative Schema passen,
00:58:11: die leiden unter christlichen Kirchen, ich finde, oder unter christlichen Gemeinschaften und ethischen Wertsetzungen und so.
00:58:21: Er sagt, das wird dann übersehen, weil man sich kollektiv identifiziert mit einer unterdrückten leidenden Minderheit
00:58:29: und es geht halt einfach an vielen Stellen dann nicht auf.
00:58:34: Es ist ein Unterschied, ob man in China oder in Nigeria, im Norden Nigeria als Christ verfolgt ist
00:58:45: oder schlaflose Nächte hat vor Angst, dass irgendwelche islamistischen Milizen eindringen und die ganze Familie abschlachten.
00:58:54: Das ist etwas anderes, als ob man in Europa oder in den USA als Christ lebt und merkt, dass einem bestimmte Privilegien langsam verloren gehen.
00:59:06: Genau.
00:59:07: Also das sind einfach zwei unterschiedliche Ebenen und die sollte man nicht vermischen.
00:59:16: Ich hänge das als Buchempfehlung einfach an, für alle, die sich mal ein bisschen näher mit diesem Phänomen,
00:59:26: nicht nur der Verfolgung, sondern mit diesem Selbstverständnis zu einer verfolgten christlichen Minderheit zu gehören,
00:59:33: auseinandersetzen wollen und mit diesem Narrativ, das nicht nur aber gerade in den USA unter Christen sehr stark ist,
00:59:41: dann würde ich wirklich Bruno sehr, sehr herzlich empfehlen.
00:59:46: Ja, wir gehen auf Überlänge zu, deshalb machen wir hier einen Cut, aber ich hätte da eigentlich sehr gerne noch mehr darüber diskutiert.
00:59:54: Stefan, dir gehört das Amen nach unserer Diskussion.
01:00:05: Ich glaube, dass Christentum ist keine Sippe und keine in sich geschlossene Gruppe,
01:00:11: sondern eine Identität jenseits von politischer Macht und politischer Zugehörigkeit
01:00:18: und darf dafür auch nicht instrumentalisiert werden, sondern soll offen bleiben für jene, die verfolgt werden im Gefängnis, sitzen nackt sind und hunger haben.
01:00:29: Amen.
01:00:31: Stefan, freust du dich auf den Rest der Woche?
01:00:35: Ja, sagen wir mal so, ich bin sehr gespannt auf den Rest der Woche.
01:00:41: Ich habe dir ja schon gesagt, bei uns läuft die Armenienkonferenz, da habe ich alle händevoll zu tun, das ist aber auch wirklich cool,
01:00:48: welche Leute man da trifft, also das ist wirklich ein Line-up von mega interessanten Menschen, die da vor Ort sind
01:00:57: und ich werde mich dann auch auf die Socken machen, in den Kursaal gehen, wo diese Konferenz stattfindet
01:01:05: und da noch möglichst viel Aufsagen und Mitkriegen.
01:01:09: Vielleicht von den Leuten, die du kennst, sind Heinrich Bettfotsch-Trom vor Ort,
01:01:14: natürlich unsere Präsidentin Rita Famos, Karolina Frischkopf, schon abgereist,
01:01:21: aber auch da war seine Heiligkeit Karikim, der Zweite.
01:01:26: Das ist quasi das Oberhaupt der armenischen Kirche, das wir uns in unserer Terminologie beschreiben.
01:01:34: Aber es gibt ganz viele andere, die ich jetzt auch nennen müsste, wenn ich da politisch korrekt sein müsste.
01:01:40: Das versuche ich gar nicht erst, vielleicht aber trotzdem noch Jerry Pilei ist auch hier,
01:01:47: also der Generalsekretär des ÖRKs.
01:01:50: Und das ist, es sind alles Menschen, die sich jetzt gerade in Bern treffen, genau für ein konkretes Thema verfolgt der Christen
01:01:59: und Christen, die im Moment auf unsere Solidarität angewiesen sind, das schon lange sind und die immer, immer wieder vergessen werden.
01:02:07: Ja, ich freue mich auf diese Woche.
01:02:12: Einerseits heute Dienstagabend, also wenn ihr die Folge hört, dann ist das schon vorbei,
01:02:17: aber ist Antrittsvorlesung von Miriam Rose, die auf dem Lehrstuhl für systematische Theologie meinen Doktorvater Reinhard Bernhardt beerbt.
01:02:26: Und ich darf damit dabei sein und freue mich eigentlich sehr, mal wieder so ein bisschen Fakultätsluft zu schnuppern und mit ein paar meiner Professoren anzustoßen.
01:02:36: Und dann am Wochenende hat mein Vater Geburtstag kurz vor dem Vatertag am 1., am 31. hat der Geburtstag.
01:02:44: Und da habe ich gesagt, ich komme zu meinen Eltern und koche ihnen ein Festmal mit Rinsfilet auf Niedergaren und was auch immer mir dann noch einfällt.
01:02:56: Und da freue ich mich richtig drauf, für meine Eltern zu bekochen.
01:02:59: Super, cool.
01:03:01: Ja, das war's für heute.
01:03:03: Es ist wunderbar, dass ihr dran geblieben seid.
01:03:06: Bis jetzt, wir wissen, dass ganz, ganz viele bei dieser Abmoderation schon abschalten, wenn du das noch nicht getan hast, dann gehörst du zu den wenigen, die eine Chance haben, uns eine gute Bewertung zu hinterlassen.
01:03:19: Das hilft mega, damit andere uns auch finden.
01:03:21: Tut das bitte, das wird uns wirklich sehr freuen und sonst gerne was in die Kommentare schreiben oder uns direkt über Social Media oder E-Mail kontaktiert.
01:03:32: Ich hatte ganz gute E-Mail-Konversationen in den letzten beiden Wochen zu unterschiedlichen Themen. Das freut mich sehr.
01:03:39: Ja, wunderbar. Dann hören wir uns nächste Woche wieder, wenn es wieder heißt "aus geglaubt bis dahin alles Gute".
01:03:47: Tschüss.
01:03:48: Tschüss.
01:03:50: Reflepp.
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